“Neue Autorität”: Gewählte Macht im Blumenbeet

Ellbogenarbeit, Bullying. Ist nicht cool. Nur mit Regeln kann dem Einhalt geboten werden. Mit Autorität, die sich nicht vom Schulhof zurückgezogen hat, um ihn jenen zu überlassen, die Regeln mit Körperkraft und reiner Macht bestimmen. Autorität, die sich um alle kümmert. Nach gemeinsam ausgehandelten Regeln. Das braucht Worte, und nicht Kraft.

Buchtipp: “Neue Autorität” heißt ein Konzept, das von Haim Omer in einem Buch vorgestellt hat, und das ich ganz bemerkenswert fand. Sichtbar zu sein, zu sagen “wir sind hier, damit alle lernen können”, anstatt sich zurückzuziehen, das fand ich passend.

Wie geht das mit der VWA

Wie geht das mit der VWA

Die Vorwissenschaftliche Arbeit (VWA) ist Teil der Österreichischen Reifeprüfung. Damit das ein bisschen netter wird, habe ich auf meiner Physikseite drüben ein paar flotte Sachen zusammengetragen. Bitte hier entlang: https://www.phyx.at/vwa/

Wikipedia und Schule im Jahr 2020

Ich höre immer wieder mal von Schüler:innen, dass sie in der Schule von Wikipedia gewarnt werden. Besonders im Bereich der Vorwissenschaftlichen Arbeit (VWA) als Teil der österreichischen Reifeprüfung sollen Schüler:innen mit Quellen von Wissen kompetent umgehen. Wikipedia ist böse. Oder zumindest nicht offen und zugegeben verwendbar.

Es scheint so, dass Positionen von Lehrer:innen aus der ersten Zeit von Wikipedia stammen und aktualisiert werden können. Hilfreich ist dazu, selbst einen Wikipedia-Artikel zu schreiben, oder auch nur zu bearbeiten, um die aktuellen Mechanismen kennenzulernen, um zu sehen, dass nicht “irgendetwas” in die Enzyklopädie aufgenommen wird. Klar, es muss nicht alles stimmen, was in der Wikipedia steht. Aber: es kann eben nicht jeder alles schreiben. Hat ein Autor keinen Ruf erarbeitet, müssen seine Änderungen oder Artikel erst “gesichtet” werden. Jede Behauptung in einem Wikipedia-Artikel braucht einen Beleg – sonst wird es im Artikel gekennzeichnet. Gelöscht wird da durchaus schnell. Es gibt umfassende Diskussionen über die Relevanz von Artikeln – alles hinter den Kulissen und sichtbar für jene, die selbst mitschreiben.

Natürlich wird eine tiefergehende Beschäftigung mit dem Thema nicht im Überblicksartikel bleiben und vielleicht zu den Quellen des Wikipedia-Artikels, der Belege, führen. Aber als Angabe der Basisliteratur zu wohl allen denkbaren Themen ist der Wikipedia-Artikel meines Erachtens sehr gut geeignet. Er gibt einen Überblick, wurde von mehreren Menschen verfasst, wird ständig aktualisiert, und die Mechanismen der Inhaltserstellungen sind transparent. Selbstverständlich sollte man den zugehörigen Wikipedia-Artikel zum Thema vor der Einreichung einer VWA gelesen haben, des Überblicks wegen – und somit ist es in Ordnung für mich, ihn auch als Basisliteratur anzugeben.

Das, was Wikipedia von Lehrer:innen vorgeworfen wird, offen zu sein, um es als Argument zu verwenden, Wikipedia nicht zu verwenden, könnte heute im Jahr 2020 eigentlich umgekehrt gehandhabt werden. Gerade weil sie offen ist, und die Vorgänge dahinter transparent sind, sollte sie verwendet werden. Das ist bei anderen enzyklopädischen Standardwerken nicht unbedingt der Fall. Fehler wird es auch dort geben, nur sind die Vorgänge dahinter nicht transparent. — Lothar Bodingbauer, VWA-Betreuung am Abendgymnasium Wien.

