Journalismus und Wahrheit

Kein Phänomen wird so misshandelt wie die Wahrheit. Sie wird ans Licht gezerrt, veröffentlicht, gebeutelt, sie wird geknetet. Jede:r sucht sie. Viele glauben sie zu haben. Journalismus allerdings ist die Suche “nach dem anderen Standpunkt”. Und Wissenschaft die “Annäherung an das Beweisbare”. Von blanker Wahrheit ist da keine Spur. Das schauen wir uns an. An vielen Beispielen und an eigenen Ideen.

Reverse Engineering: 2 klassische Podcast-Episoden

Deutsche und US/NPR Podcast unterscheiden sich. Wie genau? Zwei klassische Annäherungen an eine Podcastepisode. Die einen (USA) entwickeln die Geschichte prozesshaft von einem Punkt aus, um einen Zustand zu erläutern, die anderen positionieren einen Zustand (Deutschland) und beginnen dann den Prozess. Das ist doch mal eine klare Unterscheidung. Ich habe die Manuskripte mal reverse engineered.

Reverse Engineering 1/2: Klassischer US Podcast – Planet Money, Can’t stop GameStop, Jänner 2021

1. Signation
2. Ausschnitt Interviewbeginn: Welchen Namen dürfen wir verwenden – warum nicht den ganzen Namen.
3. Mod: Wer spricht da gerade. Einführung Name, was ist passiert. Game Star.
4. Gespräch – 2. Person kurz.
5. Interview Fortsetzung, lesen Sie den Post vor! Vorlesen.
6. Erklärung
7. Interview Fortsetzung, Erklärung: Investiert das ganze Geld. Was ist passiert. / Stocks hinauf.
8. EINMOD: 2 Personen stellen sich vor. Worum geht es. KLARTEXT. – Mit Musik.

Werbung: 1 klassisch, 1 NPR

9. Erklärung / Gespräch. Bedeutung des Themas.
10. Illustration: Lied
11. Interview Fortsetzung – wann hast du zuerst davon gehört
12. Erklärung / Zusammenfassung / Erklärung 2. Person
13. Zitat
14. Gespräch Fortsetzung: Herausarbeiten des Besonderen
15. Musik: Tendy Man – Take our games and go.
16. Einschub Erklärung
17. Game Stop Erklärung, Selling Video Games in Malls, Stock fell. Aber es ist mehr drin.
18. Gespräch #2 mit Bloomberg News Experte / positionieren, was bedeutet das.
19. Erklärung des Gehörten, was bedeutet das.
20. Gespräch #2 Fortsetzung.
21. Fortsetzung der Geschichte.

ETC – Die Geschichte entwickelt sich; ca. 10 min

Werbung (halbe Hörzeit, min. 14): 1 klassisch

Fortsetzung der Geschichte. Spannung: “Ich hab mein ganzes Geld reingeworfen”. Es war mein Haus. Meinung, “das solltet nicht getan haben”. Kritisches Sache, er verliert. Aber er gibt noch mehr rein. Diamond Hands. Erklärung von Emojis im Wallstreet Kontext. // min 19 Höhepunkt – White House, Stocks ganz oben.

Extra auf den Höhepunkt drauf – Call Options. Es taucht die Frage auf, beim Hörer: wo geht das hin.

Kontext wird aufgeweitet: Wer hat Interesse, dass Stocks tiefer sind. Short Sellers helfen dabei. Schauen in die Firma. People are going to lose money.

Es taucht die Frage auf beim Hörer: was ist mit dem Typen von der Intro. Der das Haus reingeworfen hat. 4 Millionen. Er hat verkauft. – Die genaue Zahl…

Einwand: Konnten es nicht verifizieren. Aber Screenshots. Was tut er mit dem Geld? Tax, Haus ganz kaufen.

Ein nettes Steak Dinner. Und ein Auto. Tesla. / Hat früher einmal in Tesla investiert…

Puh. Die Geschichte ist gut ausgegangen

— MUSIK. / Werbung eigene für Planet Money Teaching
— Absage, wer hat mitgemacht.


