Wir erzählen einander Geschichten. Was passiert ist. Was vielleicht passieren wird.
Im Workshop “Storytelling” entwickeln wir Geschichten. Ausgehend von der Frage: “Worüber lohnt es sich zu reden?” finden wir Themen bei einem “doppelseitigen” Spaziergang, bei dem wir erst vor die Kulissen, und dann hinter die Kulissen schauen. Im gemeinsamen Gespräch werden wir jene Punkte identifizieren, die zu berichten spannend sind.
Obwohl es einige Leitlinien gibt, was eine gute Geschichte ist, und wie sie vermittelt wird, steht in meinem Workshop zum Storytelling der Prozess der gemeinsamen Erarbeitung im Mittelpunkt.
Wirkungsvolle Strategien lernen wir im “reverse engineering” einer guten Radiogeschichte kennen. Und: Storytelling beinhaltet immer die/den Erzähler:in, es gibt keine fertigen Rezepte die einzigartig sind. Es gibt nichts zu kopieren.
Wer eine Geschichte vorschlägt, die es sich lohnen soll, zu machen, wird zum Vorstellen folgende drei Punkte vorbereiten:
Täglich drei Mal erfreut das Salzburger Glockenspiel Einheimische wie Tourist/innen durch seine meist bekannten Melodien. Die Tonreihe der 35 Glocken umfasst drei Oktaven mit allen Halbtönen. Das technische Wunderwerk am Residenzplatz wurde 1703 an der Westseite des “palazzo nuovo” errichtet, der heutigen “Neuen Residenz”. Für Abwechslung sorgt seit vielen Jahren Musikmeister Erich Schmidt, der pünktlich zu Monatsende um 11 Uhr die Melodien “umsteckt”.
Salzburg, am Domplatz, ein schöner Herbsttag, ein Spätherbsttag. Es ist kurz vor 11. Vor der neuen Residenz versammelt sich erwartungsvoll eine kleine Gruppe von Menschen.
OT Chinese (kurz) – Spricht chinesisch
Der Herr aus China kommt wegen der Architektur und dem guten Ruf der Stadt hierher, und für die Salzburger selbst ist das zu erwartende Glockenspiel die Belohnung nach ein paar Wegen in der Stadt.
OT Salzburgerin
Wenn man so ungefähr um die Mittagszeit komm, dann erwartet man, dass das noch ein kleiner Zusatz ist für einen schönen Salzburgbesuch, dass man das Glockenspiel hört.
ATMO Glockenspiel 1 mal die Melodie, darüber dann…
Die Melodie wird einmal pro Monat gewechselt, und heute ist es wieder soweit. Ganz genau hört gerade einer zu: Erich Schmidt, er betreut das Glockenspiel gemeinsam mit seiner Frau Adelheid. Er runzelt die Stirn – zwei Glocken sind ausgefallen.
OT Schmidt Erich
Letzte Woche war es noch in Ordnung. Jetzt klingt es eher modern, das Ganze. – Ich bin der Glockenspielsetzer, mache monatlich die Melodien ins Glockenspiel, zusammen mit meiner Frau. Durch meine Heirat mit ihr habe ich sozusagen ins Glockenspiel hineingeheiratet, weil das ist in ihrer Familie Familientradition. Schon seit 1873 ist das in der Familie, dass immer die Nachfolger dann das Glockenspiel weiter betreuen.
OT Schmidt Adelheid
Mein Großvater war Uhrmacher und hat die Uhr gebaut, die drei mal am Tag oben das Glockenspiel auslöst. Und mein Vater hat von Jugend an von den 20-er Jahren bis zu seinem Tod das Glockenspiel betreut. Wir sind 4 Geschwister zuhause gewesen und mein Vater hat uns alle mit dem Glockenspiel aufwachsen lassen. Wir könnten alle vier das Glockenspiel setzen. Die meisten Stücke, so wie sie jetzt gespielt werden, hat er selber eingerichtet, dass es gut klingt, dass nicht zu viele Klänge zusammenkommen und doch die Melodie erkenntlich ist.
ATMO hinaufgehen
OT Schmidt Erich
Ja, jetzt werden wir hinaufgehen in den Turm und die alte Melodie raustun und die neue Melodie reintun und zuerst einmal schauen, warum bei der alten Melodie so viele Glocken nicht angeschlagen haben, denn letzte Woche war’s ja in Ordnung.
Der Turm ist zwischen 30 und 40 m hoch – wir werden das lieber etwas langsamer angehen – 190 Stufen sind es bis nach oben.
