379. Randnotizen — unterwegs

Wer allein unterwegs ist, braucht sich nicht wirklich viel um andere zu kümmern. Im öffentlichen Verkehr geht das gar nicht, und selbst wenn man auf einem Fluss unterwegs ist – auch dort ist fast unvermeidbar, jemanden zu treffen.


Beitrag (mp3)


Manuskript

SIGNATION

Wieder was erlebt dieser Tage. Steh ich in der U-Bahn in Wien, Linie U1, und höre am linken Ohr: “Wenn du dich einmal selbst verteidigen kannst, darfst du auch alleine fahren”. Es war die Oma, offenbar, die hier mit ihrem Enkelsohn, 8 Jahre, eine Art Einschulung in das U1-Fahren machte. Beide waren mit Daunenjacken verhältnismäßig warm angezogen für einen sommerlichen Tag, aber unter der Erde ist es ja kühl. Wenn du dich einmal selbst verteidigen kannst… Es war schon der erste Teil dieses Satzes, der meine Faszination fand. Und dann kam die Spezialeinschulung auf die U1. “Am schlimmsten”, sagte die Oma, sind die Stationen Praterstern und Schwedenplatz. Meine Kinder haben das bestätigt, fachlich hatte sie also recht. Ich erinnere mich, als ich 14 Jahre alt war, und mich meine Oma das erste Mal nach Wien mitnahm. Da hat sie mir eine 72-Stundenkarte gekauft und mich losgeschickt, ohne Details, und wir haben uns dann im Donauturm auf eine Sachertorte getroffen.

ZWISCHENJINGLE

Und dann der 13A. Immer ein Erlebnis dieser Bus. Für alle, die nicht in Wien zuhause sind, der 13A ist ein Gelenksbus mit vorderem und hinterem Teil. Er durchquert die ganze Stadt innerhalb des Gürtels, vom Hauptbahnhof zur Alserstraße quer durch die Bobo-Bezirke 4-9. Als Mitfahrender kann man sich nach vorne setzen, oder nach hinten, in jedem Fall sind es zwei Schicksalsgemeinschaften, die durch die Fahrt zusammengeschweißt und zusammengehalten werden. Ich also im hinteren Teil dieses Mal. Setze mich hin, der Hund springt mit Beißkorb auf den Schoß, und ich sage “so, jetzt sitz ma” – und alle lächeln. Vermutlich. Über ihren Masken verzogen sich die Augen etwas zu Schlitzen. Und sollte dieser Beitrag in zwanzig Jahren einmal aus dem Archiv geholt werden, wir trugen damals in Wien noch Corona-Schutzmasken, als sie in Restösterreich schon wieder abgeschafft waren. Wir fahren fast schon los, da möchten 10 Oberösterreicher wieder aussteigen, weil sie im Bus der falschen Richtung waren. Das dauerte, bis sie es bemerkten, das dauerte, bis sie es dem Fahrer signalisierten, und er war freundlich und ließ sie wieder raus. Wir lachten, diesmal hörte man es, im hinteren Teil des Busses. Die Gemeinschaft begann sich zu formieren. “Hübsche Nase”, dachte ich mir, hat diese Person gegenüber, und es dauerte ein bisschen, bis es mir dämmerte, warum mir das auffiel. Die Maske bedeckte nur den Mund. Und nicht die Nase. Und wie man so ein bisschen ins Träumen und Überlegen kommt, was das bedeutet, fiel mir ein, dass diese Situation wie bei diesen Internet-Logins ist, wo man seine Menschlichkeit beweisen muss. Zeig, dass du kein Roboter bist, und klicke alle Bilder mit Schornsteinen, oder Zebrastreifen. Oder alle Bilder mit Fahrrädern. Und schon klickte ich im hinteren Teil des 13As alle Mitreisenden durch, ob ich ihre Nase sehen konnte. Bei 3 von 25 hat es Klick gemacht. Ich hatte sie durch, bevor ich dann schon da war, im 6. Bezirk, um mir meine Sonnenbrille zu holen, die ich mir im Brillengeschäft dort ausgesucht habe, am Tag zuvor.

ZWISCHENJINGLE

Die Sonnenbrille brauche ich nämlich fürs Kajakfahren. Kürzlich war ich wieder unterwegs. Auf Thaya und March in Niederösterreich. Eine wunderschöne ruhige Flusstrecke. Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50 schützt zuverlässig vor Sonnenbrand, und man kann damit den ganzen Tag in der Sonne sein. Was man aber nicht heißt, dass man das soll. Denn es gibt immer noch den Sonnenstich, das ist eine andere Geschichte, aber was ich erzählen wollte waren ungefähr 50 Begegnungen mit den Fischern entlang dieser Flüsse. Sie zielen mit ihren Angeln quer über den Fluss und man muss wie im Super-Mario-Computerspiel einmal links unter der Schnur und einmal rechts über der Schnur durchfahren. Je nach Situation. Schnüre, die man kaum sieht, und deshalb deuten die Fischer mit erhobener Hand auf diese fast unsichtbaren Fischer-Leinen und sie rufen “Hallo”. 50 freundliche Begegnungen, weil es in ihrem Interesse ist, dass man sie sieht, und in meinem, dass ich sie sehe. Das, was nach Konflikten “Ende-nie” aussehen könnte, ist definitiv nicht der Fall, 50 nette Grüße, man nickt sich zu, und dankt einander. Fast schon so wie ein bisschen im öffentlichen Verkehr, wenn man sich gut versteht.