Übrigens: wenn es sich um Lehrbuchwissen handelt, brauchen Quellen nicht angegeben zu werden. Man muss also nicht immer und unbedingt dazusagen, dass man sein Wissen aus der Wikipedia hat. Empfehlenswert ist in jedem Fall, vor allem Lesen sich über ein Thema selbst Gedanken zu machen, was man weiß, was man erwartet, um dann genauer nachzulesen. Und selbstverständlich sollte man den Wikipedia-Artikel zu jedem Thema gelesen haben, mit dem man sich irgendwo im (halb-)öffentlichen Raum beschäftigt, bevor man loslegt.

Gedanken zum Mathematikunterricht

Gedanken zum Mathematikunterricht

Verbesserungen in Mathematik

Dieser Text entstand durch ein Anonymes PAD, an dem alle mitschreiben konnten, die wollten.

Beobachtungen:

  1. Schularbeiten und Ergebnisse:
    1. Oft ist die Stoffangabe unklar. Was soll gelernt werden, was soll gekonnt werden.
    2. Die Anzahl an Nicht genügend bei den Schularbeiten ist riesig.
  2. Unterricht vor Ort:
    1. Unterricht beschränkt sich oft auf das Vorrechnen von Beispielen.
    2. Fragend-entwickelnder Unterricht funktioniert bei den “neuen Beispielen” nicht mehr als Standardmethode.
    3. Lehrer wissen auch oft nicht, wo sie anfangen sollen.
    4. Anwesenheiten (Schule für junge Erwachsene): oft kommt jemand nur jedes zweite Mal. Das geht nicht.
    5. Viele Schüler:innen wollen nicht reden.
    6. Viele Schüler:innen können nicht reden.
  3. Lernen:
    1. Schlechte Schüler wissen nicht, wo sie anfangen sollen.
    2. Viele SuS fangen oft sehr spät/kurzfristig zum Lernen an.
    3. Einige SuS lernen nicht, sondern lesen nur oberflächlich ohne zu reflektieren.​​​​​​​

Vorschläge:

  1. Klare Listen für jedes Semester, was man können muss. Mit Übungsbeispielen aus den Büchern. (Anmerkung: <– dazu gibt es doch den Lehrplan und die Kompetenzen <– Antwort: Wir können jeden Punkt daraus so zur Schularbeit geben, dass ihn niemand beantworten kann, und es ist aus Sicht der Studierenden sehr oft unklar, wo sie anfangen sollen, nachzulernen, auf welcher Ebene; „grün unterlegte Beispiele“ aus Büchern helfen, aber wenn dann trotzdem etwas anderes kommt, gibt es Probleme. Ich muss mich als Lehrer verlässlich & vorhersagbar daran halten)
  2. Onlinekurse leicht zugänglich, wie der für 1. Semester mit Sprachtraining: https://www.phyx.at/mathematik/m1/
  3. Maßnahmen, dass Schüler:innen selbst die Lehrer:innenrolle übernehmen.
  4. Mathe-Partys. Mathe Clubs. Auch die Guten brauchen Motivation. Gibt es Erfahrungen?
  5. Erfolgsgeschichten ein, zwei mal pro Semester, vorgestellt
  6. Meine eigenen “Versuche” im Unterricht (BHS):
    • Wöchentlich wird durch kleine schriftliche Wiederholungen (eine Aufgabe) das zuvor Gelernte “abgeprüft” und somit bekommen die SuS Rückmeldung, was sie z.B. falsch verstanden haben.
    • Die SuS müssen selbst über besprochene Stoffgebiete Zusammenfassungen schreiben (klassische Zusammenfassung, Mindmap, Video drehen, Folder, selber Fragen erstellen (Kahoot)…)
    • SuS viel selber rechnen lassen, ev. eine Musterlösung bereit stellen (geht mit Aufgabenpool recht gut) –> SuS haben dann die Möglichkeit, nicht vor allen anderen Leuten, sondern die Lerperson persönlich Fragen zu stellen
    • Lernvideos einsetzen, bzw. “Flipped Classroom” – falls möglich

Erste Hilfe:

  1. Fragen an Studierende: Was ist das Problem?
  2. Wie teilst du dir deine Lernzeit ein?
  3. Wie gehst du vor, wenn du nicht mehr weiter weißt?
  4. Mehoden besprechen, wie Hilfe geholt werden kann. Mit welchen Sätzen.
  5. Worte- und Vokabeltraining. Es ist gar nicht klar, ob nicht jemand das Wort “Gelände” mit “Geländer” verwechselt.

