382. Japangraben

Der Geologe Michael Strasser spricht über Expeditionen in die Tiefen des Meeres vor Japan, um die Entstehung von Erdbeben zu verstehen. Link zur Sendung.

Der Japangraben ist ein Tiefseegraben vor der Nordostküste Japans. In 8 km Tiefe taucht dort die pazifische Erdplatte unter Japan ab. Dieser Vorgang ist immer wieder von Erdbeben begleitet, die sich in ihrer Stärke (Magnitude) und Häufigkeit unterscheiden. Es geht um das Verständnis von Großerdbeben, das sind Seebeben, die Tsunamis auslösen können. Geolog:innen möchten verstehen, wie es zu diesen kommt, wie häufig es sie gibt, an welchen Orten der Welt es sie gibt. 

Der Japangraben eignet sich besonders für Erdbebenforschung, weil dort 2011 das letzte Megabeben stattgefunden hat. Es wurden vorher, während des Bebens und nachher Messungen vorgenommen, und die Ergebnisse haben gezeigt, dass viele beobachtete Phänomene noch nicht umfassend gedeutet werden können. Bei Expeditionen werden Bohrkerne der Sedimente (Ablagerungen) gewonnen, die dann analysiert werden. Durch diese Ablagerungen baut sich ein Archiv auf, die Analysen “blättern” in diesem “Geschichtsbuch” zurück. 

“Wenn man die Meere verstehen will, muss man die Berge erforschen”, sagt Michael Strasser vom Institut für Geologie der Universität Innsbruck. Die Forschungsergebnisse der Untersuchungen im Japangraben eignen sich auch dafür, um geologische Vorgänge in unseren Breiten, in unseren Bergen zu verstehen, da viele dieser Berge ehemaliger Meeresgrund waren. 

Interviewpartner: Univ.-Prof. Dr. Michael Strasser, Universität Innsbruck, Institut für Geologie
https://www.uibk.ac.at/geologie/strasser/

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379. Randnotizen — unterwegs

Wer allein unterwegs ist, braucht sich nicht wirklich viel um andere zu kümmern. Im öffentlichen Verkehr geht das gar nicht, und selbst wenn man auf einem Fluss unterwegs ist – auch dort ist fast unvermeidbar, jemanden zu treffen.


Beitrag (mp3)


Manuskript

SIGNATION

Wieder was erlebt dieser Tage. Steh ich in der U-Bahn in Wien, Linie U1, und höre am linken Ohr: “Wenn du dich einmal selbst verteidigen kannst, darfst du auch alleine fahren”. Es war die Oma, offenbar, die hier mit ihrem Enkelsohn, 8 Jahre, eine Art Einschulung in das U1-Fahren machte. Beide waren mit Daunenjacken verhältnismäßig warm angezogen für einen sommerlichen Tag, aber unter der Erde ist es ja kühl. Wenn du dich einmal selbst verteidigen kannst… Es war schon der erste Teil dieses Satzes, der meine Faszination fand. Und dann kam die Spezialeinschulung auf die U1. “Am schlimmsten”, sagte die Oma, sind die Stationen Praterstern und Schwedenplatz. Meine Kinder haben das bestätigt, fachlich hatte sie also recht. Ich erinnere mich, als ich 14 Jahre alt war, und mich meine Oma das erste Mal nach Wien mitnahm. Da hat sie mir eine 72-Stundenkarte gekauft und mich losgeschickt, ohne Details, und wir haben uns dann im Donauturm auf eine Sachertorte getroffen.