372. Worüber lohnt es sich zu reden?

Große Worte, kleine Worte. Zwischenrufe. Seufzer. „Ach ja“. Wer redet, teilt sich mit. Und manchmal ist es auch gut, eine Pause zu machen.


Manuskript

Worüber lohnt es sich zu reden? Ja, das kann man schon sagen, wenn man Soziologie studiert, zum Beispiel, da heißt es nämlich dann: „über alles lohnt es sich zu reden“, und über alles bedeutet auch über die Kleinigkeiten des Alltags, die man erlebt hat, die Verspätung verursacht haben, eine Freude hervorgerufen haben, die etwas beschreiben, was man erlebt und gesehen hat. Diese scheinbar einfachen Erzählungen und Beschreibungen sind notwendig, dass man einander dann versteht, auch bei komplexeren Dingen. Das schreibt das Buch über soziologische Paradigmen, das furchtbar interessant ist, weil genau das haben wir ja eigentlich jetzt in den letzten Jahren mit Corona eingeschränkt.

Diese Sozialkontakte, wo man belangloses Miteinander direkt von Auge zu Auge, von Ohr zu Ohr, Mund zu Mund bespricht, aber wir haben sehr wohl dann die wichtigen Dinge uns erzählt den Konferenzen, und wir haben uns dann zunehmend gewundert, warum wir einander nicht mehr verstehen, warum diese Welten so verschieden geworden sind, warum es Trennungen und Gräben gibt. „Offenbar“, sagt das Buch mit soziologischen Theorien, „weil wir eben diese ganz gewöhnlichen Dinge nicht mehr teilen.“

TRENNER

„Wow“, hat die Zahnärztin gesagt, als sie in meinen Mund reingeschaut hat, und diesen Zahn, den Vierer rechts oben gesehen hat, von dessen Problem ich ihr bereits am Telefon erzählt habe. „Wow“, hat sie gesagt, und vorher noch die Dame mit der Mundhygiene, die hat das vorher noch gesehen, die hat gesagt „ui“. Ja, wenn man eh beim Zahnarzt nicht viel erzählen kann, und die Personen, auf die es ankommt, dann „wow“ und „ui“ sagen, weiß man, dass auch diese einfachen und sehr, sehr kurzen Worte sehr bedeutungsvoll sind. Wann sagen Sie zum Beispiel „oh-oh“? Und was machen die anderen dann in Ihrer Umgebung, schauen die zu Ihnen hin, oder gehen sie in Deckung? Mein Hund hört in der ganzen Wohnung die Ausrufe des Entsetzens aus der Küche, wenn etwas hinunterfällt. Wenn ein Ei zum Beispiel auf den Boden klatscht, dieses „bah“, interpretiert er als: „da gibt's jetzt was mit Sicherheit für mich zu fressen“. – Hat eben erst stattgefunden, soweit kann er gar nicht entfernt sein, dass er das nicht hört. Ja, ja, diese kleinen „Mikro“-geräusche, ich glaube, die haben wir alle evolutionär drauf und wir hören sehr gut, was die anderen damit meinen.

TRENNER

„Ahhh“. Sagte der Mann, an der Ecke beim Supermarkt, nachdem er mit seinen Kindern aus dem Supermarkt rausgekommen ist und in die Leberkässemmel gebissen hat, die er ausgepackt hat. Und er schaute mich an. „Ahhh, dafür leben wir“, sagte er, obwohl wir uns noch nie gesehen hatten. Und wenn man da genau hingeschaut hat, hat er als erstes davon abgebissen von der Leberkässesemmel und danach, hat er den Kindern davon gegeben, hat er sie abbeißen lassen. Und das erinnert uns doch an den Film der Sicherheitsmaßnahmen, oder an diese Vorführung im Flugzeug, wenn die Sauerstoffmaske herunterfällt, dann soll man sie als Erwachsener zuerst selbst aufsetzen, und dann erst den Kindern geben. Dieser erste Biss in die Leberkäsesemmel war echt lebensnotwendig offenbar. Was wissen wir, was er schon an diesem Tag erlebt hat?

Und manchmal lohnt es sich auch zu warten. 


ATMO Bahnübergang Bregenz

Das Warten am Bahnübergang. Schon vor dem Senken des Schrankens kündigt sich diese Zeitspanne an, durch eine Glocke, die verstummen wird, wenn der Schranken die Straße versperrt. Dann wird es still. Man steht da und denkt nach, man weiß, dass nichts in der Welt die kommende Minute verändern würde, verkürzen. Und während man auf diese Weise ruhig wird, kommt bald der Zug. Man sieht die Menschen, man freut sich, dass das Warten nun ein Ende hat. Und wenn er dann hochgeht, geht auch die Zeit wieder weiter.

370. Umrouten

Sanktionen dienen dazu, unerwünschtes Verhalten zu bestrafen, und im Idealfall erwünschtes Verhalten hervorzurufen. Sie kennen das vielleicht vom Internetverbot für Jugendliche und Kinder. Wenn aus irgendeinem Grund ein ganzes Land vom Internet abgeklemmt werden soll, oder sich die Umstände des Datentransits durch dieses Land verändern, dann wird "umgeroutet". Und das ist durchaus normal - so funktioniert das Internet.


Beitrag (mp3)

369. Zeitenwende

Ö1 / Moment - Leben heute - Wort der Woche - Zeitenwende

In seiner Regierungserklärung hat am Sonntag der Deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz von einer "Zeitenwende" gesprochen. Andere Politiker sagten das auch. Zeitungen schreiben es. Europa, ja die ganze Welt, stehe vor einer Zeitenwende.