Weitere Gedanken:

  1. Was tun, mit Leuten, die nichts können?
  2. Die Studierenden lernen zu wenig.
  3. Sie können mit Fehlern nicht adäquat umgehen.
  4. Sie haben ihre Unterlagen nicht geordnet.
  5. Positive Bestärkung wirkt immer noch am besten.
  6. Rückmeldungen über Lernerfolg / Misserfolge werden oft fatalistisch gesehen.
  7. Stress ist unfassbar kontraproduktiv in Mathe – aber viele beginnen nicht zu lernen ohne Stress.
  8. Verantwortungen sind zu trennen: wer muss wofür Verantwortung übernehmen?
  9. Wir müssen mehr voneinander wissen, es geht nicht mehr, dass wir isoliert unser Ding machen.
  10. Wenn von 20 Handystunden pro Woche nur 5 Stunden zur Mathematik wandern, wäre das Problem gelöst.
  11. Es gibt viele Insel-Initiativen. Was fehlt, sind große Stimmungen und Trends. Fairs/Konferenzen zum Austausch.
  12. Viele Maßnahmen führen dazu, dass die Lehrer immer besser werden, nicht die Schüler.
  13. Alles ist unüberschaubar.
  14. Schnittstellen Abendschule – Tagesschulen. Wer kommt wann warum.

Guter Link: Simon Singh, Parallel

Kommentar zur neuen Mathematikmatura

“Es ist ein Problem der Kommunikation.”

Gedanken zur Reifeprüfung Mathematik

Die zentrale Reifeprüfung in Mathematik hat inhaltlich keine Probleme. Die Beispiele sind schön, passend, interessant und im Schwierigkeitsgrad angemessen. Die schlechten Ergebnisse zeigen Eines: wie gut die Kommunikation nicht funktioniert. Bisher konnte jedes Probleme durch passende Angaben gelöst werden. Das ist nun nicht mehr so.

Das Problem der schlechten Leistungen der neuen Reifeprüfung in Mathematik wird überstürzt auf die fehlende sprachliche Kompetenz der Schüler:innen geschoben. Das greift zu kurz.

Die gesamte schlechte Kommunikation fliegt auf.

1) Innerhalb der Fachgruppe. Wie gut reden die Lehrer:innen miteinander.

2) Innerhalb den Schüler:innen. Wie gut reden die Schüler:innen miteinander.

3) Zwischen Lehrer:innen und Schüler:innen.

4) Zwischen Eltern und Schüler:innen.

5) Zwischen Bifie und Lehrer:innen, zwischen Schulaufsicht und Lehrer:innen, zwischen Direktion und Lehrer:innen.

Ich wiederhole: bisher wurden Probleme auf allen fünf Ebenen in Mathematik gelöst, in dem die zur Gesamtsituation passenden Angaben gegeben wurden.

Die Beispiele der zentralen Reifeprüfung können nun nur gelöst werden, wenn deren Inhalte von den Schüler:innen verstanden wurden. Das geht nicht mehr alleine (“ich lerne das zuhause”), das geht durch Kommunikation (“wir reden über Mathematik”). Können Lehrer:innen genügend Gesprächssituationen im Unterricht schaffen? Können Sie diese Situationen plausibel machen? Können Sie Schwächen im kommunikativen Bereich verbessern?

