382. Japangraben

Der Geologe Michael Strasser spricht über Expeditionen in die Tiefen des Meeres vor Japan, um die Entstehung von Erdbeben zu verstehen. Link zur Sendung.

Der Japangraben ist ein Tiefseegraben vor der Nordostküste Japans. In 8 km Tiefe taucht dort die pazifische Erdplatte unter Japan ab. Dieser Vorgang ist immer wieder von Erdbeben begleitet, die sich in ihrer Stärke (Magnitude) und Häufigkeit unterscheiden. Es geht um das Verständnis von Großerdbeben, das sind Seebeben, die Tsunamis auslösen können. Geolog:innen möchten verstehen, wie es zu diesen kommt, wie häufig es sie gibt, an welchen Orten der Welt es sie gibt. 

Der Japangraben eignet sich besonders für Erdbebenforschung, weil dort 2011 das letzte Megabeben stattgefunden hat. Es wurden vorher, während des Bebens und nachher Messungen vorgenommen, und die Ergebnisse haben gezeigt, dass viele beobachtete Phänomene noch nicht umfassend gedeutet werden können. Bei Expeditionen werden Bohrkerne der Sedimente (Ablagerungen) gewonnen, die dann analysiert werden. Durch diese Ablagerungen baut sich ein Archiv auf, die Analysen “blättern” in diesem “Geschichtsbuch” zurück. 

“Wenn man die Meere verstehen will, muss man die Berge erforschen”, sagt Michael Strasser vom Institut für Geologie der Universität Innsbruck. Die Forschungsergebnisse der Untersuchungen im Japangraben eignen sich auch dafür, um geologische Vorgänge in unseren Breiten, in unseren Bergen zu verstehen, da viele dieser Berge ehemaliger Meeresgrund waren. 

Interviewpartner: Univ.-Prof. Dr. Michael Strasser, Universität Innsbruck, Institut für Geologie
https://www.uibk.ac.at/geologie/strasser/

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381. Faszination Mittelmeer

381. Faszination Mittelmeer

Der Zoologe Robert Hofrichter leitet das Mare Mundi-Institut auf der Insel Krk in Kroatien. Er spricht über Umweltbildung und Meeresschutz. Link zum Ö1 Programm.

Auch wenn das Meer von Österreich aus gesehen weit weg ist, ist es nicht unbedeutend. Wesentliche Wetter- und Klimaphänomene hängen von der Wechselwirkung Land-Meer ab. Ohne Meere gäbe es kein Klima, keine Meeresströmungen, die Windsysteme wären völlig anders.

Meere bedecken 70% der Erde. Das Meer ist der größte zusammenhängende Lebensraum auf dem Planeten Erde. Es ist ein Kontinuum: Wer etwa an der kroatischen Küste ans Meer steigt, könnte mit dem Schiff bis an den Nord- oder Südpol fahren.

Das Mittelmeer ist ein besonderes Meer, weil es ohne die Wasserzufuhr aus dem Atlantischen Ozean durch die Straße von Gibraltar verdunsten würde. Geringere Anteile von neuem Wasser kommen auch über das Schwarze Meer ins Mittelmeer. Mit diesen angrenzenden Meeren steht auch die Biodiversität in des Mittelmeeres Verbindung.

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379. Randnotizen — unterwegs

Wer allein unterwegs ist, braucht sich nicht wirklich viel um andere zu kümmern. Im öffentlichen Verkehr geht das gar nicht, und selbst wenn man auf einem Fluss unterwegs ist – auch dort ist fast unvermeidbar, jemanden zu treffen.


Beitrag (mp3)


Manuskript

SIGNATION

Wieder was erlebt dieser Tage. Steh ich in der U-Bahn in Wien, Linie U1, und höre am linken Ohr: “Wenn du dich einmal selbst verteidigen kannst, darfst du auch alleine fahren”. Es war die Oma, offenbar, die hier mit ihrem Enkelsohn, 8 Jahre, eine Art Einschulung in das U1-Fahren machte. Beide waren mit Daunenjacken verhältnismäßig warm angezogen für einen sommerlichen Tag, aber unter der Erde ist es ja kühl. Wenn du dich einmal selbst verteidigen kannst… Es war schon der erste Teil dieses Satzes, der meine Faszination fand. Und dann kam die Spezialeinschulung auf die U1. “Am schlimmsten”, sagte die Oma, sind die Stationen Praterstern und Schwedenplatz. Meine Kinder haben das bestätigt, fachlich hatte sie also recht. Ich erinnere mich, als ich 14 Jahre alt war, und mich meine Oma das erste Mal nach Wien mitnahm. Da hat sie mir eine 72-Stundenkarte gekauft und mich losgeschickt, ohne Details, und wir haben uns dann im Donauturm auf eine Sachertorte getroffen.

