(Text vor Lektorrat)
Museum als Prozess
Hier wird nichts ausgestellt. Hier wird erfahren. Ein Gespräch über den “Maker Space” zur Ausstellung „Arbeit & Produktion _weiter_gedacht“ mit den Kuratorin:nen Elisabeth Limbeck (E), und Christopher Roither und dem Podcaster und Radiojournalisten Lothar Bodingbauer (L). Es wurde im Rahmen der 23. Episode der Stadtgespräche aufgezeichnet – dem Podcast aus dem Technischen Museum.
L: Die Zukunft der Produktion und Arbeit. Stimmt das?
E: Arbeit und Produktion weiter gedacht. Wir denken uns dazu neue Formate aus.
L: Format! Das Klassenzimmer ist ja auch ein Format. Die Exkursion, das fliegende Klassenzimmer. Oder: Glassturz weg.
E: Im Museum ist bei historischen Objekten das Angreifen ja schwierig. Bei uns ist das techLAB eine Weiterentwicklung der Interaktivität.
C: Ich sehe uns als „Maker Space“.
L: USA, Massachusetts Institute of Technology (MIT), 2002. Dort hatten Student:innen Technologie zur Verfügung, die es sonst nur in der Industrie gibt. 3D-Drucker, Lasercutter, CNC-Fräsen.
C: Diese Maschinen wurden erstmals zugänglich. Es gab auch ein Elektronenmikroskop zur Verfügung. Die Studenten haben sofort viele private, persönliche Produkte hergestellt. Produkte für den Markt von einer Person. Produkte, die für sie persönlich Nutzen hatten.
L: Einzelobjekte. Keine Zahnbürsten, das wäre ja ein Massenobjekt.
C: Eine Studentin hat sich einen “Schrei-Beutel” gemacht, in den sie reinschreien konnte. Das Geräte hat den Schall absorbiert. Solche Sachen werden “Projekte” genannt.
L: Das geht ja auch mit einer Demokratisierung einher. Konsument:Innen werden zu Produzent:innen.
E: Für das Technische Museum eine Herausforderung. Wir wollten nicht mit Texten arbeiten, sondern Prozesse bereitstellen, die Besucher:innen modellhaft selbst durchführen.
L: So wie auch die Biologen Modelle haben Die Ackerschmalwand, auch das Blut ist ein Modellorganismus. Da geht es um die Zugänglichkeit und Reproduzierbarkeit. Kann ich die nächste veränderte Generation in 8 oder erst in 80 Tagen bekommen.
E: Die Ausgangsposition bei uns ist, ich gehe in ein Museum, in dem ich etwas tun kann, und das macht Spaß. Vielleicht will man etwas lernen. Prozesse, Objekte, Modelle. Diese Elemente, werden im techLAB verbunden. Es bildet einen Kristallisationspunkt in einem informellen Lernraum. Als Verbindung zur Ausstellung “Arbeit & Produktion” kann jede:r industrielle Fertigungstechnologie selbst ausprobieren. Man kann lernen und man kann wiederkommen. Das techLAB ist ein Haus im Haus, mit einem Scheunendach, es erinnert an eine Fabrik.
L: Es gibt große Tische in der Mitte mit sehr bequemen grünen Retrosofas.
E: Das sind Überbleibseln. Wir versuchen zu recyclen und den Raum weiter zu verändern. Das techLAB entwickelt sich mit der Nutzung weiter.
L: Man übergibt also nicht die fertige Ausstellung der geneigten Öffentlichkeit.
E: Wir stellen die Grundausstattung zur Verfügung. Die Benutzer:innen gestalten mit uns die Ausstellung durch ihre Projekte. Wir haben auch Vermittler:innen dabei, die Explainer:innen genannt werden.
C: Mir wäre die Bezeichnung “Mediator:innen” fast lieber gewesen, also Leute, die Menschen verbinden. Aber “Explainer” ist verständlicher.
E: Es gibt keine Workshops: „Wir machen alle jetzt ein Lesezeichen, einen Hocker“, sondern das individuelle Projekt. Das könnte der Wunsch sein, zu erfahren wie ein 3D-Drucker funktioniert. Oder ich möchte für mein Tischfußballspiel etwas Abgebrochenes neu machen. Der Wunsch steht im Mittelpunkt.
L: Die Explainer:innen warten, bis die ersten Schritte von den Benutzer:innen kommen.
E: Als Kuratorin habe ich das Objekt, das Interaktivum, ich erkläre dir diesen Prozess. Im techLAB stellen wir einen Raum zur Verfügung, und Menschen, die dich begleiten. Sie werden mit dir diskutieren, was dein Wunsch sein kann. Sie werden dir etwas erklären.
