374. Strategie
Wie soll man mit Krieg umgehen? Mit Umweltkatastrophen? Mit einem Virus, der vielleicht im Herbst schon wieder anders aussieht? Wir brauchen eine Strategie. Und das ist unser Wort der Woche.
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(more…)Sanktionen dienen dazu, unerwünschtes Verhalten zu bestrafen, und im Idealfall erwünschtes Verhalten hervorzurufen. Sie kennen das vielleicht vom Internetverbot für Jugendliche und Kinder. Wenn aus irgendeinem Grund ein ganzes Land vom Internet abgeklemmt werden soll, oder sich die Umstände des Datentransits durch dieses Land verändern, dann wird “umgeroutet”. Und das ist durchaus normal – so funktioniert das Internet.
Beitrag (mp3)
Ö1 / Moment - Leben heute - Wort der Woche - Zeitenwende
In seiner Regierungserklärung hat am Sonntag der Deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz von einer "Zeitenwende" gesprochen. Andere Politiker sagten das auch. Zeitungen schreiben es. Europa, ja die ganze Welt, stehe vor einer Zeitenwende.
Signation "Wort der Woche"
Physikalisch ist mit der Zeit ja alles klar. Sie läuft voran. Es gibt keine Umkehr. Keine Wende. Einzelne Zeitpunkte werden durch besondere Ereignisse markiert, und das war's dann auch schon. Für die Historikerin, für den Historiker allerdings, gibt es ein Wort, die Zeitenwende.
OT 1
Das Wort „Zeitenwende“ wird in verschiedenen Kontexten verwendet. Da ist zum einen natürlich die Zeitenwende im Hinblick darauf, dass eine neue Zeitrechnung beginnt, also „vor Christus“, „nach Christus“, das bezeichnet man ja auch als Zeitenwende, oder dass dann Historiker im Nachhinein sagen, „das war ein epochaler Einschnitt“, und die Zeit davor unterscheidet sich qualitativ von der Zeit danach. Man spricht auch von Zeiten, wo sich die Ereignisse überschlagen, wo es eine Beschleunigung gibt, wo etwa in einer Woche so viel passiert wie sonst in einem Jahrzehnt. Und von dem unterscheiden muss man aber, dass Zeitgenossen selbst, dass Menschen, die ein bestimmte Ereignis erlebt haben, das selbst als eine Zeitenwende wahrgenommen haben, nicht erst dann Historiker Jahrhunderte später, sondern dass tatsächlich Zeitgenossinnen und Zeitgenossen eine solche Zeitenwende definieren.
Johannes Preiser-Kapeller, Umwelthistoriker und Byzanzexperte an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Als Historiker, sagt er, kann man erst aus einer gewissen zeitlichen Distanz rückblickend sagen, ob etwas wirklich eine Zeitenwende war.
OT 2
Zehn Jahre ist einmal ein Mindestabstand, auch als Zeitgenosse, wenn man das einigermaßen seriös einordnen möchte. Natürlich sprechen wir auch von Zeitenwenden, die dann Jahrhunderte später als solche definiert wurden. Etwa die Abfolge von Antike und Mittelalter. Das Mittelalter als Zeit haben erst Denker der Renaissance im 14., 15. Jahrhundert definiert, ganz am Ende der Periode, die sie als solche definiert haben. Da sprechen wir von Jahrhunderten, wo man dann solche Zeitenwenden definiert hat. Aber ansonsten muss man schon davon ausgehen, dass es einen Mindestabstand braucht, um überhaupt entscheiden zu können, welches Ereignis hat tatsächlich eine Veränderung herbeigeführt, die sich in der „longue durée“, wie es der große französische Historiker Fernand Braudel genannt hat, die in der langen Dauer eine Wirkung hat.
Auch der Wechsel vom Mittelalter zur Neuzeit. Das erscheint als ein Zeitpunkt, erstreckte sich aber über eine längere Zeit.
OT 3
Das merkt man auch daran, dass auch Historikerinnen und Historiker darüber gestritten haben, wann endet das Mittelalter, beginnt die Neuzeit. Da gibt es sogar Deutungen, die nicht nur vom 15. Jahrhundert ausgehen, da gibt es auch verschiedene Kandidaten, 1453 der Fall Konstantinopels, 1492 die Entdeckung Amerikas, aber zum Beispiel Jacques Le Goff, ein großer französischer Historiker hat für ein Mittelalter bis zum Jahr 1789 plädiert, bis zur französischen Revolution, weil er gesagt hat, erst dann hat sich diese alte Gesellschaftsordnung Europas, die da über 1000 Jahre Bestand hatte, so fundamental verändert.
Und wenn sich an solchen Zeitenwenden viel tut, wird auch viel wahrgenommen, sagt Johannes Preiser-Kapeller, es wird viel erzählt, berichtet, aufgeschrieben. Er nennt ein Beispiel: der Untergang des Römischen Reiches – in der Schule wird das mit dem Jahr 476 gelehrt, der große Einschnitt war aber bereits 410, als Rom von den Westgoten erobert wird.
OT 4
Das ist ein traumatisches Ereignis. Rom ist vorher 800 Jahre lang nie von Feinden besetzt worden. Die Hauptstadt des mächtigen Imperiums wird da jetzt geplündert. Und das wird wahrgenommen, hier hat sich etwas verändert. Und dann ist auf einmal das Sensorium da, vielleicht ist da eine große Krise des Imperiums dahinter und dann werden auch andere Ereignisse in diesen Interpretationsrahmen eingeordnet.
1989, der Fall der Berliner Mauer, 2001, die Terroranschläge vom 11. September. Das sind Zeitenwenden neueren Datums, die sofort den Interpretationsrahmen verändert haben.
OT 5
Der Kampf der Kulturen, die Herausforderung der amerikanischen Supermacht und so weiter. Das sind dann so verschiedene Narrative deswegen entstanden und Dinge dann in diesen Rahmen eingeordnet worden.