Wollen die Schüler:innen mit Lehrer:innen über die Inhalte sprechen? Wollen sie miteinander reden, um offene Fragen und ihr Lernen zu diskutieren? Wie gelingt es den Eltern, mit ihren Kindern über Mathematik zu reden. Können sie es überhaupt? Wie lange tun sie es schon – die Oberstufe dauert 4 Jahre. Kommunikation kann nicht im letzten Moment gelernt werden.

Lehrer:innen weisen schon in der 5. Klasse die Schuld den Schüler:innen zu, sie müssten besser, mehr lernen. Das greift zu kurz.

Es geht um den problematischen Umgang mit Modalverben in Österreich: Können die Schüler:innen reden? Verstehen sie die Sprache? Worüber wollen sie reden? Verstehen sie den Sinn des Redens? Worüber dürfen sie reden? Sind Fehler diskutierbar, Teil der Kultur, oder führen sie zu Minus, Punktabzug, schlechtem Image und Noten? Wie müssen sie reden? Und ja, wie müssten sie es tun.

Es geht um Autoritätsgläubigkeit, Hörigkeit, Unterdrückung, Gewalt. Das fliegt auf, bei der Mathematikmatura. Weil sie vollständiges Denken, vollständige Menschen braucht. Jene Leute, die diese Art der Matura in Österreich eingeführt haben, haben Großes geleistet. Aber jetzt wird durch die schlechten Ergebnisse sichtbar, was wir alles nicht haben:

Wir verstehen die Gestaltung von Prozessen noch zu wenig, wir denken noch immer in Zuständen. Leistung wird als Zustand gedacht. Leistung ist ein Prozess, Kommunikation ist ein Prozess.

Die folgenden fünf Vorschläge sind im wesentlichen: Verbesserung der Kommunikation.

Vorschlag 1: Achtsamkeit als Thema.

1) Wie sprechen die Ebenen miteinander.

2) Wozu sprechen sie miteinander.

3) Wie können Schüler:innen einen wertschätzenden Umgang in ihrer Kommunikation mit sich selbst beim Mathelernen entwickeln.

Vorschlag 2: Förderung der Kommunikation.

Sie findet zwischen Menschen statt, um sie zu verbinden. Was können Lehrer:innen dazu beitragen? Wie verständlich ist das Bifie, das Ministerium, der Schulrat? Es braucht hier Experten der Wissensvermittlung. Profis. Warmherzige Menschen.

Vorschlag 3: Verbesserung der Bildungssprache.

“Typ 1”-Aufgaben und “Typ 2″-Aufgaben sind schreckliche Wörter. Das Können, das Wissen; können, wissen. Die Frage, fragen. Das sind schöne Wörter. Damit können wir arbeiten. Es braucht hier Experten der Sprachgestaltung. Profis. Warmherzige Menschen.

Vorschlag 4: Konzentration auf Prozesse.

Sprechkontakte schaffen. Sprechgelegenheiten schaffen. Die gesprochene Sprache der geschriebenen Sprache mehr Gewicht geben. Dem Zuhören. Dem Entwickeln. Bei Geschriebenem entwickelt sich nichts. Geschriebenes diente in Österreich zu oft der Verlautbarung. Beim Reden passiert das Gute.

Vorschlag 5: Tafeln abmontieren. Dann können Lehrer:innen nicht mehr vorne stehen und predigen. Individualisierung. Die neuronalen Netze können die Schüler:innen im Bereich der Mathematik nur durch Selbsttätigkeit knüpfen. Sonst: alles was Spaß macht. Podcasten etwa. (Aus dem Abendgymnasium z.B. das „Schulgespräch”: http://schug.sprechkontakt.at)

Zeit gibt es genug. Inhaltlich ist mathematisch alles möglich, die Inhalte sind zeitgemäß. Die Verbesserung steckt im “wie”. Im “miteinander”.

Ich müsste meine Gedanken eigentlich im Gespräch erzählt haben, weil ich auch mein Gegenüber hören wollte.

(Lothar Bodingbauer, Abendgymnasium Wien, https://www.sprechkontakt.at)

#reifeprüfung #mathematik #schule #kommentar

Fakt oder Meinung?

