Wir erzählen einander Geschichten. Was passiert ist. Was vielleicht passieren wird.
Im Workshop “Storytelling” entwickeln wir Geschichten. Ausgehend von der Frage: “Worüber lohnt es sich zu reden?” finden wir Themen bei einem “doppelseitigen” Spaziergang, bei dem wir erst vor die Kulissen, und dann hinter die Kulissen schauen. Im gemeinsamen Gespräch werden wir jene Punkte identifizieren, die zu berichten spannend sind.
Obwohl es einige Leitlinien gibt, was eine gute Geschichte ist, und wie sie vermittelt wird, steht in meinem Workshop zum Storytelling der Prozess der gemeinsamen Erarbeitung im Mittelpunkt.
Wirkungsvolle Strategien lernen wir im “reverse engineering” einer guten Radiogeschichte kennen. Und: Storytelling beinhaltet immer die/den Erzähler:in, es gibt keine fertigen Rezepte die einzigartig sind. Es gibt nichts zu kopieren.
Wer eine Geschichte vorschlägt, die es sich lohnen soll, zu machen, wird zum Vorstellen folgende drei Punkte vorbereiten:
Täglich drei Mal erfreut das Salzburger Glockenspiel Einheimische wie Tourist/innen durch seine meist bekannten Melodien. Die Tonreihe der 35 Glocken umfasst drei Oktaven mit allen Halbtönen. Das technische Wunderwerk am Residenzplatz wurde 1703 an der Westseite des “palazzo nuovo” errichtet, der heutigen “Neuen Residenz”. Für Abwechslung sorgt seit vielen Jahren Musikmeister Erich Schmidt, der pünktlich zu Monatsende um 11 Uhr die Melodien “umsteckt”.
Salzburg, am Domplatz, ein schöner Herbsttag, ein Spätherbsttag. Es ist kurz vor 11. Vor der neuen Residenz versammelt sich erwartungsvoll eine kleine Gruppe von Menschen.
OT Chinese (kurz) – Spricht chinesisch
Der Herr aus China kommt wegen der Architektur und dem guten Ruf der Stadt hierher, und für die Salzburger selbst ist das zu erwartende Glockenspiel die Belohnung nach ein paar Wegen in der Stadt.
OT Salzburgerin
Wenn man so ungefähr um die Mittagszeit komm, dann erwartet man, dass das noch ein kleiner Zusatz ist für einen schönen Salzburgbesuch, dass man das Glockenspiel hört.
ATMO Glockenspiel 1 mal die Melodie, darüber dann…
Die Melodie wird einmal pro Monat gewechselt, und heute ist es wieder soweit. Ganz genau hört gerade einer zu: Erich Schmidt, er betreut das Glockenspiel gemeinsam mit seiner Frau Adelheid. Er runzelt die Stirn – zwei Glocken sind ausgefallen.
OT Schmidt Erich
Letzte Woche war es noch in Ordnung. Jetzt klingt es eher modern, das Ganze. – Ich bin der Glockenspielsetzer, mache monatlich die Melodien ins Glockenspiel, zusammen mit meiner Frau. Durch meine Heirat mit ihr habe ich sozusagen ins Glockenspiel hineingeheiratet, weil das ist in ihrer Familie Familientradition. Schon seit 1873 ist das in der Familie, dass immer die Nachfolger dann das Glockenspiel weiter betreuen.
OT Schmidt Adelheid
Mein Großvater war Uhrmacher und hat die Uhr gebaut, die drei mal am Tag oben das Glockenspiel auslöst. Und mein Vater hat von Jugend an von den 20-er Jahren bis zu seinem Tod das Glockenspiel betreut. Wir sind 4 Geschwister zuhause gewesen und mein Vater hat uns alle mit dem Glockenspiel aufwachsen lassen. Wir könnten alle vier das Glockenspiel setzen. Die meisten Stücke, so wie sie jetzt gespielt werden, hat er selber eingerichtet, dass es gut klingt, dass nicht zu viele Klänge zusammenkommen und doch die Melodie erkenntlich ist.
ATMO hinaufgehen
OT Schmidt Erich
Ja, jetzt werden wir hinaufgehen in den Turm und die alte Melodie raustun und die neue Melodie reintun und zuerst einmal schauen, warum bei der alten Melodie so viele Glocken nicht angeschlagen haben, denn letzte Woche war’s ja in Ordnung.
Der Turm ist zwischen 30 und 40 m hoch – wir werden das lieber etwas langsamer angehen – 190 Stufen sind es bis nach oben.
OT Schmidt Erich
Das ist die neue Residenz, nennt sich das im Volksmund. Offiziell heißt es Neugebeude, hat der Wolf Dietrich bauen lassen, Erzbischhof Wolf Dietrich. Ist später aufgestockt worden der Turm, um das Glockenspiel hineinzubauen. (Atmo sperrt auf)
In der Turmstube angekommen, ist jeder ein wenig außer Atem. Ein Wunderwerk an Technik tut sich auf. Zähne, Räder, Seile, Stäbe, Rollen, Walzen. Alles hier ist analog, es riecht nach warmem Lerchenholz und, tatsächlich ja, nach vielen, vielen Schrauben.
OT Schmidt Erich, Atmo läuft ständig passend
Jetzt muss ich die sogenannte Klaviatur wegtun, weil sonst spielt es jedesmal wenn ich die Walze weiterdrehe, hört man es unten in ganz Salzburg.
Schnell wird sichtbar, warum zwei Glocken vorhin fehlten, ein Kettenglied hat sich gelöst, mechanische Beanspruchung, ganz normal, sagen Herr und Frau Schmidt. – So –Zentrales Stück der Anlage ist eine große Walze, wie ein Hamsterrad, zweieinhalb Meter im Durchmesser aus Bronze, mit 7970 Löchern. Da werden die Schrauben hineingedreht.
OT Schmidt Adelheid
Jede Schraube ist ein Ton, die Glocken haben zwei Hämmer, und jede Linie auf der Walze ist eine Achtelnote. Und so kann man sich das dann umsetzen von der Partitur, dass man genau die Stifte in die richtige Reihe steckt, die Pausen einhält, und die Notenlänge und den Notenwert.
OT Schmidt Erich
Jetzt muss ich die Walze vorlaufen lassen auf meine Arbeitsposition, damit ich auch bei Takt 1 anfangen kann.
Das Quietschen und Sirren das man dann und wann hört, kommt übrigens vom Elektromotor, der die Walze weiterdreht.
OT Schmidt Adelheid
Das alte Stück muss jetzt herausgenommen werden, das heißt jeder Stift ist von hinten mit einer Mutter angeschraubt, die wird gelockert, dann muss man von vorne den Stift rausnehmen und die neugesetzten muss man dann wieder anschrauben.
OT Schmidt Erich
Es sind 35 Glocken, und teilweise haben die Glocken zwei Hämmer. Es sind genau drei Oktaven mit allen Fis-Cis und so weiter dabei, alle Halbtöne dabei.
OT Schmidt Adelheid
Ich habe in meiner Kindheit auch sehr viel noch das Gewicht heraufgehoben. Da muss man kurbeln und kurbeln, dass das Gewicht raufkommt. Und das Faszinierendste für mich als Kind war die Geschwindigkeitsregelung mit den zwei Flügeln, dass du nur ein bisschen raustust und die ganze riesen Walze wird langsamer oder schneller.
OT Schmidt Erich
Die große Walze dreht sich jetzt natürlich auch mit einem Elektromotor. Sie könnte aber auch mit dem alten Werkl betrieben werden, die jetzt in Betrieb ist, und für besondere Anlässe als Demonstrationszweck benützt wird.
ATMO Erich Schmidt summt die Melodie …
OT Schmidt Erich
… haben wir gerade geesetzt, und jetzt – genau da sind wir.
Nach einer halben Stunde konzentrierten Schraubens folgt der erste Test der neuen Melodie, in der Turmstube selbst.
OT Schmidt Erich
Beim ersten mal Abhorchen muss man die Geschwindigkeit einstellen, weil jedes Musikstück, was vom Vormonat zum Nachmonat, hat eine andere Geschwindigkeit. So, dann schauen wir mal.
ATMO Klackern, leise Glocken
Lange Holzleisten übertragen den Impuls der gesetzten Schrauben nach oben hin weiter zu den Glocken.
Atmo hinaufgehen
OT Schmidt Erich
Jetzt muss ich schauen, mir ist vorgekommen, es hat zweimal ein D nicht angeschlagen, das wäre da (DING). Aha, genau. (DING). Aha. Da ist (DING) der Hammer zu weit von der Glocke weg und dadurch schlagt es nicht an, weil die Bremse vorher in Kraft tritt, bevor der Hammer an die Glocke schlägt. Na. (DING). Brauche ich ein anderes Werkzeug, muss ich wieder runtergehen.
Zwei Jahre nach der Restaurierung „feigelt“ es immer wieder noch ein bisschen, sagt Erich Schmidt bis alles reibungslos läuft, was sich über die Jahrhunderte schön eingestellt hat. Die Glocken stammen übrigens aus Holland und wurden über wundersame Wege auf Karren mit Stroh nach Salzburg gebracht. Damals 1695. Erzbischof Johann Ernst Graf Thun hatte mit der Ostindischen Handelsgesellschaft Gewinne gemacht, der Hofuhrmeister Jeremias Sauter wurde beauftragt, das Werkl dann zusammenzubauen, was natürlich komplizierter ist, als es jetzt klingt.
ATMO (DING DING DING)
OT Schmidt Adelheid
Das Glockenspiel hat ja auch die Funktion gehabt zu den Essenszeiten zu rufen, deswegen Früh, Mittags, Abends, die Arbeitspausen 7, 11 und 6 Uhr. Es war also nicht nur zur Muße sondern zur Information.
So. Alle Glocken klingen, und jetzt kommt die Generalprobe für die Menschen, die schon unten drauf warten.
ATMO neue Melodie
Es passt. Und mit dem Schlusston ist für Erich Schmidt nur noch eines zu tun.
OT Schmidt Erich
Jetzt schreibe ich ins Turmbuch, dass ich die Melodie Lobet den Herren von Joachim Neander ins Glockenspiel gesetzt habe.
So hat alles seine Ordnung, Herr und Frau Schmidt packen ihr Werkzeug zusammen – und unten – da lächeln die Leute.
OT Salzburgerin
Man hört das einfach gerne, man freut sich, es ist aus einer alten Zeit und kommt in die Gegenwart gut herüber.
(Deutschlandfunk/Sonntagsspaziergang, 24. November 2013)
Wenn frisch geschlüpfte Meeresschildkröten ins Landesinnere krabbeln, anstatt zum Meer, dann kann das mit der steigenden Lichtverschmutzung zu tun haben. Ohne die Lichter der Straßenlampen wäre das Meer mit Mond und Sternen die hellste Stelle am Horizont, das Ziel der jungen Meeresschildkröten.
Auch Zugvögel haben mit den heller werdenden Nachtlandschaften Probleme. Licht wird billiger, und damit oft inflationär eingesetzt. Das muss nicht sein, erzählt der Wiener Astronom Thomas Posch von der Universitätssternwarte in dieser Sendung.
Diese Episode ist am 02.01.2010 erschienen. Dauer: 0
Stunden
29
Minuten
und 44
Sekunden
Montreal Holocaust Memorial Centre: Gedenkdiener B. berichtet: Was ein österreichischer Zivildiener in Montreal erlebt: Von Insurance-Claims, stillen Feiern und angekündigten Politikern.
10 akustische Ansichtskarten mit lieben Grüßen aus dem Alpenraum: Wie leben in den Bergen? Ausgezeichnet mit einer “Lobenden Erwähnung” beim Dr. Galler-Tourismuspreis.