Auch geologische Zeitalter erleben ihre Zeitenwenden. Trias Jura, Kreide. Die Grenzen sind in den Ablagerungen sichtbar, und es wird ja derzeit auch diskutiert, ab welcher Zeit das menschliche Leben auf der Erde sich auch in den Ablagerungen wiederfindet. Bei allen Unsicherheiten, die mit Zeitenwenden und der Interpretation der Ereignisse verbunden sind, aus Japan gibt es ein Beispiel, wo Zeitenwenden ganz normaler Teil des Lebens sind, erzählt Johannes Preiser-Kapeller. Mit jedem „Tenno“, mit jedem neuen Kaiser, entsteht auch eine neue Zeitrechnung.
OT 6
Als 2019 Naruhito, der neue Tenno, inthronisiert wurde, wurde auch eine neue Periode definiert mit der Regierungsdevise Reiwa, das heißt, die Schöne Harmonie, und man rechnet jetzt, Jahr 1 von Reiwa, Jahr 2 von Reiwa, das ist eine neue Zeitrechnung, die unter dem neuen Tenno begonnen hat, so wie auch unter seinen Vorgängern. Das heißt, hier ist die Zeitenwende systemisch angelegt und wird dann jeweils aktiviert, wenn es zu einem solchen Wechsel kommt.
ABMODERATION
Zeitenwende, das Wort der Woche, gestaltet von Lothar Bodingbauer.
Beitrag (mp3)
In der Hauptstadt Kanadas, in Ottawa, und an der kanadisch-us-amerikanischen Grenze haben Lastwagenfahrer, Trucker, das öffentliche Leben lahmgelegt. Aus Protest gegen Corona-Maßnahmen. Ihre schweren Fahrzeuge konnten von der Polizei nur mit Mühe geräumt werden. Kanadas Premierminister Justin Trudeau hat den Notstand ausgerufen. Trucker – das Wort der Woche.
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SIGNATION „WORT DER WOCHE“
„Truck“ ist eine verkürzte Form des Wortes "truckle", was so viel wie "Rad, Rolle oder Umlenkrolle" bedeutet. Das lateinische Wort "trochlea" bedeutet "Rolle". Das Wort Truck wurde 1774 im Englischen zum ersten Mal schriftlich festgehalten, um ein "Fahrzeug mit Rädern zum Transport schwerer Gegenstände" zu beschreiben. Und im Deutschen wird das Ganze etwas sperrig "Lastkraftwagen" genannt, ein Trucker ist eben ein "Lastkraftwagenfahrer".
ATMO Ausschnitt „Convoy“:
Das sind die neuen Helden Amerikas. Die Giganten der Landstraße. Die riesigen Überlandtransporter. Was früher die Cowboys mit Pferden waren, das sind heute die Männer mit ihren gewaltigen Trucks. Sie sind immer unterwegs, aber sie sind ihre eigenen Herren und haben ihre eigenen Gesetze. Sie können ein Stück ihres Weges mitfahren, in dem Film der Neuen Constantin: „Convoy“.
Das Bild, das wir vom Trucker haben, stammt natürlich aus den USA. Staub, Diesel, freie Straßen, Freunde und Frauen.
ATMO hoch
Ein Action-Film, wie Sie ihn noch nie gesehen haben. Die Geschichte von harten Männern, die ihre Freiheit um jeden Preis verteidigen.
Die Gemeinschaft der Trucker, der Zusammenhalt. All das ist etwas, was im Deutschen durchaus auch im Wort „Fernfahrer“ spürbar ist. Und es gab diesen Zusammenhalt, weil sich die Fernfahrer getroffen haben, an den Grenzen, in den Zollgebieten, als sie warten mussten, bis ihre Waren verzollt wurden. Dieses soziale Leben ist aber mit dem Fallen der Grenzen in Europa weggefallen. Was kam ist das GPS: Das CB-Funkgerät wurde mit einem Handy ergänzt, an dem der Chef sich jederzeit melden kann. Man ist „trackbar“, also verfolgbar geworden. Arbeitszeit und Ruhepausen sind streng geregelt. Die Langstrecke, das Fernfahren, wird heute vor allem von osteuropäischen Fernfahrern übernommen, die wenn sie zu 2. Unterwergs sind, 20 Stunden am Stück eine Kabine von 4 m2 teilen müssen.
OT
Ich bin als Jugendlicher im LKW aufgewachsen. Ich bin viele Ferien mit meinem Onkel als Beifahrer mitgefahren und das Interesse zum Transportunternehmertum, für die Branche, das ist mir wirklich schon als Kind eingeimpft worden.
Günther Reder aus Hörsching. Er ist Obmann des Fachverbands „Güterbeförderung“ in der Wirtschaftskammer Österreich.
OT
Was war das schöne, ja, man hat viel Gegend gesehen, da sind wir quer durch Österreich gefahren. Man ist mit vielen Leuten zusammengekommen, die gewisse Freiheit zwischen den Be- und Entladestellen, ja, das hat ganz einfach Spaß gemacht.
Bei der Statistik Austria weiß man, dass laut Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung im Jahr 2020, also vor 2 Jahren, rund 55.000 Personen als „Fahrer schwerer Lastkraftwagen“ erwerbstätig waren. So viele Menschen, wie in St. Pölten leben. Und die meisten von ihnen sind angestellt.
OT
Also 90% der Transportleistung von österreichischen Unternehmen wird mittlerweile im Inland erbracht. Und wenn man sich das Transportvolumen anschaut: 84% vom Transportvolumen auf der Straße wird also lediglich auf einer Strecke von bis zu 80 km transportiert. Und daraus lässt sich schon ableiten, dass sich unsere Lenker, die Lenker, die auf österreichischen Fahrzeugen sitzen, eher nicht mehr die sind, die wochenlang in Europa unterwegs sind, sondern vorwiegend eben im nationalen Bereich eingesetzt sind oftmals relativ geregelte Arbeitszeiten haben, täglich nach Hause kommen und so weiter.