ZWISCHENJINGLE

Und dann der 13A. Immer ein Erlebnis dieser Bus. Für alle, die nicht in Wien zuhause sind, der 13A ist ein Gelenksbus mit vorderem und hinterem Teil. Er durchquert die ganze Stadt innerhalb des Gürtels, vom Hauptbahnhof zur Alserstraße quer durch die Bobo-Bezirke 4-9. Als Mitfahrender kann man sich nach vorne setzen, oder nach hinten, in jedem Fall sind es zwei Schicksalsgemeinschaften, die durch die Fahrt zusammengeschweißt und zusammengehalten werden. Ich also im hinteren Teil dieses Mal. Setze mich hin, der Hund springt mit Beißkorb auf den Schoß, und ich sage “so, jetzt sitz ma” – und alle lächeln. Vermutlich. Über ihren Masken verzogen sich die Augen etwas zu Schlitzen. Und sollte dieser Beitrag in zwanzig Jahren einmal aus dem Archiv geholt werden, wir trugen damals in Wien noch Corona-Schutzmasken, als sie in Restösterreich schon wieder abgeschafft waren. Wir fahren fast schon los, da möchten 10 Oberösterreicher wieder aussteigen, weil sie im Bus der falschen Richtung waren. Das dauerte, bis sie es bemerkten, das dauerte, bis sie es dem Fahrer signalisierten, und er war freundlich und ließ sie wieder raus. Wir lachten, diesmal hörte man es, im hinteren Teil des Busses. Die Gemeinschaft begann sich zu formieren. “Hübsche Nase”, dachte ich mir, hat diese Person gegenüber, und es dauerte ein bisschen, bis es mir dämmerte, warum mir das auffiel. Die Maske bedeckte nur den Mund. Und nicht die Nase. Und wie man so ein bisschen ins Träumen und Überlegen kommt, was das bedeutet, fiel mir ein, dass diese Situation wie bei diesen Internet-Logins ist, wo man seine Menschlichkeit beweisen muss. Zeig, dass du kein Roboter bist, und klicke alle Bilder mit Schornsteinen, oder Zebrastreifen. Oder alle Bilder mit Fahrrädern. Und schon klickte ich im hinteren Teil des 13As alle Mitreisenden durch, ob ich ihre Nase sehen konnte. Bei 3 von 25 hat es Klick gemacht. Ich hatte sie durch, bevor ich dann schon da war, im 6. Bezirk, um mir meine Sonnenbrille zu holen, die ich mir im Brillengeschäft dort ausgesucht habe, am Tag zuvor.

ZWISCHENJINGLE

Die Sonnenbrille brauche ich nämlich fürs Kajakfahren. Kürzlich war ich wieder unterwegs. Auf Thaya und March in Niederösterreich. Eine wunderschöne ruhige Flusstrecke. Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50 schützt zuverlässig vor Sonnenbrand, und man kann damit den ganzen Tag in der Sonne sein. Was man aber nicht heißt, dass man das soll. Denn es gibt immer noch den Sonnenstich, das ist eine andere Geschichte, aber was ich erzählen wollte waren ungefähr 50 Begegnungen mit den Fischern entlang dieser Flüsse. Sie zielen mit ihren Angeln quer über den Fluss und man muss wie im Super-Mario-Computerspiel einmal links unter der Schnur und einmal rechts über der Schnur durchfahren. Je nach Situation. Schnüre, die man kaum sieht, und deshalb deuten die Fischer mit erhobener Hand auf diese fast unsichtbaren Fischer-Leinen und sie rufen “Hallo”. 50 freundliche Begegnungen, weil es in ihrem Interesse ist, dass man sie sieht, und in meinem, dass ich sie sehe. Das, was nach Konflikten “Ende-nie” aussehen könnte, ist definitiv nicht der Fall, 50 nette Grüße, man nickt sich zu, und dankt einander. Fast schon so wie ein bisschen im öffentlichen Verkehr, wenn man sich gut versteht.

378. Alpacas

Langer Hals und feines Haar. Die Tierärztin Johanna Czerny spricht über Alpakas.

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Alpakas und Lamas gehören zur Gruppe der Neuweltkameliden. Sie stammen aus Südamerika, sind sogenannte Schwielensohler und gehören zur Familie der Kleinkamele. Sie wurden aus Vikunja und Guanako domestiziert, Wildformen, die auch heute noch in der freien Natur existieren. Alpakas werden besonders dafür gehalten, um Wolle zu produzieren. Diese Wolle wird "Flies" genannt, und besteht aus sehr feinen Fasern, aus denen Garn gesponnen wird. Auch als Herdenschutztiere eignen sich Alpakas, da sie neugierig sind, aufgrund des langen Halses eine gute Übersicht haben und im Krisenfall durchaus wehrhaft sind.

Alpakas leben am liebsten in der Herde und versichern sich durch regelmäßige Laute, dass die jeweils anderen "da" sind. Ihre ausgesprochene Sensibilität für Nähe und Ferne, ihr sensibles Distanzverhalten, macht sich zu idealen Begleitern in der tiergestützten Intervention, bei der es für Menschen unter anderem darum geht, ein besseres Gefühl für Nähe und Ferne zu entwickeln.