Gute Stimmung bei der Königin der Instrumente Das Stimmen einer Orgel ist eine wahre Sisyphusarbeit. Ständig ändert sich die Temperatur im Kirchenraum und damit auch die Tonhöhen der Pfeifen. Kein Zweifel: Die Orgel lebt. Für den Orgelbaumeister Adolf Donnabaum ist das ein Traum. Einen Tag vor der Aufführung des „Messias“ schütteln sich am frühen Morgen der Cembalostimmer, der Mikrofonierer und der Orgelstimmer die Hände. Die Klangherren haben jene Helfer aus dem Saal vertrieben, die polternd an den Sesseln herummräumten, und jeder der drei bekommt nun die angemessene Zeit für seine Aufgabe. Zwei Stunden hat sich Adolf Donnabaum herausgehandelt. Er ist Orgelbaumeister. 500 Pfeifen erwarten ihn im Gehäuse der „Franz Schmitt Orgel“, der Hausorgel eines früheren Leiters der Wiener Philharmoniker. Still ist es im Raum geworden. Nur der elektrische Blasebalg wird unhörbar zur Arbeit fauchen. 24 Orgeln hat Adolf Donnabaum im Laufe der letzten dreißig Jahre selbst gebaut: „Mit diesem Instrument kann man alles ausdrücken, was der Mensch sagen will. “ Genau das wird Händels Oratorium mit gemessenen 443, 3 Hertz für den Grundton „a“ machen. Dieser Kammerton wird sich noch erhöhen, wenn Menschen kommen, und mit der mitgebrachten Temperatur die Tonhöhe der Orgelpfeifen steigen lassen. „Wenn man eine Metallpfeife auch nur in die Hand nimmt, ändert sich der Ton. Das macht das Stimmen ziemlich schwer“. Zuerst wird der Grundton gestimmt, und dann geht es mit Oktaven, Quinten und Quarten auf- und abwärts. Das Principal ist das erste Register, das so gestimmt wird, alle anderen ordnen sich ihm unter. „Wohltemperiert“ heißt die Stimmung, und das bedeutet, daß der unvermeidliche mathematische Stimmfehler, das sogenannte „pythagoräische Komma“, gleichmäßig auf alle Intervalle aufgeteilt wird. Der Orgelbaumeister arbeitet schnell und konzentriert. Legt Bleigewichte auf die Tasten, ohne Assistent könnte er sonst nicht den Ton anschlagen und gleichzeitig die Pfeifen aus ihrem vorgsehenen Platz nehmen. Störungen beim Gang der Arbeit quittiert er mit zwei steilen Falten auf der Stirn. Das Funktelefon ist abgeschaltet. Abgelenkt will er während der Zeit des Stimmens nicht werden, „die Konzentration wäre dahin, nach einer Stimmung bin ich ohnehin geistig ziemlich ausgebrannt“. Unterstützung kommt von einem elektronischen Meßgerät, das mit wandernden Strichen anzeigt, ob der vorgeschlagene Ton zu hoch ist, oder zu tief. Das geht aber nicht mehr bei Mixturen, bei denen mehrere Pfeifen gleichzeitig durch einen einzigen Tastendruck aktiviert werden. Das Meßgerät kann zwar mit den Vorlieben des Stimmers programmiert werden, es kann jedoch nicht mehr zwischen mehreren Tonhöhen unterscheiden, und auch nicht zwischen Klang und Geräusch. „Ob der Fehler in den Obertönen liegt, oder nicht, kann nur das geschulte Ohr auseinanderhalten. Aber das Meßgerät ist schon eine Erleichterung. 80% der Arbeit kann ich damit sehr schnell machen, für den Rest brauche ich meine Ohren, und vor allem, mein Gefühl“. Das Stimmhorn ist das wichtigste Werkzeug für die Stimmung der Metallpfeifen. Auf der einen Seite eines Stabes sitzt ein Kupferkegel, mit dem die Öffnungen der Pfeifen aufgeweitet werden, die Töne werden damit tiefer. Mit der andere Seite des Stimmhornes, einem Trichter, werden die Pfeifen am oberen Ende wieder zusammengebogen, die Töne werden höher. Ein Korkgriff verhindert, daß sich das Stimmhorn erwärmt, was wiederum die Tonhöhe beeinflussen würde. Die Arbeit schreitet gut voran. Nur einzelne Intervalle machen Probleme. Und so tanzen mit den verstreichenden Minuten die Töne durch das Orgelgehäuse. Mit Katzenjammer hat das nichts zu tun, mehr vielleicht mit dem Quietschen einer Eisenbahn in Kurven. Im Inneren der Orgel vollzieht sich der Lauf der Töne einer Oktave gleichmäßig von einer Seite zur anderen. Nur die sichtbaren Pfeifen im Prospekt an der Front der Orgel sind nicht nach Tonhöhen, sondern nach ästhetischen Kriterien geordnet. Hören kann das Ohr den Mißklang zweier Töne durch die Schwebung: Ein regelmäßiges Lauter- und Leiserwerden des Zusammenklanges, ein paar mal pro Sekunde, oder auch nur einmal alle paar Sekunden. Und irgendwo dazwischen liegt der Kompromiß, das Ideal. Wo genau, wird durch Stil und Sicherheit des Stimmers festgelegt, und über diese Fragen wird unter Fachleuten gerne diskutiert. Das war schon immer so. „Es ist besonders tragisch, wenn bei der Orgel etwas nicht stimmt, denn die Töne der Orgel sind tragend. Die Leute hören jeden Fehler“. Violinspieler können falsche Tonhöhen unmittelbar ändern, der Cembaloklang verfliegt im Kirchenraum, aber der Orgelton krallt sich in den Winkeln und Nischen fest. Wenn alle Pfeifen halbwegs gleichmäßig verstimmt sind, dann kann ein guter Orgelspieler transponieren, das Stück einen Halbton höher oder tiefer spielen als im Notenblatt notiert. Nach einer halben Stunde ist das Principal fertig. Ein Ton des angestimmten Akkordes reißt noch aus und wird vom Stimmhorn gezähmt. Adolf Donnabaum gibt etwas verschämt zu, nicht so gut zu spielen, wie er stimmt, indes beenden einige wohlgestimmte Akkorde jene Monotonie, die durch die regelmäßig angeschlagenen Intervalle beim Stimmen eingetreten ist. Der Meister kratzt sich ein wenig an seinem kurzen weißen kurzen Bart und erinnert sich daran, den „Subbaß 8 Fuß“ nicht zu vergessen, eine Gruppe großer Pfeifen, die mit dem Pedal zum Toben gebracht werden. „In Wien“, zwinkert Orgelbaumeister Donnabaum dann zwischendurch, „kommen zuerst die Lipizzaner, dann die Sängerknaben und dann die Philharmoniker. Die Orgel wird oft so lange gespielt, bis es gar nicht mehr geht, solange sie noch irgendwie pfeift, wird sie benützt. “ Dann seien von 20 Registern vielleicht noch vier spielbar und der Organist schließt ständig Kompromisse. „Es gibt aber auch Orgelbesitzer, die ihr Instrument regelmäßig pflegen und stimmen“, und das müsse auch sein, denn die ständigen Temperaturwechsel der Jahreszeiten schlagen sich in veränderten Tonhöhen nieder. Früher, als die Kirchen noch nicht geheizt waren, war es noch besser - für die Orgeln. Und früher haben die Lederriemen in der Traktur der Orgel noch 50 Jahre gehalten, heute sind es durch die schnelle Art der Gerbung nur mehr 30 Jahre. „Da muß dann halt viel gemacht werden“, freut sich der Orgelbaumeister und leidet zugleich. Bei älteren Orgeln muß sich der Mensch dann an das Instrument anpassen, wenn etwa die Übertragung des Tastendruckes an die Windlade unter den Pfeifen nicht mehr unmittelbar sondern nur noch zäh funktioniert. Das gehört dann zur Persönlichkeit der Orgel. Aber das genau ist es, was Adolf Donnerbaum begeistert. Für ihn ist durch den Beruf des Orgelbauers ein Traum in Erfüllung gegangen. „Es hat alles gepaßt! Meine Eltern waren mit der Kirchenmusik sehr vertraut, ich habe Violine gelernt, und als ein Orgelbauer einen Lehrling suchte, war ich dabei. “ Gelernt hat er in Linz, und in den fünfziger Jahren ist er nach Holland gegangen, dort wo die große Tradition zu Hause ist. „Das kommt durch den Reichtum und das Konkurrenzverhalten der verschiedenen Konfessionen dort. Jeder wollte die schönste und wohlklingendste Orgel bauen lassen, und Geld war auch genügend da. “ Die Lehre zum Beruf des Orgelbauers dauert in Österreich dreieinhalb Jahre. Jedes Jahr beenden fünf bis zehn Lehrlinge diese Ausbildung. Die meisten Orgelbauer sind in Vorarlberg zu Hause, der Konkurrenzdruck im In- und Ausland ist groß. Dennoch sind die inländischen Betriebe gut ausgelastet. Es gab eine Zeit, da beschäftigte Adolf Donnabaum 8 Angestellten und wurde damit zum Manager. Heute arbeitet er – wenn nicht gerade Stimmzeit ist – allein in seiner Werkstatt im 3. Wiener Bezirk, an der Werkbank mit Holz- und Metallpfeifen, an Trakturen. Am Schreibtisch entwirft er Angebote und Konstruktionsplänen für neue Orgeln. „Wenn man in einen Raum kommt, der leer ist, und man bekommt den Auftrag, eine Orgel zu bauen, dann verbindet man architektonische und ästhetische Kriterien mit der musikalischen Kunst und dem Handwerk. Da wird alles konstruiert, angefertigt, zusammengebaut, gestimmt, das ist eine wunderbare Arbeit, man muß alles können, und daß aus Bäumen und Erzen so etwas entstehen kann, ist eine Faszination. Wenn es klingt, ist es vollendet. “ Richtig zufrieden ist Adolf Donnabaum eigentlich nie. „Orgelstimmen ist ja eine Sisyphusarbeit. Wenn man eine Zeitlang arbeitet, erwärmt sich die Luft hier durch den Orgelmotor, jede Luftbewegung wirkt sich aus, dann muß man irgendwann sagen: Schluß, jetzt paßt es“. Die Erwartungen an ihn sind hoch, und wenn die Königin trotz Huldigung verstimmt ist, halten sich die Veranstalter an ihn, auch wenn physikalische Gesetze an den Dissonanzen die Physik schuld sind. Oder die Bewegung. „Das Leben der Orgel ist eben immer vorhanden. “ Nach zweieinhalb Stunden sind die vielen Pfeifen und Register der Orgel in der Südstadtkirche in Maria Enzersdorf wieder befreundet. Die Ausgangssituation war gut. Nun ist der Cembalostimmer an der Reihe, und tags darauf wird die Orgel mit dem Cembalo den Gesang von Chor und Solisten lächelnd oder traurig unterstützen. Kunst und Kirche werden zum Leben erweckt, und Adolf Donnabaum wird dabeisein und hören.
"Dieses Ischgl gibt es schon ewig, aber Siedler gibt es seit ca. 1100 Jahren. Und zwar sind da die ersten Siedler aus dem benachbarten Engadin, aus Szent herüber gekommen über das Timberjoch, und haben hier die erste Höfe erbaut.." – Paul Zangler, Lehrer in Ischgl. Heute ist Ischgl eine Fun-Sport-City. Akustische Einblicke beim Kulissenwechsel Winter-Sommer.
Gestaltung: Lothar Bodingbauer und Ingrid Rachbauer
Einblick in das Leben der Trafikanten und Trafiken. Geschützt durch ein staatliches Monopol ist es dennoch nicht immer lustig. (Beitrag in Zusammenarbeit mit Ute Hargassner)
Arbeitslosigkeit in der Region Braunau im Jahr 1996, nach der Umstrukturierung des Aluminiumwerks Ranshofen (AMAG). Wie man die Zahlen dreht und wendet, egal ob absolut oder relativ gerechnet wird, die Zahl der Arbeitslosen steigt Risikogruppen sind ältere Menschen, Personen mit Lehr- oder Pflichtschulabschluß, Nicht-Österreicher, Beschäftigte in Industrie und Gewerbe. Aber was sind Zahlen, Raten und Vergleiche. Betroffene profitieren höchstens vom Verschwinden des Vorurteils, jeder könne arbeiten, wenn er nur wolle. Für den Einzelnen und die Familien bedeutet Arbeitslosigkeit Krisenphase mit offenem Ende.
Manuskript
Arbeitslos. Eine Region ist machtlos und beunruhigt.Im Vormonat waren in Österreich fast 240.000 Menschen arbeitslos. Wie man die Zahlen dreht und wendet, egal ob absolut oder relativ gerechnet wird, die Zahl der Arbeitslosen steigt. 12% sind es nun mehr als im Vorjahr. Risikogruppen sind ältere Menschen, Personen mit Lehr- oder Pflichtschulabschluß, Nicht-Österreicher, Beschäftigte in Industrie und Gewerbe. Aber was sind Zahlen, Raten und Vergleiche. Betroffene profitieren höchstens vom Verschwinden des Vorurteils, jeder könne arbeiten, wenn er nur wolle. Für den Einzelnen und die Familien bedeutet Arbeitslosigkeit Krisenphase mit offenem Ende. Lothar Bodingbauer hat sich in Oberösterreich umgesehen. Ort der folgenden Reportage ist die Region Braunau.