8000 Fahrerinnen und Fahrer fehlen. Da gibt es vermutlich Gründe.
OT
Ja natürlich, in einem Leben sozusagen auf der Strecke, wo natürlich immer ein bisschen Termindruck ist, wird oftmals das Thema gesunde Ernährung und genügend Bewegung in den Hintergrund verdrängt und da ist sicherlich auch, gerade wenn man auf einem LKW-Parkplatz auf der Autobahn seine Ruhezeit verbringen muss, ist sicherlich sozusagen die Möglichkeit sehr überschaubar, dort entsprechend attraktive Bewegungsräume vorzufinden.
Aber, sagt Günther vom Fachverband für Güterbeförderung…
OT
Der Beruf ist so vielseitig. Es gibt Arbeit für jemanden, der mit wenig Leuten in Kontakt sein will, der fährt vielleicht am besten in einem Nachtschicht-LKW oder in einem Linien-LKW, wo er sein eigener Herr innerhalb des Transportauftrages ist und mit sehr wenigen Leuten kommunizieren muss, und jemand der ein kommunikativer Typ ist, der ist vielleicht eher auf einem Fahrzeug besser untergebracht, in der Direktkundenzustellung, der auf Baustellen zustellt, der vielleicht die Milch von Bauernhöfen abholt und ja, wenn ein LKW-Fahrer innerhalb dieser Breite das gefunden hat, was im liegt, dann gibt es sehr wenige, die nicht positiv über den Beruf berichten können.
SIGNATION "Wort der Woche"
Der Hausarrest verbindet etwas Angenehmes - das Haus - mit etwas Unangenehmen - dem Arrest. Arrest, entstanden das Wort aus dem lateinischen restare - zurückbleiben, stillstehen; wir kennen auch arretieren, und das bedeutet: blockieren. Man wird zuhause blockiert. Das kennen einige von uns vielleicht aus den 1950er- und 60-er Jahren, wo das oft angewendet wurde, wenn Kinder etwas angestellt hatten. Keine Freunde treffen. Kein Badenfahren. "Ist das erlaubt", fragen offenbar viele Kinder Google. Und die Antwort ist, ja, leider. Aber: einsperren dürfen die Eltern die Kinder dabei nicht, das wäre Freiheitsberaubung. Man kann die Kinder auch nicht der Schulpflicht entziehen. Langer Hausarrest gilt aber als eine sehr schwere Form der Strafe. Häufig wird auch Computer- oder Fernsehbenützung verboten. Wer übertreibt, gefährdet das Kindeswohl, und das ist sehr wohl verboten.
Galileo Galilei wurde 1633 bis 1642 von der Inquisition unter Hausarrest gestellt, weil er die Sonne in den Mittelpunkt rückte. Das waren Vergehen. 9 Jahre dauerte dieser Hausarrest, der, so muss man sagen, nur durch Galileos Tod beendet wurden.
International gibt es viele Beispiele von Menschen, die zuhause festgesetzt werden oder wurden.
In Österreich aber ist Hausarrest im öffentlichen Recht durchaus ein geordneter Teil des Strafvollzugs. Seit 2010. Denn wer zuhause ist, hat Struktur. Er muss eine Arbeit haben.
OT "Anstatt dass man in Haft ist, ist man im eigenen Zuhause und hat dann nur ganz bestimmte Zeiten, wo man die Unterkunft verlassen darf."
Miriam Zillner ist leitende Sozialarbeiterin im Verein Neustart, einer Organisation für Bewährungshilfe und Soziale Arbeit. Haftstrafen bis zu 12 Monaten dürfen in Österreich in Hausarrest umgewandelt werden. Im Durchschnitt sind es 3 Monate.
OT "Es gibt Sonderzeiten wo man die Unterkunft verlassen darf. Man braucht eine Beschäftigung, eine Tagesstruktur, da darf man die Unterkunft verlassen. Und für Einkauf, Arztbesuche. Und Behördentermine."
Das Gefängnis zuhause ist ein Gefängnis im Kopf, sagt Miriam Zillner und berichtet von einem der ersten Häftlinge, der 2010 in den Hausarrest durfte.
OT "Man ist eingesperrt, und er hat gesagt, nach ein paar Wochen hat er diese Fußfesseln nicht mehr gesehen, sondern er hatte das Gefängnis im Kopf sozusagen, weil er eben nicht raus darf aus der eigenen Wohnung."
Miriam Zillner berichtet von durchwegs positiven Erfahrungen. Die Betreuung ist das Um- und Auf. Man ist beim behördlich angeordneten Hausarrest mit elektronischer Überwachung nicht einfach nur zu Hause.
OT "Es bringt aus unserer Sicht, aus unserer Erfahrung, dass die Personen, die die Haft auf diese Art verbüssen, dass Resozialisierung nicht notwendig ist, weil sie nie die Unterkunft und die Arbeit verlieren und so nie aus dem Umfeld herausgerissen werden und dadurch auch der Einstieg nicht wieder notwendig ist. Der zweite Grund ist, dass es eine extreme Voraussetzung an Struktur braucht. Die Personen müssen den ganzen Tagesablauf selbst strukturieren, haben da so etwas wie einen Wochenplan und müssen den einhalten. Und immer früh aufstehen, um in die Arbeit zu gehen zum Beispiel. Viele Personen haben das davor nie geschafft. Und das war dann oft das erste Mal, dass sie das über einen längeren Zeitraum geschafft haben.
Strafen haben in unserer Gesellschaft eine Wandlung erlebt. Prügelstrafen wurden abgeschafft. In den 1970er Jahren prägte der ehemalige Justizminister Christian Broda den Begriff der „Gefängnislosen Gesellschaft“. Das Gefängnis aber gibt es nach wie vor. Es gibt hier den Begriff "Haftübel" das verspürt werden soll. Haftübel als Konsequenz eines strafrechtlich relevanten Verhaltens in der Vergangenheit. – Hausarrest unter kontrollierten Bedingungen, sagt Miriam Zillner vom Verein Neustart, das ist moderner Strafvollzug.
