ADW022 Im Dom zu Uppsala

ADW022 Im Dom zu Uppsala

 

 

Jemand singt im Dom zu Uppsala “Ave Maria”. Aufnahmejahr um 2010. Hier geht es zur Sendung über Carl von Linne, die in Uppsala aufgenommen wurde. Link: Physikalische Soiree 151.

Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Dom_zu_Uppsala


Diese Episode ist am 02.08.2022 erschienen. Dauer: 0 Stunden 1 Minute und 54 Sekunden

 

PHS151 Carl von Linné

PHS151 Carl von Linné

 

 

Der schwedische Naturwissenschaftler Carl von Linné war leitender Gärtner des Botanischen Gartens von Uppsala. 1745 legte er eine Blumenuhr an, die mit dem zeitlich unterschiedlichen Aufblühen von Blumen im Laufe des Tages die Uhrzeit anzeigte.

Wirklich bekannt und berühmt wurde Carl von Linné jedoch durch sein Bemühen, die Arten der Natur zu sortieren und zu katalogisieren. Er entwickelte eine Taxonomie von Tieren und Pflanzen, die mit ihren lateinischen Doppelnamen auch heute noch als “Katalog des Lebens” von all jenen verwendet wird, die sich praxisbezogen mit Lebewesen beschäftigen.

Wissenschaftlich entwickeln sich vor dem Hintergrund genetischer Untersuchungsmethoden die Konzepte der Unterscheidung von Arten nun in eine völlig andere Richtung. Künftige Taxonomien auf Grund von DNA-Basensequenzen scheinen jedoch den praxisbezogenen Zweck des Umgangs mit Arten und Artkonzepten nicht zu erfüllen.

Die Sendung beantwortet die Frage, wie Carl von Linné die Taxonomie der Natur entwickelt hat, und in welcher Weise sie heute noch notwendig und zeitgemäß ist.

Eine Wiederholung der Physikalischen Soiree vom Juni 2007. Neue Beiträge gibt es dann wieder im Oktober – beginnend mit einer Sendung über Energiesparlampen.

Die Bilder zur Sendung gibt es hier


Diese Episode ist am 06.09.2010 erschienen. Dauer: 0 Stunden 24 Minuten und 45 Sekunden

 

Schwedisches Lied aus Schottland

Lied aus den Ferien: Emma und Adam singen bei der Farn-Ernte. Es geht – natürlich – um eine Liebe… Aufgenommen beim WWOOFen auf Culdees Ökofarm in Schottland.

Eine Recherche bei Kerstin Namuth in Schweden, die bei den schwedischen Volkshochschulen arbeitet (danke!) brachte folgendes Ergebnis:

Die Übersetzung ist im Anhang. Auf Spotify finde ich eine gesungene Version und ein paar für Karaoke, nur instrumental. Auf Youtube eins mit einem großen Chor und zuviel Gedöns. Ich finde die Version, die du aufgenommen hast, am schönsten. 

Das Lied ist ein schwedisches Volkslied und heißt Smedsvisa(n), auf deutsch (Das) Lied des Schmiedes oder einfach En gång i min ungdom.

Verfasser unbekannt, kommt aus Uppland, der Gegend um Stockholm und Uppsala, lt. dem Liederverzeichnis von Musikverket (Musikverket ist eine von den vielen schwedischen staatlichen Institutionen). https://katalog.visarkiv.se/lib/views/visolat/ShowRecord.aspx?id=1038770. 

Hier behauptet jemand, dass nur der erste Vers alt ist und er die Verse 2-5 geschrieben hat, kann ich nicht beurteilen, aber er hat auch die Noten gepostet:

Das Lied scheint recht bekannt zu sein. In Schweden gibt es viele Chöre, die keine Kirchenchöre sind. Daher wird der profane Liederschatz, Volkslieder und auch Kunstlieder, wirklich gepflegt, und viele Schweden können auch wirklich schön singen.

Mikaelsmäss wird im Lied erwähnt, da hat das schöne Mädchen im Lied genug von dem armen Schmied. Früher, als Schweden und die anderen nordischen Länder noch reine Agrargesellschaften waren, war „Mickelsmäss“, der 29. September, ein wichtiger Feiertag. Da war die Ernte eingebracht und der Sommer zu Ende. Es war auch der letzte Tag, an dem Mägde und Knechte neue Anstellungsverträge abschließen konnten. 

En gång i min ungdom älskade jag
en flicka med ljuva och rena behag.
Hon lovfte mej tro i lust och i nöd,
allt intill sin blekaste död.
//:

Hej hopp faderi faderalladerej
Hej hopp faderi faderalladerej
://
Hon lovfte mej tro i lust och i nöd,
allt intill sin blekaste död
 
Einst in meiner Jugend liebte ich
ein Mädchen so lieblich und rein.
Sie gelobte mir Treue in Lust und Not,
bis zu ihrem bleichen Tod.
//: trallala usw: //
 
Hon var som en lilja vit uti hyn,
den fagraste flicka man skådat i byn.
Ett smittande skratt, en lustiger sång.
Vi älskade sommaren lång.
//: Hej hoppfadderiddlade raddlade rej ://
Ett smittande skratt, en lustiger sång.
Vi älskade sommaren lång.
 
Sie war wie eine Lilie, so weiß ihre Haut,
das schönste Mädchen, das man im Dorf je geschaut.
Ein ansteckendes Lachen, ein lustiges Lied.
Wir liebten uns den ganzen Sommer lang.
 
Men kärleken vissna´, kärleken dog.
Vid Mikaelsmäss hade flickan fått nog.
Hon fann sej en riker, högfärdig man,
sa tack och adjö och försvann.
//: Hej hoppfadderiddlade raddlade rej ://
Hon fann sej en riker, högfärdig man,
sa tack och adjö och försvann.
 
Doch die Liebe verdorrte, die Liebe starb.
An Michaelis hatte das Mädchen genug.
Sie suchte sich einen reichen, hochmütigen Mann, sagte ”Danke, Adieu“ und verschwand.
 
Nu står jag vid städet sliten och grå
och hammaren bultar och hjärtat likså.
Men aldrig den flickan kommer igen,
hon är hos sin nyvunne vän.
//: Hej hoppfadderiddlade
 
Jetzt steh ich am Amboss, abgearbeitet und grau
und der Hammer schlägt und das Herz klopft auch.
Aber das Mädchen kommt nie wieder,
sie ist bei ihrem neuen Freund.
 