L: Ich habe das mit meiner Familie am ersten Wochenende nach der Eröffnung probiert. Meine Frau hat Taschen mit Folien bedruckt und die Kinder haben einen verlorengegangen Objektivdeckel für die Kamera mit dem 3D-Drucker neu. Im Werkunterricht der Schule haben sie noch das Wegsägen und Wegschleifen gelernt, und plötzlich konnten sie etwas neu aufbauen. Ebene für Ebene. Die Herausforderung war, wie sie ein File dazu im Internet finden, das die richtige Dimension hat, und wie sie dieses File zum Drucker kriegen.
C: Wir stürmen nicht auf die Besucher:innen zu. Wir lassen sie erst mal durchschauen. Wenn wir merken, es ist Interesse da, versuchen wir aktiv, sie einzubinden. Es gibt auch Anleitungen, und „Easy Things To Do“ für Eden Beginn.
L: Jeder Mensch, der hier hereinkommt ist wie eine Nuss, die es zu knacken gilt. Ich habe auch Jugendliche gesehen, die an den Computern gleich mal youTube Filme gestartet haben und den Explainer:innen die Kekse gefladert haben, die im Regal gestanden sind.
C: Wenn ich die erwische …
L: … ich war auch empört. Schnapp, waren die Kekse weg und die Jugendlichen sind weitergezogen. Ich habe mir dann gedacht, Hauptsache, sie sind im Museum.
E: Super.
C: Unsere Zielgruppe sind ja wirklich Jugendliche. Viele kommen öfter. Sie sind definitiv nicht die leichteste Zielgruppe, aber es ist trotzdem sehr spannend. Für mich ist es besonders schön, wenn sie ihr Projekt zuhause fertigmachen, und das spricht sich dann im Freundeskreis herum. Sie kommen dann am nächsten Tag wieder. Frage ich einmal nach, bin ich oft erstaunt, wie gut sie sich auskennen und wie sie genau wissen, was sie wollen.
L: Die unterschiedlichen Persönlichkeiten dieser Schülerinnen und Schüler werden sicher im techLAB gut sichtbar.
C: Wichtig ist, dass man für diese Geräte einen persönlichen Nutzen findet. Ich selbst bin Musiker und verwende die 3D-Drucker für Rackeinbauten, an die man seine Sachen befestigt. Man findet im Internet vielleicht nicht genau den passenden Teil, aber wenn man dann weiß wie, kann man ihn selbst gestalten.
L: Ich habe nach dem Besuch im techLAB einen 3D-Drucker für Zuhause gekauft. Wir haben ihn selbst zusammengeschraubt. Was ich merke ist, dass sich die Art zu denken, langsam ändert. Ich bin ja auch in der Tradition des Wegfeilens aufgewachsen. Anfangs konnte ich mir noch keine Projekte für den 3D-Drucker ausdenken, aber als ich ein Tischfußballspiel mit fehlendem Männchen gesehen habe, hat es “Klick” gemacht. Mit der Erfahrung bei Euch im techLAb wusste ich, dass ich sowas reparieren kann. Das nächste, was ich mir schicken ließ, war eine Schublehre. Die braucht man nämlich, um die Dimensionen von Objekten abzumessen.
C: Sich Dinge abzumessen, das habe ich auch hier gelernt.
L: Ich bin so viele Jahre ohne das Bedürfnis für eine Schublehre durchs Leben gegangen und im Jahr 2019 nach einem Besuch im Technischen Museum, war es so weit. Meine Kinder haben bei Euch gesehen, wie man die Files für den 3D-Drucker bereitstellt, so sie sind in der Lage, ihre Projekte jetzt selbst zu machen. Und das gefällt mir mal als Vater sehr gut.
E: Wir wollen, dass mit dieser Ausstellung genau das passiert. Ein Prozess wurde angestoßen. Im Rahmen der Arbeitausstellung wird die Verbindung zwischen analog und digital dargestellt. Das kann pädagogisch funktionieren, erklärend. Oder eben entdeckend. Dadurch nehme ich Wissen über “Industrie 4.0” mit. Die Basis dafür ist der persönliche Prozess. Das Miteinander. Natürlich kann ich auch etwas Fertiges wählen, wenn ich etwas sehen will, ich bin hier nicht zur Kreativität gezwungen.
L: Ich habe mir auch fehlende Schubladen für ein kleines Regal nachgedruckt. Selbst konstruiert, mit 19 Stunden Druckdauer. Plötzlich hat er nicht mehr gedruckt, alles war verschmiert. Irgend etwas stimmt nicht. Auf die Suche nach dem Problem zu machen, die Bauanleitung anzuschauen, die Kommentare der Leute zu lesen, die über Misserfolge berichten, das war spannend. Und den Fehler habe ich natürlich gefunden. Weil man alle Fehler findet. Jedes Problem hat eine Lösung.
C: Auch bei uns. Kein Problem war bisher tragisch, jedes hatte eine Lösung.
E: Das sind ja auch Fertigkeiten der Zukunft, die man beruflich brauchen kann.
