Große Worte, kleine Worte. Zwischenrufe. Seufzer. „Ach ja“. Wer redet, teilt sich mit. Und manchmal ist es auch gut, eine Pause zu machen.


Manuskript

Worüber lohnt es sich zu reden? Ja, das kann man schon sagen, wenn man Soziologie studiert, zum Beispiel, da heißt es nämlich dann: „über alles lohnt es sich zu reden“, und über alles bedeutet auch über die Kleinigkeiten des Alltags, die man erlebt hat, die Verspätung verursacht haben, eine Freude hervorgerufen haben, die etwas beschreiben, was man erlebt und gesehen hat. Diese scheinbar einfachen Erzählungen und Beschreibungen sind notwendig, dass man einander dann versteht, auch bei komplexeren Dingen. Das schreibt das Buch über soziologische Paradigmen, das furchtbar interessant ist, weil genau das haben wir ja eigentlich jetzt in den letzten Jahren mit Corona eingeschränkt.

Diese Sozialkontakte, wo man belangloses Miteinander direkt von Auge zu Auge, von Ohr zu Ohr, Mund zu Mund bespricht, aber wir haben sehr wohl dann die wichtigen Dinge uns erzählt den Konferenzen, und wir haben uns dann zunehmend gewundert, warum wir einander nicht mehr verstehen, warum diese Welten so verschieden geworden sind, warum es Trennungen und Gräben gibt. „Offenbar“, sagt das Buch mit soziologischen Theorien, „weil wir eben diese ganz gewöhnlichen Dinge nicht mehr teilen.“

TRENNER

„Wow“, hat die Zahnärztin gesagt, als sie in meinen Mund reingeschaut hat, und diesen Zahn, den Vierer rechts oben gesehen hat, von dessen Problem ich ihr bereits am Telefon erzählt habe. „Wow“, hat sie gesagt, und vorher noch die Dame mit der Mundhygiene, die hat das vorher noch gesehen, die hat gesagt „ui“. Ja, wenn man eh beim Zahnarzt nicht viel erzählen kann, und die Personen, auf die es ankommt, dann „wow“ und „ui“ sagen, weiß man, dass auch diese einfachen und sehr, sehr kurzen Worte sehr bedeutungsvoll sind. Wann sagen Sie zum Beispiel „oh-oh“? Und was machen die anderen dann in Ihrer Umgebung, schauen die zu Ihnen hin, oder gehen sie in Deckung? Mein Hund hört in der ganzen Wohnung die Ausrufe des Entsetzens aus der Küche, wenn etwas hinunterfällt. Wenn ein Ei zum Beispiel auf den Boden klatscht, dieses „bah“, interpretiert er als: „da gibt’s jetzt was mit Sicherheit für mich zu fressen“. – Hat eben erst stattgefunden, soweit kann er gar nicht entfernt sein, dass er das nicht hört. Ja, ja, diese kleinen „Mikro“-geräusche, ich glaube, die haben wir alle evolutionär drauf und wir hören sehr gut, was die anderen damit meinen.

TRENNER

„Ahhh“. Sagte der Mann, an der Ecke beim Supermarkt, nachdem er mit seinen Kindern aus dem Supermarkt rausgekommen ist und in die Leberkässemmel gebissen hat, die er ausgepackt hat. Und er schaute mich an. „Ahhh, dafür leben wir“, sagte er, obwohl wir uns noch nie gesehen hatten. Und wenn man da genau hingeschaut hat, hat er als erstes davon abgebissen von der Leberkässesemmel und danach, hat er den Kindern davon gegeben, hat er sie abbeißen lassen. Und das erinnert uns doch an den Film der Sicherheitsmaßnahmen, oder an diese Vorführung im Flugzeug, wenn die Sauerstoffmaske herunterfällt, dann soll man sie als Erwachsener zuerst selbst aufsetzen, und dann erst den Kindern geben. Dieser erste Biss in die Leberkäsesemmel war echt lebensnotwendig offenbar. Was wissen wir, was er schon an diesem Tag erlebt hat?

Und manchmal lohnt es sich auch zu warten. 


ATMO Bahnübergang Bregenz

Das Warten am Bahnübergang. Schon vor dem Senken des Schrankens kündigt sich diese Zeitspanne an, durch eine Glocke, die verstummen wird, wenn der Schranken die Straße versperrt. Dann wird es still. Man steht da und denkt nach, man weiß, dass nichts in der Welt die kommende Minute verändern würde, verkürzen. Und während man auf diese Weise ruhig wird, kommt bald der Zug. Man sieht die Menschen, man freut sich, dass das Warten nun ein Ende hat. Und wenn er dann hochgeht, geht auch die Zeit wieder weiter.