Obwohl Alpakas ihre Nahrung wiederkauen, sind sie keine "echten" Wiederkäuer, die einen mehrteiligen Magen haben. Werden sie in Europa gehalten, muss darauf geachtet werden, Giftpflanzen zu erkennen, die sie fressen könnten. Auch die lokalen Parasiten sind für sie ein Problem, für die sie aufgrund ihrer südamerikanischen Herkunft hier keinen Schutz entwickelt haben.


GESPRÄCHSPARTNERIN: 
Dipl. Tierärztin Johanna Czerny
Lama- und Alpakahof "Lamas mit Herz"  
A-5241 Maria Schmolln

BUCHTIPP: Johanna Czerny: Alpakas und Lamas - Begleiter aus der neuen Welt, Stocker Verlag


Teil 1: Herkunft und Vermischung (mp3)


Teil 2: Zusammenleben in der Herde (mp3)


Teil 3: Nähe und Distanz (mp3)


Teil 4: Die Bedeutung der Gesundheit (mp3)


Teil 5: Neugierige Übersicht (mp3)


377. Seltene Obstsorten

Link zur Sendung

Früchte entstehen aus Blüten und enthalten die Samen einer Pflanze. Früchte sind - zumindest in unserem Verständnis - süß und kommen in unseren Breiten vorwiegend als Beeren vor. Die Eiszeit hat mit ihren sich vor- und zurückziehenden Gletschern viele Früchte nach Süden gedrängt. Größere Früchte wie Äpfel und Birnen kamen aus dem zentral- und ostasiatischen Raum erst nach der Eiszeit und mit zunehmender Sesshaftwerdung der Menschen zu uns.

Evolutionär ist es für Pflanzen von Vorteil, süße Früchte für den Verzehr "anzubieten" - es sichert Verteilung und Ausbreitung der Samen. Als süße Handelsware erfüllen Früchte bei Menschen auch eine soziale Funktion. Wer Marmelade kochen kann, und sie verschenkt, hat Freunde. "Essbare Gärten" erfüllen in Dörfern eine sozial verbindende Funktion.

Heute haben wir uns an das "lokale" Fruchtangebot gewöhnt. Viele weitere Sorten findet sich auf Märkten und Supermärkten, exotische Früchte werden importiert. 

Wenig bekannt ist, dass auch vermeintlich exotische Früchte wie Kaki und der Granatapfel in Österreich wachsen können, es gibt winterharte Sorten. Andererseits wachsen auch Früchte hier, die wir kaum kennen: die Früchte der Ölweide, die Chinesische Dattel, oder die Schisandra. Der Permakulturexperte Siegfried Tatschl hat diese seltenen Obstarten im eigenen Garten angebaut.

GESPRÄCHSPARTNER:
Mag. (FH) Siegfried Tatschl
Permakulturpionier und sozialer Obstgärtner

BUCHTIPP:
Siegfried Tatschl: 555 Obstsorten für den Permakulturgarten und -balkon. Löwenzahn Verlag


Teil 1 (mp3): Die Schisandra


Teil 2 (mp3): Der Granatapfel


Teil 3 (mp3): Die Ölweide


Teil 4 (mp3): Die Chinesische Dattel


Teil 5 (mp3): Die Kaki

370. Umrouten

Sanktionen dienen dazu, unerwünschtes Verhalten zu bestrafen, und im Idealfall erwünschtes Verhalten hervorzurufen. Sie kennen das vielleicht vom Internetverbot für Jugendliche und Kinder. Wenn aus irgendeinem Grund ein ganzes Land vom Internet abgeklemmt werden soll, oder sich die Umstände des Datentransits durch dieses Land verändern, dann wird "umgeroutet". Und das ist durchaus normal - so funktioniert das Internet.


Beitrag (mp3)

369a. Bienenkönigin

Der erste Platz im Bienenstaat: Fünf Imker:innen sprechen über ihre Sicht auf die Bienenkönigin.

Eine Bienenkönigin der Honigbienen legt pro Tag 2000-3000 Eier im Volk. Ihr Leben lang, das um die 5 bis 7 Jahre dauern kann. Die Bienenkönigin wird auch "Weisel" genannt. 