OT Schmidt Erich
Das ist die neue Residenz, nennt sich das im Volksmund. Offiziell heißt es Neugebeude, hat der Wolf Dietrich bauen lassen, Erzbischhof Wolf Dietrich. Ist später aufgestockt worden der Turm, um das Glockenspiel hineinzubauen. (Atmo sperrt auf)
In der Turmstube angekommen, ist jeder ein wenig außer Atem. Ein Wunderwerk an Technik tut sich auf. Zähne, Räder, Seile, Stäbe, Rollen, Walzen. Alles hier ist analog, es riecht nach warmem Lerchenholz und, tatsächlich ja, nach vielen, vielen Schrauben.
OT Schmidt Erich, Atmo läuft ständig passend
Jetzt muss ich die sogenannte Klaviatur wegtun, weil sonst spielt es jedesmal wenn ich die Walze weiterdrehe, hört man es unten in ganz Salzburg.
Schnell wird sichtbar, warum zwei Glocken vorhin fehlten, ein Kettenglied hat sich gelöst, mechanische Beanspruchung, ganz normal, sagen Herr und Frau Schmidt. – So –Zentrales Stück der Anlage ist eine große Walze, wie ein Hamsterrad, zweieinhalb Meter im Durchmesser aus Bronze, mit 7970 Löchern. Da werden die Schrauben hineingedreht.
OT Schmidt Adelheid
Jede Schraube ist ein Ton, die Glocken haben zwei Hämmer, und jede Linie auf der Walze ist eine Achtelnote. Und so kann man sich das dann umsetzen von der Partitur, dass man genau die Stifte in die richtige Reihe steckt, die Pausen einhält, und die Notenlänge und den Notenwert.
OT Schmidt Erich
Jetzt muss ich die Walze vorlaufen lassen auf meine Arbeitsposition, damit ich auch bei Takt 1 anfangen kann.
Das Quietschen und Sirren das man dann und wann hört, kommt übrigens vom Elektromotor, der die Walze weiterdreht.
OT Schmidt Adelheid
Das alte Stück muss jetzt herausgenommen werden, das heißt jeder Stift ist von hinten mit einer Mutter angeschraubt, die wird gelockert, dann muss man von vorne den Stift rausnehmen und die neugesetzten muss man dann wieder anschrauben.
OT Schmidt Erich
Es sind 35 Glocken, und teilweise haben die Glocken zwei Hämmer. Es sind genau drei Oktaven mit allen Fis-Cis und so weiter dabei, alle Halbtöne dabei.
OT Schmidt Adelheid
Ich habe in meiner Kindheit auch sehr viel noch das Gewicht heraufgehoben. Da muss man kurbeln und kurbeln, dass das Gewicht raufkommt. Und das Faszinierendste für mich als Kind war die Geschwindigkeitsregelung mit den zwei Flügeln, dass du nur ein bisschen raustust und die ganze riesen Walze wird langsamer oder schneller.
OT Schmidt Erich
Die große Walze dreht sich jetzt natürlich auch mit einem Elektromotor. Sie könnte aber auch mit dem alten Werkl betrieben werden, die jetzt in Betrieb ist, und für besondere Anlässe als Demonstrationszweck benützt wird.
ATMO Erich Schmidt summt die Melodie …
OT Schmidt Erich
… haben wir gerade geesetzt, und jetzt – genau da sind wir.
Nach einer halben Stunde konzentrierten Schraubens folgt der erste Test der neuen Melodie, in der Turmstube selbst.
OT Schmidt Erich
Beim ersten mal Abhorchen muss man die Geschwindigkeit einstellen, weil jedes Musikstück, was vom Vormonat zum Nachmonat, hat eine andere Geschwindigkeit. So, dann schauen wir mal.
ATMO Klackern, leise Glocken
Lange Holzleisten übertragen den Impuls der gesetzten Schrauben nach oben hin weiter zu den Glocken.
Atmo hinaufgehen
OT Schmidt Erich
Jetzt muss ich schauen, mir ist vorgekommen, es hat zweimal ein D nicht angeschlagen, das wäre da (DING). Aha, genau. (DING). Aha. Da ist (DING) der Hammer zu weit von der Glocke weg und dadurch schlagt es nicht an, weil die Bremse vorher in Kraft tritt, bevor der Hammer an die Glocke schlägt. Na. (DING). Brauche ich ein anderes Werkzeug, muss ich wieder runtergehen.
Zwei Jahre nach der Restaurierung „feigelt“ es immer wieder noch ein bisschen, sagt Erich Schmidt bis alles reibungslos läuft, was sich über die Jahrhunderte schön eingestellt hat. Die Glocken stammen übrigens aus Holland und wurden über wundersame Wege auf Karren mit Stroh nach Salzburg gebracht. Damals 1695. Erzbischof Johann Ernst Graf Thun hatte mit der Ostindischen Handelsgesellschaft Gewinne gemacht, der Hofuhrmeister Jeremias Sauter wurde beauftragt, das Werkl dann zusammenzubauen, was natürlich komplizierter ist, als es jetzt klingt.
