ORF Radio Österreich 1 ab 2. Dezember 2024 | 08:55–09:00 Uhr Montag-Freitag “Vom Leben der Natur”
Kugeln und Spiralen | Ablagerungen am Meeresboden | Nur die Harten kommen durch | Fenster in die Vergangenheit | Schlamm im Labor
Weltweit gibt es etwa 60.000 Arten dieser Gruppe von Einzellern. Sie sind von Natur aus klein – etwa einen halben Millimeter groß, aber große Arten können mit einer einzigen Zelle bis zu 20 Zentimeter groß werden. Diese Größe erreichen sie durch den Bau einer Kalkschale mit vielen Kammern, die durch Fenster miteinander verbunden sind.
Die Tochtergenerationen besitzen nach der Teilung der Mutterzelle zunächst nur eine Kammer. Im Laufe ihres Wachstums bilden sie neue Kammern. Die Verbindung, die Öffnungen, die Löcher geben den Foraminiferen auch ihren Namen – Foraminferen bedeutet aus dem Lateinischen übersetzt “Lochträger”.
Fossile Foraminiferen erlauben einen Blick in die Vergangenheit. Für den Bau ihrer Schalen wird Wasser verwendet, dessen Signatur heute analysiert werden kann und Rückschlüsse auf die klimatischen Bedingungen vor vielen Millionen Jahren zulassen.
Foraminiferen kommen auch im Süßwasser vor, allerdings meist ohne Schale, was ihre Untersuchung erschwert – sie zerfallen nach ihrem Tod recht bald.
Viele Foraminiferen waren Spezialisten für einen ganz bestimmten Lebensraum. Sie starben aus, wenn sich dieser Lebensraum veränderte. Die Generalisten unter ihnen überlebten diese Veränderungen, um sich im weiteren Verlauf der Evolution erneut zu spezialisieren – und wieder auszusterben. Ein Kreislauf.
Protisten sind kleine Lebewesen, die nur aus einer Zelle bestehen und einen Zellkern haben. Sie leben im Wasser, in der Erde und auch im Inneren anderer Organismen. Diese Einzeller sind weder Tier noch Pflanze, sondern stellen einen eigenen großen Teil im Baum des Lebens dar. Sie spielen eine wichtige Rolle im Nahrungsnetz, da bestimmte Arten auch Bakterien fressen und zum Abbau von organischem Material beitragen.
Die Protisten sind sehr unterschiedlich und haben viele verschiedene Formen und Lebensweisen. Manche von ihnen bewegen sich mit winzigen Härchen oder bilden Scheinfüße, um sich fortzubewegen oder Nahrung aufzunehmen, während andere wie kleine Pflanzen durch Licht Energie gewinnen. Ihre Erforschung gibt uns Einblicke in die Entwicklung des Lebens und die Vielfalt der Natur. Die Bestimmung ihrer genauen Art und Verwandtschaft ist allerdings oft schwierig, weil es manchmal nur wenige äußerliche Merkmale gibt, an denen man sie unterscheiden kann. So spielen auch genetische Untersuchungen eine wichtige Rolle, um mehr über sie zu erfahren und neue Arten zu entdecken.
Ein besonderes Interesse gilt auch den “Tintinnen”, einer Gruppe von Protisten, die im Meer leben und auffällige, kelchförmige Schutzhüllen bilden. Die Forscherinnen und Forscher versuchen herauszufinden, wie diese Lebewesen während der Zellteilung ihre Schutzhüllen herstellen.
GESPRÄCHSPARTNERIN: Univ.-Prof.in Dr.in Sabine Agatha Paris Lodron Universität Salzburg Leiterin AG Protistologie
Der Gärtnermeister Anton Sieder führt durch die Orchideensammlung des Botanischen Gartens der Universität Wien.