2 OT Arbeiter
Was uns so ärgert, es ist um die Hälfte fast reduziert worden, aber nur der ganze Führungsstab droben ist heute noch. Das paßt sicher nicht mehr, aber na ja.
OT Meditation
TEXT:
Die Adressaten dieser Meditation, 30 Männer und Frauen jeden Alters, waren vor einem Monat noch Härteres gewohnt. Schichtarbeit in der Aluschmide Ranshofen, an Walzgerüsten und Preßmaschinen. Fließbandarbeit in einem anderen Krisenbetrieb, der schließen mußte oder anderswo billiger produziert. Auch ein Käsereimeister ist dabei.
Einer hat vorhin erzählt, er würde jetzt gerne Staplerfahren. Diese Zeit ist nun vorbei. Sie alle haben ihre Arbeit verloren.
Alle wissen, sie sind da, um sich zu erholen, um fit zu werden, für die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz.
4 OT Arbeiter
Vielleicht finden wir ja noch etwas (4)
3 (~2) OT Meditation
2 OT Arbeiter-Mix
Man wird selbstbewußter da herinnen, weil man lernt, Eigeninitiative zu ergreifen…
Na, mich hat das nicht geschreckt, weil ich schon immer gerechnet habe, daß ich einmal hinaufgeholt werde…
Ich war Gruppenleiter in der Forschung und Entwicklung. Durch die Umstrukturierung in der Forschung der AMAG ist diese Stelle aufgelöst worden…
Mir wäre eigentlich im Freien irgendwas noch, weil ich war jetzt 43 Jahre immer drinnen, in der Hüttengießerei, und in der Werkstätte…
Ich war zuletzt im Magazin noch ein wenig, aufräumen…
Was ich in Zukunft noch lernen kann oder nicht, ich weiß nicht, ob das noch was günstiges draus wird. Gesundheitich war ich auch schon so halbwegs geschädigt, ich habe schon ewig lang Astma…
Durch das Sanierungskonzept in der AMAG hat man auch zu mir gesagt, ich hätte die Möglichkeit, auf einvernehmiche Art und Weise das Arbeitsverhältnis zu lösen…
Früher war ich in der Elektroyse 20 Jahre…
Ich bin ersetzt worden dort, das weiß ich…
Entweder Landschaftspfleger oder Gärtner täte mich noch interessieren…
Bevor ein jüngerer gehen muß, erklärt man sich eben bereit, Platz zu machen…(~3)
Weil die Firma hat abgebaut, dann bin ich in die Stiftung gegeangen. Ich hoffe, daß ich noch irgendwas -
4 leise MUSIK Internationale - also Beruf habe ich keinen erlernt…
Und ich hoffe, daß ich noch irgendwo unterkomme…
In der freien Natur wird´s sicher noch was geben für mich. (2)
MUSIK
TEXT:
Hyper, hyper. Wir heben ab. Auf dem Weg in die Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft gibt es keinen Platz mehr für Aluschmelzer, Staplerfahrer, Löchergräber, Kabelroller. Die erkämpften Rechte der Arbeiter gelten nicht mehr für Arbeitslose, und das Recht auf Arbeit ist System- und Konjunkturabhängig.
Gerhard Skiba ist Bürgermeister der Bezirkshauptstadt Braunau.
Arbeitslosigkeit sei der Trend der Zeit.
2 OT Bürgermeister
Freie Marktwirtschaft heißt glasklar, Produktion dort wo die Arbeitskosten günstiger sind, wo man die Leute ausbeuten kann, wo man zu niedrigen Fertigungskosten und Stückkosten kommt. Ich kann nicht einer Firmenleitung den Schüssel wegnehmen und sagen, ihr dürfts nicht absiedeln. Wenns so einfach wäre, dann würde ich das tun.
OT Seelsorge
Wie es angefangen hat, größere Formen anzunehmen, hat es noch Proteste gegeben. Ich denke an die Schließung der Elektrolyse. Am Anfang ist noch protestiert worden, mitlerweile haben wir eine Arbeitslosigkeit in einem ungeahnt größeren Ausmaß, und es gibt eigentlich keinen Protest mehr. Wenn man weiß, daß das Lohnniveau ich glaube innerhalb von einem Jahr um 1000 Schiling gesunken ist, das muß man sich vorstellen, was das für eine Region heißt. (2)
(~4) TEXT:
Die Arbeitslosenrate im Bezirk Braunau liegt bei etwa 8 Prozent. Gleichverteilt. 4% Männer, und 4% Frauen. Arbeitsplätze fehlen vorwiegend in jenen Bereichen, wo es weniger ums Handeln und Delegieren, als ums Zupacken geht. Nun soll auch das Krankenhaus schließen.
Marianne Hagenhofer ist Leiterin des Arbeitsamtes Braunau.
2 OT Hagenhofer
Die offenen Stellen sind stärker denn je zurückgegangen, es ist derzeit so, daß grob 10 Personen auf 1 offene Stelle kommen. Sie können sich vorstellen, wie groß der Verdrängungswettbewerb unter den Arbeitslosen dann ist.
OT Wirtshaus
Die Frauen erwischts jetzt wieder, weil wieder ein Betrieb zusperrt, wo ziemich viele Frauen beschäftigt sind, und die AMAG will auch wieder heuer 500 Leute entlassen. (*2)
TEXT:
Braunau ist nach Linz und Steyr der von Arbeitsosigkeit am stärksten betroffene Bezirk Oberösterreichs. Die Strukturveränderung habe das bewirkt, erklärt Marianne Hagenhofer, andere Bezirke müßten diesen Prozeß erst vollziehen. Was heißen soll, daß im Bezirk Braunau die Betriebe schon zugesperrt haben, oder abgewandert sind, auf die Phillipinen, oder nach Ungarn.
Der Großbetrieb der Region, das Aluminiumwerk Ranshofen, die AMAG, wartet auf einen Käufer und schrumpft inzwischen gesund.
2 OT Arbeiter
Meistens ist ein ganzes System gesperrt worden, das sind immer zwei Ofenhäuser. Aber wie gesagt, die Nebenbetriebe, dies gerissen hat, das hat dann natürlich auf das ganze Werk übergegriffen. - Das Ofenhaus war ja der Teil, der die Defizite von Walzwerk und Preßwerk aufgefangen hat. Und das hat jeder begriffen, wann die das Ofenhaus sperren, daß es dann Feierabend wird. Es ist auch von Seiten des Betriebsrates ganz wenig Druck gemacht worden. Getan hat er auch nicht viel.
OT Bürgermeister
Das Probem ist, die AMAG ist im Grunde genommen als Aluminiumproduzent am Wetmarkt ein Klacks. Und Aluminium wird heute ganz wo anders in ganz anderen Dimensionen am Weltmarkt erzeugt und angeboten. Da hat Ranshofen ganz einfach nicht mehr mitkönnen.
OT Arbeiter
Wenn Dir da oben einer die Wahrheit sagt, wärs schön. Aber man spürt das eh ungefähr, weißt, ganz dumm sind ja wir auch nicht, daß wir nicht wissen, was wirklich im Werk oben lauft. Es wird ja ständig kleiner gemacht, und die Devise, wies immer heißt oben, mit 50 Jahren hast einen Kündigungsschutz, mein Gott na, haben ein paar von der Führungsetage gesagt, mag sein, aber wenn wir jemanden anbringen wollen, bringen wir jeden an.
OT Stiftling
Weil es immer geheißen hat, die älteren haben einen Kündigungsschutz, aber dann heißt es natürlich auch, wenn wir nicht gehen, müssen andere gehen, und für 50jährige oder noch jüngere ist es natürlich noch schwieriger, als für denjenigen, der ein paar Jahre vor der Pension steht. (2)
TEXT:
Die Firmenleitung der AMAG mußte einem Sozialplan zustimmen, der neben Abfertigungen auch die Gründung einer Arbeitsstiftung vorsah. Die nicht mehr benötigten Arbeitnehmer können weiter von 8 bis 16 Uhr ins Werk fahren - nicht mehr in die Produktionsbetriebe, sondern in den Schulungsraum der Alu-Stiftung.
Leiter der Stiftung ist Heinrich Simböck.
2 OT Chef
Begonnen hat die Arbeitsstiftung in Ranshofen im Zuge der Schließung der Elektrolyseanlage. Es wurden damals 711 direkt Betroffene in der AMAG betreut, und haben über die Arbeitsstiftung selber ein Licht am Horizont gesehen, sie waren nicht alleine. Da sind wir auch ganz besonders dankbar, daß das ganze so funktioniert.
OT Trainer
Unser Motto ist wirklich Hilfe zur Selbsthilfe, die Stiftung ist nicht da, einen Arbeitsplatz zu finden, das ist ein wirklich wichtiger Punkt von uns, wir suchen keine Arbeit nicht, wir helfen nur.
OT Stifting: Es geht so schnell
OT Stifting
Und es ist einfach erstaunlich, wenn man das so sieht. Heute sind wieder 3 weg zur Arbeitssuche, und heute habe ich gerade einen Kollegen getroffen, der hat mit mir zusammengearbeitet, der macht Masseur, der ist schon wieder in Deutschland draußen, den habe ich gerade kurz getroffen, der ist schon wieder weg. Und es ist interessant, wie schnell das geht, daß die Leute wieder eine Arbeit finden.
Stiftung Trainer
Arbeiten mit über 50jährigen ist das schönste, was es gibt, sie sind dankbarer wie jüngere, man arbeitet im Bereich Teamarbeit. Nicht gerade Arbeitsplatzsuche, sondern wir packen unser Zeug und gehen in die Natur spazieren, daß das auch nicht zu kurz kommt. (*2)
TEXT:
Die Teilnehmer, die zwar arbeitslos sind, aber nicht so heißen, weil sie Stiftlinge sind, sie lernen das, wofür sie nie Zeit hatten, weil sie arbeiten mußten.
Teamarbeit, Selbstdarstellung- und Bewerbungsstrategien. 4 Jahre sind Zeit, um sich beruflich neu zu orientieren, und an Weiterbildungsprogrammen teilzunehmen. Ältere Teilnehmer können so auch die Zeit zur Pension überbrücken. „Sich aus dem Arbeitsleben ausblenden” heißt das.
Für Jungunternehmer des Bezirkes sind die Stiftlinge begehrtes Personal. Für die Unternehmungsgründung bezahlt die Stiftung einzuschulende Mitarbeiter.
2 OT Jungunternehmer
Ist aber bei einem Unternehmen, das neu anfangt, teilweise die einzige Möglichkeiten. Denn mit dem Start ein großes Personal zu haben, ist für kleine Jungunternehmen fast nicht mehr möglich am Anfang. Und wenn das Unternehmen lauft, kann man die entsprechenden Stiftlinge ja auch einstellen. (*2)
TEXT:
Betriebsgründungen sind jedoch rar, Arbeitsplätze sind rar, und die Perspektive, unnötig zu sein, ist keine gute.
2auf MONO stellen!
OT Frau
Mein Mann ist 28 Jahre in der AMAG gewesen, jetzt habens ihn freigestellt. Der weiß mit 47 Jahren nicht mehr wohin. Aber jetzt hat er schon dort oder da gefragt, ob sie ihn aufnehmen würden, zu arbeiten, er bekommt überall eine Absage, Grund: das Alter, jetzt gehts natürlich wieder an. Na, es war am Anfang sehr schlimm, dann haben wir ihm gut zugeredet, dann ist es wieder gegangen. Gemütsverstimmungen, seelisch, psychisch. Eigentlich, der ganze Mensch ist anders worden.
OT Hagenhofer
Jemand der noch nie arbeitslos war, weiß eigentlich nicht, was Arbeitslosigkeit bedeutet. Wenn man gerne arbeiten würde, aber trotz alledem keine Arbeit bekommt, ist das ja sofort ein psychisches Problem.