OT "Dadurch dass die Personen eben nicht aus dem Umfeld herausgerissen werden, den Job nicht verlieren und die Wohnung nicht verlieren nämlich auch aus Sicht der Rückfallgefahr, ohne Arbeit und ohne Einkommen ohne Wohnen hat man eine höhere Rückfallgefahr, das sagen auch zahlreiche Studien und dadurch dass dieser Verlust nicht passiert, dass eben die Arbeit bleibt und auch bleiben muss, weil sonst verlieren sie den elektronisch überwachten Hausarrest, ist das ein großer Vorteil aus unserer Sicht, dass der elektronisch überwachte Hausarrest angewendet werden kann."
Umweltministerin Leonore Gewessler hat vor kurzem in einem Zeit-im-Bild-Interview an ein nationales Entsorgungsprogramm für radioaktiven Abfall erinnert. Auch in Österreich fällt nämlich radioaktiver Abfall an - durch Industrie und Medizin, oder bei der Dekontamination. Dazu wurde ein sogenannter Entsorgungsbeirat eingerichtet, für die Entsorgung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle. Er soll in den kommenden Jahren Vorschläge für ein Endlager in Österreich präsentieren.
SIGNATION
Angenommen Sie haben einen verbogenen Nagel in der Werkstatt. Was tun Sie damit? Geradebiegen. Gut. Wenn das misslingt? Entsorgen. Da gibt es einen Weg: zum Altmetall. Recyceln. Ein Kreislauf. Und alles ist gut. Ein Nagel macht nun wirklich keine Sorgen.
Anders sieht es bei radioaktiven Elementen aus. Einmal gebraucht, liegen die Reste herum. Die Reste sind Zerfallsprodukte, die oft selbst nicht stabil sind, sondern weiter zerfallen. Dabei produzieren sie Hitze. Sind weiter radioaktiv. Radioaktive Abfälle machen Sorgen.
Ein Endlager muss her. Das Ende der Sorgen. Die ultimative Entsorgung. Früher gab es die zweifelhafte Idee: aus den Augen, aus dem Sinn, Fässer mit radioaktiven Abfällen wurden am Meeresgrund versenkt. Das ist seit 1993 weltweit verboten. Man versenkt seither die Fässer in geophysikalisch stabile Gesteinsschichten im Boden. Und hier wird zunehmend darüber nachgedacht, das Ganze reversibel zu machen, sollten in einigen Tausend Jahren die Kinder unserer Kindeskinderkindeskinder draufkommen, dass das “Endlager” doch nicht so ideal war wie gedacht. Vielleicht gibt es dann eine bessere Entsorgung oder sogar die Wiederverwertung mit Methoden, die erst entwickelt werden.
Weltweit gibt es nur sechs Endlager für hochradioaktiven Abfall, in Russland, der Ukraine, Weißrussland und den USA. Geplant werden welche in China, Argentinien, in Finnland und Frankreich.
Alles Leben ist endlich. Müsste es nicht eigentlich Unendlichlager heißen?
OT Endlager 1
*Ja, wenn Sie das so wollen, sprachlich ja.*
… meint Roman Beyerknecht.
OT Endlager 2
*Ich bin Geschäftsführer der Nuclear Engineering Seibersdorf GmbH. Unsere Firma kümmert sich um das Management der radioaktiven Abfälle in Österreich, von der Sammlung vom Verursacher, über die Aufarbeitung, Konditionierung und bis zur Zwischenlagerung. Wir betreiben auch das österreichische Zwischenlager für diese radioaktiven Abfälle.*
Das kann zum Beispiel ein Feuermelder sein, in dem geringe Mengen radioaktiver Stoffe für das Feststellen von Rauch vorhanden sind. Kaputt muss er "entsorgt" werden. Ins Zwischenlager gebracht. Nach Seibersdorf. Kosten: Rund 300 Euro laut Tarifplan. Radioaktive Abfälle werden in Österreich in ein Zwischenlager gebracht. Endlager gibt es noch keines in Österreich. Ein Entsorgungsbeirat wird oder muss sich in Zukunft darum kümmern. Ob Abfälle aus Medizin oder Industrie, es sind keine großen Mengen, die hier in Österreich entstehen, schwach- oder mittelradioaktiv, aber man kann sie nicht einfach zum Recycling bringen.
OT Endlager 3
*Ja der Unterschied zum herkömmlichen konventionellen Abfall ist der, dass vom radioaktiven Abfall ein mehr oder weniger großes Risiko für Umwelt und Personen ausgeht. Beim Großteil der radioaktiven Abfälle, vor allem jenen aus Österreich, sprechen wir jetzt nicht davon, dass es heiß wird, das ist gar nicht einmal das Thema, es geht wirklich um die ionisierende Strahlung, die auf die Zellen von Lebewesen einfach nachteilig einwirken können, und dort zum Gesundheitsrisiko führen.*
Zuerst wird versucht, die Menge "einzudampfen". Zu pressen, zu reduzieren, einzuschmelzen, in Glas oder Beton zu gießen. Alles wird in einem Zwischenlager aufbewahrt, vieles davon hat auch eine kurze Halbwertszeit von 30 Jahren, nach 150 Jahren wären noch 3% der Strahlung da. Ein Endlager würde die "heiße Ware" für immer aufnehmen.
OT Endlager 4
*Das ist der letzte Schritt der Entsorgung von radioaktiven Abfällen. Bis zur Zwischenlagerung haben wir in Österreich ein fertiges System, das gut funktioniert, und genau dieser letzte Schritt fehlt.*
Ein Schritt, der nun geplant werden soll. Das wird wegen der aufwändigen Suche nach geeigneten Orten, den Bewilligungen und zu erwarteten Befürchtungen der ortsansässigen Bevölkerung - Stichwort: Nicht in meinem Hinterhof - das wird sehr lange dauern.