ZWISCHENJINGLE

Und dann der 13A. Immer ein Erlebnis dieser Bus. Für alle, die nicht in Wien zuhause sind, der 13A ist ein Gelenksbus mit vorderem und hinterem Teil. Er durchquert die ganze Stadt innerhalb des Gürtels, vom Hauptbahnhof zur Alserstraße quer durch die Bobo-Bezirke 4-9. Als Mitfahrender kann man sich nach vorne setzen, oder nach hinten, in jedem Fall sind es zwei Schicksalsgemeinschaften, die durch die Fahrt zusammengeschweißt und zusammengehalten werden. Ich also im hinteren Teil dieses Mal. Setze mich hin, der Hund springt mit Beißkorb auf den Schoß, und ich sage “so, jetzt sitz ma” – und alle lächeln. Vermutlich. Über ihren Masken verzogen sich die Augen etwas zu Schlitzen. Und sollte dieser Beitrag in zwanzig Jahren einmal aus dem Archiv geholt werden, wir trugen damals in Wien noch Corona-Schutzmasken, als sie in Restösterreich schon wieder abgeschafft waren. Wir fahren fast schon los, da möchten 10 Oberösterreicher wieder aussteigen, weil sie im Bus der falschen Richtung waren. Das dauerte, bis sie es bemerkten, das dauerte, bis sie es dem Fahrer signalisierten, und er war freundlich und ließ sie wieder raus. Wir lachten, diesmal hörte man es, im hinteren Teil des Busses. Die Gemeinschaft begann sich zu formieren. “Hübsche Nase”, dachte ich mir, hat diese Person gegenüber, und es dauerte ein bisschen, bis es mir dämmerte, warum mir das auffiel. Die Maske bedeckte nur den Mund. Und nicht die Nase. Und wie man so ein bisschen ins Träumen und Überlegen kommt, was das bedeutet, fiel mir ein, dass diese Situation wie bei diesen Internet-Logins ist, wo man seine Menschlichkeit beweisen muss. Zeig, dass du kein Roboter bist, und klicke alle Bilder mit Schornsteinen, oder Zebrastreifen. Oder alle Bilder mit Fahrrädern. Und schon klickte ich im hinteren Teil des 13As alle Mitreisenden durch, ob ich ihre Nase sehen konnte. Bei 3 von 25 hat es Klick gemacht. Ich hatte sie durch, bevor ich dann schon da war, im 6. Bezirk, um mir meine Sonnenbrille zu holen, die ich mir im Brillengeschäft dort ausgesucht habe, am Tag zuvor.

ZWISCHENJINGLE

Die Sonnenbrille brauche ich nämlich fürs Kajakfahren. Kürzlich war ich wieder unterwegs. Auf Thaya und March in Niederösterreich. Eine wunderschöne ruhige Flusstrecke. Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50 schützt zuverlässig vor Sonnenbrand, und man kann damit den ganzen Tag in der Sonne sein. Was man aber nicht heißt, dass man das soll. Denn es gibt immer noch den Sonnenstich, das ist eine andere Geschichte, aber was ich erzählen wollte waren ungefähr 50 Begegnungen mit den Fischern entlang dieser Flüsse. Sie zielen mit ihren Angeln quer über den Fluss und man muss wie im Super-Mario-Computerspiel einmal links unter der Schnur und einmal rechts über der Schnur durchfahren. Je nach Situation. Schnüre, die man kaum sieht, und deshalb deuten die Fischer mit erhobener Hand auf diese fast unsichtbaren Fischer-Leinen und sie rufen “Hallo”. 50 freundliche Begegnungen, weil es in ihrem Interesse ist, dass man sie sieht, und in meinem, dass ich sie sehe. Das, was nach Konflikten “Ende-nie” aussehen könnte, ist definitiv nicht der Fall, 50 nette Grüße, man nickt sich zu, und dankt einander. Fast schon so wie ein bisschen im öffentlichen Verkehr, wenn man sich gut versteht.