OT Arbeitsloser
Konkret sind meine Schwierigkeiten, sind das Finanzielle. Was ich jetzt verdiene, ca. 9000 Schilling, das reicht halt gerade, daß ich die Miete bezahlen kann, 3000 Schilling, 1000 Schilling Strom, ca 600 Schilling Versicherung, der Rest blebt zum Leben, dann habe ich Schulden, ca. 70000 Schilling, die muß ich auch noch zahlen, dann bleiben ca. 2000 Schilling zum Leben. Und dann wirds knapp. Das schlimme ist, daß die Leute so unfair sind, daß sie sagen,. schau da geht er, er ist schon sop lange daheim. Derjenige der Arbeitet, ist sich ja dessen nicht bewußt, was es heißt, arbeitslos zu sein. Nur, den kann es über Nacht auch treffen. Und dann wird er selbst sehen, was das heißt. Innerlich, was sich da abspielt, man hat Existenzangst, es treten viele Problem auf. Man kann sich nix mehr leisten. Man trinkt nun ium ein Bier zuviel, weil man sagt, der Schädel raucht mir, weil ich nicht weiß, was ich tun soll. Man wird ja dann irgendwie psychisch ein bißerl angeknackst, weil man nicht weiß, wie gehts morgen weiter, oder nächstes Monat. - Ich täte sagen, zum Fürchten fängt man an, wenns über 1 1/2, 2 jahre geht. Das geht an, ab einem jahr. Man fühlt sich, so Quasi, Dich kann eh keiner brauchen, dann sagt jeder, jetzt bist schon ein Jahr daheim, Dir muß man das Arbeiten wieder lernen. Wenn einem das gesagt wird, bricht schon innerlich was zusammen, weil man sich abwertet, und sagt, vielleicht hat er wirklich recht. Obwoh man aber im Hinterstüberl den Willen hat, ich möchte ja. Aber immer wieder, das reinsagen, Du bist eh schon so lang arbeitsos, du kannst nichts, du wirst nie was können, und das macht es aus, daß man ein bißerl aufgibt. (*2)
2 OT Lehrer
Also ich bin schon längst pragmatisiert, deswegen kann ich so locker drüber reden, weil das ganze berührt mich überhaupt nicht. (*2)
3 OT Stempel (3)
TEXT:
Und das ist das Geräusch zur Sendung. So klingt Arbeitslosigkeit.
„Stempeln gehen“, sagt der Volksmund.
Für einen Jungakademiker aus Wien war der Umzug in die Region schockierend.
2 OT Akademiker
Und der Kontrast war einfach so schlimm. Das, was ich bisher am Jungakademikerservice in Wien gesehen habe, wo man wirklich darauf spezialisiert ist, jungen Universitätsabsolventen adäquate Jobs zu vermitteln, und wo die Leute hingehen um ihre Karriere zu planen. Mit diesen Vorstellungen bin ich ungefähr auch ans Arbeitsamt in Braunau gegangen. Was ich dort gesehen habe, das war Not, war menschliches Elend, war menschliche Not, bei jedem anders gelagert, und das zu sehen, tut weh.
ATMO Kindergeschrei
TEXT:
Das Arbeitsamt Braunau heißt nun Arbeitsmarktservice. Das neuerbaute Gebäude am Rande der Stadt erinnert mehr an ein Großambulatorium. „Arbeitslosikgkeit ist keine Krankheit“, meinen die einen, „ist sehr wohl eine“, die anderen. Die Klobürste sei zu verwenden, und man habe sich niederzusetzen. Das Schild auf der Toilette ist aber schon das einzige, was anzeigt, daß man sich in einem Amt befindet.
4-(~2) OT/ATMO Arbeitsamt
Sie können auf 11 reingehen…
TEXT:
Felix Leininger ist seit 18 Jahren Arbeitslosenberater. Er stempelt aktiv. An ihn die Frage, wieviele Leute denn jetzt eigentlich sozialschmarotzen. Also gar nicht arbeiten wollen! (~2)
3 OT Berater
Ich habe jetzt ungefähr 450 Leute in der Vormerkung, 99% wollen wirklich, ein geringer Teil hat sich an das Einkommen gewöhnt, die man nicht vermitteln kann, weil so viel egute Arbeitslose da sind. Der Betrieb sucht sich die besseren aus.(*3)
TEXT:
Zahl und Größe der Probleme haben in den letzten Jahren enorm zugenommen, erzählt der Berater inmitten farbenfroher Leinwandgemälde, die er in seiner Freizeit malt und mit ins Amt bringt.
Alleinerziehende Frauen haben die größten Schwierigkeiten, wieder einen Arbeitsplatz zu finden. Halbtags oder Teilzeitstellen werden kaum angeboten und wenn, dann sind meist mit den angebotenen Kinderbetreuungszeiten unvereinbar.
2 OT Frau
Wei ich könnte es für mich nicht vorstellen, daß ich mir denke, ich ginge arbeiten, und in der Zeit schaut eine Betreuerin auf mein Kind. Das kann ich mir nicht vorstellen. Wenn das Kind reif ist für den Kindergarten, dann kann ich auch was arbeiten in der Zeit. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß ich arbeiten gehen muß, und eine andere, fremde Frau, schaut auf mein Kind in der Zeit, wo ich mir denke, das ist eigentlich meine Arbeit. Auf das stehe ich. -
Stehen kann man nur so lange, wie nichts angeboten wird. Das ist nämlich die Probematik. ich sitze auf der einen Seite herinnen, daß ich die Leute wieder in Arbeit bringe, auf der anderen Seite, muß ich das soziale abchecken, das ist die Schwierigkeit bei den Frauen. Darum sind viele Frauen im Notstandshilfebezug, aber das liegt nicht an den Frauen, sondern an den Betrieben, daß nichts angeboten wird, und an den betrieben, und an den Kinderbetreuungseinrichtungen. - Daß das Geld weiterlauft, Antrag ausfüllen und auf Zimmer 28 abgeben. - Super, das kann ich heute geich abgeben. - Ja, gleich nach vorn gehen. (*2)
TEXT:
Das Amt erhielt einen anonymen Hinweis, daß ein Klient jeden Tag von einem Auto abgeholt werde. Verdacht auf Pfuschen. Der Mann wird zu Felix Leininger ins Amt gebeten.
3 OTBerater
Man ist ja Psychologe auch, man kann ja umgehen auch mit den Leuten, gerade mit solchen. Der kommt herein, braust auf, und zwei Minuten später ist er wieder ruhig. -
(Action bis zum Türeschließen) (*3)
2 OT Angestellte
Und man muß reden können. Auch wenn einer mal hereinkommt und durchdreht und schimpft und plärrt, dann muß ich ruhig beiben und sagen, schrei Dich einmal aus, und dann reden wir normal weiter. Das ist aber nicht immer zu machen, das ist auch klar. Aber das finde ich, macht einen Berater aus. (2)
3 OT Beschuldigter
Überhaupt kein Problem nicht. Menschlich ist es. Wie du in den Wald schreist, kommts raus. Gibt überhaupt nichts. Kannst ganz normal reden mit ihm, ist ganz klar. Wir kennen uns schon lange, hatte schon öfters zu tun mit ihm. Wenns mit der Arbeit wieder pfeift, alles in Ordnung, habe ich damit eh nichts mehr zu tun, servus. (~3)
2 OT Psychologin
Menschen sind sehr verschieden. natürlich finden sich unter Arbeitslosen genauso wie unter Leuten die Arbeit haben, Anstrengungsvermeider, keine Frage. Im großen und ganzen ist es so, daß die Situation der Arbeitslosigkeit so deprimierend ist, daß man sich nicht wundern muß, daß die Menschen die Lust verlieren, die Hoffnung verlieren, resignieren. Das heißt ist mehr gelernte Hilflosigkeit, wie man es in der Psychologie sagt, also ein völlig anderes Phänomen.(2)
TEXT:
Die Psychologin Brigitte Rollet zum Thema Anstrengungsvermeidung. –
Ein Glück für die Region Braunau ist ihre Lage, in unmittelbare Nähe zur deutschen Grenze. Drüben im Chemiedreieck Burghausen arbeiten etwa 5000 Österreicher. Etwa im Wacker-Werk: jeder 5. Arbeitnehmer kommt aus Österreich. Gerd Keller ist der Arbeitsdirektor des Unternehmens.
2 OT Geschäftsführer
Dadurch daß wir mit unserem Produktionsstandort so nahe an der Salzach sind, haben wir diese Salzach nie als Grenze empfunden zu Österreich, was unseren Arbeitsmarkt anbelangt. Nehmen Sie einen Zirkel und ziehen Sie einen 50km Kreis um das Werk, dann ist das unser Beschaffungsmarkt für Arbeitskräfte. Wir werden in diesem Jahr etwa 260 Mitarbeiter hier in Burghausen einstellen können, das hängt damit zusammen, daß die Halbleiterindustrie sehr stark wächst, Wachstumsraten zwischen 15 und 20% in den nächsten zwei Jahren, das wirkt sich natürlich deutlich in unserer Einstellpolitik aus. (*2)
TEXT: Aus Österreich hat sich für die Beschäftigung der Österreicher noch niemand bedankt.
2 OT Geschäftsführer
Sagen wir, das wäre vieleicht ganz nett, aber wir kommen auch so ganz gut zurecht. (*2)
TEXT:
Nehmen Firmen staatliche finanzielle Anreize wahr, neue Mitarbeiter mit Handicaps einzustellen, ältere Arbeitslose etwa?
2 OT Geschäftsführer
Eigentich weniger. Wir müssen eigentlich sehen, primär, funktionierende Abteilungen zu haben, und wir haben nur sehr wenige Bereiche, wo es in Frage kommt, Mitarbeiter, die mit welchen Handicaps auch immer versehen sind, vernünftig und adäquat einzusetzen. Diese Anreize haben wir bisher gar nicht in Anspruch nehmen können. (*2)
TEXT:
Was tun? Wer oder was auch immer Arbeitslosigkeit verursacht. Tatsache ist, daß Menschen, die arbeiten könnten, keine Arbeitsplätze finden, weil es sie nicht gibt. In Zukunft werden sich mehr Leute weniger Arbeit teilen müssen. Zu geringeren Löhnen. Das System der Lohnarbeit den heutigen Gegebenheiten anzupassen, ist ein politisches Problem. Und auch, was mit den immer mehr werdenden Arbeitslosen anzufangen ist.
2 OT Hagenhofer
Wir haben zur Problemlösung angesetzt, wir setzen auf aktive AM Politik. Das heißt, die Personen, nicht nur Arbeitslosengeld beziehen zu lassen, und die Existenz abzusichern, sondern mit ihnen aktiv etwas zu unternehmen, um sie wieder in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.
OT Sepp
Ich zerlege jetzt den Betteinsatz. Solche haben wir mehr, und das geht leicht.
TEXT:
Im Recyclinghof Braunau organisieren Langzeitarbeitslose die Sperrmüllsammlung. Müll wird getrennt, wiederverwertet und verkauft.
OT Sepp
Der Rahmen kommt nachher zum Brennholz, das Brennholz wird nachher zusammengeschnitten…
TEXT:
Herbert Ranftl leitet den Recycingof Braunau.
3 OT Ranftl
Wir sind ein Projekt, das für 10 vorher arbeitslose Personen konzipiert ist, dazu steht uns ein Betreuungspersonal von 2 1/2 Personen zur Verfügung. (3)
OT Arbeiter
Ja, mein Fachgebiet sind Elektrosachen zu zerlegen. Die einen könnnen recht gut Matratzen zeregen, er macht zum Beispiel die gröberen Sachen, er zerlegt sämtliche Möbelstücke eigentlich, im großen und ganzen.
3 OT Ranftl
Der Kursteilnehmer ist maximal ein Jahr bei uns beschäftigt, und in der Zeit soll er wieder einen Arbeitsplatz finden.
OT Hagenhofer
Wir belassen die Leute im Zeitrhythmus mit Qualifizierungsmaßnamen. Die Leute müssen in der Früh in die Maßnahme gehen, sie dauert 8 Stunden, und somit ist das Gefühl, arbeitslos zu sein, nicht so stark vorhanden.
TEXT:
Augenkontakt mit der Kundschaft sei wichtig, lehrt ein Plakat an der Wand, das schaffe Vertrauen. Das Projekt besteht nicht nur aus Arbeit. Auch hier sollen Fertigkeiten zur Persönlichkeitsentwicklung vermittelt werden.