OT Endlager 5
*Österreich und Deutschland sind da sicher ein bisschen einmalig, weil die Sensibilität in diesem Gebiet sehr groß ist, und größer als in anderen vergleichbaren Ländern. Die technischen naturwissenschaftlichen Lösungen für diese Abfälle gibt es, weltweit auch in vielen funktionierenden Endlagern. Das wird letztendlich auch in unserem Zwischenlager sichergestellt, auch hier werden die radioaktiven Abfälle gelagert, aber natürlich ist die Akzeptanz der Bevölkerung und der Gesellschaft ein wesentliches und zentrales Thema bei der Suche nach einem Endlager.*
Politisch wird man sich nur wenig Freunde machen, mit dem Engagement für ein Endlager. Es müssen schwierige Entscheidungen getroffen werden. Roman Beyerknecht:
OT Endlager 6
*Das ist wieder der große Unterschied zwischen Nieder- und mittelaktiven Abfällen und diesen hochaktiven Abfällen. Während man bei diesen hochaktiven Abfällen von Kernkraftwerken von 100.000 bis Millionen von Jahren redet, redet man in der Regel bei den niederaktiven Abfällen von Zeiträumen von mehreren 100 Jahren. Das sind viel überschaubarere Zeiträume, die man auch entsprechend simulieren und voraussagen kann.*
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen den niederösterreichischen Landesrat Gottfried Waldhäusl von der FPÖ. Es geht um den Verdacht des Amtsmissbrauchs im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen in einem Asylquartier in Drasenhofen im Bezirk Mistelbach.
(ohne letzte Änderungen)
SIGNATION "DAS WORT DER WOCHE"
ZITAT
*Ein Beamter, der mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde oder einer anderen Person des öffentlichen Rechtes als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.*
Kurzgefasst: Der Amtsmissbrauch ist keine Lappalie. Die staatliche Hoheitsgewalt wird ausgenutzt, um wissentlich jemanden zu schädigen. Amtsmissbrauch gehört zum Strafgesetzbuch, Amts-missbrauchs-träger werden bei Verurteilung nicht einfach getadelt, oder notfalls in ein hinteres Tal versetzt, sie werden de facto eingesperrt oder zu einer Geldstrafe verurteilt. Im Rechtsstudium kommt das Thema durchaus am Anfang schon vor, es ist aber auch etwas für Spezialisten dabei.
OT Amtsmissbrauch 1
*Das Thema ist sehr vielschichtig und führt sozusagen in die Tiefen des öffentlichen Rechts hinein*
Peter Bußjäger ist Professor für öffentliches Recht, Staat und Verwaltungslehre an der Universität Innsbruck. Nicht nur Beamte sind von Amtsmissbrauch betroffen, sondern jeder, der im Namen des Staates Hoheitsgewalt vollzieht.
OT Amtsmissbrauch 2
*Genau. Der Strafrechtliche Begriff des Beamten umfasst nicht nur den klassischen Beamten, der pragmatisiert ist, sondern auch Vertragsbedienstete und umfasst einen weiten Kreis von Personen sondern auch Politiker, die nicht in einem vertraglichen Verhältnis zum Staat stehen sondern gewählte Organe sind. Auch sie zählen zu den Beamten im Sinne des Strafgesetzbuches und können alle möglichen Delikte begehen. mir fällt gerade ein ganzer Gemeinderat einer Tiroler Gemeinde ein, die ein denkmalgschütztes Objekt haben abreissen lassen, sind beispielsweise zu einer sehr hohen Geldstrafe wegen Amtsmissbrauchs verurteilt worden. Die haben sicherlich nicht im Traum daran gedacht, dass sie Beamte im Sinne des Strafgesetzbuches sein könnten, aber das waren sie.*
Die Angst, zum Beispiel in der Kommunalpolitik immer mal etwas falsch zu machen, und dafür eingesperrt zu werden, muss man nicht haben. Man wird auch bei komplexer Gemengelage als Gemeinderat nicht in den Amtsmissbrauch hineingetrieben, meint Peter Bußjäger.
OT Amtsmissbrauch 3
*Das ist halt auch ein Fall, bei dem die einzelnen Mitglieder zwar gewusst haben, das ist rechtswidrig, sonst wären sie nicht verurteilt worden, aber sich gedacht haben, das it keine schlimme Sache, und vielleicht ist das im Sinne der Gemeinde besser, wenn das alte Haus weg ist, und wir dort vielleicht neue Wohnungen oder was auch immer errichten können. Vielleicht haben sie es durchaus gut gemeint, gut gemeint nützt einem da aber nichts.*
Es muss einen Schaden geben, um wegen Amtsmissbrauchs verurteilt zu werden, nicht unbedingt nur in Geld gemessen, sondern auch: ein Schaden am Recht des Staates. Es geht um die Vollziehung der Gesetze, aber unter Ausübung der Hoheitsgewalt.
OT Amtsmissbrauch 4
*Jemand der einen Baubescheid erlässt, beispielsweise ein Bürgermeister, kann in Ausübung dieser Funktion einen Amtsmissbrauch begehen, hingegen, gewährt der Bürgermeister dem Fußballclub eine Förderung, auf welche dieser Club keinen Anspruch hatte, rechtswidrigerweise, dann ist es kein Amtsmissbrauch, sondern dann ist es möglicherweise das Delikt der Untreue.*
--- SCHNEIDEN MÖGLICH
Ein Beispiel: Wer ein elektronisches Abgabeninformationssystem missbräuchlich abfragt, um einem Fussballfreund zu helfen, der Filialleiter einer Bank ist, um die Kreditwürdigkeit eines Kunden einzuschätzen: Amtsmissbrauch. Zu Schaden kommen dabei steuerpflichtige Personen hinsichtlich der abgabenrechtlichen Geheimhaltung und des Datenschutzes. Untersucht wird das Ganze von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft.
--- SCHNEIDEN ENDE
Peter Bußjäger kennt die verschiedenen Ebenen der staatlichen Verwaltung sehr genau. Eines ist zu beobachten. Je weiter "unten" in der Hierarchie, desto eher ist es möglich, dass Amtsmissbrauch auch stattfindet.