Ich habe mir das näher angeschaut. Fakt oder Meinung?

Vielen Menschen fällt es schwer, Fakten von Meinung zu unterscheiden. Das ist aber wichtig. Besonders in Zeitung, Radio und Fernsehen sollten Fakten und Meinungen nicht vermischt werden. Wo ist da der Unterschied?

Fakt: Eine Tatsache. Etwas Messbares. Eine Beschreibung von einem Zustand. Eine Beschreibung von einem Prozess. Der Übermittelnde halt es für wahr. Es gibt eine objektive Begründung. Es kann überprüft/demonstriert/gezeigt werden. Ein Faktum ist also etwas Allgemeines. Oft erkennbar durch hat/ist/sind/können in der Einleitung, oder der Phrase “es ist bekannt, dass…”, allerdings nicht jede dieser Einleitung bringt dann ein Fakt. Wenn es als Fakt erkannt wird, meinen Menschen oft, dass das Fakt damit auch genau (richtig) ist. Wenn fälschlicherweise als Meinung bezeichnet, dann stimmen diese Menschen üblicherweise dieser Meinung nicht zu (s. Link). Englisch: factual statement.

Beispiel:

  • Die Banane ist gelb. Sie hat braune Punkte.
  • Viele Lokale sind rauchfrei.
  • Katzen können auf Bäume klettern.

Meinung: Eine Bewertung. Eine Einschätzung. Eine Interpretation. Eine Beschreibung von einem Gefühl. Eine Beschreibung von einer Stimmung. Der Übermittelnde halt sie für wahr. Die Begründung dazu ist aber nicht objektiv. Eine Meinung ist also etwas Persönliches. Oft erkennbar durch: sollen/müssen/dürfen in der Einleitung, oder Eigenschaftswörter (groß/bester/vernachlässigbar/immer), oder der Phrase “Meiner Meinung nach…”. Wenn sie als Meinung erkannt wird, wissen Menschen im allgemeinen, dass sie zustimmen können, aber nicht müssen (s. Link). Selbst Expertenmeinungen sind keine Fakten. Englisch: belief, opinion statement (Stellungnahme).

Beispiele:

  • Die Banane schmeckt ausgezeichnet. Sie ist reif.
  • Es sollte ein Rauchverbot in Lokalen geben.
  • Katzen müssen auf Bäume klettern.

Ist der Folgende Absatz Fakt oder Meinung?

Bevor man eine Meinung hat, braucht man idealerweise Fakten. Man sollte sich also erst ein Bildung von der Situation machen, bevor man eine Meinung dazu formuliert. Eine Meinung kann sich aber durchaus nur auf andere Meinungen stützen. Dann ist es halt keine eigene Meinung.

Weiterführender Link: http://www.journalism.org/2018/06/18/distinguishing-between-factual-and-opinion-statements-in-the-news/

Dazu zwei Interviews von CBC Radio One (As it Happens), in denen jeweils der andere Standpunkt eingenommen wird. Zwei 8 min. Interviews für jede Journalismusschulung. Link zur Zusammenstellung.

Weiterführende Fragen:

  1. Wer hat Interesse daran, dass Fakten von Meinungen beim Formulieren getrennt werden? Die Senderseite.
  2. Wer hat Interesse daran, dass Fakten von Meinungen beim Hören und Verstehen getrennt werden? Die Empfängerseite.
  3. Was bedeutet Glaubwürdigkeit?
  4. Was bedeutet “hinterfragen” bzw. “kritisch denken”?
15 mal gut gelehrt

15 mal gut gelehrt

(Foto: Schachzimmer an einem Gymnasium in Perm, Russland)

Es gibt einige Situationen, an die man sich rückwirkend gerne erinnert. Man hat selbst etwas sehr gut gelernt. Warum? Es wurde gut gelehrt.

1. Die Volksschullehrerin gab mir immer wieder Zetteln mit vielen Additionen großer Zahlen. Das machte mir Spaß, ich habe sie nach diesen Aufgaben gefragt, und sie machte sich auch die Mühe, die Ergebnisse zu kontrollieren.