Reverse Engineering 2/2: Klassischer D Podcast, der Interviews mit Experten durch Mod verbindet – Beats and Bones, Kommunikation mit Tieren, Jänner 2021

1. Signation / Titel, Kooperation mit Sparkasse
2. Mod: Kommunikation von Menschen. Viele Möglichkeiten. Ausblick: Sprechen mit Experten.
3. Mod: Detail zum Experten – mit OT – Glaubwürdigkeit wird hergestellt. Sex – Lukas wird eingeführt.
4. Mod: Lukas taucht auf, übernimmt, stellt sich kur vor durch Tätigkeit, mit Experten zu reden. Greift Themen-Mod auf.\
5. Gespräch / Interview mit Experten. (Start min 2:30) / Warum kommunizieren Tiere / Komplexe Kommunikation … Jetzt wird geredet. (Ende min. 13)
6. MOD Unterbrechung, Musik drunter. Long Distance Wale. / Akustische Elemente, Rettung. Musik ändert sich, Western, Cowboy. Feuert los, der Krebs.
7. Gespräch / Interview mit Experten. Fortsetzung. (Ende min. 26)
8. MOD Unterbrechung, Musik drunter. Spezienübergreifend.
9. Gespräch / Interview mit Experten. Fortsetzung. (Ende min. 34)
10. MOD Ende, Aufruf zum Bewerten. Nächste Folge.

“Wir alle sind Armin Wolf” – Trilologie

“Wir alle sind Armin Wolf” – Trilologie

Workshop anlässlich der “Medientage Strobl 2019”, die Fachtagung für “Freie Medien und Bildungsarbeit”, Link zur Website.

Als “4. Macht im Staat” bezeichnet wird Journalimus bezeichnet, und wenn es jemandem nicht daran gelegen ist, dass diese Macht existiert, wird er angegriffen. Oder seine besten Vertreter:innen. Als Anchorman der ZIB2 steht Armin Wolf und insgesamt der gesamte öffentlich-rechtliche Journalismus immer wieder ganz vorne. Lassen wir nicht ihm und dem öffentliche-rechtlichen Rundfunk die heißen Kartoffeln aus dem Rohr holen, “wir alle sind Armin Wolf”. Als Akteure – als Journalist:innen – aber auch als Medienkonsument:innen.

 

Wir-alle-sind-Armin-Wolf: Trilogie / Diskussion / Manifest
(Lothar Bodingbauer)

Kritischer Journalismus macht Populisten keine Freude. Eigentlich ist das doppelt gemoppelt. Man könnte auch nur “Journalismus” dazu sagen. Journalismus ist kritisch. Wenn Armin Wolf als ZIB2-Anchorman ganz vorne an den glühenden Kohlen arbeitet und dabei angegriffen wird, dann passiert das stellvertretend ihm, wir schauen zu. Aber Armin Wolf, das sind wir alle.

  1. Bestandsaufnahme. Was ist Journalismus. Ganz genau? Wie funktioniert Meinungsbildung beim Publikum. Geht es um Glauben? Um Wahrheit? Welche Interessensgruppen gibt es, und warum sind wir wirklich alle Armin Wolf?
  2. Komplexität statt einfache Antworten. Was bedeutet kritisch denken ganz genau? Wer hat Vorteile? Wer hat die Nachteile?
  3. Glauben versus Wissen. Die “Marke Wissenschaft” löst aus dem Gesamtkomplex “Universum” jene Elemente, die messbar, wiederholbar, vorhersagbar und widerspruchsfrei sind. Was ist der Rest, und wie sollen wir damit umgehen? Es ist nicht die Suche nach der Wahrheit, sondern die Suche nach der besten Geschichte, die Wissenschaft stark macht. Ihre Stärke ist, vom “warum” zum “wie” zu kommen. Warum und wie? Das schauen wir uns an.

Als Endprodukt der Trilogie entsteht pro Teilnehmer:in ein Manifest (LINK), wie sie mit Journalismus, Komplexität, Glauben und Wissen umgehen möchten. Das nageln sie dann an eine Tür.

  • Mit wem reden? Ausgrenzen? Oder nicht? – Jan Böhmermann.
  • Umgang mit Komplexität.
  • Der andere Standpunkt.Meinung abgeben – Meinung machen.

(more…)

Sendungsbewusst

Sendungsbewusst

Drüben auf Sendegate wird gerade diskutiert, was „sendungsbewusstsein“ bedeuten kann. Das ist eine interessante Diskussion

 

Ich sehe Sendundungsbewusstsein vor allem auf der Seite des Gastes im Podcast. Ich verlange es sogar. Dabei rede ich eher von Wissenspodcasts, bei dem man jemanden besucht, der etwas Bestimmtes weiß. Ich möchte, dass diese Person erzählen möchte, und das Erzählte auch senden oder gesendet haben möchte. Keinesfalls möchte ich jemanden besuchen, der diese Verantwortung mir zuschieben möchte. Ich als Gatekeeper. Um dann auch noch herumzumäkeln, was alles nicht gesendet werden sollte aus dem Gespräch, und daher raus muss. Public Relations mit Message Control fallen daher alle raus bei mir als Gäste, eben weil diese Leute nicht sendungsbewusst sind. — Für mich selbst als Host hat das Wort „sendungsbewusst“ keine Bedeutung.