C: Es soll kein Zwang sein, sondern eine Möglichkeit. Tun und selbständiges Lernen bringen einem selbst was. Es geht darum, sich als Mensch vollständig zu fühlen. Etwas selbst zu schaffen, das ist für uns Menschen sehr wichtig.
L: Die Auswirkungen werden euch nicht immer zugänglich sein. In meinem Fall haben sich ja die meisten Gedanken erst nach dem Besuch des techLABs entwickelt.
C: Es gibt schon Leute, die wiederkommen und davon erzählen. Ein Herr hat sich eine Jahreskarte genommen, um mit den Lasercutter zu arbeiten. Es gibt auch jemanden, der eine Kugelbahn gemacht hat. Ich sah noch keinen Nutzen darin, er erzählte aber, dass er es zum Spielen für seine Enkelkinder machte.
L: Er hatte vielleicht als junger Mann nicht die Möglichkeiten dazu. So ein Lasercutter ist schon ein heißes Ding.
C: Er hat auch mit 70 Jahren einen Arduino gekauft und gelernt, diesen Computer zu programmieren.
E: Man muss dazu keine ganze Ausbildung machen, bis ich beginne, etwas zu entwickeln.
L: Ihr bildet eine Rampe, die eine sanfte Auffahrt in ein Gelände ermöglichen, in dem Dinge möglich werden, die ich vorher nicht denken konnte.
E: Wir haben mit dem techLAB einen Prototypen, mit dem wir einen Forschungsprozess zeigen können. Das Objekt ist ein Ergebnis. Wichtig ist der Weg. Und so kompliziert ist das gar nicht.
L: Schon. Auf Fotos sieht man die Prozesse ja nicht. Das ist doch auch schwer anzubieten, Sponsoren, Ministerien. Das Unsichtbare muss man auch in Worte fassen. Ich werde übrigens schon für Hausmeistertätigkeiten zuhause angefragt, weil ich einen 3D-Drucker bedienen kann. Ich wäre übrigens sehr gespannt, wie das alles aussehen wird, wenn wir in 50 Jahren hier sitzen.
E: Schon in zwei Jahren wird vieles anders sein. Eine digitale Ebene wäre schön die dann darüber liegt. Ergebnisse aus Projekten der Benutzer:innen, die sichtbar werden. Ich möchte diesen Raum auch mit weiteren Themen verändern. Er soll nicht weggeräumt werden.
C: In 50 Jahren bin ich mir nicht sicher, ob wir noch da sind. Die Geräte stehen dann sicher bei den Leuten zuhause, weil die Arbeit derzeit wieder nach Hause wandert.
E: Auch wenn ich in 50 Jahren alles zuhause haben kann, das gemeinsame Machen ist für mich schon noch ein schöner Gedanke. Für mich sind auch die gemeinsamen Fragen interessant. Als wir am Konzept für das techLAB gearbeitet haben, waren wir in der “Cité des sciences”, dem Wissenschaftsmuseum in Paris. Auch dort gibt es ein Lab. Dort aber mit der strikten Vorgabe, nichts vorzugeben. Alles soll man sich dort selbst erarbeiten. Man muss selbst fragen, wie es funktioniert, es wird keine Projektanregung zur Verfügung gestellt.
L: Man fördert so vielleicht nur die diejenigen, die schon “auf Zack” sind?
E: Manche brauchen Unterstützung. Oder sie wollen nur schnell was ausprobieren. Viel Zeit und der eigene Wunsch waren in Paris der Kern des Konzepts. Wir wollten das im techLAB nicht ganz so strikt machen. Wir bieten auch etwas an.
L: Es hängt kein Schild hier „Es wird hier nichts geboten“. Nein, es hängt eine Tasche an der Wand.
E: Und Anleitungen, wenn ich sie nicht selbst raussuchen will. Wenn ich nicht kreativ sein will. Wenn ich nur nachmachen will, kann ich mir den Zettel an der Wand nehmen und es im ersten Schritt einfach genau so machen. Wir haben uns für diese Haltung nach Diskussionen entschieden, weil wir gedacht haben, dass die Rampe nicht ganz so steil soll. Wir bieten auch einen Aufzug an.
C: Wir möchten auch vermitteln, wie man mit Problemen umgeht. Die Technik tut oft nicht gleich, wie man will. Man lernt, Geduld haben. Es gibt eine Lösung, ich habe sie jetzt nur gerade nicht. Dranbleiben, das lernt man. Das sieht man auch bei anderen Menschen, wie sie das machen. Vieles braucht Zeit.
E: Das Lab bleibt also bestehen, und wir werden eine Form finden, mit jeder Sonderausstellung etwas Neues dazuzugeben, etwas zu verändern. Ein neues Thema, ein Motto, und neue Programme. Der Wunsch, zu kommen, bleibt.