2. Im Geografieunterricht des Gymnasiums lernten wir über Russland und ich konnte meine Erfahrungen vom Radiohören auf der Kurzwelle mit einbringen. Ein Feature über das Störfischen an der Wolga in Astrachan – man hörte die Möwen kreischen und roch das Wasser – das brachte ich in den Unterricht mit und wir hörten es gemeinsam an. Anschließend fragte ich den russischen Konsul in Salzburg, ob er unsere Schule besuchen würde, was er mit einem Begleiter auch wirklich tat. Wir schenkten ihm Brot und fragten ihn, warum so viele Leute in der Sowjetunion Alkohol tränken.

3. Im Seminar an der Universität erarbeitete der Didaktikprofessor aus Deutschland mit unserer Gruppe von vier Physikstudent/innen die Gesetze des Magnetpendels. Er führte uns einen Lernweg entlang, den wir selbst gingen, der von ihm stammte, und der das Arbeiten in der Gruppe als Stärke beinhaltete.

4. Im anderen Seminar an der Universität stellte der andere Didaktikprofessor uns viele Fragen zur Physik vor, die wir in der Gruppe bearbeiten sollten. Die Fragen waren großartig, weil es erstmals nicht die Antworten waren, die das Bedeutsame daran waren. Hier sind die Fragen: PDF Fragen zur Physik

5. Ein Lichtblick während der Studienzeit: das Didaktikseminar, gehalten von einem Waldorflehrer. Seine Sicht, und die “Waldorfsicht” auf die Natur war als Ergänzung wun-der-bar.

6. Ohne Lehrer erinnere ich mich gerne an das Arbeiten mit Kakteen und Kakteensamen. Das Wissen eignete ich mir aus Bücher an, und durch die Arbeit selbst. Ich wurde ohne anwesenden Lehrer, sehr wohl aber durch Lehrer in Büchern, zum Experten. Das selbe passierte mit dem SHARP Taschenrechner 1402, der in Basic programmierbar war. Durch das Programmieren entdeckte ich den Maschinencode, die Ansteuerung der einzelnen Pixel durch den Binärcode und es war ein schönes Werkzeug zum Entdecken verborgener Logik.

7. Während eines Sprachkurses in Cambridge erfuhrt ich, wie fein es ist, wenn eine Lehrerin individuell das Lernprogramm mit dir selbst abstimmt. Sie diagnostizierte in den ersten Tagen meinen Stand in Englisch, erforschte meine Interessen und gab mir dann ganz gezielt ein Buch und einige Kapitel daraus, die zu mir, meinem Können und meinen Interessen passten. Es war schön, von dort aus das Können weiter zu entwickeln. Weil es möglich war.

8. Viele Dinge habe ich durch Vereinsabende gelernt: Der Fotoclub wurde von lokalen Männern und Frauen betrieben. Sie sahen sich gemeinsam Fotos an und besprachen sie. Einige Vereinsabende haben wir selbst gemacht, in dem wir Expert/innen eingeladen haben, über ein Thema aus der Natur zu sprechen.

9. Im Volkshochschulkurs zum Radiojournalismus waren die Besten des Senders vertreten. Sie kriegten sich über Kleinigkeiten in die Haare, so sehr, dass sie sich anschrieen und einen roten Kopf bekamen. Über die Frage, ob man einen Interviewausschnitt im Mittagsjournal spielen soll, oder nicht, weil er schlecht aufgenommen war. Das gefiel mir. Die Expertise mit Emotion, angewendet ans Detail – vor großem Hintergrund. Und es waren keine Pädagogen, die das machten, aber Lehrer.

10. Praxisfeld Radiojournalismus bei Roland Machatschke. Eine Vorlesung mit Übung, die ich gerne besuchte, weil er uns aus der damals wunderbaren Weltwoche ganzseitige Interviews gab, von Alexander Solschenizyn zum Beispiel. Ausschnitte daraus sollten wir zu Radiobeiträgen umarbeiten. Wir lernten zu erkennen, “was wichtig ist”. Die Hausübungen wurden korrigiert und mit Anmerkungen versehen. Zusätzlich haben wir viel gehört und besprochen – auf die Fragestellung hin “ob es Sinn ergibt, was wir da hören”.