2-(~3) OT Sepp
Na ja so, arbeitsmäßig gefällts mir ganz gut, aber ich bin von Schneegattern, ich hab da eine Wohnung, das ist was, was mir nicht so gut gefällt. Der Kurs baut einen schon ein wenig auf, daß man wieder zu sich selben kommt. Wenn man weg ist, dann findet man selber nicht mehr so recht rein. Die helfen einen, daß man wieder dazu zurückfindet. Wie gesagt das ist ein Problem ,in Schneegattern habe ich eine Wohnung, und ich habe mich schon eingelebt, jetzt müßte ich wieder neu anfangen, des streßt mich, ich fahre schon das Wochenende heim, das geht ales ins Geld, ich muß ins Gasthaus essen gehen. Das geht ins Geld. Das bringt mich durcheinander.
TEXT:
Flexibel, dynamisch, mobil und kommunikativ. Das sind die neuen Kriterien. Fehlt nur eines davon, reicht es aus, um in der großen Konkurrenz unterzugehen.
OT Arbeiter
Ich habe, wie gesagt, Sehnsucht nach Zuhause.
OT Arbeiter
Ich bin ein recht fexibler Mensch, ich habe da 0 Probeme gehabt, ich habe zuvor einen ganz anderen Beruf gehabt, wie jetzt. Ich komme bei den Leuten gut an, glaube ich, aber wie gesagt, unser System ist, daß wir zusammenhelfen, weil sonst gehts fast nicht - Heh! -
Ich muß aber jetzt ein Interview geben, jetzt gehts nicht.
3-(~2) OTAction
2 OT Hagenhofer
Ich sage, bei uns wird niemand gezwungen. Jeder soll in die Ausbildung oder in das Projekt freiwillig. Wenn man jemanden zwingt bringt das nix. Allerdings, wenn eine Person, für die wir glauben, das ist für die Person sinnvoll, selbstverständlich das Arbeitslosengeld nicht so ohne weiters weitergezahlt wird, es wird für 4 Wochen ausgesetzt. Man sollte die eine oder andere gemeinnützige Organisation unterstützen, wenn sie Leute braucht, daß man sie aus dem Reservoir der arbeitslosen Personen bestücken kann. Aber mit Gewalt gehts nicht, das sind alles Menschen, man kann den ja nicht anbinden.
TEXT:
Teilnehmer an Projekten der aktiven Arbeitsmarktpolitik erhielten bis vor kurzem für die Arbeit während der Arbeitslosigkeit 2000 Schilling pro Monat zusätzlich zur Arbeitslosenunterstützung. DLU heißt das, Deckung des Lebensunterhaltes.
2(~3) OT Arbeiterin
Also, was ich gerade erfahren habe, ich bekomme die normale Arbeitslosen, mehr nicht, weil ja die DLU jetzt gestrichen worden ist. - Warum ? - Sparpaket. Habe ich jetzt gerade erfahren. Man wird eingestuft, was man vorher gemacht habe, früher hat man noch 2000 dazubekommen. Das ist gestrichen worden. Aber trotz allem, besser wie nichts. -
Aber es ist alles zu bewältigen mit der richtigen Einstellung.
OT Nachrichten
Die Wirtschafts- und Arbeitsminister der 7 führenden Industrienationen haben sich in Lille für einen flexibleren Arbeitsmarkt ausgesprochen, um neue Arbeitspätze zu schaffen. In einer gemeinsamen Abschlußerklärung fordern sie eine größere Mobiität der Beschäftigten und geringere Sozialabgaben für Arbeitspätze, die nur eine niedrigere Qualifikation erfordern. Österreichs Soziaminister Hums meinte zu den Beratungen, es habe keinen Sinn, Arbeitsplätze zu schaffen, die nicht geeignet seien, Existenzen zu sichern.
OT Arbeiterin
Ich täte es für gut halten, wenn es mehr solche Projekte gäbe, dann hätten die Leute vielleicht wie in meinem Fall größere Chancen, irgendwo unterzukommen. gar nicht so schecht. Pfft.
3 OT Hagenhofer
Das Ganze ist eine finanzielle Frage. Der Arbeitsmarkttopf für aktive Beschäftigungspolitik ist nicht endlos, daß man nur daraus schöpfen kann. Man hat ein bestimmtes Budget, mit dem wir haushalten müssen. Man muß auch aufpassen, daß man den Markt mit derartigen Projekten nicht überfordert.(3)
TEXT:
Die Qualifikationsspirale dreht sich. Handelsakademiker ersetzen Handelsschüler, Maturanten Menschen mit Hauptschulabschluß. Im Zusammenhang damit sinken die Gehaltsforderungen der Arbeitssuchenden.
Gerhard Rauscher leitet das Renoveriungsprojekt im nahegelegenen Altheim. Langzeitarbeitslose haben dort ein altes Bauernhaus renoviert, das nun als Kulturzentrum und Museum dient. Für die Gemeinde war diese Renovierung billig, Material wurde von den heimischen Betrieben gekauft. Endlich profitieren auch die Arbeitslosen, ihre Fähigkeiten können erweitert werden. Zu Beginn der Schulung steht Grundsätzliches am Programm. Die Arbeitskultur.
2 OT Rauscher
Das ist wichtig, Thomas. Ich brauche heute, es geht nicht mehr so verstärkt um die Situation, daß Du als Hilfsarbeiter der fachlich fertige Mann sein für die Firma. Was den Hilfsarbeiter betrifft, übernimmt die Firma die Schulung selbst. Aber das was jeder mitbringen muß ist Verläßlichkeit, Pünktlichkeit, ist eine Situation, daß ich sagen kann, beim Thomas ist um 7 Arbeitsbeginn, dann ist er um 7 da. Das sind die Wertmaßstäbe, die man bei euch anlegt. Wo es nicht darum geht, daß ich hohe fachliche Qualifizierung habe, sondern wo ich sagen kann, er ist da, wenn man ihn braucht. Das zählt, alles andere macht Dich kaputt.
(2)
TEXT:
Während in den Stiftungen und Projekten Organisatoren und Teilnehmer an der Überlebenssicherung und Zukunfstplanung arbeiten, diskutieren drei Künstler im Braunauer Cafe Graf.
2 OT Künstler
Ich glaube, daß die Arbeitslosigkeit ein totaler Streß ist. Man muß sich rechtfertigen, daß man doch exisitiert, man hat als Künstler schon schwer, und wenn man als Arbeitsloser Soziahife bekommt, ist es noch schwerer, vor Freunden, die vielleicht einen Job haben, zu rechtfertigen, wieso man was bekommt und trotzdem lebt. -
Man hat ja seine Aufgabe, man muß funktionieren. Das ist einfach Pflicht. Ich muß auch funktionieren, wenn ich sowieso am Arsch bin. -
Sie können vielleicht ihre Phantasie wieder mehr beleben, weil sie mehr Zeit haben, ich stelle mir vor, daß sie sich mit ihrem Leben wieder mehr befassen, ich glaube es, ich wünsche es diesen Menschen. Wenn man mehr Freiraum hat und nicht im Streß ist, dann kann man ja mehr über sich nachdenken und die Welt -
Schwachsinn -
Bist du gerade arbeitslos? Sag ihm hinein, was du dir denkst! -
Was soll ich da sagen, sicher gehts mir schlecht. sieht man eh, psychischer Zustand, der Druck, Winterdepressionen. Schwere Depressionen. Ich kann jetzt gar nichts sagen, wei ich so schlecht beinand bin. -
Finde ich auch, wenn du eine Depression hast, dann redest du nicht gerne darüber. -
Ich habe immer gearbeitet, mein ganzes Leben lang. Meine Freundin, mir war alles was wert, immer noch, wenn ich was mache, dann anständig. Jetzt bin ich ein Jahr dahein, gesundheitshalber, dann schauen dich die Leute schon an wie einen Verbrecher.
OT Hagenhofer
Es ist ein Phänomen, daß Personen, die von Arbeitslosigkeit nicht betroffen sind, überhaut nicht daran denken, daß er morgen oder übermorgen er selbst schon betroffen ist, und was es heißt. Das ist das schlimmst aus meiner Erfahrung, was ich aus meiner beruflichen Laufbahn erfahren konnte, wie sie noch in Arbeit waren, war die Welt noch eine ander, als sie noch gearbeitet haben. Es ist so bezeichnend, daß es noch Leute gibt, die sagen, wenn er wirklich will, dann kriegt er schon eine Arbeit, weil es einfach nicht so ist. Das ist das Prekäre an der Situation in unserer Gesellschaft, daß jeder, der noch am Sessel sitzt, und glaubt er hat Arbeit, daß ihm das nicht passieren kann. Und leider kann es sehr rasch gehen.
OT Frau
Na ja, ich arbeite 4 Stunden, ich finde, man muß einfach zusammenhalten, ich kann nicht einfach sagen, mein Mann arbeitet nicht mehr. Er hat ja nicht aufgehört, weils ihm nicht mehr gefreut hat, sondern weil er gehen hat müssen. Er hat sich nichts zuschulden kommen lassen, er hat ein super Zeugnis bekommen, aber was fangt er damit an, das bringt uns nichts. Na ja, es wird wieder weitergehen. Hoffmas.
Die russische Stadt Wolgograd unterscheidet sich nur wenig von anderen russischen Städten. Ein Industriezentrum an der Wolga, fast 2500km von Österreich entfernt. Vor mehr als 53 Jahren hieß die Stadt Stalingrad, und Hitlers Wahnsinn hätte sie einnehmen sollen – auf dem Weg zu den Ölfeldern am Kaspischen Meer. Im August 1942 bricht die 6. Armee unter General Paulus aus ihren Stellungen am Donknie Richtung Osten auf. Stalingrad wird jedoch von den Sowjets gehalten und Paulus´ Soldaten werden eingekesselt. Am 2. Februar 1943 funkt eine deutsche Aufklärungsmaschine: „In Stalingrad keine Kampftätigkeit mehr“. Die 6. Armee hat kapituliert. Von 330.000 Soldaten der Deutschen Wehrmacht überleben 91.000 bis zum Beginn der Gefangenschaft. 5.000 kommen zurück. Stalingrad ist die psychologische Kriegswende. Vor kurzem gab es plötzlich in der Stadt, die sich geschäftig auf den Winter vorbereitet, für einige Tage 100 Fotoapparate, 40 Videokameras und 140 Österreicher mehr. Lothar Bodingbauer hat die Besucher auf eine Reise jenseits des Dons begleitet: Nicht Wolgograd heißt das Ziel, sondern Stalingrad.
„Die Veteranen“ – Eine Reise nach Wolgograd – Lothar Bodingbauer, Nov. 1995
Anmoderation
Die russische Stadt Wolgograd unterscheidet sich nur wenig von anderen russischen Städten. Ein Industriezentrum an der Wolga, fast 2500km von Österreich entfernt.
Vor mehr als 53 Jahren hieß die Stadt Stalingrad, und Hitlers Wahnsinn hätte sie einnehmen sollen – auf dem Weg zu den Ölfeldern am Kaspischen Meer.
Im August 1942 bricht die 6. Armee unter General Paulus aus ihren Stellungen am Donknie Richtung Osten auf. Stalingrad wird jedoch von den Sowjets gehalten und Paulus´ Soldaten werden eingekesselt.
Am 2. Februar 1943 funkt eine deutsche Aufklärungsmaschine: „In Stalingrad keine Kampftätigkeit mehr“. Die 6. Armee hat kapituliert.
Von 330.000 Soldaten der Deutschen Wehrmacht überleben 91.000 bis zum Beginn der Gefangenschaft. 5.000 kommen zurück. Stalingrad ist die psychologische Kriegswende.
Vor kurzem gab es plötzlich in der Stadt, die sich geschäftig auf den Winter vorbereitet, für einige Tage 100 Fotoapparate, 40 Videokameras und 140 Österreicher mehr.
Lothar Bodingbauer hat die Besucher auf eine Reise jenseits des Dons begleitet: Nicht Wolgograd heißt das Ziel, sondern Stalingrad.
Sendung
CD Musik
A OT
Und unsere Stadt ist natürlich eine schöne Stadt, weil sie liegt an der Wolga. Wir haben viele warme Zeiten, sehr gute Gemüse- und Obstsachen. Ich wünsche allen, daß sie so gute Wassermelonen und Paradeiser haben wie bei uns.
• CD kurz hoch
B Atmo Kriegsgeräusch • CD wegblenden
A SPRECHERTEXT
Liebe Kameraden!
In einem Schützenloch. Die Nacht und den halben Tag ließ uns die russische Artillerie nicht zum Angriff kommen. Wir hocken stumm und frieren. Wir frieren Tag und Nacht. Überdies schneit es. Der Wind bläst uns die Kälte zu.