Tra rajdadidadi rajdadida,
tra rajdadida dadi rajdadida,
tra rajdadidadi rajdadida,
 
tralala…
 
 
ADW022 Im Dom zu Uppsala

71. Uppsala im Linné-Jahr

Vor 300 Jahren wurde in Schweden Carl von Linné geboren. Er entwickelte jene Methode, die Natur zu benennen, die heute weltweit angewendet wird: zwei lateinische Namen bezeichnen Gattung und Art von Pflanzen und Tieren. In Uppsala unterhielt er einen kleinen, feinen botanischen Garten und lehrte an der Universität. Wir unternehmen eine Exkursion im Stile Linnés, mit der akustischen Botanisiertrommel - dem Mikrofon - in gepflegte botanische Gärten und wildwüchsige Wälder in und um Uppsala im Jubiläumsjahr.

Manuskript

AMBIENTE BEITRAG

Uppsala – auf den Spuren von Carl von Linne

(Lothar Bodingbauer)

Anmoderation:

Von der Hausmaus Mus musculus bis zum Buschwindröschen Anemone nemorosa hat er den Lebewesen der Natur Namen gegeben. Auch den Menschen hat er mit Homo sapiens benannt.

In jedem Botanischen Garten der Welt befinden sich unzählige Pflanzen, die im Namensschild ein L führen, und dieses L steht für Linné. 

Carl von Linné, der schwedische Naturforscher, er ist der Erfinder der uns oft vertrauten lateinischen Doppelnamen für Tiere und Pflanzen. Er feiert heuer seinen 300. Geburtstag.

Die meisten Spuren vor Ort hat er in der Gegend von Uppsala hinterlassen, in Schweden. Dort wohnte er, betreute seine botanischen Gärten und unterhielt ein Sommerhaus, ein Zentrum für Studenten, Naturbegeisterte und auch Erholungsbedürftige. Das ist auch heute noch so. Lothar Bodingbauer hat Uppsala besucht und einige Menschen begleitet, die dort Carl von Linné immer noch tagtäglich treffen.

CD 1 / 1    Atmo 

(Atmo kurz stehen lassen)

Mikro    Text 

Die kleine Universitätsstadt Uppsala liegt ungefähr 60 Kilometer von Stockholm entfernt. Man könnte die Gegend vielleicht am besten als das Cambridge des Nordens bezeichnen. Die Universität prägt das Leben der Stadt, sie wurde schon 1477 gegründet, als zweite Universität Skandinaviens. 

Der kleine Fluß Fyrisån durchzieht die Stadt und seine Länden bilden einen willkommenen Treffpunkt nicht nur für die Lachmöwen und Schwäne der Region, sondern gerade auch für die Studenten, die dort auf die nächste Prüfung lernen oder zwischen den Vorlesungen Café trinken.

Oben am Berg das unvollendete Schloss von Uppsala, gleich daneben: die Kathedrale, in der neben Marmor und Bronce frische Blüten eine ganz bestimmte Grabplatte schmücken: Dort, am Grab von Carl von Linne, beginnt für den Besucher auf Linnés Spuren der Ausflug an jener Stelle, wo das Studium des Lebens für Linné selbst geendet hat.

CD 2 / 1    Atmo 

(In den letzten Satz ziehen, kurz stehen lassen, dann folgenden OT)

CD 1 / 2    0:34    OT Deutsch Olof Jacobson

Also wir sind hier am Grabe Carl Linneus. Wir sind also in der Domkirche von Uppsala. So ein großer Mann wie er war, er ist natürlich hier begraben. Es ist heute das Jubiläumsjahr, wie sie wissen. Das bedeutet, dass man hier es verschönt hat, wir haben eine Umringung von Pflanzen, es ist eine Menge von verschiedenen Pflanzen. Alle von ihnen sind normalerweise von Linneus Namen gegeben. Es ist grün und ganz schön am Grabe.

Mikro    Text 

Olaf Jacobson betreut dieses Ehrengrab. Er ist der Vorsitzende der schwedischen Linné-Gesellschaft und katalogisiert in Uppsala die Korrespondenz des Naturforschers. 

Den größten Teil seines Lebens verbrachte Linné auf den Spuren der Pflanzen hier in dieser Stadt. Er kam 1707 aber in Småland zur Welt, einer Provinz in Südschweden, deren Bewohner als besonders energiereich und ausdauernd beschrieben werden. „Setze einen Smålander auf einen Felsen, und er kann sich ausreichend ernähren. Gib ihm eine Ziege, und er wird reich“ – so heißt es in Schweden. Der Name Linnaeus stammt von den Linden, die im Hof der Familie standen. Linnés Vater war Priester, und Carl, der zweite Sohn, sollte ebenfalls Priester werden – was durch einen Mentor an Carls Volksschule erfolgreich verhindert wurde, der beobachtete, mit welcher Freude Carl mit Blumen spielte. Es war Linnés Mutter, die ihm schon früh Kränze voller Blüten um die Wiege wand. Carl, so schreiben die Biographen, war immer freundlich, lustig, glücklich und außerordentlich amüsierend. Rasch eignete er sich das botanische Wissen seiner Zeit an, studierte Medizin und wurde Experte für die Botanik. Nach Lehr- und Wanderjahren in Europa ließ er sich in Uppsala nieder. Mitten in der Stadt entstand sein eigener botanischer Garten, in dem er Vorlesungen hielt: Der Linné-Garten, der auch heute das Linné-Museum von Uppsala beherbergt.

CD 2 / 2    Atmo 

(Kurz stehen lassen)

CD 1 / 3    0:46    OT Deutsch Erik Århammer

An der gegenüberliegenden Seite vom neuen provisorischen Kiosk bewegen wir uns auf ein altes Haus zu, was jetzt das Linne-Museum beherbergt, und was früher von der Familie Linne bewohnt wurde und wo er auch die Studenten unterrichtet hat, Forschung betrieben hat. Und dann hat er vom Fenster des Arbeitszimmers im 1. Stock über den Garten hinausschauen können und auch zusehen können, dass die Gärtner alles genau so in die Wege geleitet haben und gepflanzt haben, wie er das geheißen hat. Klingeln wir, und sehen, ob jemand zuhause ist.

Mikro    Text 

Erik Århammer ist Gärtner, ein Nachfolger Linnés, denn er betreut im Botanischen Garten der Universität das Linneanum - die Orangerie. Er führt durch das Linné-Museum und zeigt Linnés Arbeitszimmer im ursprünglichen Zustand: mit Kästen voller Bögen mit gezeichneten und gepressten Pflanzen, Büchern, botanischem Handwerkszeug, selbst die Tapeten der Räume bestehen aus Drucken von Buch-Bögen, die Linné von seinen Verlegern zum Korrigieren erhalten hat.

CD 1 / 4    0:42    OT Deutsch Erik Århammer

Jetzt stehen wir von einem lebensgroßen Bildnis, das einen sehr jungen Carl von Linne zeigt, in der Lappentracht. Er hat ja eine Reise nach Lappland unternommen, eine sehr strapaziöse solche, wo er eine Pioniertat vollbracht hat, dass er da lebend wieder herausgekommen ist, ist schon allerhand. Und da hat er auch eine Lappentracht von da mitgeführt, und da sieht man alle Utensilien. Sehr interessant ist die so genannte Zaubertrommel oder Neuttrümma, wie es auf schwedisch heißt, wo man gute Geister beschwört hat und auch böse Geister hat versucht fernzuhalten. Die hat also magische Eigenschaften.

