Kein Phänomen wird so misshandelt wie die Wahrheit. Sie wird ans Licht gezerrt, veröffentlicht, gebeutelt, sie wird geknetet. Jede:r sucht sie. Viele glauben sie zu haben. Journalismus allerdings ist die Suche “nach dem anderen Standpunkt”. Und Wissenschaft die “Annäherung an das Beweisbare”. Von blanker Wahrheit ist da keine Spur. Das schauen wir uns an. An vielen Beispielen und an eigenen Ideen.
Sehr viele Konsumenten verlangen, dass Medien Fakten & Meinung klarer trennen. Aber nur 1/4 der Amerikaner kann 5 simple Fakten von Meinungen unterscheiden. Ziemlich ernüchternde Studie: https://t.co/OTGANB9v6u
Ich habe mir das näher angeschaut. Fakt oder Meinung?
Vielen Menschen fällt es schwer, Fakten von Meinung zu unterscheiden. Das ist aber wichtig. Besonders in Zeitung, Radio und Fernsehen sollten Fakten und Meinungen nicht vermischt werden. Wo ist da der Unterschied?
Fakt: Eine Tatsache. Etwas Messbares. Eine Beschreibung von einem Zustand. Eine Beschreibung von einem Prozess. Der Übermittelnde halt es für wahr. Es gibt eine objektive Begründung. Es kann überprüft/demonstriert/gezeigt werden. Ein Faktum ist also etwas Allgemeines. Oft erkennbar durch hat/ist/sind/können in der Einleitung, oder der Phrase “es ist bekannt, dass…”, allerdings nicht jede dieser Einleitung bringt dann ein Fakt. Wenn es als Fakt erkannt wird, meinen Menschen oft, dass das Fakt damit auch genau (richtig) ist. Wenn fälschlicherweise als Meinung bezeichnet, dann stimmen diese Menschen üblicherweise dieser Meinung nicht zu (s. Link). Englisch: factual statement.
Beispiel:
Die Banane ist gelb. Sie hat braune Punkte.
Viele Lokale sind rauchfrei.
Katzen können auf Bäume klettern.
Meinung: Eine Bewertung. Eine Einschätzung. Eine Interpretation. Eine Beschreibung von einem Gefühl. Eine Beschreibung von einer Stimmung. Der Übermittelnde halt sie für wahr. Die Begründung dazu ist aber nicht objektiv. Eine Meinung ist also etwas Persönliches. Oft erkennbar durch: sollen/müssen/dürfen in der Einleitung, oder Eigenschaftswörter (groß/bester/vernachlässigbar/immer), oder der Phrase “Meiner Meinung nach…”. Wenn sie als Meinung erkannt wird, wissen Menschen im allgemeinen, dass sie zustimmen können, aber nicht müssen (s. Link). Selbst Expertenmeinungen sind keine Fakten. Englisch: belief, opinion statement (Stellungnahme).
Beispiele:
Die Banane schmeckt ausgezeichnet. Sie ist reif.
Es sollte ein Rauchverbot in Lokalen geben.
Katzen müssen auf Bäume klettern.
Ist der Folgende Absatz Fakt oder Meinung?
Bevor man eine Meinung hat, braucht man idealerweise Fakten. Man sollte sich also erst ein Bildung von der Situation machen, bevor man eine Meinung dazu formuliert. Eine Meinung kann sich aber durchaus nur auf andere Meinungen stützen. Dann ist es halt keine eigene Meinung.
Es wird noch zusätzlich einen Tick schwieriger, wenn Konsumenten in einem Interview vom Interviewenden ausschließlich Fakten fordern, wenn er – journalistisch richtig – „den anderen Standpunkt“ vertritt – also durchaus „die andere Meinung“ bzw. die „andere Bewertung der Fakten“.
Dazu zwei Interviews von CBC Radio One (As it Happens), in denen jeweils der andere Standpunkt eingenommen wird. Zwei 8 min. Interviews für jede Journalismusschulung. Link zur Zusammenstellung.
Weiterführende Fragen:
Wer hat Interesse daran, dass Fakten von Meinungen beim Formulieren getrennt werden? Die Senderseite.
Wer hat Interesse daran, dass Fakten von Meinungen beim Hören und Verstehen getrennt werden? Die Empfängerseite.
Was bedeutet Glaubwürdigkeit?
Was bedeutet “hinterfragen” bzw. “kritisch denken”?
Im Leben allgemein und bei Verschwörungsmythen im Besonderen gibt es vier zu unterscheidende Wahrheiten:
Meine Wahrheit
Deine Wahrheit
“Die Wahrheit”
Das, was wirklich war
Mehr dazu in diesem interessanten Podcast über Verschwörungstheorien. Die Leute von “Alternativlos” zählen nicht einfach welche auf, sondern analysieren den Hintergrund und bringen viele spannende Aspekte ins Ohr.