Fakt oder Meinung?

Ich habe mir das näher angeschaut. Fakt oder Meinung?

Vielen Menschen fällt es schwer, Fakten von Meinung zu unterscheiden. Das ist aber wichtig. Besonders in Zeitung, Radio und Fernsehen sollten Fakten und Meinungen nicht vermischt werden. Wo ist da der Unterschied?

Fakt: Eine Tatsache. Etwas Messbares. Eine Beschreibung von einem Zustand. Eine Beschreibung von einem Prozess. Der Übermittelnde halt es für wahr. Es gibt eine objektive Begründung. Es kann überprüft/demonstriert/gezeigt werden. Ein Faktum ist also etwas Allgemeines. Oft erkennbar durch hat/ist/sind/können in der Einleitung, oder der Phrase “es ist bekannt, dass…”, allerdings nicht jede dieser Einleitung bringt dann ein Fakt. Wenn es als Fakt erkannt wird, meinen Menschen oft, dass das Fakt damit auch genau (richtig) ist. Wenn fälschlicherweise als Meinung bezeichnet, dann stimmen diese Menschen üblicherweise dieser Meinung nicht zu (s. Link). Englisch: factual statement.

Beispiel:

  • Die Banane ist gelb. Sie hat braune Punkte.
  • Viele Lokale sind rauchfrei.
  • Katzen können auf Bäume klettern.

Meinung: Eine Bewertung. Eine Einschätzung. Eine Interpretation. Eine Beschreibung von einem Gefühl. Eine Beschreibung von einer Stimmung. Der Übermittelnde halt sie für wahr. Die Begründung dazu ist aber nicht objektiv. Eine Meinung ist also etwas Persönliches. Oft erkennbar durch: sollen/müssen/dürfen in der Einleitung, oder Eigenschaftswörter (groß/bester/vernachlässigbar/immer), oder der Phrase “Meiner Meinung nach…”. Wenn sie als Meinung erkannt wird, wissen Menschen im allgemeinen, dass sie zustimmen können, aber nicht müssen (s. Link). Selbst Expertenmeinungen sind keine Fakten. Englisch: belief, opinion statement (Stellungnahme).

Beispiele:

  • Die Banane schmeckt ausgezeichnet. Sie ist reif.
  • Es sollte ein Rauchverbot in Lokalen geben.
  • Katzen müssen auf Bäume klettern.

Ist der Folgende Absatz Fakt oder Meinung?

Bevor man eine Meinung hat, braucht man idealerweise Fakten. Man sollte sich also erst ein Bildung von der Situation machen, bevor man eine Meinung dazu formuliert. Eine Meinung kann sich aber durchaus nur auf andere Meinungen stützen. Dann ist es halt keine eigene Meinung.

Weiterführender Link: http://www.journalism.org/2018/06/18/distinguishing-between-factual-and-opinion-statements-in-the-news/

Dazu zwei Interviews von CBC Radio One (As it Happens), in denen jeweils der andere Standpunkt eingenommen wird. Zwei 8 min. Interviews für jede Journalismusschulung. Link zur Zusammenstellung.

Weiterführende Fragen:

  1. Wer hat Interesse daran, dass Fakten von Meinungen beim Formulieren getrennt werden? Die Senderseite.
  2. Wer hat Interesse daran, dass Fakten von Meinungen beim Hören und Verstehen getrennt werden? Die Empfängerseite.
  3. Was bedeutet Glaubwürdigkeit?
  4. Was bedeutet “hinterfragen” bzw. “kritisch denken”?

Der andere Standpunkt

Zwei mal ca. 8 Minuten Interview (Mitte Mai 2018). Die Fakten (CBC):

Israeli forces killed at least 60 Palestinians, most by gunfire, and injured more than 2,700 since Monday during protests near the border.

Interview 1 – mit der israelischen Seite

http://www.cbc.ca/radio/asithappens/as-it-happens-tuesday-edition-1.4663685/israel-s-deputy-minister-blames-hamas-for-gaza-violence-says-media-is-complicit-1.4663690

Interview 2 – mit der palästinensischen Seite

https://www.cbc.ca/radio/asithappens/as-it-happens-friday-full-episode-1.4669102/hamas-member-says-there-is-no-limit-for-sacrifice-when-protesting-israel-1.4669107

LUT049 Geschichten im Radio erzählen

 

 

lut049

Anna Masoner ist Radiojournalistin.

Sie arbeitet an “Geschichten”.

Wie sie ein Thema zum Hören aufbereitet, erzählt sie im Gespräch über das “Storytelling”.