Es ist leicht, im Lehnstuhl Patriot zu sein. Aber wenn es in glasklarer Nacht nach schweigendem Marsch bei Störungsfeuer „Eingraben“ heißt und der Spaten sich durch gefrorenen Acker müht, da verflucht man wohl alles Mögliche. Nur Sturheit oder Wissen um die Aufgabe lassen all dies ertragen. Man denkt aber nicht mehr gerne; Denken macht unkämpferisch, besonders die Gedanken an Zuhause und das Leben verträumen einen.
Nur keine Weichheit! Nur jetzt nicht, wo alle Kräfte geballt sein müssen. Wir alle tun unsere Pflicht. Nur die Tat gilt noch.
Es ist ein Witz, wie im Film, im Buch. Aber ehern wirklich. ich schwöre es. Fast amerikanisch, jetzt zu schreiben, da ein Christ beten würde. Oh, wäre es nur sensationelle Angeberei, dieses Schreiben im Feuer. Lieber wäre ich ein kleiner Lügner, als Todeskandidat. Wenn alle Schreiben solche Vorlagen hätten, würde nur Echtes geschrieben. Doch was ist eine Brief, diese papierne intellektuelle Phase im Fronterlebnis.
Ihr seht, man ist Mensch, man ist Deutscher. Man muß sich besiegen, um zu siegen. Wohlan denn, wir halten die Waffen bis zum Siege! Ob heuer oder nächstes Jahr, was gilts, wenn das ewige Deutsche Reich entsteht.
B Atmo weg im Text
TEXT
Drei Tage später war er tot, Tod durch Herzschuß eines sowjetischen Scharfschützen. Tod durch das System, an das er glaubte. Er schrieb an die Lehnstuhlpatrioten zuhause, er hatte meinen Namen.
A OT
Uns hat man gesagt, die Heimat verteidigen. Ja was sollen denn wir da herinnen die Heimat verteidigen. Die Russen haben sie verteidigt, die Russen waren gezwungen ihre Heimat zu verteidigen, aber doch nicht wir.
B Atmo Flugzeug in letzten Satz
TEXT
Mit meinem anderen Großvater fuhr ich nach Stalingrad.
Und wir waren nicht alleine.
Letzte Anweisung an die 140 Veteranen und deren Angehörige im ersten Direktflug Wien – Wolgograd.
A OT & Atmo • B Atmo weg
Und es ist auch nicht sehr sinnvoll, auf der Straße eingehängt das Panzerlied zu singen, das tut man einfach nicht, wenn man zu Gast ist, das habe ich damit gemeint, und ich bitte Sie, das zu berücksichtigen. – I was net, was er da daherplaudert
A kurz rauf
TEXT
Jener Herr, der mir beim Einsteigen erzählt hat, er fliege jetzt nach 53 Jahren wieder nach Stalingrad, sitzt am Fenster und sieht wieder die Ebenen des Dons, dreht nervös die Daumen.
Was kann das nur für eine Reise werden? Ich sitze mit den Spendenbüchsensammlern im Flugzeug, die ich von Allerheiligen kenne.
Was sind das für Menschen? Ewiggestrige? Unbelehrbare? Geläuterte? Gebrochene? Menschen, die sich an vergangenen Heldentaten immer noch begeistern?
Was machen Veteranen, wenn sie wieder ins ehemalige Feindesland kommen? Dorthin, wo sie ihr anderes Leben überlebt haben?
B OT
Manche prahlen mit ihren Erinnerungen, die Veteranen, und denken nicht an die Kameraden, denn die haben mindestens genauso viel mitgemacht, eventuell noch mehr. Es ist keine freudige Erinnerung, sondern eine traurige und wir können sagen, daß wir froh sind hier zu sein und noch am Leben zu sein. Es kommt nicht darauf an, daß der Russe ihn nicht erwischt hat, sondern im Gegenteil, Gottseidank daß wir am Leben geblieben sind. Das ist ein Zufall, keine Heldentat und auch kein Erfolg von den Russen.
A weg, hörbar schnell
A OT
Ich möchte Sie sehr herzlich in Wolgograd begrüßen, ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt bei uns, und alles Beste. Ich werde Ihre Gruppe im Laufe des Tages betreuen, mein Name ist Elena…
A wird Atmo, dann weg
B OT
Mein Vater war da, der war bei der 297 Infanteriedivision. Er hat ein Leben lang erzählt, wie das war, und heute steht man da, als erwachsener Mensch und sieht das wie das war, man kann sich´s vorstellen, was die für einen Jammer gehabt haben, und Sehnsüchte nach daheim. Und die Leute sind wieder gut gewillt, was man jetzt gesehen hat, das ist doch was wunderbares. Und nur vor allem macht man das als Andenken, als Danksagung, der Vater ist gut heim gekommen, er sitzt jetzt im Rollstuhl, er weint halt immer bitterlich, wenn man jetzt davon redet, über Stalingrad. Gehst e mit a, ja!
A Atmo Verkehr
B OT
Wolfgang, i fahr mit der Polizei
C Atmo Polizeisirene
TEXT
Von der Polizei eskortiert rasen unsere 5 klapprigen Ikarus-Busse durch die Stadt. Ein beeindruckender Konvoi. Für jene in den Bussen, und auch für die Wolgograder draußen. Wir überfahren jede rote Ampel, sogar der Gegenverkehr wird angehalten. Die Stadtbewohner stehen am Straßenrand und staunen. Nicht wenige mit offenem Mund.
A/C Atmos im nächsten OT weg
B OT
Ich glaube schon, daß der Großteil die Hand reicht, wenn man ihnen normal entgegenkommt, von Mensch zu Mensch, das ist das Wunderbare, ganz wunderbar, beeindruckend.
B wird Atmo
A OT
Der Russe ist ja sehr kontaktfreudig und ein liebenswürdiger Mensch, das kann ich auch nur immer sagen, ich war schon ein paar mal in der Ukraine. Und sie sind uns überhaupt nicht aggressiv oder böse gesinnt. Und man würde gerne jemanden, der in Österreich unzufrieden ist, einmal ganz kurz nach Rußland schicken.
TEXT
Franz Rechberger war in Rußland. Er kämpfte als Jugendlicher in Stalingrad – und kehrte von Krieg und Gefangenschaft zurück.
A OT
Ich bin einer der wenigen. Es hat ja eigentlich von den Gefangenen nur jeder 20. überlebt. Ich habe keine Familie zuhause gehabt, das hat mir auch sehr geholfen. Heute zieht´s mich eigentlich schon dorthin, weil wir so viele nette Freunde auch unter der Zivilbevölkerung gefunden haben und speziell die Kontakte die wir seit mehreren Jahren haben mit unseren seinerzeitigen Gegnern mit den russische Veteranen in Wolgograd. Das ist jetzt schon der Hauptgrund.
B Atmo weg
A OT
ÜBERSETZUNG
Es freut mich sehr, daß die Österreichischen Veteranen hierher gekommen sind. Es gab die Zeit, da Deutsche und Russische Soldaten gegeneinander gekämpft haben. Und jetzt ist die Zeit der Versöhnung beider Seiten. Die Bevölkerung hat nicht gekämpft, sondern die Regierungen, die Politiker. Der erste Schritt zur Versöhnung ist, daß Sie zu uns als Gäste kommen.
B OT
Ich muß die Leistung von denen akzeptieren und respektieren. Es ist und bleibt zwiespältig. Innerlich zurück. Durch den ist mein Bruder umgekommen, das richtig zu produzieren ist äußerst schwierig. Das aufzuarbeiten. Das ist so schwierig. Wenn du selber jemanden hast, der gefallen oder vermißt ist. Man kann nicht so ohne weiteres darüber hinweggehen. Irgendetwas haftet da.
C Atmo Verkehr (OT abfangen)
TEXT
Es ist viel Zeit vergangen, und mit den Jahren trennt sich die Deutsche Wehrmacht wieder in Österreichische und Deutsche Soldaten auf.
A OT • C Atmo weg
Also verhaßt sind ja wir von den Russen immer noch, es ist alleweil no so, ja, die Nemetzki. Aber uns Österreicher schauen sie doch anders an. Wir sind nicht der böse Mann. Die sagen heute noch, die Nemetzki. Die haben uns voll uns ganz angenommen. Wir haben eine Friedensbotschaft hergebracht, und die haben die angenommen.
Russe: Übersetzung
Wir unterscheiden sehr gut, zwischen diejenigen, die unsere Feinde waren und jenen, die unfreiwillig in den Krieg gehen mußten. Unsere Großmütter und Väter auf den okkupierten Territorien haben uns schon erzählt, wer sich wie benommen hat, wer unsere Frauen vergewaltigt hat, wer sich anständig benommen hat.
B OT
Ja, erschießen müssen habe ich müssen natürlich aufgrund des Befehls. Die Russen haben angegriffen, waren voll mit Wodka. Die 1.2. 3. Linie hinten, die Kommissare. Sie hätten uns überrannt. Mußten wir schießen.
TEXT
Den Opfern aller Schüsse soll gedacht werden, und so eilen wir von Kranzniederlegung zu Kranzniederlegung.
A Atmo Rosenkranz
B OT • A Atmo auslaufen lassen
Ich war selbst Soldat, bin verwundet worden, kam in russische Gefangenschaft, und erst heute ist mir das bewußt, wenn man in Stalingrad ist, welches Glück wir dazumal gehabt haben, daß wir nach einiger Zeit einigermaßen glücklich nach Hause gekommen sind.
A OT
Wir haben in 2 Tagen 2/3 der Leute verloren, bei diesen Angriffen. Am 28. waren nur mehr 12 Leute vorne von der ganzen Kompanie. Der Essensträger am Abend ich kann mich noch gut erinnern, der ist zurückgegangen mit den vollen Essenskanistern von der Höhe 102 hinunter, wir haben ihm begegnet, er hat geweint. Was er hat? Ich trage das ganze Essen wieder zurück hat er gesagt, es ist niemand mehr vorne, der was zu Essen braucht.
C Atmo Kriegsgeräusch in letzten Satz
A SPRECHERTEXT
Es fällt anfangs nicht leicht, zum Sterben bereit zu sein. Allmählich gewöhnt man sich aber. Ein friedlicher Gedanke zerstört aber gleich alles. Nebenan Singen und Fluchen. Galgenhumor ist nicht die stilvollste Auseinandersetzung, wenn auch leichter, als ernst zu sein.
Die Phantasie wagt kaum, an neues Leben zu denken. Vermessenheit? Viel eher schließt man mit dem bisherigen Leben und tritt befreit an. Wie man sich bloß wichtig nimmt, und dann sieht man sie liegen, wächsern, bleich, zerfetzt, die sich einst auch wichtig nahmen.
A OT • C Atmo weg
Es gibt keine Helden. jeder lebt gerne, es gibt Leute, die viel riskieren, es gibt Ängstliche. Aber Helden gibt´s keine.
B Atmo ins letzte Wort
TEXT
Wir stehen jetzt am Mamai-Hügel, auf der ehemaligen Höhe 102.
A OT & Atmo
Herrlich, herrlich, großartig. So was habe ich noch nie gesehen. Ganz gut. So was habe ich noch nie gesehen.
TEXT
Dieser Hügel hatte in der Schlacht um Stalingrad größte strategische Bedeutung. Wer in einnahm, beherrschte Stalingrad.
A OT
Die Höhe 102 hat vor dem 27. September so oft den Besitzer gewechselt, oft am Tag mehrere Male. Man weiß es nicht. Am 28. September haben wir tatsächlich die Höhe 102 mit den Wassertürmen eingenommen. Aber die Höhe 102 ist so groß, wir sind dort oben mit den Russen gelegen. Wir haben sie nicht vertreiben können von der Höhe 102.
TEXT
2500 Einschläge jeder Art sind hier niedergegangen – pro Quadratmeter. Eigentlich hätte der Hügel eine Erholungszone werden sollen. Nach dem Krieg begannen die Bauarbeiten für eine groß angelegte Gedenkstätte. Von der Wolga herauf führt eine lange, breite Steintreppe, gesäumt von martialischen Steinfiguren sowjetischer Helden.
Ganz oben am Berg: die Statue Mutter Russland. 85 Meter ist sie hoch. Die junge Frau streckt ein Schwert steil nach oben, sie selbst sieht in die andere Richtung, ihr Gesicht durch einen stummen Schrei verzerrt. Realsozialistische Erotik, vermischt mit Blut & Erde.