Manuskript

Signation "Wort der Woche"

Physikalisch ist mit der Zeit ja alles klar. Sie läuft voran. Es gibt keine Umkehr. Keine Wende. Einzelne Zeitpunkte werden durch besondere Ereignisse markiert, und das war's dann auch schon. Für die Historikerin, für den Historiker allerdings, gibt es ein Wort, die Zeitenwende.

OT 1

Das Wort „Zeitenwende“ wird in verschiedenen Kontexten verwendet. Da ist zum einen natürlich die Zeitenwende im Hinblick darauf, dass eine neue Zeitrechnung beginnt, also „vor Christus“, „nach Christus“, das bezeichnet man ja auch als Zeitenwende, oder dass dann Historiker im Nachhinein sagen, „das war ein epochaler Einschnitt“, und die Zeit davor unterscheidet sich qualitativ von der Zeit danach. Man spricht auch von Zeiten, wo sich die Ereignisse überschlagen, wo es eine Beschleunigung gibt, wo etwa in einer Woche so viel passiert wie sonst in einem Jahrzehnt. Und von dem unterscheiden muss man aber, dass Zeitgenossen selbst, dass Menschen, die ein bestimmte Ereignis erlebt haben, das selbst als eine Zeitenwende wahrgenommen haben, nicht erst dann Historiker Jahrhunderte später, sondern dass tatsächlich Zeitgenossinnen und Zeitgenossen eine solche Zeitenwende definieren.

Johannes Preiser-Kapeller, Umwelthistoriker und Byzanzexperte an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Als Historiker, sagt er, kann man erst aus einer gewissen zeitlichen Distanz rückblickend sagen, ob etwas wirklich eine Zeitenwende war.

OT 2

Zehn Jahre ist einmal ein Mindestabstand, auch als Zeitgenosse, wenn man das einigermaßen seriös einordnen möchte. Natürlich sprechen wir auch von Zeitenwenden, die dann Jahrhunderte später als solche definiert wurden. Etwa die Abfolge von Antike und Mittelalter. Das Mittelalter als Zeit haben erst Denker der Renaissance im 14., 15. Jahrhundert definiert, ganz am Ende der Periode, die sie als solche definiert haben. Da sprechen wir von Jahrhunderten, wo man dann solche Zeitenwenden definiert hat. Aber ansonsten muss man schon davon ausgehen, dass es einen Mindestabstand braucht, um überhaupt entscheiden zu können, welches Ereignis hat tatsächlich eine Veränderung herbeigeführt, die sich in der „longue durée“, wie es der große französische Historiker Fernand Braudel genannt hat, die in der langen Dauer eine Wirkung hat.

Auch der Wechsel vom Mittelalter zur Neuzeit. Das erscheint als ein Zeitpunkt, erstreckte sich aber über eine längere Zeit.

OT 3

Das merkt man auch daran, dass auch Historikerinnen und Historiker darüber gestritten haben, wann endet das Mittelalter, beginnt die Neuzeit. Da gibt es sogar Deutungen, die nicht nur vom 15. Jahrhundert ausgehen, da gibt es auch verschiedene Kandidaten, 1453 der Fall Konstantinopels, 1492 die Entdeckung Amerikas, aber zum Beispiel Jacques Le Goff, ein großer französischer Historiker hat für ein Mittelalter bis zum Jahr 1789 plädiert, bis zur französischen Revolution, weil er gesagt hat, erst dann hat sich diese alte Gesellschaftsordnung Europas, die da über 1000 Jahre Bestand hatte, so fundamental verändert.

Und wenn sich an solchen Zeitenwenden viel tut, wird auch viel wahrgenommen, sagt Johannes Preiser-Kapeller, es wird viel erzählt, berichtet, aufgeschrieben. Er nennt ein Beispiel: der Untergang des Römischen Reiches – in der Schule wird das mit dem Jahr 476 gelehrt, der große Einschnitt war aber bereits 410, als Rom von den Westgoten erobert wird.

OT 4

Das ist ein traumatisches Ereignis. Rom ist vorher 800 Jahre lang nie von Feinden besetzt worden. Die Hauptstadt des mächtigen Imperiums wird da jetzt geplündert. Und das wird wahrgenommen, hier hat sich etwas verändert. Und dann ist auf einmal das Sensorium da, vielleicht ist da eine große Krise des Imperiums dahinter und dann werden auch andere Ereignisse in diesen Interpretationsrahmen eingeordnet.

1989, der Fall der Berliner Mauer, 2001, die Terroranschläge vom 11. September. Das sind Zeitenwenden neueren Datums, die sofort den Interpretationsrahmen verändert haben.

OT 5

Der Kampf der Kulturen, die Herausforderung der amerikanischen Supermacht und so weiter. Das sind dann so verschiedene Narrative deswegen entstanden und Dinge dann in diesen Rahmen eingeordnet worden.

Auch geologische Zeitalter erleben ihre Zeitenwenden. Trias Jura, Kreide. Die Grenzen sind in den Ablagerungen sichtbar, und es wird ja derzeit auch diskutiert, ab welcher Zeit das menschliche Leben auf der Erde sich auch in den Ablagerungen wiederfindet. Bei allen Unsicherheiten, die mit Zeitenwenden und der Interpretation der Ereignisse verbunden sind, aus Japan gibt es ein Beispiel, wo Zeitenwenden ganz normaler Teil des Lebens sind, erzählt Johannes Preiser-Kapeller. Mit jedem „Tenno“, mit jedem neuen Kaiser, entsteht auch eine neue Zeitrechnung.