Sie entsteht aus einem Ei, aus dem eine Larve schlüpft, die mit "Gelee Royal" gefüttert wird, dem eiweiß- und nährstofreichen Königinnenfuttersaft, der von den Arbeiterbienen produziert wird. Einige Tage nach ihrem Schlupf fliegt die Königin aus, einmal nur, um von mehreren Drohnen - den männlichen Bienen - begattet zu werden. Sie kehrt danach in das Bienenvolk zurück, und bleibt dort bis zu ihrem Tod.

Stirbt die Königin im Volk, oder beschließt es, dass die Königin getauscht werden muss, besteht nur während einiger Tage dieses Zeitfenster der jungen Larven, die mit Gelee Royal gefüttert werden, um eine neue Königin "zu machen". Kommt hier etwas dazwischen, ist das Volk "hoffnungslos weiselos", es löst sich auf.

Interviewpartner:

1) Ralph Büchler: Bienenwissenschaftler, Leiter des Bieneninstituts im hessischen Kirchhain

2) Marian Aschenbrenner: Berufsimker im Wiener Bienenzentrum

3) Ingrid Schmaranzer: Königinnenzucht und Gebirgsimkerei "Imego" in Gosau

4) Paul Jungels: Königinnenzüchter und Berufsimker in Luxemburg

5) Stefan Mandl: Präsident der österreichischen Berufsimker und Honigerzeuger im Bienenhof Mandl

(Aufgenommen an der Fachtagung der Erwerbsimker 2022 in Salzburg)


Teil 1: Ralph Büchler – Die Position im Bienenstaat (mp3)


Teil 2: Marian Aschenbrenner – Wenn die Bienenkönigin fehlt (mp3)


Teil 3: Ingrid Schmaranzer - Das Handwerk der Zucht (mp3)


Teil 4: Paul Jungels - Persönliche Beziehung (mp3)


Teil 5: Stefan Mandl - Anpaarung im Fliegen: Die Begattung der Königin durch Drohnen (mp3)

369. Zeitenwende

Ö1 / Moment - Leben heute - Wort der Woche - Zeitenwende

In seiner Regierungserklärung hat am Sonntag der Deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz von einer "Zeitenwende" gesprochen. Andere Politiker sagten das auch. Zeitungen schreiben es. Europa, ja die ganze Welt, stehe vor einer Zeitenwende.


Manuskript

Signation "Wort der Woche"

Physikalisch ist mit der Zeit ja alles klar. Sie läuft voran. Es gibt keine Umkehr. Keine Wende. Einzelne Zeitpunkte werden durch besondere Ereignisse markiert, und das war's dann auch schon. Für die Historikerin, für den Historiker allerdings, gibt es ein Wort, die Zeitenwende.

OT 1

Das Wort „Zeitenwende“ wird in verschiedenen Kontexten verwendet. Da ist zum einen natürlich die Zeitenwende im Hinblick darauf, dass eine neue Zeitrechnung beginnt, also „vor Christus“, „nach Christus“, das bezeichnet man ja auch als Zeitenwende, oder dass dann Historiker im Nachhinein sagen, „das war ein epochaler Einschnitt“, und die Zeit davor unterscheidet sich qualitativ von der Zeit danach. Man spricht auch von Zeiten, wo sich die Ereignisse überschlagen, wo es eine Beschleunigung gibt, wo etwa in einer Woche so viel passiert wie sonst in einem Jahrzehnt. Und von dem unterscheiden muss man aber, dass Zeitgenossen selbst, dass Menschen, die ein bestimmte Ereignis erlebt haben, das selbst als eine Zeitenwende wahrgenommen haben, nicht erst dann Historiker Jahrhunderte später, sondern dass tatsächlich Zeitgenossinnen und Zeitgenossen eine solche Zeitenwende definieren.

Johannes Preiser-Kapeller, Umwelthistoriker und Byzanzexperte an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Als Historiker, sagt er, kann man erst aus einer gewissen zeitlichen Distanz rückblickend sagen, ob etwas wirklich eine Zeitenwende war.