Mikro    Text 

Es war seine erste große Forschungsreise, die Linné als 23-jähriger Student in den Norden Schwedens, nach Lappland unternahm. Er katalogisierte alles, was er erlebte, alles was er sah. Er beschrieb Blumen, Sträucher, Steine, aber auch Sitten und Gebräuche. Besonders die Eigenheiten der heutigen Samen interessierten ihn - für ihn sonderbare Menschen in seinem eigenen Land. Derartige Lebensbeschreibungen waren neu für die damalige Zeit, und sie lesen sich auch heute noch spannend, unterhaltsam und oft amüsant. Zum Beispiel das, was er über das Werbeverhalten junger Männer schreibt: Eine bestimmte Art von Pilz hilft ihnen, Frauen zu begeistern.

Digas    Zitat Carl von Linné

Wenn ein Jugendlicher in Lappland so einen Pilz findet, bewahrt er ihn vorsichtig in einer Tasche auf, die er an seiner Hüfte anbringt, sodass der leichte Duft des Pilzes ihn für die Mädchen attraktiver macht, um das er sich bewirbt. Oh, seltsame Venus! In anderen Gegenden der Welt musst du mit Schokolade oder Kaffe gelockt werden, mit Eingemachtem und Süßen, mit Wein und Leckerbissen, Juwelen und Perlen, Gold und Silber, Seide und Kosmetik, Kugeln und Schmuck, Konzerten und Spielen; hier gibst du dich zufrieden mit einem kleinen welken Pilz!

Mikro    Text 

Die Stadt war anstrengend, damals wie heute. So kaufte Linné für sich und seine Familie ein Sommerhaus, 10 Kilometer außerhalb von Uppsala: In Hammarby. Garbiele Bodegård trifft dort als Waldökologin immer wieder auf Linnés Arbeitsweise, auf Linnés Spuren.

CD 1 / 5    1:45    OT Deutsch Gabriele Bodegård

Es knuspert, wenn man läuft. Es ist schon lange her, dass es geregnet hat das letzte mal. Ja, jetzt sind wir in Linnes Hammarby. Schauen wir, ob wir hier reinkommen (Atmo) So. Das ist Linnes Museum, was er selbst gebaut hat, 1766. Da hat es gebrannt in Uppsala, er hat Angst gehabt, seine ganzen Pflanzensammlungen, dass sie auch verbrennen, deswegen hat er das Häuschen hier gebaut aus Stein, kein Ofen hier drinnen. Da hat er seine ganzen Pflanzensammlungen hineingelegt, ein paar Tiere. Man kann durchs Fenster kucken. Da steht wie ein Holzpferd aus, was da drin steht, da kann man drauf sitzen, mit einer Schreibunterlage. Das hat Linne gebaut. Auf schwedisch Plughest, pluga studieren, lernen, hier sagt man auch heutzutage Streber sagt man Plughest, viel zuhause sitzt und studiert.

Mikro    Text 

Man kann sich glücklich schätzen mit einer Wanderführerin wie Garbiele Bodegård. Sie zeigt winzige Nagelköpfchen-Flechten, die man alleine nicht einmal von Nahem selbst erkennen würde, sie bückt sich dort, wo jeder andere vorbeigehen würde. Als Linné-Pädagogik wird diese Art des teilnehmenden Wanderns in der Natur in Schweden bezeichnet.

CD 2 / 3    3:25    OT Deutsch Gabriele Bodegård

Wenn man da eine Gruppe hat, einer von der Gruppe soll ein Buch dabei haben, kriegt ein Buch, ein Pflanzenbuch, einer einen Kescher um Tiere zu fangen, einer kriegt ein Gewehr aus Holz. Denn früher hat es keine Ferngläser gegeben, da haben sie die Vögel vom Himmerl geschossen, um zu bestimmen, was sie waren. Wieder ein anderer hat Disziplinstrafen ausgeteilt, einer hat Protokoll geführt. Alle waren irgendwie aktiv. Das ist Linne Pädagogik, wenn alle aktiv sind, dann sind dann auch alle konzentriert. - Jetzt gehen wir aus dem kleinen Park auf Linnes Wanderpfad, den er immer zur Kirche eingeschlagen hat. -

Ah kuck mal, das sieht eigentlich aus wie Elch. Ich glaube dass wir hier Elch-Fell, Haare gefunden haben. Und die Haare sind hohl. Und man kann sie brechen, das hört man vielleicht auch. (Atmo) Und wenn ich mit Kindern hier wäre oder mit Gruppe, und würde über den Elch erzählen, dass sich seit sich die schwedische Forstwirtschaft so geändert hat, seit den 50er 60er 70er Jahre, Kahlschlag macht, dann pflanzt man Fichten oder Tannen, dann haben sich die Elche wahnsinnig vermehrt. Das ist wie eine Futterkrippe. Die gehen herum fressen Knospen ab, die Forstwirte verzweifeln, und den Elchen geht’s gut, und die Jäger freuen sich auch. - Wir haben die mehr offene Landschaft verlassen und sind durch den Fichtenwald gelaufen. Und hier haben wir die Raststätte von Linne, seinen Lieblingsplatz, auf diesen abgeschliffenen Steinen hat er immer gerastet, wenn er zur Kirche gegangen ist. Man sagt, das ist Linnes Sofa. Der Stein ist abgebrochen, als der Gletscher rübergerutscht ist über die Kuppe, das sieht ziemlich bequem aus. Wenn man hier sitzt und der Wald ein bisschen lichter wäre, könnte man weit sehen. Es ist ein windgeschützter Platz, auch wenn es stürmt, hört man nur den Wind rauschen in den Wipfeln. Man kann hier sitzen und sich vorstellen, wie Linne über die Natur nachgedacht hat.

-------- SCHNEIDEN MÖGLICH: BEGINN ---------

CD 1 / 6    0:10    OT Englisch / Weiblich Lena Hansson

Möchten Sie die Linnea Borealis sehen? (ATMO)

Mikro    Text 

Wieder zurück im Linné-Garten in Uppsala zeigt Lena Hansen, die Chefgärtnerin, eine Pflanze, die zu Ehren Linnés benannt wurde: die Linnea Borealis, ein kleines unscheinbares Gewächs, mit ebenso unscheinbaren aber hübschen blassblauen Blüten. Im diesem botanischen Garten sind alle Pflanzen einfach zu finden, sie wurden geordnet, nach Linnés Vorstellungen.