Auch in Österreich gibt es Orchideen, etwa 50 Arten, die am Boden wachsen. In den Tropen gibt es mehrere Tausend Arten. Sie gedeihen in den tropischen Wäldern meist auf den Bäumen selbst als Epiphyten (Aufsitzerpflanzen). So können sie näher am notwendigen Licht sein. Als Epiphyten beziehen sie ihre Nährstoffe und Wasser aus der Luft.
Besonders die einprägsamen Blüten machen exotische Orchideen zu bekannten Zimmerpflanzen. Bekannt ist auch Vanille, eine Orchideenart mit charakteristischem Duft und Geschmack des Inhalts der Samenschoten.
Die Vielfalt der evolutionären Strategien von Orchideen, Bestäuber anzulocken und Speicherorgane für Nährstoffe zu entwickeln, ist für Spezialist:innen immer wieder überraschend. Längst sind nicht alle Orchideenarten bekannt.
Die Evolutionsbotanikerin Agnes Dellinger spricht diese Woche über die Strategien von Pflanzen unserer Breiten, um lebend über den Winter zu kommen.
Kein behagliches Leben
Die Höhe macht den Unterschied
Arrangement mit dem Frost
Veränderte Umstände
Pflanzen betreiben Photosynthese. Sie brauchen Licht, Wasser und Nährstoffe, die sie über den Boden erhalten. Bei diesen Umweltbedingungen gibt es jahreszeitliche Wechsel: die Länge des Tageslichts ändert sich, die Temperatur, das Wasser im Boden gefriert. Was sich mit den Änderungen arrangieren kann, überlebt, was an das Klima der Region nicht angepasst ist, erfriert oder vertrocknet.
Zwei große Strategien gibt es: einerseits die Höhe oder Tiefe von der Erdoberfläche, Bäume, Büsche, kleine Rosetten, Blumenzwiebel, die im Boden überdauern. Anderseits können die Zellstrukturen verändert werden, Wasser reduziert und Zucker eingelagert werden, sodass kein Schaden entsteht, wenn es gefriert.
Die Eiszeiten haben bis vor 10.000 Jahren immer wieder arktische Pflanzen in unsere Breiten gebracht, die auch wieder verschwunden sind. Dazu war relativ viel Zeit, die Pflanzen konnten sich anpassen. Die Klimaänderungen heute erfolgen nun aber zu schnell, sodass das Ökosystem durch geänderte Umweltbedingungen durcheinandergebracht wird.
Interviewpartnerin:
Ass.-Prof. Agnes Dellinger, BSc MSc PhD Universität Wien Department für Botanik und Biodiversitätsforschung Rennweg 14 1030 Wien
Gedanken aus der Ferne zum österreichischen Nationalfeiertag.
Lothar Bodingbauer ist freier Radiojournalist, Sie kennen ihn vielleicht als Gestalter für die Sendreihe "Vom Leben der Natur"; er ist aber auch Mathematiklehrer, und er unterrichtet derzeit an der Österreichischen Schule in Guatemala City.
Grüne Bänder quer durch Österreich: Der Landschaftsarchitekt Roland Grillmayer vom Umweltbundesamt spricht über die Vernetzung von Lebensräumen für Wildtiere durch begrünte Brücken und geschützte Korridore.
Der Geologe Michael Strasser spricht über Expeditionen in die Tiefen des Meeres vor Japan, um die Entstehung von Erdbeben zu verstehen. Link zur Sendung.
Der Japangraben ist ein Tiefseegraben vor der Nordostküste Japans. In 8 km Tiefe taucht dort die pazifische Erdplatte unter Japan ab. Dieser Vorgang ist immer wieder von Erdbeben begleitet, die sich in ihrer Stärke (Magnitude) und Häufigkeit unterscheiden. Es geht um das Verständnis von Großerdbeben, das sind Seebeben, die Tsunamis auslösen können. Geolog:innen möchten verstehen, wie es zu diesen kommt, wie häufig es sie gibt, an welchen Orten der Welt es sie gibt.