OT 2

Zehn Jahre ist einmal ein Mindestabstand, auch als Zeitgenosse, wenn man das einigermaßen seriös einordnen möchte. Natürlich sprechen wir auch von Zeitenwenden, die dann Jahrhunderte später als solche definiert wurden. Etwa die Abfolge von Antike und Mittelalter. Das Mittelalter als Zeit haben erst Denker der Renaissance im 14., 15. Jahrhundert definiert, ganz am Ende der Periode, die sie als solche definiert haben. Da sprechen wir von Jahrhunderten, wo man dann solche Zeitenwenden definiert hat. Aber ansonsten muss man schon davon ausgehen, dass es einen Mindestabstand braucht, um überhaupt entscheiden zu können, welches Ereignis hat tatsächlich eine Veränderung herbeigeführt, die sich in der „longue durée“, wie es der große französische Historiker Fernand Braudel genannt hat, die in der langen Dauer eine Wirkung hat.

Auch der Wechsel vom Mittelalter zur Neuzeit. Das erscheint als ein Zeitpunkt, erstreckte sich aber über eine längere Zeit.

OT 3

Das merkt man auch daran, dass auch Historikerinnen und Historiker darüber gestritten haben, wann endet das Mittelalter, beginnt die Neuzeit. Da gibt es sogar Deutungen, die nicht nur vom 15. Jahrhundert ausgehen, da gibt es auch verschiedene Kandidaten, 1453 der Fall Konstantinopels, 1492 die Entdeckung Amerikas, aber zum Beispiel Jacques Le Goff, ein großer französischer Historiker hat für ein Mittelalter bis zum Jahr 1789 plädiert, bis zur französischen Revolution, weil er gesagt hat, erst dann hat sich diese alte Gesellschaftsordnung Europas, die da über 1000 Jahre Bestand hatte, so fundamental verändert.

Und wenn sich an solchen Zeitenwenden viel tut, wird auch viel wahrgenommen, sagt Johannes Preiser-Kapeller, es wird viel erzählt, berichtet, aufgeschrieben. Er nennt ein Beispiel: der Untergang des Römischen Reiches – in der Schule wird das mit dem Jahr 476 gelehrt, der große Einschnitt war aber bereits 410, als Rom von den Westgoten erobert wird.

OT 4

Das ist ein traumatisches Ereignis. Rom ist vorher 800 Jahre lang nie von Feinden besetzt worden. Die Hauptstadt des mächtigen Imperiums wird da jetzt geplündert. Und das wird wahrgenommen, hier hat sich etwas verändert. Und dann ist auf einmal das Sensorium da, vielleicht ist da eine große Krise des Imperiums dahinter und dann werden auch andere Ereignisse in diesen Interpretationsrahmen eingeordnet.

1989, der Fall der Berliner Mauer, 2001, die Terroranschläge vom 11. September. Das sind Zeitenwenden neueren Datums, die sofort den Interpretationsrahmen verändert haben.

OT 5

Der Kampf der Kulturen, die Herausforderung der amerikanischen Supermacht und so weiter. Das sind dann so verschiedene Narrative deswegen entstanden und Dinge dann in diesen Rahmen eingeordnet worden.

Auch geologische Zeitalter erleben ihre Zeitenwenden. Trias Jura, Kreide. Die Grenzen sind in den Ablagerungen sichtbar, und es wird ja derzeit auch diskutiert, ab welcher Zeit das menschliche Leben auf der Erde sich auch in den Ablagerungen wiederfindet. Bei allen Unsicherheiten, die mit Zeitenwenden und der Interpretation der Ereignisse verbunden sind, aus Japan gibt es ein Beispiel, wo Zeitenwenden ganz normaler Teil des Lebens sind, erzählt Johannes Preiser-Kapeller. Mit jedem „Tenno“, mit jedem neuen Kaiser, entsteht auch eine neue Zeitrechnung.

OT 6

Als 2019 Naruhito, der neue Tenno, inthronisiert wurde, wurde auch eine neue Periode definiert mit der Regierungsdevise Reiwa, das heißt, die Schöne Harmonie, und man rechnet jetzt, Jahr 1 von Reiwa, Jahr 2 von Reiwa, das ist eine neue Zeitrechnung, die unter dem neuen Tenno begonnen hat, so wie auch unter seinen Vorgängern. Das heißt, hier ist die Zeitenwende systemisch angelegt und wird dann jeweils aktiviert, wenn es zu einem solchen Wechsel kommt.