OT 6

Als 2019 Naruhito, der neue Tenno, inthronisiert wurde, wurde auch eine neue Periode definiert mit der Regierungsdevise Reiwa, das heißt, die Schöne Harmonie, und man rechnet jetzt, Jahr 1 von Reiwa, Jahr 2 von Reiwa, das ist eine neue Zeitrechnung, die unter dem neuen Tenno begonnen hat, so wie auch unter seinen Vorgängern. Das heißt, hier ist die Zeitenwende systemisch angelegt und wird dann jeweils aktiviert, wenn es zu einem solchen Wechsel kommt.

ABMODERATION

Zeitenwende, das Wort der Woche, gestaltet von Lothar Bodingbauer.


Beitrag (mp3)

367. Trucker

In der Hauptstadt Kanadas, in Ottawa, und an der kanadisch-us-amerikanischen Grenze haben Lastwagenfahrer, Trucker, das öffentliche Leben lahmgelegt. Aus Protest gegen Corona-Maßnahmen. Ihre schweren Fahrzeuge konnten von der Polizei nur mit Mühe geräumt werden. Kanadas Premierminister Justin Trudeau hat den Notstand ausgerufen. Trucker – das Wort der Woche.

Beitrag (mp3)

Manuskript

SIGNATION „WORT DER WOCHE“

„Truck“ ist eine verkürzte Form des Wortes "truckle", was so viel wie "Rad, Rolle oder Umlenkrolle" bedeutet. Das lateinische Wort "trochlea" bedeutet "Rolle". Das Wort Truck wurde 1774 im Englischen zum ersten Mal schriftlich festgehalten, um ein "Fahrzeug mit Rädern zum Transport schwerer Gegenstände" zu beschreiben. Und im Deutschen wird das Ganze etwas sperrig "Lastkraftwagen" genannt, ein Trucker ist eben ein "Lastkraftwagenfahrer".

ATMO Ausschnitt „Convoy“:

Das sind die neuen Helden Amerikas. Die Giganten der Landstraße. Die riesigen Überlandtransporter. Was früher die Cowboys mit Pferden waren, das sind heute die Männer mit ihren gewaltigen Trucks. Sie sind immer unterwegs, aber sie sind ihre eigenen Herren und haben ihre eigenen Gesetze. Sie können ein Stück ihres Weges mitfahren, in dem Film der Neuen Constantin: „Convoy“.

Das Bild, das wir vom Trucker haben, stammt natürlich aus den USA. Staub, Diesel, freie Straßen, Freunde und Frauen.

ATMO hoch

Ein Action-Film, wie Sie ihn noch nie gesehen haben. Die Geschichte von harten Männern, die ihre Freiheit um jeden Preis verteidigen.

Die Gemeinschaft der Trucker, der Zusammenhalt. All das ist etwas, was im Deutschen durchaus auch im Wort „Fernfahrer“ spürbar ist. Und es gab diesen Zusammenhalt, weil sich die Fernfahrer getroffen haben, an den Grenzen, in den Zollgebieten, als sie warten mussten, bis ihre Waren verzollt wurden. Dieses soziale Leben ist aber mit dem Fallen der Grenzen in Europa weggefallen. Was kam ist das GPS: Das CB-Funkgerät wurde mit einem Handy ergänzt, an dem der Chef sich jederzeit melden kann. Man ist „trackbar“, also verfolgbar geworden. Arbeitszeit und Ruhepausen sind streng geregelt. Die Langstrecke, das Fernfahren, wird heute vor allem von osteuropäischen Fernfahrern übernommen, die wenn sie zu 2. Unterwergs sind, 20 Stunden am Stück eine Kabine von 4 m2 teilen müssen.

OT

Ich bin als Jugendlicher im LKW aufgewachsen. Ich bin viele Ferien mit meinem Onkel als Beifahrer mitgefahren und das Interesse zum Transportunternehmertum, für die Branche, das ist mir wirklich schon als Kind eingeimpft worden.

Günther Reder aus Hörsching. Er ist Obmann des Fachverbands „Güterbeförderung“ in der Wirtschaftskammer Österreich.

OT

Was war das schöne, ja, man hat viel Gegend gesehen, da sind wir quer durch Österreich gefahren. Man ist mit vielen Leuten zusammengekommen, die gewisse Freiheit zwischen den Be- und Entladestellen, ja, das hat ganz einfach Spaß gemacht.

Bei der Statistik Austria weiß man, dass laut Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung im Jahr 2020, also vor 2 Jahren, rund 55.000 Personen als „Fahrer schwerer Lastkraftwagen“ erwerbstätig waren. So viele Menschen, wie in St. Pölten leben. Und die meisten von ihnen sind angestellt.

OT

Also 90% der Transportleistung von österreichischen Unternehmen wird mittlerweile im Inland erbracht. Und wenn man sich das Transportvolumen anschaut: 84% vom Transportvolumen auf der Straße wird also lediglich auf einer Strecke von bis zu 80 km transportiert. Und daraus lässt sich schon ableiten, dass sich unsere Lenker, die Lenker, die auf österreichischen Fahrzeugen sitzen, eher nicht mehr die sind, die wochenlang in Europa unterwegs sind, sondern vorwiegend eben im nationalen Bereich eingesetzt sind oftmals relativ geregelte Arbeitszeiten haben, täglich nach Hause kommen und so weiter.