OT Amtsmissbrauch 5
*Das Delikt als solches gibt es über alle Ebenen hinweg. Es sind weder in einem Ministerium noch in einem Amt der Landesregierung noch in den Gemeinden ist jemand vor Amtsmissbrauch gefeit. Das Problem stellt sich in erster Linie für Vollzugsorgane, strukturgemäss eher Organe, auf der unteren Vollzugsebene angesiedelt sind, die das ausführen müssen. Durch eine schlechte Impfstrategie kann ich Entscheidungen treffen, die für viele Menschen fatal ist, aber ich mache keinen Amtsmissbrauch, durch schlechte Politik kann ich auch schlechte Entscheidung treffen, einen Amtsmissbrauch kann aber ein Polizist begehen, der vor Ort eine rechtswidrige und wissentlich falsche Entscheidung trifft.*
Die Taliban haben in Afghanistan eine dreitägige Feuerpause angekündigt – Anlässlich des muslimischen Festes Id al-Fitr, dem traditionellen Fastenbrechen nach dem Fastenmonat Ramadan.
Die Bürger sollten das Fastenbrechen friedlich und sicher feiern können, teilte der Sprecher der Taliban, Mohammad Naeem am Montag per Tweet mit. Das Fest wird heute Mittwoch oder Donnerstag dieser Woche beginnen, je nach Sichtung des Mondes. Fast zeitgleich ereignete sich ein neuer blutiger Anschlag mit mehreren Toten.
SIGNATION Wort der Woche
Die Taliban sind eine Gruppe von Menschen. Eine terroristische Vereinigung. Milizen. Islamistisch. Afghanistan. Die Taliban: Der Name kommt von Arabisch talib - Schüler, Suchender. Einen Atemzug weiter fallen Begriffe wie: Mittelalter, Koranschulen in Pakistan, das Bergland von Afghanistan. Drei Viertel des Landes bestehen aus schwer zugänglichen Gebirgsregionen. Ein Puffergebiet zwischen den Großmächten. Unzugänglich. Stämme, die früher als Nomaden in Bewegung waren. Andere Riten. Andere Regeln. Und dann, die Gegenwart: ein historischer Sprung: Als die Sowjets 1989 abziehen, bekämpfen sich bewaffnete Gruppen, die Mujahedins, muslimische Guerillagruppen, die mit Waffengewalt eine vermeintlich göttliche Ordnung herstellen wollen. Sie besetzen 1992 Kabul, die Hauptstadt. Der pakistanische Geheimdienst fördert die Taliban, die vom Süden Afghanistans vorrücken. Sie sollen dem Chaos des Bürgerkriegs der Mujahedin ein Ende setzen und sie besetzen 1994 die zweitgrößte Stadt Kandahar. Ihr weltanschauliches Konzept ist in den Flüchtlingslagern Pakistans entstanden - eine brutale Ordnung. Mit Anschlägen gegen die Zivilbevölkerung, Sperren, damit Lebensmittelhilfslieferungen nicht ankommen. Die Taliban sind paschtunische Koranschüler der Deobandi-Bewegung. Sie steht für eine strenge und klassische Auslegung des sunnitisch-hanafitischen Islam und strebt die Rückkehr zu dessen „Wurzeln“ an. Ein Bilderverbot. Radikalität. Massaker an Tausenden von Menschen. Geld kommt vom Opiumhandel, Waffen von unterstützenden Hintergrundmächten. Mit dabei: Russland, die USA, China, Pakistan. Die Golfstaaten. Der Einsatz von US-Drohnen, die ohne Risiko aus der Luft ihre Führer töten, verändert die Lage. Ebenso ein Treffen der USA mit den Taliban im Vorjahr, um sie als Verhandlungsmacht anzuerkennen.
Möglicherweise sind es weniger Antworten, als Fragen, die uns im Zusammenhang mit Taliban interessieren sollten.
Wie „funktioniert“ das Machtsystem der Taliban? Und kann man irgend etwas Gutes über die Taliban sagen? Fragen, die wir an Thomas Schmidinger schicken, der sich gerade im Irak aufhält.
01 Atmo Taliban in letzten Satz
02 OT Taliban Schmidinger 1 darüber
*Ich bin gerade im Irak unterwegs, wo ich einerseits Projekte unterstütze vor allem mit Überlenden des Genozids an die Jessiden, und andererseits auch meine Feldforschungen aktualisiere.*
Thomas Schmidinger ist an der Universität Wien Sozial- und Kulturanthropologe mit den Schwerpunkten Kurdistan, Jihadismus, Naher Osten und Internationale Politik. "Puh", sagt er, als er die Liste der Fragen erhält.
03 Atmo Taliban Whatsapp / darüber (Mikro offen lassen)
Und er schickt über Whatsapp folgende Antworten.
04 OT Taliban Schmidinger 2
*Die Taliban waren immer eine relativ stramm organisierte und gut bewaffnete Organisation, die auch eine gemeinsame Ideologie vertreten hat. Was sie aber vor allem gegenüber den verschiedenen sogenannten Mujahedingruppen von Afghanistan im Vorteil hatten, dass sie tatsächlich in einem großen Teil von Afghanistan so etwas wie eine zwar extrem totalitäre aber doch Rechtssicherheit hergestellt haben, so etwas wie ein Gewaltmonopol. Und viele Afghanen, die mit der Ideologie der Taliban überhaupt nicht einverstanden waren, haben nach 2001, nach dem Einmarsch der Amerikaner und ihrer Verbündeten, gesagt, dass Afghanistan einfach unter den Taliban sicherer war, und dass es gewissermaßen eine immer noch besser ist, in einer Diktatur zu leben, als im totalen Chaos.*
Zentral könnte der Begriff: Werterelativismus sein:
05 OT Taliban Schmidinger 3
*Ja, ob man die Taliban jetzt respektiert oder nicht, hängt vom Wertesystem ab. Wenn mein ein Kulturrelativist ist, wenn man der Meinung ist, dass jeder seine eigene Kultur hat, und Menschenrechte nicht universell sind, dann kann man die Taliban schon respektieren und sich denken, die sind halt anders. Wenn man der Meinung ist, dass Menschenrechte universell sind, dass Männer und Frauen gleichwertig sein sollen, dann sind die Taliban natürlich genau das Gegenteil von einem menschenrechtsorientierten System. Also sie sind sicher ein politischer Gegner, der gleichheits- und freiheitsorientiert ist.*
Taliban werden eine Rolle spielen in der weiteren Geschichte Afghanistans und der ganzen Region. Die wirklich große Frage ist, ob es jemandem gelingen wird, die vielen unterschiedlichen Menschen in dieser Region zu vereinen.