A OT & Atmo • B Atmo weg
Wann da die an Spitz gibt.
OT
Ein Cousin von mir, der um 3 Jahre älter war als ich, der muß da irgendwo liegen, seine Knochen, deswegen bin ich da. Um zu sehen, wo er seine letzten Stunden, oder sein junges Leben hergegeben hat. Eine Dankesschuld abzustatten, daß der krieg was grausames ist, und daß es nie wieder Krieg geben darf, zumindest nicht zwischen Völkern, die sich zivilisiert nennen. Die sollen das Hirn gebrauchen, und nicht die Fäuste.
A wird Atmo
TEXT
Jeder der österreichischen Besucher hat sein persönliches Anliegen. Von einem denke ich mir: Das ist aber jetzt einer der Unverbesserlichen mit wahnwitzigen Theorien, aber er wiederum unterhält sich in russischer Sprache mit jedem Portier, Polizist und Straßenhändler.
Die Definitionen verwischen sich, – und die Objekte unserer Vorurteile sind austauschbar. /
Russische Soldaten halten Ehrenwache. Im Stechschritt schreiten sie eine runde Halle ab, in deren Mitte ein ewiges Feuer brennt. Auf ihren Wände sind tausende Namen sowjetischer Gefallener eingemeisselt. Die Zahl der sowjetischen Toten wurde erst in jüngster Zeit bekannt: / Mehr als 1 Million sollen es gewesen sein.
C Atmo Schlucht
TEXT
Nur wenige Schritte weiter wurden künstliche Schluchten aufgebaut, versteckte Lautsprecher verbreiten eine beklemmende Stimmung.
Hier treffen wir einen Wolograder Schüler, der uns von nun an fast Tag und Nacht begleitet, er verkauft Souvenirs der alten Zeit. Tischgroße Landkarten um 5 Dollar, Orden, Abzeichen und Gegenstände, die er auf den Schlachtfeldern gesucht und gefunden hat.
A OT
Nicht viele Touristen besuchen Wolgograd. Das für Geschäft nicht gut. Wieviele Touristen kommen ungefähr hierher? Das Problem mit Tschetschenien. 1991 viele Deutsche und Österreicher besuchen Wolgo, aber jetzt nicht. Was machen Sie hier? Ich lerne in der Schule 5 Jahre. und 7 Jahre Geschäft gemacht. Mit Touristen. - Das halb für Familie und halb für mich.
B Atmo Panoramamuseum • C Atmo weg
TEXT
Alles, was mit dem Krieg zu tun hat, wird im Panoramamuseum ausgestellt. Auch Kinderzeichnungen. Soldaten mit Blumen und Kindern hinter dem Rücken, viel Blutiges, viel Stilles, aber auch viel Fröhliches.
Auf der Innenwand eines großen runden Raumes im letzten Stockwerk ist der Kampf um Stalingrad aufgemalt. Wahnsinn auf 360 Grad.
A OT
Erschütternd Kann ich nur sagen dazu. Erschütternd. Ja da sieht man also zusammengefaßt einen russischen Angriff auf die deutschen Stellungen. Wobei man sagen muß, der Maler hat versucht alles die ganze Schlacht an einem Tag und in einem Bild unterzubnringen. Dadurch ist es soviel. Des ist scheen
Des ist scheen. Aber Eindruck, was will ich sagen, ich war nicht da bei der Schlacht, aber die ist wunderbar. Und vor allem was die mitgemacht haben da… Sie schiessen ja selber wieder in Tschetschenien. Was soll man denn dazu sagen - Auch die Darstellung, und auch die Räume die hier verwendet wurden, ist ausgesprochen gut - Das dürfte der Mamai-GHügel gewesen sein. Und das ist natürlich noch viel dramatischer sowas, als ein Denkmal, das sagt dern Leuten nix. Wenn Sie hier die Schulklassen herführen, dann ist es schon wieder besser.
OT
Wo ist der Schutt hingekommen? Wann war der Aufbau von Stalingrad fertig? Vielleicht in 60er Jahren. - Und wo ist der Schutt hingekommen, Material von zerschossenem Haus - ist sehr viel wieder verarbeitet worden … Hier war alles kaputt, aber nach der Zerstörung kamen 80.000 Leute aus verschiedenen Städten des Landes - Verschiedene Teile sind in den Häusern wieder drinnen, nicht in Wolga.
B Atmo Führung
AOT
Es war eine sehr schwere, harte Zeit. Ich habe erst viel später wieder lachen können. Ich war im Gesicht verkrampft.
Ich habe eigentlich nie geglaubt, daß ich jemals dieses Land betreten werde, nach Rußland fahren werde.
TEXT
Und so fahren sie nach Wolgograd, um das verlorene Lachen wiederzufinden. Doch daß diese Reise alles andere als heiter ist, zeigen die Gesichter der Veteranen. Fotografieren und Filmen, das hilft. Zu stark sind die Eindrücke der Erinnerungen im Kopf - und der Relikte, die auf den ehemaligen Schlachtfeldern herumliegen.
A Atmo Schlachtfeld
TEXT
In Petschanka etwa. Ein kleines Dorf außerhalb Wolgograds. Kein Baum, kein Vogel, nur weites Steppenland und eiskalter Wind, der über die Ebene fegt. Und Sand, der nach einem Regenguß freigibt, was im Boden ist: Schädelplatten, Bombensplitter, Oberschenkelknochen, Rückenwirbel. Gürtelschnallen, Taschenuhren, ein zerschossener Stahlhelm. Man muß nicht erst danach suchen.
C Atmo Gesänge • B Atmo weg
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Aus den Häusern des Dorfes kommen Kinder und Frauen, die sich zu den Gesängen des orthodoxen Priesters Alexeij immer wieder bekreuzigen.
Das war schon damals so, erzählt einer, damals, als sie in die Gefangenschaft gegangen sind, traten immer wieder Frauen aus dem Spalier und machten über den Kriegsgefangenen das Zeichen des Kreuzes.
C Atmo kurz hoch
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Die Männer des Dorfes stehen am weitesten abseits, betrachten die Österreicher, die diesmal fotografierend, sammelnd, Kaffee verschenkend, betend und suchend in ihr Dorf gekommen sind.
Johann Kollmann kniet mit einer kleinen Gartenschaufel am Boden.
A OT
Ich habe mir Erde mitgenommen, vom Mamai-Hügel, und von da, jetzt geb ich sie wieder zurück. - Das ist von dort wo sie das letzte mal österreichischen Boden betreten haben. Im Brucker Lager ist die 297. ausgebildet worden. Die Erde ist von Bruck an der Leitha, die habe ich mitgenommen, von da nehm´ ich die Erde wieder zurück. Ich habe da Gläser zuhause, da habe ich von jedem Land immer die Erde mitgenommen.
A OT • C Atmo weg
Es liegen Italiener, es liegen Rumänen, es liegen Russen, es liegen unsere Österreichischen Soldaten und Deutsche. Ich habe für jeden dieser Toten ein Gebet gesprochen und ein Kerzerl angezündet. Und jetzt ist in meiner Seele ein bißchen Ruhe eingekehrt. Ich mach das für alle, die hier ihr Leben gelassen haben.
B Atmo Kinder
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In der Dorfschule, gleich nebenan, warten die Kinder. Und werden mit Kulis, Kaugummis und Fußbällen beschenkt.
Im Gang hängt ein Plakat - wie man mit Minen und anderen explosiven Fundgegenständen umzugehen hat, die rundherum da sind - wie auch die Kürbisse im Garten.
Ein kleines Mädchen ist noch alleine in der Klasse und möchte die Geschenke alleine in seiner Schultasche verpacken. Sie wird immer wieder von den hereinströmenden Besuchern beschenkt. Der Teddybär hat schon längst nicht mehr Platz. Ihr Gesicht zeigt ein verwirrtes, ungläubiges Staunen. „Olga“ haucht sie zum x. mal auf die Frage, wie sie denn heiße.
Nur die junge Physiklehrerin will den Kaffee wirklich nicht mehr.
A Atmo Schule
B OT
Die Schule war sehr nett, haben sich sehr bemüht, mit den vorhandenen Mitteln das bestmögliche zu machen. Man sieht auch, daß die Lehrer noch sehr viel Autorität haben und auch die Kinder sind sehr lieb und schön gekleidet. Ich meine, sie haben sich sicher für uns den Sonntagsstaat angezogen. Aber die Bemühung zählt schon sehr viel. Und es ist wertvoll, wenn wir ein bißchen die Schule unterstützen, weil die Jugend die hier jetzt zur Schule geht, ist schon die nächste Generation, die den Krieg vermeiden kann.
OT
Und dann habe ich auch eine Kreide genommen und habe auf die Tafel geschrieben meinen Namen, das wurde auch von dem Mann, der uns verfolgte und Aufnahmen machte, fotografiert, habe geschrieben Schabler, habe geschrieben, damit die Kinder angesprochen: Vergeßt den Fußball nicht. Immer wieder Austria, Austria. Ich weiß Sport bringt die Jugend, Sport bringt die Menschen, und Sport bringt Frieden. - Fußball ist Blödsinn, das ist das blödeste Spiel - Kinder vergeßt den Fußball nicht, immer wieder Austria, Austria, Austria.
TEXT
Ob die Kinder wissen, warum Besuch gekommen ist?
B OT
Daaa -
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Alles sei sehr schön gewesen - Die Österreicher hätten eine Gedenkstätte gebaut und sie seien hierher gekommen, um die Gefallenen zu ehren. –
Wie ein Heuschreckenschwarm sind wir über dieses Dorf hergefallen, nur eben nicht plündernd.
B OT
So, wir gehen jetzt zurück zu den Bussen und dort werden wir Picknicken. Es werden die Pakete ausgeteilt. Sollte jemand keinen Appetit haben, könnt ihr das der Bevölkerung geben. Also auf zu den Bussen …
OT wird Atmo
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Beim nächsten mal werden die Österreicher nicht nur neue Schulbänke mitnehmen, sondern auch ein Denkmal. Die Reise der 140 Veteranen soll diesem Projekt auch menschliches Gewicht verleihen.
A OT
Wir gehen mit unserem Denkmal nach Petschanka. Petschanka ist jener Ort, der für uns Österreicher von Bedeutung ist, dort ist die 297 ID zugrunde gegangen. Mitten in dieses Gebietes hinein. Dort wo das Denkmal aufgestellt werden soll, war ein Friedhof, da hat der Volksbund die Toten ausgegraben und umgebettet. Und auf dieser Fläche, wo der Friedhof war, werden wir dieses Denkmal hinbauen. Das ist der Österreichbezug, der hier unmittelbar gegeben ist. Das wollte ich noch kurz ergänzen.
B OT
Wanns jetzt zum Krieg wieder kommt, haben wir Kleinen wieder nicht die Schuld, das sind die Großen, die Kapital draus schlagen wollen. Komm reich mir Dein Hand, wir wollen Frieden und Freiheit“, das habe ich auch auf Russische gesagt. Wenn das das russische Fernsehen noch zeigt, weiß ganz Rußland was wir da wollen überhaupt. Nicht, das will ich noch damit sagen, also wirklich, der Frieden soll an oberster Stelle stehen.
A Atmo Musik in letztes Wort
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Das mit dem Denkmal ist so eine Sache. Der erste Versuch, ein Österreichisches Kriegerdenkmal nach Wolgograd zu schicken, endete im Eklat. „Bitte um ewigen Frieden in russischer Erde für die hier gefallenen Soldaten aus Deutschland, Österreich und allen anderen Nationen“, so sollte die Inschrift lauten. Das war selbst den Russischen Stellen bei Tauwetter zuviel. Der Schluß war nicht vermessen, daß mit den anderen Nationen eher die Verbündeten des Deutschen Reiches gemeint waren, als Russland selbst.
Mittlerweile haben die Initiatoren gelernt, das Personenkomitee 50 Jahre Stalingrad, mit Mitgliedern vom Minister bis zum Kardinal.
Die Gedankenlosigkeit wird nun korrigiert und mit sozialer Hilfe kombiniert.
Eine Wolgograder Studentin hätte nichts gegen ein Denkmal.
B OT
Übersetzung
Das würde wirklich gut sein. Es ist aufregend! Ich glaube, unsere Leute mögen das!
Meine Großeltern waren im Krieg, sie waren Soldaten, sie wird das sicher interessieren.