Der Japangraben eignet sich besonders für Erdbebenforschung, weil dort 2011 das letzte Megabeben stattgefunden hat. Es wurden vorher, während des Bebens und nachher Messungen vorgenommen, und die Ergebnisse haben gezeigt, dass viele beobachtete Phänomene noch nicht umfassend gedeutet werden können. Bei Expeditionen werden Bohrkerne der Sedimente (Ablagerungen) gewonnen, die dann analysiert werden. Durch diese Ablagerungen baut sich ein Archiv auf, die Analysen "blättern" in diesem "Geschichtsbuch" zurück.
"Wenn man die Meere verstehen will, muss man die Berge erforschen", sagt Michael Strasser vom Institut für Geologie der Universität Innsbruck. Die Forschungsergebnisse der Untersuchungen im Japangraben eignen sich auch dafür, um geologische Vorgänge in unseren Breiten, in unseren Bergen zu verstehen, da viele dieser Berge ehemaliger Meeresgrund waren.
Der Zoologe Robert Hofrichter leitet das Mare Mundi-Institut auf der Insel Krk in Kroatien. Er spricht über Umweltbildung und Meeresschutz. Link zum Ö1 Programm.
Auch wenn das Meer von Österreich aus gesehen weit weg ist, ist es nicht unbedeutend. Wesentliche Wetter- und Klimaphänomene hängen von der Wechselwirkung Land-Meer ab. Ohne Meere gäbe es kein Klima, keine Meeresströmungen, die Windsysteme wären völlig anders.
Meere bedecken 70% der Erde. Das Meer ist der größte zusammenhängende Lebensraum auf dem Planeten Erde. Es ist ein Kontinuum: Wer etwa an der kroatischen Küste ans Meer steigt, könnte mit dem Schiff bis an den Nord- oder Südpol fahren.
Das Mittelmeer ist ein besonderes Meer, weil es ohne die Wasserzufuhr aus dem Atlantischen Ozean durch die Straße von Gibraltar verdunsten würde. Geringere Anteile von neuem Wasser kommen auch über das Schwarze Meer ins Mittelmeer. Mit diesen angrenzenden Meeren steht auch die Biodiversität in des Mittelmeeres Verbindung.
Der Ökologe Thomas Dirnböck spricht über den Zöbelboden, eine Forschungsfläche des Umweltbundesamts im Nationalpark Kalkalpen. Im Bergmischwald, es geht um die Untersuchung von Stoffflüssen. Die Vorgänge hier sind typisch für abgelegene Gebiete in den nördlichen Kalkalpen: Das Gelände liegt sehr abgelegen, es ist still.
Wer allein unterwegs ist, braucht sich nicht wirklich viel um andere zu kümmern. Im öffentlichen Verkehr geht das gar nicht, und selbst wenn man auf einem Fluss unterwegs ist - auch dort ist fast unvermeidbar, jemanden zu treffen.
Wieder was erlebt dieser Tage. Steh ich in der U-Bahn in Wien, Linie U1, und höre am linken Ohr: "Wenn du dich einmal selbst verteidigen kannst, darfst du auch alleine fahren". Es war die Oma, offenbar, die hier mit ihrem Enkelsohn, 8 Jahre, eine Art Einschulung in das U1-Fahren machte. Beide waren mit Daunenjacken verhältnismäßig warm angezogen für einen sommerlichen Tag, aber unter der Erde ist es ja kühl. Wenn du dich einmal selbst verteidigen kannst… Es war schon der erste Teil dieses Satzes, der meine Faszination fand. Und dann kam die Spezialeinschulung auf die U1. "Am schlimmsten", sagte die Oma, sind die Stationen Praterstern und Schwedenplatz. Meine Kinder haben das bestätigt, fachlich hatte sie also recht. Ich erinnere mich, als ich 14 Jahre alt war, und mich meine Oma das erste Mal nach Wien mitnahm. Da hat sie mir eine 72-Stundenkarte gekauft und mich losgeschickt, ohne Details, und wir haben uns dann im Donauturm auf eine Sachertorte getroffen.