11. Hundeschule – neue Art: 10 Hunde, 10 Menschen, 10 Hunde-Menschen-Pärchen. Die Trainerin sagt, sie sieht sich den Zustand jedes Pärchens beim Kommen an. Dauert den Bruchteil einer Sekunde. Aber sie sieht den Zustand. Heterogene Gruppen, der Dackel ist neu mit seinem Mensch, der Windhund Paul kann schon alles. Belohnung, wenn der Dackel nur in die richtige Richtung schaut. Wenn etwas nicht klappt, wird das Niveau – für den Dackel – gesenkt. Und wieder erhöht. Hohes Niveau beim Windhund. Wer alles kann, bleibt weg und kommt dann weiter im Kurs 2 für Fortgeschrittene. Diagnostischer Blick der Trainerin ist unverzichtbar. Großartiges Lernen. (Hundezentrum Wien)

12. Fragen können. Jemanden, der sich auskennt. Unerreicht. Meist umgesetzt in Radiosendungen und in Podcast-Episoden. Lehren, lernen als Vermittlung, Switchboard. Weitergeben. Idealzustand. In ein Event gegossen sind solche Erfahrungen zum Beispiel auf der Subscribe zu finden, wo Podcaster/innen alles austauschen, was sie können, kennen, wissen. Passiv geht auch: Hören von Radiosendungen, Hören von Podcasts. Einsam in Teilen, aber intensiv und sehr am Punkt. Und man kann mit Freunden auch gemeinsam hören, wenn man sich einen Ohrhörer teilt. Zum Beispiel diese CRE-Folge über Poststrukturalismus 2.

13. Blogs, die von Menschen verfasst wurden, die sich in einem Gebiet gut auskennen, und die ihr Wissen teilen, meist prozesshaft. Der Vorgang wird dokumentiert, beschrieben. Was passiert, wie, wann. Das Teilen des Prozesses als schönes Lehren führt zu schönem Lernen.

14. Vorlesungen, an die man an der Uni durch Zufall geriet. Zum Beispiel im Audimax eine Vorlesung über Strafrecht. Gehalten vom Besten. Keine Ahnung, wer das war, es muss der Beste gewesen sein. Es war eine Einführungsvorlesung, die unfassbar spannend und begeisternd war. Es ist eine gute Idee, Einführungsvorlesungen von den Besten halten zu lassen.

15. Und zuletzt: schöne Fehler. Peinliche Misserfolge. Autsch. Schämen. Wieder aufrappeln. Immense Möglichkeiten. Der Einzelfall als Lehrer, auch wenn es meistens richtig wehtat.


 

Klackerlaken bauen. Wenn die Kinder die Volksschule besuchen, wird man auch schnell selbst zum Lehrer. Experimentieren. Einmal pro Woche. Ohne Text. Ideen dazu habe ich hier gesammelt.

 

Manifest. 12 mal „So muss Schule.“

  1. Transparenz: Planungen, Gedanken, Diskussionen sind zugänglich.
  2. Zusammenarbeit: Ergebnisse entstehen immer gemeinsam.
  3. Wollen: Die Grundlage des Lernens.
  4. Verantwortung: Jeder übernimmt seinen Teil.
  5. Sprache: Über das Tun reden. In drei Sprachen.
  6. Konflikte: Gehören dazu und bieten immer Möglichkeiten.
  7. Individualisierung: Lernen je nach Können und Wollen.
  8. Lehrplan: Sicherung der Schnittstellen.
  9. Kompetenzorientierung: Können gehört zum Wissen.
  10. Erlebnisse: An sie erinnern wir uns.
  11. Wertschätzung: Positive Bestärkung sichert jeden Lernweg.
  12. Wiederholungen, Routinen: Leitlinien für die Entwicklung.