Sie hilft dabei Lothar, dessen Geschichte über das Blutbild, ebenfalls fürs Radio, zu entwickeln. Sie erzählt über die Entstehung ihrer kommenden Sendung über “Raubkunst” und über einen Workshop über Storytelling, an dem sie in Portland, USA, teilgenommen hat.

Es geht in dieser Ausgabe also im Wesentlichen um das Entstehen einer Radiosendung.

Anna auf Twitter: @annamasoner


Diese Episode ist am 26.01.2016 erschienen. Dauer: 1 Stunde 29 Minuten und 55 Sekunden

 

TMR001 Lothar startet ein neues Interviewformat

TMR001 Lothar startet ein neues Interviewformat

 

 

Lothar Bodingbauer ist Podcaster und Radiojournalist in Wien. Unter dem Namen „themacher.report“ bewegt er sich hin zum Boulevard, und spricht im kommenden Jahr mit Künstlern und Könnern, mit Menschen die etwas Bezauberndes machen. In dieser ersten Ausgabe spricht er – ausnahmsweise – mit sich selbst.


Diese Episode ist am 03.01.2016 erschienen. Dauer: 0 Stunden 15 Minuten und 0 Sekunden

 

Gesetze fürs Radio

Welche Bestimmungen gelten für Journalisten? Was muss ich als Radiojournalist beachten? Was darf ich – und was darf ich nicht?

Das Grundrecht auf Pressefreiheit wird in

  1. Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) festgehalten.
  2.  Mediengesetz Österreich (Gesetz)
  3. MuR Verlag Wien (Bücher, Webshop)
  4. BBC (Radio News Style Guide)
  5. BBC (Alphabetical Checklist)
  6. Bundeszentrale für politische Bildung, Deutschland (Ethik in der Radiopraxis)
  7. Rechtsgrundlagen (Verband österreichischer Zeitungen)
  8. presserecht.de (spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei Weberling, Berlin)
  9. Urheberrecht (Zusammenstellung aktueller Positionen, Markt und Medien – Deutschlandfunk)

ZIB Protest, Weltuntergang und die Pflichten des Nachfragens

Gestern haben die ZIB Redakteure ihr Manifest für unabhängige Berichterstattung veröffentlicht. Einen Film, der die Stimmen vieler beteiligte Redaktionsmitglieder zu einer einzigen Botschaft zusammensetzt, im Stil des großartigen Lip Dubs von Grand Rapid. Nicht ganz so optimistisch zwar, in jedem Fall aber: die Stimmung kommt rüber. Diese ORF Leute sind sauer.

Interessant dabei ist weniger der Anlass, die politisch motivierte Postenbesetzung für den Büroleiter des Generalintendanten durch den Generalintendanten, sondern die bis zu diesem Moment abwesende Öffentlichkeit an dieser Geschichte. Wieder einmal sind wir draufgekommen, dass wir uns viele Jahre vorher schon dafür interessieren hätten müssen.

Eine Parallele zum Weltuntergangsszenario 2008 drängt sich auf, das auftauchte, als der aufgerüstete Elementarteilchen-Beschleuniger am CERN mit ein paar Teraelektronenvolt mehr Energie wieder in Betrieb ging. Angeblich, so befürchtete plötzlich eine immer größer werdende Öffentlichkeit, könnten dort bei den Experimenten Schwarze Löcher entstehen, die erst Genf, dann die Schweiz, und dann die ganze Welt verschlingen.

Wir wurden bitter daran erinnert, dass wir jahrelang den Wissenschaftern dort keine Fragen mehr gestellt haben, was genau sie eigentlich machen. Wir haben das Geld überwiesen und einfach nicht mehr nachgefragt. Und dann musste man glauben, was sie sagten.

Jetzt beim Protest der ORF Redakteure ist es ähnlich. Wir haben jahrelang den Staatsfunk gefördert und betrieben, durch Gebühren, mangelndes Nachfragen und durch Uninteresse an den Mechanismen von Medien und Berichterstattung.

Ein Medienjournal, wie es etwa der Deutschlandfunk als wichtiges Werkzeug des öffentlichen Nachfragens betreibt (Markt und Medien), fehlt bei uns in Österreich. Und jetzt sind wir überrascht, dass das Ungetüm seine weitreichenden Schatten ins Land wirft. Oder besser, wenn wir daran erinnert werden, dass es diese Schatten schon seit langem gibt.

Ein Dank den ORF ZIB-Redakteuren, dass sie uns an die Pflicht des Nachfragens erinnern. 270.000 mal wurde das Protest-Video innerhalb 24 Stunden angesehen. Eine gute Medienberichterstattung wäre eine konstruktive Fortsetzung ihrer vielfältigen Stimme.

*** Lothar Bodingbauer ist freier Mitarbeiter beim Hintergrundsender Österreich 1