ATMO (DING DING DING)
OT Schmidt Adelheid
Das Glockenspiel hat ja auch die Funktion gehabt zu den Essenszeiten zu rufen, deswegen Früh, Mittags, Abends, die Arbeitspausen 7, 11 und 6 Uhr. Es war also nicht nur zur Muße sondern zur Information.
So. Alle Glocken klingen, und jetzt kommt die Generalprobe für die Menschen, die schon unten drauf warten.
ATMO neue Melodie
Es passt. Und mit dem Schlusston ist für Erich Schmidt nur noch eines zu tun.
OT Schmidt Erich
Jetzt schreibe ich ins Turmbuch, dass ich die Melodie Lobet den Herren von Joachim Neander ins Glockenspiel gesetzt habe.
So hat alles seine Ordnung, Herr und Frau Schmidt packen ihr Werkzeug zusammen – und unten – da lächeln die Leute.
OT Salzburgerin
Man hört das einfach gerne, man freut sich, es ist aus einer alten Zeit und kommt in die Gegenwart gut herüber.
(Deutschlandfunk/Sonntagsspaziergang, 24. November 2013)
Meine erste Radiosendung war ein Beitrag für die Reisesendung Ambiente im ORF Programm Österreich 1. Mittlerweile sind schon viele Jahre vergangen und ich frage mich nach wie vor, was eigentlich genau in einer Reisesendung sein soll, und was nicht. Regeln habe ich keine, aber Gedanken schon.
1) Kein Beitrag über eine Stadt fängt mit einer Verkehrs-Atmo an. Es kracht genug. Verbrennungsmotoren haben als kennzeichnendes Geräusch nichts verloren.
2) Was ist ihr schönster Platz in dieser Gegend? Das ist keine gute Frage an einen Bewohner. Besser: Welche Stellen haben Sie in dieser Gegend gerne? Der Hörer soll entscheiden, ob das die schönsten Plätze sind. Oft ist wenig Zeit für Recherchen, mit der Frage nach dem Besten/Schnellsten/Großartigsten kommt nichts Gescheites raus. Das hört man nicht, aber man spürt es beim Hören.
3) Nicht einen Reiseleiter aufnehmen. Bei einem Rundgang mit anderen Touristen. Nicht. Nie.
4) In einem Museum kann man ruhig mit Mitarbeitern sprechen, über ihre Arbeit, ihren Zugang. Man erfährt dann oft etwas über den Inhalt des Museums. Es ist aber nicht so nett, den Inhalt des Museums vom Mitarbeiter zu erfahren. Das kann man als Tourist nach dem Hören der Sendung aus Lust am Reisen selber tun.
5) Es hilft schon, nicht beim ersten Mal an einem Ort eine Sendung darüber zu machen, sondern erst einmal ohne Mikrofon einfach nur Augen und Ohren offen zu halten, um zu "spüren", was die Gegend ausmacht.
6) Kein "wir" oder "ich". Warum sollte sich der Hörer für "uns" oder "mich" interessieren?
Link: WRINT - Holger Klein spricht mit Frau Diener von der FAZ über Reisejournalismus
Das Notizbuch. Für die einen ist es einfach ein Speicher von Fakten und Begebenheiten ihres Lebens. Für die anderen ist es mehr: ein komplexes Stapel Papier, gebunden zwischen zwei Buchdeckel und verbunden mit einem wohldurchdachten System, die Seiten zu beschreiben.
10 akustische Ansichtskarten mit lieben Grüßen aus dem Alpenraum: Wie leben in den Bergen? Ausgezeichnet mit einer “Lobenden Erwähnung” beim Dr. Galler-Tourismuspreis.
Über 100 Jahre ist das Wiener Riesenrad alt. Eigentlich hätte es schon längst wieder abgerissen werden sollen. Aber noch heute ist es ein Pflichtausflug für jeden Wiener Firmling: Nach der Messe in den Prater und natürlich auch ins Riesenrad. Die Geschwindigkeiten der Reise nehmen im Prater üblicherweise zu: Sky Coaster schießen die Menschen mit 100 km/h in die Luft. Das Riesenrad jedoch dreht sich seit eh und jeh im Kreis: Mit etwas mehr als einem km/h. Eine Aussichtsfahrt in Kreisbewegung. Mit dabei sind neben den Verliebten jene Menschen, die das Rad im Kreise halten: Der technische Inspektor und eine Mitbesitzerin des Rades - das nebenbei bemerkt kein Rad ist - „Wiener Dreißigeck“ müßte es genaugenommen heißen. Im Beitrag zu erfahren sind auch Geschichten rund ums Rad und um den Prater.