Tschechien hat vor kurzem 18 Mitarbeiter der russischen Botschaft in Prag ausgewiesen. Der Grund ist der Verdacht, dass die Offiziere von russischen Geheimdiensten GRU und SVR in zwei Explosionen in Munitionslagern im südmährischen Vrbetice 2014 verwickelt gewesen seien. Das teilte der tschechische Premier Andrej Babis und der Innenminister Jan Hamacek mit.
Es gibt Gegenden, in denen es nicht so leicht ist, Häuser zu verkaufen. Wen würden Sie als Nachbarn akzeptieren? Den botanischen Garten gerne. Die Autobahn wohl eher nicht. Wohnen unter einer Stromleitung, oder über einer Deponie. Natürlich nicht. Neben einem Munitionslager? Da kann man nur mit guter Aussicht punkten. In Österreich zum Beispiel in Stadl Paura, ein wunderschöner Wanderweg entlang der Traun - und plötzlich Zaun. Mit Stacheldraht. Warnschildern. Rostigen Ketten und schnell versperrt der Wald den Blick, wer nicht zur Traun hin schaut, sondern in das militärische Sperrgebiet hinein. Nur die Einheimischen wissen Bescheid. Die Zufahrt - eine Sackgasse ohne Anschrift. Das Navigationssystem zeigt einen grünen Wald mit Eisenbahnanschluss, verzweigten Wegen, Hütten.
SCHNEIDEN MÖGLICH // Munitionslager haben immer die Schnittstelle zur Öffentlichkeit, die gut bewacht werden will. Und sei es durch Nicht darüber reden. //
Damit dort alles mit rechten Dingen zugeht, gibt es einiges zu berücksichtigen. Festgehalten in Österreich im Munitionslagergesetz 2003 under der Munitionslagerverordnung 2006. Zur militärischen Munition zählen ...
ZITAT 1
Munition für Pistolen und Maschinenpistolen, Gewehre und Karabiner, Maschinengewehre, Granatwerfer, Fliegerabwehrkanonen, Maschinenkanonen und Panzerabwehrkanonen, Panzerkanonen, Haubitzen und Kanonen, Raketenwerfer, Panzerabwehrrohre, Lenkwaffen, Bordkanonen und Raketen, Hand- und Gewehrgranaten, Minen, Spreng- und Zündmittel, Granatzünder, Signalmittel, Nebel-, Knall- Markiermittel, Übungsschießgeräte und Kleinkalibergewehre und Pulver, Ladungen und Zündeinrichtungen.
Die Lagerung erfolgt ...
ZITAT 2
oberirdisch, unterirdisch oder in Kombination.
Und die Schutzabstände?
ZITAT 4
Die Schutzabstände sind nach folgender Formel zu ermitteln:
S = 2,4 * Q hoch 1/3, wobei Q die Explosivstoff-Höchstbelagsmenge darstellt.
Was ist das bloß für ein Geschäft. Einen Tag der offenen Tür wird es dort nicht geben.
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OT Kollmann 1 (00:06)
*Munition wird intern in verschiedenen Gefahrenklassen abhängig bei ihrem Verhalten von Unfällen klassifiziert.*
Brigadier Georg Kollmann leitet die Abteilung Waffensysteme und Munition. Er ist stellvertretender Leiter der Direktion Rüstung und Beschaffung im Bundesministerium für Landesverteidigung. In seinen Zuständigkeitsbereich fallen die österreichischen Munitionslager.
OT Kollmann 2 (00:19)
*Wir haben also Munition, die sehr einfach ist, wie zum Beispiel eine Pistolenpatrone oder eine Sturmgewehrpatrone. Sollte hier irgendetwas passieren, dann detoniert höchstens die Packung mit 20, 30 Stück. Aber der Rest des Stapels, der traditionsgemäß bis zu einer Tonne betragen kann und mehr, würde hier nicht in Mitleidenschaft gezogen.*
Am anderen Ende der Gefahrenskala wäre der Sprengstoff selbst.
OT Kollmann 3
*Würde ein Sprengstoff entsprechen umgesetzt so wird automatisch durch sogenannte Detonationsübertragung der gesamte Stapel in die Luft fliegen und würde würden die Abstände nicht eingehalten, auch Nachbarstapeln auch mit zur Detonation bringen. So käme es dann zu den großen Unfällen. Das kann in Österreich insofern nicht passieren, weil unsere Abstände entsprechend groß gewählt werden, wie auch andere handhabungsleichtere Munitionssorten als Trennfläche einlagern, unsere Bauten entsprechend berechnet sind, sodass im schlimmsten Fall bei einer oberirdischen Anlage das Dach der Anlage weggesprengt würde, aber im Endeffekt die Auswirkung auf Unbeteiligte und Bauwerke rundherum absolut verhindert wird.*
Zu nahe darf man trotzdem nicht ranbauen, dafür sorgen die Raumordnungsgesetze - auch wenn die Lage zwischen Wald und Fluß noch so still und schön wäre.
In Tschechien ist also 2014 ein Munitionslager explodiert. Das Problem ist nicht unbedingt die Explosion selbst, das große Problem sind die Dinge, die danach "undefiniert herumliegen", so nennen es die Militärexperten, große Teile, kleine Teile, noch gefährlich, oder vielleicht auch nicht. Es wird Jahre dauern, es aufzuräumen. Das Gebiet ist unbrauchbar geworden.
Ein eigener Abschnitt im österreichischen Munitionslagergesetz widmet sich den Entschädigungen. Wenn einmal etwas schiefgeht. Als dritter Punkt darin: Die Entschädigung ist in Geld zu leisten,
ZITAT 5
auszuzahlen spätestens drei Monate nach Rechtskraft der die Entschädigung feststellenden gerichtlichen Entscheidung.
