Ich höre immer wieder mal von Schüler:innen, dass sie in der Schule von Wikipedia gewarnt werden. Besonders im Bereich der Vorwissenschaftlichen Arbeit (VWA) als Teil der österreichischen Reifeprüfung sollen Schüler:innen mit Quellen von Wissen kompetent umgehen. Wikipedia ist böse. Oder zumindest nicht offen und zugegeben verwendbar.

Es scheint so, dass Positionen von Lehrer:innen aus der ersten Zeit von Wikipedia stammen und aktualisiert werden können. Hilfreich ist dazu, selbst einen Wikipedia-Artikel zu schreiben, oder auch nur zu bearbeiten, um die aktuellen Mechanismen kennenzulernen, um zu sehen, dass nicht “irgendetwas” in die Enzyklopädie aufgenommen wird. Klar, es muss nicht alles stimmen, was in der Wikipedia steht. Aber: es kann eben nicht jeder alles schreiben. Hat ein Autor keinen Ruf erarbeitet, müssen seine Änderungen oder Artikel erst “gesichtet” werden. Jede Behauptung in einem Wikipedia-Artikel braucht einen Beleg – sonst wird es im Artikel gekennzeichnet. Gelöscht wird da durchaus schnell. Es gibt umfassende Diskussionen über die Relevanz von Artikeln – alles hinter den Kulissen und sichtbar für jene, die selbst mitschreiben.

Natürlich wird eine tiefergehende Beschäftigung mit dem Thema nicht im Überblicksartikel bleiben und vielleicht zu den Quellen des Wikipedia-Artikels, der Belege, führen. Aber als Angabe der Basisliteratur zu wohl allen denkbaren Themen ist der Wikipedia-Artikel meines Erachtens sehr gut geeignet. Er gibt einen Überblick, wurde von mehreren Menschen verfasst, wird ständig aktualisiert, und die Mechanismen der Inhaltserstellungen sind transparent. Selbstverständlich sollte man den zugehörigen Wikipedia-Artikel zum Thema vor der Einreichung einer VWA gelesen haben, des Überblicks wegen – und somit ist es in Ordnung für mich, ihn auch als Basisliteratur anzugeben.

Das, was Wikipedia von Lehrer:innen vorgeworfen wird, offen zu sein, um es als Argument zu verwenden, Wikipedia nicht zu verwenden, könnte heute im Jahr 2020 eigentlich umgekehrt gehandhabt werden. Gerade weil sie offen ist, und die Vorgänge dahinter transparent sind, sollte sie verwendet werden. Das ist bei anderen enzyklopädischen Standardwerken nicht unbedingt der Fall. Fehler wird es auch dort geben, nur sind die Vorgänge dahinter nicht transparent. — Lothar Bodingbauer, VWA-Betreuung am Abendgymnasium Wien.

Übrigens: wenn es sich um Lehrbuchwissen handelt, brauchen Quellen nicht angegeben zu werden. Man muss also nicht immer und unbedingt dazusagen, dass man sein Wissen aus der Wikipedia hat. Empfehlenswert ist in jedem Fall, vor allem Lesen sich über ein Thema selbst Gedanken zu machen, was man weiß, was man erwartet, um dann genauer nachzulesen. Und selbstverständlich sollte man den Wikipedia-Artikel zu jedem Thema gelesen haben, mit dem man sich irgendwo im (halb-)öffentlichen Raum beschäftigt, bevor man loslegt.