CD 2 / 4    1:40    OT Englisch / Weiblich Lena Hansson

Wir haben hier eine symmetrisch angelegte Gartenanlage. Auf einer Seite befinden sich die mehrjährigen Pflanzen, auf der andern die einjährigen, und dann das Frühlings- und Herbst-Quartier bei der Orangerie dort. In Linnés Zeit war das hier ein wissenschaftlicher Ort, er war ausgelegt nach dem Sexualsystem, das Linné entwickelt hat. - Sie beginnen mit dem Pferdeschwanz hier, in der ersten Klasse. Sie müssen im Uhrzeigersinn gehen, dann können Sie dem System gut folgen. Dann können Sie vergleichen, wenn Sie ein Vergrößerungsglas bei sich haben, und schauen, ob er richtig gezählt hat. - Das System, das ganze Sexualsystem, ist aufgebaut von der Anordnung der Staubblättern und den Griffeln innerhalb der Blüte. Es gibt 24 Klassen, ein wirklich einfaches System, künstlich, aber einfach. So einfach, dass jeder der die verschiedenen Anordnungen sehen kann, auch dem System folgen kann.

Mikro    Text 

Carl von Linné taxonomierte Zeit seines Lebens. Ganz ohne Lehrer sollten alle Menschen die Pflanzen bestimmen und einordnen können. Lena Hansson kennt nicht nur die Pflanzen in ihrem Linné-Garten genau, sie kann auch die Besucher einteilen, je nachdem, wie sie durch den Garten gehen.

CD 1 / 7    0:32    OT Englisch / Weiblich Lena Hansson

Wenn sie wirklich Pflanzen lieben, greifen sie oft das Material an, schauen sich die Schilder an, gehen sehr langsam durch den Garten. Aber wenn sie nur hier sind mit einer Gruppe von Besuchern, dann schlendern sie herum, schauen sich einfach um schöne Pflanzen um. Diese Menschen genießen die Sicht des Gartens eher als einer ganz bestimmten Pflanze.

-------- SCHNEIDEN ENDE ---------

CD 2 / 5    0:17    OT Deutsch Marietta Manktelow-Steiner

Also in Schweden liebt man die Natur. Weil wir haben ja so lange schwere Winter. Und wenn die Sonne kommt, dann fühlt man so glücklich. - Also wir lieben die Blumen, wir lieben die Natur, und wir lieben Linne.

Mikro    Text 

Wer hier für ihr Schweden spricht ist Mariette Manktelow-Steiner. Sie ist Botanikerin in Uppsala und hat in Wien studiert. Sie organisiert im Linné-Geburtstagsjahr heuer die Feierlichkeiten in Uppsala: Tänze, Spiele, Ausstellungen, Exkursionen im Stile von Linné. Ja sogar ein Liebesfestival gibt es, passend für Linnés System, die Pflanzen zu sortieren. Und wirklich: alle freuen sich: die Wanderer, die Forscher, die Kinder und die großen Leute. 

CD 1 / 8    0:18    OT Deutsch Marietta Manktelow-Steiner

Ja, es ist eine Hysterie, aber nicht wie man denkt, also es ist so nett, und die Leute sind so engagiert und alle Leute in Uppsala werden wirklich und möchten wirklich Linné feiern. Also von kleine Kinder bis alte Leute. Alle sind da und möchten ein großes Fest machen zusammen.

Mikro    Text 

Eine unglaublich lebendige Welt tut sich auf, wenn man den Botanikern auf Linnés Spuren in Uppsala zusieht, wie sie mit einer einfachen Art die Natur zu erleben - dem genauen Hinsehen, dem Beschreiben, dem Ordnen, dem Überlegen, wie die Naturgeschichte geschrieben wurde, arbeiten und forschen. 

Für die gewöhnlichen Menschen werden Anleitungen gestaltet, die im Jubiläumsjahr in Uppsala überall zu finden sind. Wo der Ausflug auf Linnés Spuren in Uppsalaheuer  endet, kann er in Zukunft immer wieder von neuem beginnen.

CD 2 / 6    0:16    OT Deutsch Marietta Manktelow-Steiner

Das ist wahr, also wir machen das hier für die Zukunft. Viel Geld ist benützt  um Linnes Hammarby, die Plätze, die Linne-Garten, die Pfade zu restaurieren. So kommt man zu Uppsala nächstes Jahr, dann ist es viel mehr Spaß als voriges Jahr. 

70. Katalog des Lebens

70. Katalog des Lebens

Zum 300. Geburtstag von Carl von Linné: Der schwedische Naturwissenschaftler Carl von Linné war leitender Gärtner des Botanischen Gartens von Uppsala. 1745 legte er eine Blumenuhr an, die mit dem zeitlich unterschiedlichen Aufblühen von Blumen im Laufe des Tages die Uhrzeit anzeigte. Wirklich bekannt und berühmt wurde Carl von Linné jedoch durch sein Bemühen, die Arten der Natur zu sortieren und zu katalogisieren. Er entwickelte eine Taxonomie von Tieren und Pflanzen, die mit ihren lateinischen Doppelnamen auch heute noch als „Katalog des Lebens“ von all jenen verwendet wird, die sich praxisbezogen mit Lebewesen beschäftigen. Wissenschaftlich entwickeln sich vor dem Hintergrund genetischer Untersuchungsmethoden die Konzepte der Unterscheidung von Arten nun in eine völlig andere Richtung. Künftige Taxonomien aufgrund von DNA-Basensequenzen scheinen jedoch den praxisbezogenen Zweck des Umgangs mit Arten und Artkonzepten nicht zu erfüllen. Die Sendung beantwortet die Frage, wie Carl von Linné die Taxonomie der Natur entwickelt hat, und in welcher Weise sie heute noch notwendig und zeitgemäß ist.

CARL VON LINNÉ – 300. GEBURTSTAG

MANUSKRIPT DIMENSIONEN

LOTHAR BODINGBAUER

23. Mai 2007

DIGAS    Zitat Carl von Linné

Worte können die Freude nicht beschreiben, die nach dem Winter durch die Sonne allem Leben gebracht wird. Der Birkhahn und der Auerhahn beginnen ausgelassen zu sein, der Fisch sich immer schneller zu bewegen. Jedes Tier fühlt einen sexuellen Drang. - Ja, Liebe kommt sogar zu den Pflanzen. Männliche und weibliche, sogar die Hermaphroditen halten ihre Hochzeit – das ist das Thema, das ich hier diskutieren werde – sie alle zeigen ihre sexuellen Organe. 

Wenn das Blüten-Bett gemacht ist, dann ist es Zeit für den Bräutigam, seine geliebte Braut zu umarmen und sich ihrer hinzugeben.

