Vergangenes Wochenende wurden die Golden Globes verliehen, Preise für die besten Filme und Fernsehsendungen. Für die besten Schauspieler, die beste Regie. Die beste Serie. Die Vergabe bestimmt eine Gruppe rund 100 internationalen Journalisten, die in Hollywood arbeiten. Und bei dieser 78. Verleihung viel es auf, dass die schwarze Community unter den Abgesandten der internationalen Medienwelt in Los Angeles nicht repräsentiert ist. Die Schauspielerin Jane Fonda erhielt einen Preis für ihr Lebenswerk. “Lasst uns das Zelt größer machen”, sagte Fonda in ihrer Rede. Die Diversität sollte in Hollywood, im Zentrum der amerikanischen Erzählindustrie, doch größer sein.

Manuskript

SIGNATION

Diversität. Ein sperriges Wort. Abstrakt. 4-silbig. Ein vermeintlicher Zustand, die Diversität.

Es ist nicht einfach, die Herkunft des Wortes zu beschreiben. Di – für zwei? Eine falsche Fährte. Es gibt aber eine Verwandtschaft zum germanischen “werden”. Kein Zustand also die Diversität, sondern ein Prozess. Etwas wird. entsteht.

Divers steht in unserer Alltagssprache auch für “beliebig”. Auch das ist wieder eine falsche Fährte zum Verständnis, was Diversität bedeutet. Egal ist da gar nichts. Richtig hingegen die Spur zum lateinischen Grundwort: vertere: umwenden, drehen. Die Umstände werden verändert. Das “Di” kommt von DIS – und diese Vorsilbe drückt einen Gegensatz aus. Das Ausgeschlossen sein. Divertere, lateinisch für “auseinandergehen”, “voneinander abweichen”.

Und das soll gut sein? Diversität ist in unserer Sprache positiv belegt. Am Acker. Am Marktplatz. In Firmen. Diversität im Angebot sichert Erfolg, wenn das eine oder andere Produkt im Laden zum Ladenhüter wird. Die eine oder andere Strategie scheitert.

OT 1 | Lisa Appiano | 00:19

Ja, ich finde das eigentlich auch ganz gut, das einmal zu betonen an dem Begriff Diversität. Dass mit dieser Dis-Vorsilbe die Gegensätzlichkeit schon drinnen liegt. Also nicht gleich auf die Vielfalt den Blick zu legen, sondern erst mal auf diese eigentliche Differenz, die da angelegt ist.

Lisa Appiano, Universität Wien, Personalabteilung, Abteilung für Gleichstellung und Diversität.

OT 2 | Lisa Appiano | 00:16

Diversität kommt ja in der Forschungsliteratur ja eigentlich aus der Pflanzenbiologie Und die Biodiversität ist ja wahrscheinlich das weitgeläufigere Wort, als wenn wir jetzt Diversität als Konzept sehen, das mit sozialen Positionen arbeitet.

Diversität in der genetischen Vielfalt – eine Art passt immer dazu, wenn sich die Umstände ändern. Klimatisch. Genetisch. Wenn eine Überschwemmung, ein Hangrutsch, ein – krass jetzt – Meteoriteneinschlag, die Landschaft verändert. Diversität als Ressource, damit das Leben weitergeht. Die Vielfalt.

Vielfalt, sagt Lisa Appiano, bedeutet, die Unterschiede genau und systematisch zu betrachten. Wer unterscheidet? Und was wird unterschieden? Bei den Wildbienen ist es die Zunge. Kommt in die Blüte hinein, oder gerade mal nicht. Die Länge der Zunge, die Flügel, die Farbe, die Streifen. Der bevorzugte Zeitpunkt, auszufliegen. Und bei den Menschen?

OT 3 | Lisa Appiano | 00:21

Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, geistige und körperliche Fähigkeiten, soziale Herkunft, nationale Herkunft, Hautfarbe, Sprache. Also nach diesen Aspekten kann man schauen, wie ist unsere Organisation darauf ausgerichtet.

Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Vor- und Nachteile, die sich ergeben, wenn man der einen oder der anderen Gruppe angehört.

OT 4 | Lisa Appiano | 00:03

Das ist auch eine Machtfrage und eine politische Frage.

Im Sozialen hat Diversität einen weiteren Aspekt: Gerechtigkeit. Wenn alles passt, nimmt man die Anstrengungen nicht wahr, die andere benötigen, um mitzumachen. Denn: wer voneinander abweicht findet unterschiedliche Bedingungen vor. Zugangsbeschränkungen. Eingangsregelungen. Teilhabemöglichkeiten. Möglichkeiten, an der Normalität erst einmal teilzunehmen. An der Universität Wien gibt es 3 Gründe, “Diversität und Gleichstellung” in den Abteilungsrang zu erheben.

OT 5 | Lisa Appiano | 00:58

Einerseits aus rechtlichen Grundlagen zur Antdiskriminierung, die aus dem Bundesgleichbehandlungsgesetz kommen, aber auch aus dem Universitätsgesetz, oder aus nationalen Entwicklungsplänen für die Hochschulen. Aber auch einer ökonomischen Perspektive, weil Hochschulen ja zunehmend auch unternehmerisch im Wettbewerb stehen, wo man davon ausgeht, dass die Vielfalt von Studierenden oder Mitarbeitenden Wettbewerbsvorteile bringt. Ja, eine Ressource, auch einen Gewinn bringt, und die dritte Motivation wäre ein ethischer Anspruch, schon aus einem Ideal, dass Universität als Ort der “Universitas” funktioniert, also als eine im idealen Sinn diskriminierungsfreien Gemeinschaft, wo alle um den Erkenntnisgewinn ringen.

Es ist ein konfliktreicher Weg, wenn Strukturen verändert werden. Für die Bienen ist Diversität eine Überlebenfrage und für uns Menschen wohl auch. Millimeter für Millimeter geht es voran. Wenn es gelingt, ein Vorteil – aber, Vorsicht, meint Lisa Appiano, es wäre bitter, Diversitätsfragen nur aus der Sicht “was bringt’s” zu diskutieren.

OT 6 | Lisa Appiano | 00:07

Wir brauchen ja doch einen ethischen Anspruch, auch wenn es nicht nur um die eigenen Vorteile geht.