TEXT • A Atmo weg
Im Juni 1996 wird es nun doch soweit sein, der Wolgograder Bürgermeister sagte zwar „Njet“, nicht bei uns, 30 km weiter stimmte der Bürgermeister des 500 Seelen-Dorfes Petschanka der Errichtung zu. Das aus Stahlplatten bestehende Objekt soll mit seinen zehn Metern Höhe einen Blickfang in der Steppe darstellen, und es wird sogar leben. Denn die Stahlplatten werden rosten - in rund 120 Jahren wird nach den Berechnungen nichts mehr davon übrig sein.
Peter Fichtenbauer ist Kurator des Personenkomitees 50 Jahre Stalingrad.
A OT
Der jetzige Text ist um einigen Nuancen geändert, hat aber nie eine andere Inhaltstendenz gehabt, als die, daß es einfach so ist, eine österreichische Initiative, daß allen Opfern von Stalingrad gedacht wird.
B OT
Mein Mitgefühl bezieht sich zum Großteil gegenüber meinen ehemaligen Feinden den Russen. Aber inzwischen ist mir - schon während der Dienstzeit beim Deutsche Mitlitär die Erkenntnis gekomme, warum soll ich den Menschen erschießen, den ich garn nichgt kenn. Der vielleicht Frau und Kind hat. Ich war damals 20 Jahre alt. Diese Gedanken habe ich 1941 schon gehegt. - Applaus.
A OT
Ich muß noch hinzufügen, daß die Russen eigentlich die ersten waren, und vorzüglicher behandelt werden sollten, nicht daß man unsere drauf schreibt, sondern vorzüglich auch die russischen. Die haben wirklich einen Vaterlandskrieg geführt, und natürlich ist es ihr volles Recht und ihr Stolz, weil sie haben den Krieg nicht angefangen. - Was haben die angefangen - Na ja, das war eine militärische Strategie. Selbst wenn wir nicht einmarschiert wären, wäre Stalin einmarschiert, der hat schon Geheimbefehle erteilt, wenn man das Buch Oberst Socharow liest. Man hat den Grundtein zum 2. Weltkrieg schon im 1. gelegt. - Ja wissens, ich hab das ganze durchschaut. - Der was a weng denkt hat, der hätte damals schon sagen können, der krieg ist verloren, im 44. Jahr.
C Atmo Speisesaal (OT abfangen)
B OT
Für jemanden, der in Gefahr geraten wäre, in Bezug auf kriegerische Auseinandersetzungen etwas positiv daran zu finden, gibt es keinen besseren Kurort für diese Geisteskrankheit, als das Schlachtfeld von Stalingrad aufzusuchen.
A OT & Atmo
Die andern 11 Helden sind gefallen. Da hilft ihnen jetzt kein Denkmal nicht mehr. Kräht kein Hahn mehr danach.
C Atmo hoch
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Vor der Eingangstür des Speisesaals im Hotel, dort wo die Prostituierten mit der Hotelwache streiten, grüßt stumm der Deutsche Soldat. Symbolisch, in Form eines Stahlhelms mit sieben Einschußlöchern.
Drinnen begießen österreichische und russische Veteranen die neue Freundschaft mit Wodka und Champagner.
Es ist ein herrliches Bild. Unsere Österreicher, dazwischen die Russen mit all den Auszeichnungen, wie wir sie von der Sowjetzeit noch kennen.
B Atmo Strauß-Walzer
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Das Denkmal steht kurz vor der Errichtung. Und wenn ma jetzt noch die Reblaus spielen, dann hammas.
B Atmo hoch
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Die Veteranen sitzen mit ihren ehemaligen Feinden an einem Tisch und klopfen sich auf die Schultern. Jeder von ihnen hat gekämpft, und jeder weiß es noch.
A OT • B Atmo weg
Dann muß ich noch etwas erwähnen. Das erste mal bin ich von der damaligen NKWSD verhört worden - welche Waffengattung, ich war bei der 297 Jägerdivision. Da frug er mich, welche Waffengattung, schweres Maschinengewehr. Da frug er mich „Skolka tschelowek strelati“. Heißt wie viele Menschen hast du erschossen. Ich habe darauf geantwortet: ich weiß es nicht, man kann´s ja nicht zählen. Da hab ich die erste Ohrfeige bekommen. Die zweite war fällig, als ich gesagt habe, vielleicht 100. Dann habe ich nichts mehr gesagt, schweigend zugehört. Was ich gemacht habe, ich war Munitionsbeibringer dann habe ich 3. Ohrfeige bekommen.
B OT
Auf meinen Papa bin ich sehr stolz, auf meinen Papa bin ich sehr stolz, Vinzent Grisser, Ziehvater. - Weil er ein offenes und ehrliches Wort hat. Über die ganze Sache hier in Stalingrad. Ich hab den noch nie in meinem Leben einen aufrechteren Menschen gesehen. Ich bin ein Burgenländer. Aber was er nachgesagt hat, kann ich nur nachfühlen, was Sie gesagt haben - brauchst nicht Sie sagen, bist ein Kamerad. Vizeleutnant in Ruhe, nah is ja wurscht, …
A OT
Ich möchte noch sagen, das da draußen war so erdrückend, daß mir die Tränen gekommen sind. So ein weites Land ist Rußland wirklich. Die Hügeln und die Löcher, wo sich die Soldaten den letzten Schuß abgegeben haben, das habe ch so traurig in Erinnerung. Mir tut es nicht leid, daß wir diese Reise gemacht haben. Das war wirklich so beeindruckend, weil man hört Stalingrad, dort ist Krieg, man sieht´s auch in der Wochenschau hie und da no, aber wenn man es sieht. Es ist der größte Frieden., Die Wolga hier in Stalingrad äh Wolgograd. Man sagt oft, wenn man nach Wien fährt, muß man die Oper sehen. Wannst nach Rußland fährt, mußt Stalingrad sehen. Jeder der mit war, war die Reise das wert.
B OT
Am besten man redet nicht immer, sondern man handelt richtig, daß man den Frieden gemeinsam hervorruft, da müßte man gemeinsam in Frieden leben
A Atmo Musik
TEXT
Gelegenheit zur Völkerverständigung finden die Veteranen in einem Kosakendorf. Mit Tanz, Musik und Wodka werden sie empfangen.
A Atmo hoch
B OT • A Atmo zart weg
Ich hab was Warmes gekriegt. Ja so halbwegs ist es gegangen. Ja sicher die sind gastfreundlich, dahinten warnma, die haben uns soviel Wodka gegeben, das schier ist. Gesungen mit ihnen. Und Fotografiert haben wir soviel. Und die Buben so schön Pfeifen können, des is a Wahnsinn. - Ein sehr gutes Volk ist das. MIr als russischer Gefangener ist nicht mehr sowas untergekommen wie die Kosaken da.
Und witzig, witzig sind sie auch, und kann man ihnen reden über alles. Ich kann etwas Russische, und ich habe mit ihnen gesprochen. Die haben mich abgeküßt die jungen Frauen, des ist a Wahnsinn.
A OT
Brrrr - Die bringe ich nächstes Jahr nach Österreich, die ganze Gruppe. Kein Problem, keine Problem. - Die kleine Nase. und die kleine Nasen. Drei kleine Nasen.
C Atmo Musik
A OT
Ich hab keinen Film mehr, jetzt habe ich 36 Aufnahmen gemacht.
B OT • C Atmo weg
Ich war vor 2 Jahren auch hier, und da habe ich mir ganz was anderes vorstellt, daß sie uns irgendwie belästigen. Nein, die sind uns entgegengekommen, dadurch habe ich sooo einen Zutritt und Vertrauen und Gemeinschaft. Ich habe damals die 5 Jahre Gefangenschaft weggesteckt.
OT
Mir ist die Gänsehaut über den Rücken gelaufen. Ich war an den Stellen, an denen ich im Eisatz war. - Haben Sie die Stellen wiedererkannt? - Ja, nicht genau, aber es stimmt. Ich habe auch ein Souvenir gefunden, einen Granatsplitter. Nach 53 Jahren den Platz sehen, wo man damals im Leid leben hat müssen.
(-) Schnittmöglichkeit
Von dort ist dann der Rückzug angegangen. Ich war in der Artillerienachricht, wir haben den Fernsprechwagen gesprengt, dann zurück durch die Balkas. Auf der Straße rein nach Stalingrad Süd. Immer mit einem Geschütz mit einem LKW von der Infanterie, das haben wir auch verloren, dann war´s nur mehr wilder Haufen, bis rein wo der Obelisk steht, zum Kaufhaus. Wir haben nicht gewußt, daß dort Gefechtsstand ist. In einen Keller rein, dann ist an der Stirnseite ein Funkwagen gestanden. Ein Lautsprecherwagen. Und das war die Rede von Göring. Die Aufgabe der 6. Armee. Und dann haben wir gewußt, was los ist .
A OT
Wir kennen ein gewaltiges heroisches Lied von einem Kampf ohne gleichen. Es ist der Kampf der Nibelungen. Auch sie standen in einer Halle von Feuer, aber kämpften bis zum letzten. Und jeder Deutsche wird in 1000 Jahren noch mit heiligem Schauer das Wort Stalingrad aussprechen und sich daran erinnern, daß dort der Stempel zum Endsieg gesetzt worden ist.
B OT
Und in der früh sind die Russen draussen gestanden, dann hieß es alles raus. Antreten. Die Russen haben gesagt, nichts passier Euch, ihr seid freie Menschen. Aber das war nicht wahr. Uns hat man die Uhren abgenommen. Am Schluß waren wir halt dann 2000 von 40000.
TEXT
Viele der Veteranen widerlegen auf dieser Reise das Klischee von Kriegsbegeisterung und kollektiver Unschuld. Auf der anderen Seite zeigen die Organisatoren der Reise durchaus ein gerüttelt Maß an Eigenwilligkeit, wenn es ihrem Vorhaben dient, ein Denkmal zu errichten. Bei unserer Ankunft in Wolgograd wurde die gesamte Führungsriege des Personenkomitees 50 Jahre Stalingrad von Limousinen General Rochnins erwartet, dem Kommandierenden der Kaukasusarmee, jener Armee, die in Tschetschenien einmarschiert ist. Der General sei ein Mann, der wisse, was Leben und Sterben heisse, bemerkte ein Vertreter des Personenkomitees. Es ist das Generalstabsmäßige, was irritiert.
Rezepte habe ich auf dieser Reise viele gehört, und manchesmal Verbitterung.
A OT
Die Menschheit ist genauso wieder verblendet, weil die Generationen nix dazu gelernt haben. Tut mir leid, daß man das sagen muß. Die Alten sterben ab, die Jungen wissens nicht, nehmen es nicht zu kenntnis. Wir sind in ihren Augen veraltert und verkappt, und verkalkt. Nach ihrer Ansicht. Die könnens nicht glauben, müssen wieder sowas erleben.
OT
Ich geh von Stalingrad weg mit einem fürchterlich schweren Herzen, ich glaube es wäre sehr gut, wen viele Leute herkommen und das mit eigenen Augen sehen. Die Wund ist nicht geschlkossen, die Erde blutet nach wievor. Wenn Menschen Menschen hierherkommen mit dem innigen Wunsch ich muß das sehen, ich werde vioelleicht daduurch geläutert, ich werde fü den Frieden kämpfen, so gut ich es kann, ich vermag.
OT
Im Krieg ist es so, daß mit Semmelknödel nicht geschossen wird. Das ist die Härte des Lebens. Wie gesagt, wir kleinen Menschen können ja nichts dafür. Ich sage immer wieder, aus der Not der Zeit ist die deutsche Nation geboren, wir haben ja den Geist rege haben müssen. Laßt endlich mal die Toten ruhen, das Zeitrad der Geschichte dreht sich weiter.
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Und auch das gibt´s zu hören. Friede sei erst, wenn der letzte Krieger gestorben ist. Ein geflügeltes Wort. Friede ist dann, wenn es auch für uns einfach ist - zu vergessen, zu verstehen, aber auch zu verdrehen. Zu vergeben haben wir ja in diesem Falle nichts.
Das letzte Wort den Veteranen - die Moral zum Schluß:
B OT
Die Gaunerei lebt, und der Ehrliche geht unter. Der Russe hat genauso draufgezahlt - Was steht uns heute noch bevor - Ich möchte sagen, man soll daraus lernen und klüger werden. - Ich habe das Gefühl, unsere Politiker haben uns schmählich verraten - Ja das auf jeden Fall, das auf jeden Fall!