Vergangenes Wochenende wurden die Golden Globes verliehen, Preise für die besten Filme und Fernsehsendungen. Für die besten Schauspieler, die beste Regie. Die beste Serie. Die Vergabe bestimmt eine Gruppe rund 100 internationalen Journalisten, die in Hollywood arbeiten. Und bei dieser 78. Verleihung viel es auf, dass die schwarze Community unter den Abgesandten der internationalen Medienwelt in Los Angeles nicht repräsentiert ist. Die Schauspielerin Jane Fonda erhielt einen Preis für ihr Lebenswerk. "Lasst uns das Zelt größer machen", sagte Fonda in ihrer Rede. Die Diversität sollte in Hollywood, im Zentrum der amerikanischen Erzählindustrie, doch größer sein.
SIGNATION
Diversität. Ein sperriges Wort. Abstrakt. 4-silbig. Ein vermeintlicher Zustand, die Diversität.
Es ist nicht einfach, die Herkunft des Wortes zu beschreiben. Di - für zwei? Eine falsche Fährte. Es gibt aber eine Verwandtschaft zum germanischen "werden". Kein Zustand also die Diversität, sondern ein Prozess. Etwas wird. entsteht.
Divers steht in unserer Alltagssprache auch für "beliebig". Auch das ist wieder eine falsche Fährte zum Verständnis, was Diversität bedeutet. Egal ist da gar nichts. Richtig hingegen die Spur zum lateinischen Grundwort: vertere: umwenden, drehen. Die Umstände werden verändert. Das "Di" kommt von DIS - und diese Vorsilbe drückt einen Gegensatz aus. Das Ausgeschlossen sein. Divertere, lateinisch für "auseinandergehen", "voneinander abweichen".
Und das soll gut sein? Diversität ist in unserer Sprache positiv belegt. Am Acker. Am Marktplatz. In Firmen. Diversität im Angebot sichert Erfolg, wenn das eine oder andere Produkt im Laden zum Ladenhüter wird. Die eine oder andere Strategie scheitert.
OT 1 | Lisa Appiano | 00:19
Ja, ich finde das eigentlich auch ganz gut, das einmal zu betonen an dem Begriff Diversität. Dass mit dieser Dis-Vorsilbe die Gegensätzlichkeit schon drinnen liegt. Also nicht gleich auf die Vielfalt den Blick zu legen, sondern erst mal auf diese eigentliche Differenz, die da angelegt ist.
Lisa Appiano, Universität Wien, Personalabteilung, Abteilung für Gleichstellung und Diversität.
OT 2 | Lisa Appiano | 00:16
Diversität kommt ja in der Forschungsliteratur ja eigentlich aus der Pflanzenbiologie Und die Biodiversität ist ja wahrscheinlich das weitgeläufigere Wort, als wenn wir jetzt Diversität als Konzept sehen, das mit sozialen Positionen arbeitet.
Diversität in der genetischen Vielfalt - eine Art passt immer dazu, wenn sich die Umstände ändern. Klimatisch. Genetisch. Wenn eine Überschwemmung, ein Hangrutsch, ein - krass jetzt - Meteoriteneinschlag, die Landschaft verändert. Diversität als Ressource, damit das Leben weitergeht. Die Vielfalt.
Vielfalt, sagt Lisa Appiano, bedeutet, die Unterschiede genau und systematisch zu betrachten. Wer unterscheidet? Und was wird unterschieden? Bei den Wildbienen ist es die Zunge. Kommt in die Blüte hinein, oder gerade mal nicht. Die Länge der Zunge, die Flügel, die Farbe, die Streifen. Der bevorzugte Zeitpunkt, auszufliegen. Und bei den Menschen?
OT 3 | Lisa Appiano | 00:21
Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, geistige und körperliche Fähigkeiten, soziale Herkunft, nationale Herkunft, Hautfarbe, Sprache. Also nach diesen Aspekten kann man schauen, wie ist unsere Organisation darauf ausgerichtet.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Vor- und Nachteile, die sich ergeben, wenn man der einen oder der anderen Gruppe angehört.
OT 4 | Lisa Appiano | 00:03
Das ist auch eine Machtfrage und eine politische Frage.
Im Sozialen hat Diversität einen weiteren Aspekt: Gerechtigkeit. Wenn alles passt, nimmt man die Anstrengungen nicht wahr, die andere benötigen, um mitzumachen. Denn: wer voneinander abweicht findet unterschiedliche Bedingungen vor. Zugangsbeschränkungen. Eingangsregelungen. Teilhabemöglichkeiten. Möglichkeiten, an der Normalität erst einmal teilzunehmen. An der Universität Wien gibt es 3 Gründe, "Diversität und Gleichstellung" in den Abteilungsrang zu erheben.
OT 5 | Lisa Appiano | 00:58
Einerseits aus rechtlichen Grundlagen zur Antdiskriminierung, die aus dem Bundesgleichbehandlungsgesetz kommen, aber auch aus dem Universitätsgesetz, oder aus nationalen Entwicklungsplänen für die Hochschulen. Aber auch einer ökonomischen Perspektive, weil Hochschulen ja zunehmend auch unternehmerisch im Wettbewerb stehen, wo man davon ausgeht, dass die Vielfalt von Studierenden oder Mitarbeitenden Wettbewerbsvorteile bringt. Ja, eine Ressource, auch einen Gewinn bringt, und die dritte Motivation wäre ein ethischer Anspruch, schon aus einem Ideal, dass Universität als Ort der "Universitas" funktioniert, also als eine im idealen Sinn diskriminierungsfreien Gemeinschaft, wo alle um den Erkenntnisgewinn ringen.
Es ist ein konfliktreicher Weg, wenn Strukturen verändert werden. Für die Bienen ist Diversität eine Überlebenfrage und für uns Menschen wohl auch. Millimeter für Millimeter geht es voran. Wenn es gelingt, ein Vorteil - aber, Vorsicht, meint Lisa Appiano, es wäre bitter, Diversitätsfragen nur aus der Sicht "was bringt's" zu diskutieren.
OT 6 | Lisa Appiano | 00:07
Wir brauchen ja doch einen ethischen Anspruch, auch wenn es nicht nur um die eigenen Vorteile geht.