8000 Fahrerinnen und Fahrer fehlen. Da gibt es vermutlich Gründe.

OT

Ja natürlich, in einem Leben sozusagen auf der Strecke, wo natürlich immer ein bisschen Termindruck ist, wird oftmals das Thema gesunde Ernährung und genügend Bewegung in den Hintergrund verdrängt und da ist sicherlich auch, gerade wenn man auf einem LKW-Parkplatz auf der Autobahn seine Ruhezeit verbringen muss, ist sicherlich sozusagen die Möglichkeit sehr überschaubar, dort entsprechend attraktive Bewegungsräume vorzufinden.

Aber, sagt Günther vom Fachverband für Güterbeförderung…

OT

Der Beruf ist so vielseitig. Es gibt Arbeit für jemanden, der mit wenig Leuten in Kontakt sein will, der fährt vielleicht am besten in einem Nachtschicht-LKW oder in einem Linien-LKW, wo er sein eigener Herr innerhalb des Transportauftrages ist und mit sehr wenigen Leuten kommunizieren muss, und jemand der ein kommunikativer Typ ist, der ist vielleicht eher auf einem Fahrzeug besser untergebracht, in der Direktkundenzustellung, der auf Baustellen zustellt, der vielleicht die Milch von Bauernhöfen abholt und ja, wenn ein LKW-Fahrer innerhalb dieser Breite das gefunden hat, was im liegt, dann gibt es sehr wenige, die nicht positiv über den Beruf berichten können.

 

366. Botanische Illustrationen

366. Botanische Illustrationen

Um eine Pflanze zu zeichnen, muss man sie zuerst verstehen. Sie besteht aus vielen verschiedenen Elementen mit unterschiedlichen Funktionen. Wenn es Blätter gibt, haben sie immer auch eine Struktur. Farben. Ränder. Und Fehlstehlen. Wer Pflanzen "botanisch illustriert" muss die Pflanze dem Original möglichst ähnlich mit Aquarellfarben, Blei- oder Farbstift "klärend" zu Papier bringen. An den Standorten der Botanischen Gärten entwickeln sich oft lokale "Schulen der botanischen Illustration", so auch in Wien.Links zu Programm

Links: https://www.botanische-illustration.at/
https://botanischergarten.univie.ac.at/veranstaltungen/veranstaltungen/botanische-illustration/
http://margaretapertl.com


Manuskript

TEASER OT „MOM Trailer Botanische Illustrationen 2“

Ich habe gleichzeitig 20 verschiedene Pflanzen, die ich illustriere und kann immer nur so lange arbeiten, vor allem wenn es blühende Pflanzen sind, solange diese Pflanze blüht. Und dann muss ich wieder etwas anderes machen. Und dann warte ich ein Jahr lang, bis diese Pflanze wieder blüht.

ANMODERATION

Wie zeichnen Sie eine Pflanze? Eine Blume, eine Blüte? Ein Ringerl in der Mitte, fünf Schlaufen für die Blütenblätter. Den Stängel, und die Blätter? Für den Anfang ist das sicher gut.

TEASER OT „MOM Trailer Botanische Illustrationen 3“

Wenn ich mit der Illustration beginne, beginne ich zuerst mit einer Bleistiftzeichnung auf einem dicken 300g Papier. Und die Bleistiftzeichnung soll so aussehen, dass sie unsichtbar ist. Da geht es darum, dass man entspannt arbeitet. In dem Moment, wo man versucht, unbedingt eine gerade Linie zu machen, gelingt es eher nicht.

MODERATION FORTSETZUNG

Wer aber wissenschaftlich illustrieren möchte, muss die Pflanze, die portraitiert werden soll, zuerst verstehen. Lothar Bodingbauer hat Menschen getroffen, die ganz genau hinsehen. Botanische Illustrationen, und wie sie entstehen.

**** BEITRAG **** 10:07 min ***

ATMO Schraffieren

Hier entsteht das Bild eines Blattes … in grau … mit Bleistift wird es schraffiert … und radiert wird auch.

OT Pertl

Ist ganz wichtig. Ich radiere bei allen Skizzen. Ich radiere und zeichne drüber, radiere …

Das ist Margareta Pertl …

OT Pertl

Ich radiere nie auf Aquarellpapier. Wenn ich da die Oberfläche verletzte, kann es sein, dass mir die Aquarellfarbe zerrinnt, oder dass sie einen anderen Farbton bekommt.

Margareta Pertl ist Botanische Illustratorin im botanischen Garten der Universität Wien. Sie hat dort beim Eingang neben dem Glashaus in einem kleinen Ziegelgebäude ein kleines Kämmerlein. Es riecht nach frischer Erde, nach Farbe. Die Sonne scheint beim Fenster herein, wird reflektiert am Haus gegenüber und es gibt Tageslichtlampen für ganz besonders helles Licht.

ATMO Spitzen

Und es gibt viele, viele Zeichnungen von Pflanzen, an der Wand, in Ablagen, in Büchern, in Mappen.

ATMO Blättern

OT Pertl

Ich habe Kunst studiert und ich beschäftige mich seit ca. 20, 25 Jahren mit der botanischen Illustration. Mit der wissenschaftlichen botanischen Illustration. Eine Pflanze wird zerlegt, sie wird ganz genau angeschaut, in ihren einzelnen Teilen gezeichnet. Und da kommt es jetzt natürlich darauf an, wie gut Sie zeichnen können, aber das ist nicht das Wesentliche. Das Wesentliche ist, dass Sie sich damit beschäftigen und auseinandersetzen und erkennen, wie schauen die Staubgefäße aus, wie schauen die einzelnen Blütenblätter aus. Das ist ja nicht nur ein Ringerl. Sondern das hat eine Struktur. Und das lernt man kennen. Und das lernt man dann zu übersetzen auf ein Papier als Zeichnung.