DIGAS    Sprecher 

Der Katalog des Lebens

CD 1/1    0:15    OT Deutsch Marietta Manktelow-Steiner

Im 19. Jahrhundert er war wie ein Heiliger. Er machte keine Fehler, er war phantastisch. Er war unser König, unser schwedischer Blumenkönig. Er war sehr freundlich zu den Leuten. Aber er hatte auch seine schwarzen Stunden...

DIGAS    Sprecher 

Zum 300. Geburtstag des schwedischen Naturforschers Carl von Linné

CD 1/2    0:21    OT Deutsch Marietta Manktelow-Steiner

Wir systematisieren unsere Häuser, und was wir haben. Es ist eine Arbeit, das ist natürlich. Denn das menschliche Gehirn muss mit Systematik arbeiten. Und dann hat man einige Leute, die sind supergut auf systematisieren, und sie können große Systematik machen, und Linné war einer von diesen Menschen.

DIGAS    Sprecher 

Eine Sendung von Lothar Bodingbauer.

CD 1/3    0:24    OT Deutsch Marietta Manktelow-Steiner

Also Linné war ja ein sehr großer Wissenschaftler. Linné hatte eine große Bedeutung für Sprechen von der Natur. Er konnte die Natur beschreiben in solcher Sprache, dass Leute heute das lesen können, und spüren, dass er fühlte, wie wir fühlen von der Natur.

Mikro    Text 

Mariette Manktelow-Steiner ist eine der direkten Nachfolger von Carl von Linné. Sie hat in Wien Botanik studiert, und arbeitet heute an der Universität Uppsala, dem Cambridge des Nordens, ein wissenschaftliches Zentrum für Medizin und die angrenzenden Naturwissenschaften. Linné verbrachte dort die größte Zeit seines Lebens. 10 km außerhalb der Kleinstadt erwarb er ein Sommerhaus, um den schädlichen Einflüssen des Stadtlebens zu entgehen – und Botanik zu betreiben, in seinen Rabatten – den Beeten, die er anlegte und deren Inhalte er sorgsam beschriftete. 

Heute befinden sich in jedem Botanischen Garten der Welt unzählige Pflanzen, die im Namensschild ein „L“ führen. Dieses „L“ steht für Linné. Man kann daran erkennen, dass Carl von Linné diese Pflanze als erster wissenschaftlich beschrieben hat.

Geboren wurde Carl von Linné vor genau 300 Jahren in Südschweden, am 23. Mai 1707, gerade als Isaac Newton in England starb und Exkursionen von Forschern rund um die Welt im vollen Gang sind. Die Fundstücke der belebten Natur werden zurück an die Universitäten und Akademien gebracht, in Kisten und Säcken, in Skizzen und Reistagebüchern. Diese Funde brauchen einen Namen. Sie müssen geordnet werden. Linné sortierte die heimische Natur und die fremde. - Von der Hausmaus bis zur Kiefer. Fast die gesamte europäische Flora und große Teile der Fauna wurde von ihm beschrieben. 

Linné beendete das damalige Namenschaos, in dem er 18.000 europäische Pflanzennamen auf nur etwa 3.000 reduzierte und ein System für die Vergabe entwickelte. Die zwanzig oder mehr verschiedene Bezeichnungen für den Feldhasen ersetzte er durch: Lepus europaeus - der europäische Hase; und - revolutionär für diese Zeit: Linné ordnete den wissenden Mensch, den Homo Sapiens, in das Reich der Tiere ein, und nicht als Bindeglied der irdischen Schöpfung zu den Engeln. Alles, sagte er dennoch, alles sei Teil eines göttlichen Plans, jedes Stück der Natur ist Teil einer Ordnung, die es zu finden gilt.

CD 1/4    0:36    OT Deutsch Marietta Manktelow-Steiner

Er war nicht ein Prozessmensch, er war nicht ein Prozessforscher. Er war ein Systematiker und damit möchte er alles sortieren und das ist typisch für einen Musterforscher, wenn man so sagen kann. Also Systematiker in dieser Welt sie machen eine große Arbeit, um alle Dinge zu sortieren. Und das ist ja sehr notwendig für all die anderen Forscher, die mit den Prozessen, zum Beispiel evolutionäre Prozesse arbeiten möchten. Das muss man auch einen Baum des Lebens haben.

Mikro    Text 

Mariette Manktelow-Steiner organisiert im Linné-Jubiläumsjahr 2007 die wissenschaftlichen Anteile der Feierlichkeiten in Uppsala. Mit Linné teilt sie den Beginn des Wegs der Interessen.

CD 1/5    0:48    OT Deutsch Marietta Manktelow-Steiner

Als ich 14 Jahre alt war, es war so gut, Pflanzen zu sammeln und pressen und so. Mein Vater schaute mich in der Flora, da war ein Schlüssel. Man konnte die Arten finden durch diesen Schlüssel. Das war vollkommen faszinierend für mich. Ich konnte das nicht ändern ich muss immer diesen Schüssel verwenden ich wollte immer alle Arten lernen, und darum bekam ich ein Botaniker und ich glaube ich bin ein Systematiker, ein Systematiker vom Anfang. Also ich habe ein Systematikergehirn und jetzt systematisiere ich nicht Pflanzen, sondern diese Projekt von Linné Jubiläum das ist dieselbe Arbeit aber mit anderen Dinge zu sortieren.

Mikro    Text 

Ein Systematiker versucht, unterschiedliche Dinge oder auch Vorstellungen, abstrakt oder konkret, in eine Ordnung zu bringen. Er gruppiert sie nach Eigenschaften, die er selbst festlegt oder für wichtig hält, oder nach Regeln, die von der Wissenschaftsgemeinde entwickelt und für wichtig gehalten werden.

Linné schuf 24 Klassen von Pflanzen, in die er jede einzelne einordnete. Das Kriterium dafür ist bestechend einfach und für jedermann zugänglich: die Anzahl und Anordnung der Staubfäden und Stempeln in den Blüten, die männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane. Karin Martinsson ist ebenfalls Botanikerin an der Universität Uppsala.

CD 1/6    1:6    OT Englisch / Weiblich Karin Martinsson

Das wurde vor ihm nicht gemacht, und es gab nun eine neue, praktische Methode. Es ist sehr einfach, die Staubblätter und die Stempel zu zählen, und dann die Art in eine der 24 Klassen des Sexualsystems zuzuordnen.

Wir haben hier eine Fuchsia. Und wenn wir da die Staubblätter zählen, da haben wir... – [warten bis engl. „8“ genannt wird“] 8 Staubblätter. Die Fuchsia gehört also in die Klasse Octandria - mit 8 Staubblättern und einem Stempel. 

Linneus selbst erkannte, dass das kein natürliches System ist. Diese Klassen reflektieren nicht, wie die Arten verwandt sind. Aber es ist ein sehr praktisches System, und es machte möglich, all die neuen Arten zu klassifizieren, die aus der ganzen Welt nach Europa gekommen sind, als Ergebnisse der wissenschaftlichen Exkursionen.