377. Seltene Obstsorten

Link zur Sendung

Früchte entstehen aus Blüten und enthalten die Samen einer Pflanze. Früchte sind - zumindest in unserem Verständnis - süß und kommen in unseren Breiten vorwiegend als Beeren vor. Die Eiszeit hat mit ihren sich vor- und zurückziehenden Gletschern viele Früchte nach Süden gedrängt. Größere Früchte wie Äpfel und Birnen kamen aus dem zentral- und ostasiatischen Raum erst nach der Eiszeit und mit zunehmender Sesshaftwerdung der Menschen zu uns.

Evolutionär ist es für Pflanzen von Vorteil, süße Früchte für den Verzehr "anzubieten" - es sichert Verteilung und Ausbreitung der Samen. Als süße Handelsware erfüllen Früchte bei Menschen auch eine soziale Funktion. Wer Marmelade kochen kann, und sie verschenkt, hat Freunde. "Essbare Gärten" erfüllen in Dörfern eine sozial verbindende Funktion.

Heute haben wir uns an das "lokale" Fruchtangebot gewöhnt. Viele weitere Sorten findet sich auf Märkten und Supermärkten, exotische Früchte werden importiert. 

Wenig bekannt ist, dass auch vermeintlich exotische Früchte wie Kaki und der Granatapfel in Österreich wachsen können, es gibt winterharte Sorten. Andererseits wachsen auch Früchte hier, die wir kaum kennen: die Früchte der Ölweide, die Chinesische Dattel, oder die Schisandra. Der Permakulturexperte Siegfried Tatschl hat diese seltenen Obstarten im eigenen Garten angebaut.

GESPRÄCHSPARTNER:
Mag. (FH) Siegfried Tatschl
Permakulturpionier und sozialer Obstgärtner

BUCHTIPP:
Siegfried Tatschl: 555 Obstsorten für den Permakulturgarten und -balkon. Löwenzahn Verlag


Teil 1 (mp3): Die Schisandra


Teil 2 (mp3): Der Granatapfel


Teil 3 (mp3): Die Ölweide


Teil 4 (mp3): Die Chinesische Dattel


Teil 5 (mp3): Die Kaki

376. Schwalben

376. Schwalben

Vom Leben der Natur / Ö1 / 25. April – 29. April 2022

Akrobaten zwischen Hof und Himmel

Der Wildtierbiologe Helmut Steiner spricht über die Schwalben.

  1. Nähe zu Menschen
  2. Bedeutung der Schwanzgabel
  3. Erwartete Ankunft
  4. Charakteristische Nester
  5. Ein ökologisches Netzwerk

Schwalben haben schon lange eine enge Beziehung zu Menschen, da sie in unserer Gegend fast nur in Häusern leben. Häuser sind "Kunstfelsen" mit besonderer Schutzwirkung vor natürlichen Feinden.

Hauptsächlich vier Schwalbenarten leben in Mitteleuropa: Die Felsenschwalbe, die Uferschwalbe, die Mehl- und die Rauchschwalbe. Alle Arten sind Zugvögel, die in unserem Winter in Afrika, südlich der Sahara überwintern.

Mit dem Rückgang der offenen Ställe geht auch die Zahl der Schwalben im bäuerlichen Umfeld zurück.

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375. Westautobahn

375. Westautobahn

Asphaltiert, gepflastert, genutzt, umstritten. Auf Straßen unterwegs

Wie keine andere Infrastruktur begünstigen oder viel mehr ermöglichen Straßen das Reisen. Lange Zeit galt überhaupt: ohne Straße kein Tourismus. Reisende nutzen Straßen wie keinen anderen Verkehrsträger um ihre Ziele zu erreichen. Straßen sind jedoch nicht nur nützlich sondern immer öfter auch heiß umkämpft, wie man an den Protesten gegen die geplante Stadtstraße in Wien und die Diskussionen über gleich mehrere Autobahnprojekte in Österreich erkennen kann. 