ABMODERATION

Zeitenwende, das Wort der Woche, gestaltet von Lothar Bodingbauer.


Beitrag (mp3)

363. Ätherische Öle

363. Ätherische Öle

Link zum Programm

Der feine Duft der Pflanzen: Der Destillateur Felix Billiani spricht über ätherische Öle.

Ätherische Öle werden von Pflanzen produziert, um Freunde anzulocken und Feinde zu vertreiben. Der Duft dieser Öle polarisiert auch uns Menschen, wenn wir ihn riechen. Wir lieben einen Duft oder hassen ihn. Die Prägung entsteht in früher Kindheit, wenn Düfte mit Erlebnissen verbunden werden.

Die Öle bestehen aus verschiedenen Anteilen unterschiedlich großer Moleküle, die leicht flüchtig sind. Aus der jeweiligen Mischung entsteht der Duft, von denen die Destillateure auch jene riechen können, die am leichtflüchtigsten sind und schon beim Destillieren verschwinden.

Bei der Wasserdampfdestillation werden ätherische Öle in zweierlei Weise gewonnen: als Hydrolat mit wasserlöslichen Inhaltsstoffen, und als Öl selbst, das oben aufschwimmt und in einer sogenannten "Florentiner Flasche" von der Wasserphase getrennt werden kann.

Hören: Folge 1 | Folge 2 | Folge 3 | Folge 4 | Folge 5


GESPRÄCHSPARTNER:
DI Felix Billiani
Kesselwerk - Ätherische Öle erleben
A-3163 Rohrbach a.d. Gölsen

362. Biomaterialien

Link zum Programm

Werkstoffinspirationen aus der Natur: Der Physiker und Materialwissenschafter Peter Fratzl spricht über Biomaterialien.

Biomaterialien sind Materialien „aus, für und durch die Natur“. Es sind jene Werkstoffe, aus denen Pflanzen und Lebewesen bestehen: Holz, Gras, Wolle, Haare, Panzer – aus Zellulose, Chitin und Proteinen. Es sind aber auch jene Werkstoffe, aus denen zum Beispiel Prothesen – für Lebewesen – bestehen, Keramik, Gold oder Platin. Und es sind Materialien, die von der Natur inspiriert sind: Oberflächen von Schmetterlingen, die schillernde Farben haben, die Oberfläche des Lotusblattes, das Wasser perfekt abperlen lässt, die Zähne von Tieren mit hohen mineralischen Anteilen.

Die Natur passt sich auf dem Weg der Evolution an die Umweltbedingungen an, ist nie perfekt, sondern immer nur so gut wie nötig, damit bei Änderungen der Umweltbedingungen noch immer genug Eigenschaften vorhanden sind, die anderswo hinpassen. Die Natur kann hervorragend mit limitierten Ressourcen auskommen.

Es gibt Biomaterialien, die zwar aus dem gleichen Material bestehen, aber durch ihre unterschiedliche Struktur ganz verschiedene Eigenschaften haben. Diese Materialien können aber auch Informationen verarbeiten. Sie leiten etwa Schwingungen gefiltert weiter, damit das Gehirn nicht überlastet wird, das sich sonst mit zu vielen – meist uninteressanten – Schwingungen beschäftigen müsste. Eine selektive Weiterleitung erfolgt durch die Wahl der passenden Materialien. Die falschen Schwingungen kommen gar nicht erst an.

Es ist lohnend, die Zusammenhänge zwischen der Struktur und den physikalischen Eigenschaften von biologischen und bioinspirierten Verbundwerkstoffen zu erforschen, um selbst effizientere und bessere technologische Werkstücke herstellen zu können.

GESPRÄCHSPARTNER:
Prof. DDr. Peter Fratzl
Direktor am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung
Podsdam


Hörer:innenreaktion

Diese Beiträge fand ich hochinteressant, aktuell sehr wichtig und gut vermittelt! Danke! Würde gerne noch mehr von diesem Wissenschaftler zu diesem Thema hören.


Teil 1: Klassiker Lotusblatt (mp3)


Teil 2: Anpassung statt Optimierung (mp3)


Teil 3: Holz und Spinnenseide (mp3)


Teil 4: Zähne am Fließband (mp3)


Teil 5: Vielfältige Lösungen (mp3)