Mikro    Text 

In der Folge entstand die Wissenschaft der klassischen Taxonomie, die sich bis heute erhalten hat. Die Lebewesen - nicht nur die Pflanzen - werden in Gruppen sortiert, die einem hierarchisch geordneten Kategoriensystem zugeordnet werden. Je weiter oben in der Hierarchie, desto abstrakter. Die unterste Stufe bildet die konkrete Art. Zum Beispiel: das Buschwindröschen. Darüber: Die Gattung - Windröschen, aus der Familie der Hahnenfußgewächse, die zur Abteilung der Bedecktsamer gehört, aus der Überabteilung Samenpflanzen, dem Unterreich der Gefäßpflanzen und - ganz oben in der Hierarchie - dem Reich der Pflanzen. 

((Nächster Cut starten, beginnt mit Atmo))

Lenna Hansen ist leitende Gärtnerin in Linnés früherem eigenen kleinen botanischen Garten, mitten in Uppsala.

CD 1/7    1:26    OT Englisch / Weiblich Lena Hansson

Das ist ein kleiner Unterstand, wo wir die Schilder während dem Winter aufbewahren. Diese Schilder sind aus Schiefer, und wir haben eine kleine Malerei auf der Vorderseite, und dann die Linné’schen Namen. Einen neuen Namen, wenn es ihn gibt, stellen wir danach in Klammer. Dann das Gebiet, wo die Pflanze vorkommt, dann eine lateinische und eine arabische Zahl, das ist die Klasse und Ordnung im Sexualsystem. So weiß man gleich, in welchem Gebiet man hier im Garten nach der Pflanze suchen soll. Und dann kommt noch der schwedischen Namen - wenn es einen gibt. Alle kennen wir gar nicht mehr, die es damals gab, denn sie haben sich in ganz Schweden sehr unterschieden.

Mikro    Text 

Linnés Hauptwerk, die „Systaema Naturae“, veröffentlichte er 1735 in der holländischen Universitätsstadt Harderwijk, wo er mit seinen aus Schweden mitgebrachten Arbeiten das Doktordiplom der Medizin erwarb. Er hatte kein Geld mehr, doch ein Gönner, der Botaniker Jan Frederik Gronovius finanzierte das Werk, das in seiner ersten Auflage nur 10 Folioseiten enthielt, während die 13. Auflage, 35 Jahre später, schon aus mehr als 3.000 Seiten bestand. 

Der eigentliche Beginn des linnéschen Namenssystem ist 1753 mit seinem Buch: „Species planetarum“ anzusetzen, in dem er alle bekannten Arten des Pflanzenreiches publizierte, und drei Jahre später, in der zehnten Auflage der „Systema Naturae“ veröffentlichte er auch die Namen aller ihm bekannten Tiere.

Vor dieser Zeit wurden die Arten durch eine Aufzählung ihrer Eigenschaften benannt. Zum Beispiel hieß das Buschwindröschen: „Anemone seminibus acutis foliolis incisis caule unifloro“, und das bedeutet: Anemone mit spitz zulaufenden Samen, eingeschnittenen Blättern und einblütigem Stiel. 

Der neue Name hebt die Unterschiede hervor: Anemone nemorosa, die Anemone des Waldes, im Gegensatz etwa zur Anemone Alpina. Die - ja, und jetzt sind wir bei einem Problem, die Alpen-Kuhschelle. Die „Anemone alpina“ wird nämlich heute nicht mehr den Anemonen, sondern der Gattung der Kuhschellen zugeordnet: Pusaltilla alpina heißt sie heute. Der alte Name: Anemone alpina ist als Synonym geblieben. 

Das System, so schrieb Linné, sollte so einfach sein, dass eine Art ohne die Hilfe eines Lehrers identifiziert werden kann. Und gerade deshalb wird es heute weltweit verwendet, von allen, die praktisch mit Tieren und Pflanzen arbeiten, handeln und forschen. Zum Beispiel auch Matz Hjertson, Evolutionsbiologe in Uppsala.

CD 1/8    0:25    OT Englisch / Männlich Matz Hjertson

Das ist einer der Räume in unserem neuen Gebäude, mit extra Security und Klimakontrolle. Dieses Material wurde von Linneus hier in Uppsala verwendet. – Ich ziehe jetzt meine Handschuhe an, um Ihnen etwas zu zeigen. – Das ist das Stück Pflanze, das ist die Grundlage für den Namen.

Mikro    Text 

Welche Überraschung. In diesem Hochsicherheitsraum in Uppsala befindet sich unter vielen anderen gepressten Pflanzen auch DAS Buschwindröschen aus unserem vorigen Beispiel, die Naemone Nemorosa. Ähnlich dem Pariser Urmeter für die Physik - ist dieses eine Exemplar die Referenzpflanze für die Beschreibung und den Namen der Art.

Linné war sich der Bedeutung dieser Typus-Expemplare für die Forschung noch nicht bewusst. Wenn er ein besseres Exemplar bekam, tauschte er es einfach aus. Das konnte in der Folge zu Problemen führen: zur Vermischung von Arten, besonders von „schwierigen“ Arten.

CD 1/9    0:40    OT Englisch / Männlich Matz Hjertson

Bei vielen Pflanzen, die heute von Forschern untersucht werden, müssen sie zunächst einmal wissen, womit sie es grundsätzlich zu tun haben. Sie beginnen mit einer Art, die sie aufgrund ihres Aussehens festlegen, genau so wie Linné es getan hat. Aber manchmal stellt sich heraus, dass diese Art, auf diese Weise morphologisch beschrieben, „nicht hält“. Es gibt sehr ähnlich aussehende Arten, die jedoch eine unterschiedliche genetische Basis haben. 

Jeder hier in Europa kennt zum Beispiel einen Apfel. Es gibt aber verschiedene Kulturarten. Und wenn man auf die genetische Kodierung schaut, kann man auf hunderte, wenn nicht auf 1000e Varietäten stoßen.

Mikro    Text 

Die heutige Taxonomie hat die Linnésche Taxonomie weiterentwickelt und verfeinert, sie versucht die Arten nach inneren Kriterien zu verbinden, nicht nach der bloßen äußeren Erscheinungsform. Sie arbeitet mit DNA-Analyse, Computermethoden, Matrizen und Wahrscheinlichkeiten.

Eine völlig neue Taxonomie - der so genannte Phylocode, ein Strichcode des Lebens auf DNA-Basis, kommt derzeit über seine Kinderschuhe nicht hinaus. Nicht zuletzt durch seinen Ansatz, für alle Arten völlig neue Namen zu vergeben. Und die klassische Taxonomie nach Linné hat einen Vorteil: sie gilt als äußerst stabil, denn wissenschaftliche Ansichten über Verwandtschaftsverhältnisse können sich weitaus schneller wandeln, als die äußere Erscheinungsformen,die Kriterien nach denen die Arten ursprünglich geordnet wurden. 