ZWISCHENJINGLE
Und dann der 13A. Immer ein Erlebnis dieser Bus. Für alle, die nicht in Wien zuhause sind, der 13A ist ein Gelenksbus mit vorderem und hinterem Teil. Er durchquert die ganze Stadt innerhalb des Gürtels, vom Hauptbahnhof zur Alserstraße quer durch die Bobo-Bezirke 4-9. Als Mitfahrender kann man sich nach vorne setzen, oder nach hinten, in jedem Fall sind es zwei Schicksalsgemeinschaften, die durch die Fahrt zusammengeschweißt und zusammengehalten werden. Ich also im hinteren Teil dieses Mal. Setze mich hin, der Hund springt mit Beißkorb auf den Schoß, und ich sage "so, jetzt sitz ma" - und alle lächeln. Vermutlich. Über ihren Masken verzogen sich die Augen etwas zu Schlitzen. Und sollte dieser Beitrag in zwanzig Jahren einmal aus dem Archiv geholt werden, wir trugen damals in Wien noch Corona-Schutzmasken, als sie in Restösterreich schon wieder abgeschafft waren. Wir fahren fast schon los, da möchten 10 Oberösterreicher wieder aussteigen, weil sie im Bus der falschen Richtung waren. Das dauerte, bis sie es bemerkten, das dauerte, bis sie es dem Fahrer signalisierten, und er war freundlich und ließ sie wieder raus. Wir lachten, diesmal hörte man es, im hinteren Teil des Busses. Die Gemeinschaft begann sich zu formieren. "Hübsche Nase", dachte ich mir, hat diese Person gegenüber, und es dauerte ein bisschen, bis es mir dämmerte, warum mir das auffiel. Die Maske bedeckte nur den Mund. Und nicht die Nase. Und wie man so ein bisschen ins Träumen und Überlegen kommt, was das bedeutet, fiel mir ein, dass diese Situation wie bei diesen Internet-Logins ist, wo man seine Menschlichkeit beweisen muss. Zeig, dass du kein Roboter bist, und klicke alle Bilder mit Schornsteinen, oder Zebrastreifen. Oder alle Bilder mit Fahrrädern. Und schon klickte ich im hinteren Teil des 13As alle Mitreisenden durch, ob ich ihre Nase sehen konnte. Bei 3 von 25 hat es Klick gemacht. Ich hatte sie durch, bevor ich dann schon da war, im 6. Bezirk, um mir meine Sonnenbrille zu holen, die ich mir im Brillengeschäft dort ausgesucht habe, am Tag zuvor.
ZWISCHENJINGLE
Die Sonnenbrille brauche ich nämlich fürs Kajakfahren. Kürzlich war ich wieder unterwegs. Auf Thaya und March in Niederösterreich. Eine wunderschöne ruhige Flusstrecke. Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50 schützt zuverlässig vor Sonnenbrand, und man kann damit den ganzen Tag in der Sonne sein. Was man aber nicht heißt, dass man das soll. Denn es gibt immer noch den Sonnenstich, das ist eine andere Geschichte, aber was ich erzählen wollte waren ungefähr 50 Begegnungen mit den Fischern entlang dieser Flüsse. Sie zielen mit ihren Angeln quer über den Fluss und man muss wie im Super-Mario-Computerspiel einmal links unter der Schnur und einmal rechts über der Schnur durchfahren. Je nach Situation. Schnüre, die man kaum sieht, und deshalb deuten die Fischer mit erhobener Hand auf diese fast unsichtbaren Fischer-Leinen und sie rufen "Hallo". 50 freundliche Begegnungen, weil es in ihrem Interesse ist, dass man sie sieht, und in meinem, dass ich sie sehe. Das, was nach Konflikten "Ende-nie" aussehen könnte, ist definitiv nicht der Fall, 50 nette Grüße, man nickt sich zu, und dankt einander. Fast schon so wie ein bisschen im öffentlichen Verkehr, wenn man sich gut versteht.