Und es kommt dabei nicht darauf an, sagt Margareta Pertl, dass das Ganze vielleicht schneller ginge, wenn man es fotografiert. Es ist ein wenig wie beim Aktzeichnen.

OT Pertl

Auch ein Akt, oder ein Gesicht, oder ein Teil des Körpers hat ein System. Und dieses System muss man mal erfahren und dann kann man es zeichnen.

OT Wilfling

Und ein Punkt ist wirklich diese Qualität des Beobachtens.

Alois Wilfling, er ist nebenbei auch Experte für alte Obstsorten, er ist aber vor allem hauptberuflich, und das hat er lange gelernt, botanischer Illustrator. Er lebt in der Steiermark.

OT Wilfling

Wenn wir heute im Arbeitsalltag unterwegs sind, dann haben wir jede zweite Sekunde ein neues Bild und hier, ist die botanische Illustration sozusagen ein bisschen eine Gegenwelt. Botanische Illustration ist Meditation im reinsten Sinne, weil ich fünf oder zehn Stunden sitze, und konzentriert, aber doch entspannt bei einer Sache bleibe. Und wenn ich einen Tag oder zwei Tage vor einer Pflanze sitze, dann eröffnet sich diese Pflanze mir gegenüber. Das heißt, ich beginne Dinge zu sehen, die ich in
zwei Sekunden sowieso nicht, aber auch in fünf Minuten oder in einer halben Stunde nicht sehe. Und wenn ich nach zwei Tagen diese Pflanze verlasse, dann kenne ich sie ganz anders als jeder andere, ja.

Aber da gibt es noch die Frage mit dem Fotografieren. Könnte ein Foto nicht alles besser darstellen, egal ob man es im Wesen erfasst oder nicht. Nein, sagt Alois Wilfing.

OT Wilfling

Wenn man versucht zum Beispiel einen Apfelbaum darzustellen, der zugleich blüht und fruchtet, dann wird man sie mit dem Foto recht schwertun. De facto ist es so, dass wir für wissenschaftliche Zwecke nicht eine Pflanze zeichnen, sondern vielleicht die gleiche Pflanze, 50- oder 100-mal zeichnen, und dann daraus einen Idealtypus machen. Das heißt, wir analysieren die Pflanze in der ersten Phase. Sie wird zerlegt, sozusagen, und ich zeichne von mir aus jetzt auf einem Ast eines Apfelbaumes, eine Blüte, eine Knospe, eine junge Frucht, eine ältere Frucht, das Blatt von unten, das Blatt von oben und
setze das dann, also zuerst diese Analyse, ich analysiere die Pflanze und setze es dann in der Synthese wieder zusammen und ordne alles an, sodass ich alle Merkmale auf einer idealtypischen Zeichnung sehe. Das kann einfach durch die Fotografie nicht gewährleistet werden.

OT Pertl mit ATMO

Ich mache jetzt hier grad ein Birkenblatt, das vergrößert ist, und zwar vierfach vergrößert, und da muss man schon ganz genau schauen, wo sind die Hauptvenen, wo sind die kleinen Adern. Wie ist das System?

Und man könnte jetzt glauben auf Entfernung, dass Fehlstellen, irgendwelche Flecken am Blatt, dezent übermalt werden, so tun, als ob da gar nichts wäre. Nein, sagt Margareta Pertl. Im Gegenteil.

OT Pertl

Das ist dann abwechslungsreich, also so wie hier sieht man, dass die Spitzen des Herbstblattes sind schon ein bisschen brauner und hier sieht man, wie sich das Blatt von grün zu Gold und Dunkelbraun verfärbt.

OT Wilfling

Für Pflanzen ist es auch sehr typisch, dass sie gewisse Parasiten draufhaben, gewisse Schäden haben und die sind manchmal durchaus Erkennungsmerkmale und solche Dinge werden auch mit dargestellt.

ATMO Zeichnen

Bei der wissenschaftlichen botanischen Illustration müssen auch die Härchen stimmen. Jedes Härchen im Idealfall, denn es sind Bestimmungsmerkmale, die Arten unterscheiden.

OT Pertl

Und man muss es klärend darstellen. Das heißt, wenn ein Teil verdeckt ist und man's nicht sieht, dann hat das ja gar keinen Sinn zu illustrieren, weil dann sieht man's nicht. Also man muss das dann so drehen, dass man alle Teile, die wichtig sind zur Bestimmung der Pflanze, dass man die sieht. Und das Foto, das ich auch mache, das dient nur sozusagen der Dokumentation.

OT Wilfling

Pflanzendarstellungen findet man in steinzeitlichen Höhlen genauso wie Tierdarstellungen. Die sind meistens aber deutlich bekannter dann, ja und ob das jetzt aus irgendwelchen kultischen Zwecken, mystischen Zwecken gewesen ist oder mit der Zeit dann natürlich aus gesundheitlichen Zwecken, weil man die Pflanzen als Heilpflanzen genutzt hat…

Und mit dem genaueren Blick auf die Natur, sagt Alois Wilfling, ist auch die wissenschaftliche Illustration entstanden. Gleichzeitig mit der Entwicklung der Wissenschaft und der Entdeckung neuer Kontinente auf den Forschungsreisen. Vor 250 Jahren zum Beispiel, da wurde Australien entdeckt.