Allen Methoden gemein ist, dass sie DEN Baum des Lebens zeichnen wollen. Ist er denn wirklich ein Baum?

CD 1/10    0:36    OT Englisch / Männlich Matz Hjertson

Das ist wahrscheinlich nicht der Fall. Wenn man bei den Mikroben schaut, bei Bakterien und ähnlichen Lebewesen, dann gibt es einen kontinuierlichen Gen-Transfer zwischen verschiedenen Arten, wir haben Virusse, die Gen-Sequenzen übertragen, gleichsam über den ganzen Platz. Es sieht auch danach aus, dass horizontaler Gen-Transfer zwischen Pflanzenarten öfter vorkommt, als bisher gedacht. 

Statt einem verzweigenden Baum des Lebens müssen wir heute mehr immer von einem Netz sprechen, zumindest in bestimmten Gebieten.

CD 1/11    0:23    OT Deutsch Marietta Manktelow-Steiner

Die Klassifizierung der Organismen wird verändert jede Minute, jede Stunde, während wir hier sitzen und reden, so forscht jemand in der Welt ein Forscher, ein Forscher korrigiert, ein kleinen Zweig auf dem Baum des Lebens. Jede Stunde verändert sich diese Klassifikation.

Mikro    Text 

Was wäre ein Botaniker ohne botanischen Garten, klagte Linné dem schwedischen König, und erhielt daraufhin und aufgrund seiner bisher gebrachten wissenschaftlichen Leistungen unterhalb des Schlosses von Uppsala ein Gelände, das noch der heutigen Universität als botanischer Garten dient. Eric Århammer betreut als leitender Gärtner das Linneanum, die Orangerie.

CD 1/13    0:45    OT Deutsch Erik Århammer

Wir gehen jetzt hinaus in die Orangerie, wo hier die Mittelmeergewächse stehen, zu den vier Lorbeerbäumen von Carl von Linné, die er als Stecklinge bekommen hat. Das sind große alte knorrige Bäume, hier sind wir beim ersten schon angelangt. Vom Alter geprägt, rissige knorrige Rinde, 6m hohe Lorbeerbäume, 270 Jahre alt ungefähr, 4 Stück. Hier steht dann Laurus Nobilis, das ist der lateinische Gattungs- und Artname, dahinter solle dann ein L stehen, weil Carl von Linné hat diesen Baum wissenschaftlich beschrieben.

Mikro    Text 

Wie die meisten Botaniker war Linné ein guter Beobachter und Beschreiber der Verhältnisse. Er schrieb wertfrei, präzise, auf Schwedisch und damit für alle verständlich. Legendär sind seine Berichte über eine ausgedehnte Lapplandexkursion, die er schon als 25-jähriger unter großen Strapazen unternahm.

CD 1/14    0:29    OT Deutsch Erik Århammer

Da hat er alles aufgeschrieben, was ihn an Neuigkeiten zukommen konnte, wie auch die Sitten und Gebräuche der Ortsbevölkerung und das Wetter und die Landschaft und die verschiedenen Gebrauchsgegenstände. Er hat alles beschrieben. Das ist unglaublich informativ gewesen und ist es heute noch, das ist sehr interessant zu lesen.

DIGAS    Zitat Carl von Linné

Sogar die lahmste Kuh, die unter normalen Umständen kaum in der Lage wäre, zu gehen, rennt wie ein Rentier durch die Felder. Ihre Schwänze auf und ab, sie laufen und springen, bis sie schließlich zu einer Wasserstelle kommen, wo sie halten, wie eine Rast auf der Flucht vor einem Feind. Ich haste herbei, um zu sehen, was sie da mit einer Kraft größer als die einer Peitsche oder der Tod selbst gejagt hat, und finde etwas, dem ich selbst schon begegnet bin: Oesturs Bovi. Diese Bremsen attackieren nicht den Körper, sondern die Füße, zwischen den größeren und den kleineren Hufen der Tiere. Das Insekt fliegt keine zwei oder drei Spannen über den Boden, meistens nur auf halber Höhe. Das Vieh rennt, bis es Wasser findet, worin es stehen kann, bis die Bremsen sie nicht mehr belagern.

Mikro    Text 

Linneus wissenschaftlichen Exkursionen innerhalb Schwedens waren von seinen Auftraggebern - der Universität oder der Krone - auch dazu gedacht, neue Möglichkeiten für Anpflanzungen zu finden, für Arten, die bisher teuer importiert werden mussten. 

Er forderte, nachhaltig mit den Wäldern umzugehen, und immer mehr wandelte er sich von der Beschreibung des Zustands zur Vorstellung des Faktors „Zeit“. Erst spät entwickelte er eine Vorstellung von „Evolution“. Olof Jacobson, Leiter der schwedischen Linné-Gesellschaft:

CD 1/15    1:39    OT Englisch / Männlich Olof Jacobson

Als er begann, dachte er, dass alles bereits erschaffen war, und alle Arten bereits fertig. Aber bevor er starb, war er überzeugt, dass eine Art von Evolution vor sich geht. Er konnte es nicht benennen, wie. Aber er war überzeugt, dass „etwas“ von sich geht. Was das Alter des Planeten betrifft, war er überzeugt, dass er viel älter ist, als was man bisher gedacht hat, wenn man das Alter nur von der Bibel übersetzt. -- Er bestieg einmal den Berg Chinekola (sprich: „chine-kolä“) , einen Berg mit vielen Schichten, und er war wie immer sehr sorgfältig, die verschiedenen Schichten zu beschreiben. Als er das getan hat, sagte er, es wäre dumm zu denken, dass die Steine über den anderen Schichten zur selben Zeit erschaffen worden sind, als die anderen. Wir sehen eine immense Anzahl von Jahren vorbei streichen. Wir hatten ein Meer hier einmal, es waren Tiere darin, die haben wir heute nicht mehr, sie sind aber in dieser Schicht. Darüber sieht man viel Sand, da war ein Fluss mit Sandschichten. Darüber gibt es wieder andere Schichten, wo es viele Pflanzen gibt. Und was man über all diese Schichten herausfinden kann, ist, dass die Kreation der Erde ein Produkt der Zeit ist.

DIGAS    Zitat Carl von Linné

Mir wird schwindlig, wenn ich auf diesen Höhen stehe und hinunterschaue durch die Zeitalter und sehe, wie Klangwellen gleich, die fast verloschenen Spuren einer früheren Zeit, die heute nur noch flüstern kann, und alles andere von damals ist bereits still. 