OT Pertl

Man hatte so sehr viel Pflanzenmaterial mitgenommen. Das hat meistens sehr gelitten
und bei diesen Expeditionen waren ja immer wissenschaftliche Zeichner mit. Es waren immer Landschaftszeichner mit und meine großen Vorbilder, die Brüder Bauer, der Ferdinand Bauer, der ja nach Australien gegangen ist, der hatte dort die australische Flora illustriert und ist auch dort viel mehr bekanntes. Bei uns musste ich dazu sagen, der hat Zeichnungen angefertigt, die sind jetzt zum großen Teil bei uns im naturhistorischen Museum, und in jedes Teilchen hat er eine Nummer hineingeschrieben. Und diese Nummer hat mit seiner Farbskala korrespondiert. Der hat über, ich glaube, über tausend oder 2000 verschiedene Farben gehabt mit einer Nummer. Und hier dann hat er das ausgemalt.

OT Wilfling

Das Erste, was ich natürlich mache, ich gebe diese Pflanze ins Wasser, damit sie frisch bleibt. In der Nacht kommt sie in den Kühlschrank und, wenn man zeichnet, dann ist es ganz wichtig, dass ich nicht um die Pflanze rundherum schaue, oder rundherum gehe, sondern ich muss sie von einem Punkt aus zeichnen. Das heißt, auch die Pflanze wird fixiert, dass sie immer in der gleichen Position ist und auch das Licht wird fixiert, ja. Das heißt, ich habe aus der genau gleichen Position die Beleuchtung, damit ich einfach bei der Illustration dann wirklich Licht und Schatten konstant vorhanden habe.

Was hier Alois Wilfling nicht erzählt hat, ist, dass er den Bauchnabel, seinen Bauchnabel am Tisch markiert. Dort setzt er sich dann immer genau hin, wenn er wieder seine Arbeit an der Zeichnung aufnimmt, damit die Perspektive, seine Sicht auf die Pflanze, die Gleiche bleibt. Und unwillkürlich hält der Illustrator oft bei seiner Arbeit dann auch die Luft an.

OT Wilfling

Eine frühe Freundin von mir, die hat immer gesagt, „atme, atme, atme“, weil sie es gehört hat, ja, dass man so lange nicht atmet und man selbst merkt das aber überhaupt nicht.

ATMO Schraffieren

OT Pertl

Also ich messe hier alles ab. Jede Zacke, jede Stängellänge, jede Distanz von der Knospe zum Blatt wird auch eingetragen in meinen Skizzen. Das hier ist ein Proportionalzirkel. Stechzirkel. Da kann ich zum Beispiel hier die Größe abnehmen und wenn ich jetzt diesen Teil hier dreimal vergrößert haben will, das ist zum Beispiel hier bei diesem Birkenblatt. Da sieht man, das ist ein Zentimeter. Das ist viermal vergrößert. Das heißt, ich nehme alle Maße vom Blatt ab und übertrage sie auf meine Skizze.

An den Standorten der botanischen Gärten entstehen meist auch sogenannte „Schulen der botanischen Illustration“, erzählt Margareta Pertl, in denen man in Kursen die Illustration handwerklich lernen kann, und wofür auch immer man die Produkte dann verwendet
ob man sie mit Passe-Partout im Rahmen an die Wand hängt, für Bestimmungsbücher verwendet, oder vielleicht für Etiketten auf Mineralwasserflaschen für Wasser mit Geschmack, Zitrone, Orange oder Himbeere, die großen Kunstwerke, die Aquarelle, die Originale, werden nur mit vorgehaltener Hand besprochen, sagt Alois Wilfling.

OT Wilfling

Wenn man Originale anschaut, dann ist es nicht erlaubt, daneben zu sprechen. Unweigerlich spuckt man, ja und das könnte die Originale sofort beschädigen. Das heißt, man geht ein, zwei Meter weg und spricht von den Werken weg, und im Normalfall hält man sich sogar dann noch die Hand vor, ja. Und daneben wird nur betrachtet, aber nicht gesprochen.

ABMODERATION

Ein Beitrag von Lothar Bodingbauer.

Die Ausstellung „Botanische Illustrationen“ ist im Botanischen Garten der Universität Wien am Wiener Rennweg noch bis Ende Mai zu sehen. Die „Wiener Schule der botanischen Illustration“ veranstaltet dort für seine Mitglieder regelmäßige Treffen zum Austausch, zur Naturbeobachtung und zum gemeinsamen Zeichnen.

359. Entgegnungen

Ö1 Moment - Leben heute am 30.08.2021: Randnotizen



Manuskript

Einmoderationsvorschlag: Lothar Bodingbauer hat sich nun Entgegnungen, Beleidigungen und Gefühle näher angesehen.

SIGNATION "Randnotizen"

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht mit den Emojis, mit diesen kleinen Symbolen, die man an Kurznachrichten anhängen kann, um seine Gefühle zu zeigen. Ich finde sie gut. Ich schreibe etwas, und kann dann noch in der Feinabstimmung ein wenig sagen, ob das Ganze ironisch gemeint war, mit einem zwinkernden Smiley. Oder ganz und gar freundlich und erfreut geschrieben von mir, mit einem lachenden Smiley. Es gibt Zielscheiben, damit weiß man, oder kann dann zeigen, dass man den Punkt getroffen haben möchte, oder es gibt vielleicht eine Medaille, usw. und so fort.

Warum finde ich das gut? Weil es einfach abgegangen ist, seine Gefühle zu zeigen, bei Nachrichten. Ich komme aus einer Familie, wo der Großvater Nationalsozialist war, und als Nazi hat er zumindest in meiner Erziehung nie Gefühle gezeigt, oder ausgesprochen, und deswegen finde ich es sehr wohltuend, wenn man es kann. Ich frage mich dann oft, wenn ich diese Hinterlassenschaften meines Großvaters sehe, diese Zettel, die er geschrieben hat, oder Tagebucheinträge, welche Smileys, oder welche Emojis hätte er verwendet. Was wären das für Gefühle gewesen, die zu diesen Inhalten, zu dieser Kriegszeit gepasst hätten. Und – ja, da fällt mir nichts dazu ein.

TRENNER

Aber: Es gibt ja vor den Emojis, vor den Smileys noch etwas anderes, und diese Elemente finden wir in unserer Sprache nach wie vor. Es sind die Entgegnungen. Wenn jemand etwas sagt. Dann antwortet man nicht unbedingt mit Inhalt, also weiteren Erzählungen, weiteren Beschreibungen, sondern man entgegnet oft mit einem Wort zum Beispiel. Einem Satz, einem kurzen. Der eigentlich nur eine Kontaktaufnahme ist und eigentlich ein gesprochenes Emoji.

Stell dir vor. Na geh. Bist du deppert. Wirklich? Echt? Nein, sowas. Oida. Was du nicht sagst. Ach so. Natürlich. Geil, cool, wie cool ist das denn, sicher, oh, wow, siehste. Eindeutig. Ich weiß genau, was du meinst.

Diese Entgegnungen kann man in jedem Gespräch hören, wenn man sich darauf konzentriert, und wer sie nicht hat, wirkt dumm.

Also ich zum Beispiel, in Spanisch. Ich lerne gerade Spanisch und habe diese Entgegnungen noch nicht drauf, und wenn sich die Leute unterhalten, dann schaue ich sie an, wenn sie was sagen, und kann eigentlich nichts darauf sagen. Das heißt, ich glaube, dass es wirklich günstig ist, diese Entgegnungen in einer Sprache wirklich schnell zu lernen. Und ich denke da an Schülerinnen und Schüler in einer Schule aus einer anderen Sprachherkunft kommen und ihre Lehrerinnen und Lehrer anschauen. Und sie wirken, ja, wenn sie diese Entgegnungen noch nicht gelernt haben … Sie wissen was ich meine. Und das ist ein Missverständnis. Eindeutig. Ich weiß genau, was du meinst.

TRENNER

Schimpfwörter, dafür gibt es eigentlich auch keine Emojis. Arschloch. Wie würde man das grafisch bebildern. Wir haben uns vor kurzem, mit Freunden, darüber unterhalten, warum eigentlich "du Sau" etwas Schlimmes ist. Und wir konnten es eigentlich vom Wesen her, vom Objekt, vom Schwein nicht ableiten. Oder eben beim Arschloch. Der Arsch, also ja, gut, die Sprache, der Hintern, und ein Loch. Beides für sich eigentlich nicht wirklich problematisch. Was wäre dann bei besagtem Schimpfwort schlecht? Am Abend ist es mir aber eingefallen. Es ist nicht das, was beschrieben wird, sondern das was vor sich geht, der Prozess. Was kommt denn durch das genannte Schimpfwort durch. Und wir sollten das nicht weiter ausführen. Aber das ist das Beleidigende an diesem Wort, der Prozess. Und der wird halt ignoriert. Den sieht man nicht bei einer Abbildung, bei einem Wort. Also diese Dinge, die passieren.

Und wenn wir in den letzten Jahren gelernt haben, mit Emojis, mit diesen grafischen Symbolen von Gefühlen umzugehen, wäre es dann noch interessant, das Mitgefühl auch zu beschreiben. Wenn man genau sucht in dieser Liste der grafischen Symbole, die bereits vorgeschlagen werden, gibt es bereits eins, das ist ein Smiley, und Arme, und diese Arme umarmen ein Herz. Man fühlt sich gedrückt. kein Zustand ein Prozess, ein Vorgang. Und Mitgefühl ist etwas, was wir ja in diesen Tagen wirklich brauchen. Also: fühlen Sie sich als Hörerinnen und Hörer hier mal gedrückt.

357. Rasen, Wiesen, Gstettn

357. Rasen, Wiesen, Gstettn

ORF Radio Österreich 1 | 18.07.2021 | Moment am Sonntag

Sattes Grün in vielen Schattierungen

Bekanntlich ist das Gras in Nachbars Garten immer grüner. Deshalb wird der Rasen gepflegt wie sonst kaum ein Stück Natur. Als Ideal gilt seit dem 18. Jahrhundert der sattgrüne, akkurat gestutzte "englische Rasen". Wer ohne Mähen und Bewässern zum Rasenteppich kommen möchte, holt sich einen Plastik-Rasen in den Vorgarten. Wenn das Grün allerdings als Blumenwiese daherkommt, ist das oft Anlass für Unstimmigkeiten in der Nachbarschaft. Viele dieser "Gstettn" sind allerdings gewollt: die Stadt Wien etwa lässt bewusst manche Verkehrsinseln ungemäht, um die Pflanzen- und Insektenvielfalt zu fördern. Über private Grünflächen aller Art.

Gestaltung: Bea Sommersguter und Lothar Bodingbauer