Mikro    Text 

Neben seinen naturgeschichtlichen Lehrbüchern verfasste Linné unzählige Manuskripte und Briefe, die derzeit von der Schwedischen Linnégesellschaft klassifiziert, systematisiert und als Faximile mit englischer Zusammenfassung im Internet veröffentlicht werden.

CD 1/16    0:29    OT Englisch / Männlich Olof Jacobson

Er hatte ein großes Korrespondentennetz. Linné hatte mehr als 400 Korrespondenten außerhalb von Schweden. Das ist wirklich ein Netzwerk. Wenige Wissenschaftler heute haben ein lebendes Netzwerk einer derartigen Größe, und er benützte es, um an Informationen heranzukommen, und um Informationen herzugeben, über die Naturwissenschaften.

Mikro    Text 

Schon als Medizinstudent im 2. Jahr hielt Carl von Linné Vorlesungen über Botanik. Er präsentierte Naturgeschichte als etwas Neues. Seine Exkursionen, Herbationes genannt, sind heute legendär. Die Studenten erhielten Aufgaben: einige hatten zu schreiben, andere zu zeichnen, einer holte mit einer Flinte die Vögel vom Himmel - Ferngläser gab es noch nicht, um sie genau zu beschreiben. Alle andern botanisierten und scharten sich - manchmal zu hundert bis zweihundert - um ihn. 23 seiner Studenten wurden selbst Professoren.

DIGAS    Zitat Carl von Linné

Niemand vor ihm, hat seine Studien mit größer Begeisterung verfolgt und niemand hatte mehr Hörer, niemand vor ihm machte mehr Beobachtungen im Bereich der Naturgeschichte, hatte eine größere Einsicht in die drei Reiche der Natur, niemand vor ihm war ein größerer Botaniker oder Zoologe, und hat die Flora, Fauna und Topographie seines Landes besser beschrieben als er. Niemand schrieb mehr Bücher, schrieb sie richtiger, methodischer, niemand hat die ganze Wissenschaft so sehr verändert und eine neue Zeit eingeleitet. Niemand schickte seine Wissenschaft in so viele Teile der Welt, schrieb seinen Namen auf mehr Pflanzen und Insekten, und tatsächlich – auf die ganze Natur, und niemand listete so viele Lebewesen auf, wurde Mitglied so vieler wissenschaftlicher Gesellschaften, und niemand ...

... wurde berühmter, als er.

Mikro    Text 

Wer hier über Linné schreibt, ist Linné selbst. Es war Stil seiner Zeit, seine eigene Biographie in der dritten Person zu schreiben, um sie als Lebenslauf für Bewerbungen zu verwenden, oder als Nachruf für sein Begräbnis. Es war aber sein persönlicher Stil, das reichlich selbstbewusst zu tun.

CD 1/17    1:0    OT Deutsch Marietta Manktelow-Steiner

Er war ein Sohn von einem Pfarrer, sein Großvater war ein Bauer. Er selbst bekam ein „von“. Er war adelig. Er machte eine Klassenreise. Wir sagen es auf Schwedisch. Damit folgen immer Komplexe. Man fühlt sich nicht gut genug. Man macht gute Dinge, man wird berühmter aber drinnen ist man immer zweifelnd und man denkt, vielleicht bin ich nicht so gut, wie sie sagen. So wenn man liest Linneus Selbstbeschreibung, dann schreibt er. Ich bin der berühmteste Botaniker der Welt, und alle müssen meinem Sexualsystem folgen aber gleichzeitig konnte er schreiben: Wenn ich sterbe, wäscht mich nicht. Ich bin nicht eine große Person, vergesst mich nur ...

DIGAS    Zitat Carl von Linné

Legt mich in einen Sarg, ungewaschen, ungekleidet, eingewickelt in ein Leintuch. Nagelt den Sarg zu, damit niemand meine Erbärmlichkeit sieht, lasst die Glocken der Stadt-Kathedrale läuten, aber keine Glocken am Land; und Männer meiner Heimat sollen mich zu Grabe tragen. Es soll keine Unterhaltung geben, und auch kein Bedauern.

Mikro    Text 

Charles Darwin wurde für seine Evolutionstheorie gescholten und gebeutelt, seine Ideen wurden von Rassisten missbraucht. Mit Carl von Linné ist das bis heute nicht geschehen. Sein System der Namensvergabe ist, so scheint es, ohne Tadel, jeder kann damit arbeiten und ableiten, was auch immer er kann und will. 

Gibt es dennoch Schattenseiten? Im Alter wurde Linné depressiv, er war massiv überarbeitet. In den Sommermonaten arbeitete er von 4 Uhr Morgens bis 10 Uhr Nachts. 

Kann Systematik auch zu einer Obsession werden? Marietta Manktelow-Steiner:

CD 1/18    0:53    OT Deutsch Marietta Manktelow-Steiner

Ja natürlich, das ist so, und vielleicht war es auch so für Linné. Ein bisschen, weil er systematisierte auch Moral, er hatte Beobachtungen von Menschen in seinem Leben und am Ende hat er geschrieben ein kleines Buch für seinen Sohn, wie er leben sollte, weil er hatte gesehen in seinem Leben dass macht man etwas schlecht, dann kommt etwas Schlechtes zurück. Dieses Buch ist genannt Nemesis Divina. Göttlich Rache. Ja. Also es ist ein Problem, Systematiker zu sein. Ich kann zum Beispiel nicht eine Tapete sehen, ohne die Muster ausforschen, darum habe ich nur eine Farbe auf meinen Wänden in meinem Haus.

DIGAS    Sprecher 

Sie hörten: Der Katalog des Lebens - Zum 300. Geburtstag des schwedischen Naturforschers Carl von Linné.

CD 1/19    0:26    OT Deutsch Marietta Manktelow-Steiner

Alle sind Systematiker mehr oder weniger. Kein Mensch kann leben ohne Systematik. Man muss immer die Gläser in einem Platz haben, die Messer an einem anderen Platz, sonst wird man verrückt.

DIGAS    Sprecher 

Gestalter der Sendung war Lothar Bodingbauer. Gesprochen haben:

Nina Strehlein

         (VORNAME FEHLT) Strzowski

und Arthur Treinacher

Morgen in "Dimensionen - Die Welt der Wissenschaft": Kulturgüterschutz, eine Sendung über Naturwissenschaft und Denkmalpflege.

Uppsala und Carl von Linné

Uppsala und Carl von Linné

Einer muss ja die Natur sortieren. Systematisieren, um den Pflanzen Namen zu geben. Und der Hausmaus. Und dem Leben überhaupt. Carl von Linné hat das getan, er arbeitete in Uppsala, in Schweden, und von ihm stammt das Namenssystem von Tieren und Pflanzen - die lateinischen Doppelnamen. Ein Besuch in Uppsala bei Menschen, die heute noch mit Carl von Linné arbeiten: Botaniker. Die Sendung dazu gibt es hier.

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