Es gibt genügend Gründe Straßen-Projekte kritisch zu hinterfragen: sie brauchen Platz, sie versiegeln wertvollen Boden, sie trennen Lebensräume von Menschen und Tieren, auf Straßen kommen jährlich nach wie vor viel zu viele Menschen und Tiere zu Tode. Aber Straßen verbinden auch: Güter mit den Menschen, die sie benötigen - und eben auch Reisende mit ihren Reisezielen. Manchmal sind die Straßen sogar selbst Ziel einer Reise. Ambiente porträtiert u.a. drei österreichische Straßen, die unterschiedlicher nicht sein können und die jede für auf ihre eigene Weise eine bedeutende touristische Rolle spielt: die Großglockner Hochalpenstraße, die Getreidegasse und die Westautobahn. 

Gestaltung: Lothar Bodingbauer, Matthias Haydn, Ernst Weber, Emil Wimmer
Redaktion: Matthias Haydn


Beitrag (mp3)

372. Worüber lohnt es sich zu reden?

Große Worte, kleine Worte. Zwischenrufe. Seufzer. „Ach ja“. Wer redet, teilt sich mit. Und manchmal ist es auch gut, eine Pause zu machen.


Manuskript

Worüber lohnt es sich zu reden? Ja, das kann man schon sagen, wenn man Soziologie studiert, zum Beispiel, da heißt es nämlich dann: „über alles lohnt es sich zu reden“, und über alles bedeutet auch über die Kleinigkeiten des Alltags, die man erlebt hat, die Verspätung verursacht haben, eine Freude hervorgerufen haben, die etwas beschreiben, was man erlebt und gesehen hat. Diese scheinbar einfachen Erzählungen und Beschreibungen sind notwendig, dass man einander dann versteht, auch bei komplexeren Dingen. Das schreibt das Buch über soziologische Paradigmen, das furchtbar interessant ist, weil genau das haben wir ja eigentlich jetzt in den letzten Jahren mit Corona eingeschränkt.

Diese Sozialkontakte, wo man belangloses Miteinander direkt von Auge zu Auge, von Ohr zu Ohr, Mund zu Mund bespricht, aber wir haben sehr wohl dann die wichtigen Dinge uns erzählt den Konferenzen, und wir haben uns dann zunehmend gewundert, warum wir einander nicht mehr verstehen, warum diese Welten so verschieden geworden sind, warum es Trennungen und Gräben gibt. „Offenbar“, sagt das Buch mit soziologischen Theorien, „weil wir eben diese ganz gewöhnlichen Dinge nicht mehr teilen.“

TRENNER

„Wow“, hat die Zahnärztin gesagt, als sie in meinen Mund reingeschaut hat, und diesen Zahn, den Vierer rechts oben gesehen hat, von dessen Problem ich ihr bereits am Telefon erzählt habe. „Wow“, hat sie gesagt, und vorher noch die Dame mit der Mundhygiene, die hat das vorher noch gesehen, die hat gesagt „ui“. Ja, wenn man eh beim Zahnarzt nicht viel erzählen kann, und die Personen, auf die es ankommt, dann „wow“ und „ui“ sagen, weiß man, dass auch diese einfachen und sehr, sehr kurzen Worte sehr bedeutungsvoll sind. Wann sagen Sie zum Beispiel „oh-oh“? Und was machen die anderen dann in Ihrer Umgebung, schauen die zu Ihnen hin, oder gehen sie in Deckung? Mein Hund hört in der ganzen Wohnung die Ausrufe des Entsetzens aus der Küche, wenn etwas hinunterfällt. Wenn ein Ei zum Beispiel auf den Boden klatscht, dieses „bah“, interpretiert er als: „da gibt's jetzt was mit Sicherheit für mich zu fressen“. – Hat eben erst stattgefunden, soweit kann er gar nicht entfernt sein, dass er das nicht hört. Ja, ja, diese kleinen „Mikro“-geräusche, ich glaube, die haben wir alle evolutionär drauf und wir hören sehr gut, was die anderen damit meinen.

TRENNER

„Ahhh“. Sagte der Mann, an der Ecke beim Supermarkt, nachdem er mit seinen Kindern aus dem Supermarkt rausgekommen ist und in die Leberkässemmel gebissen hat, die er ausgepackt hat. Und er schaute mich an. „Ahhh, dafür leben wir“, sagte er, obwohl wir uns noch nie gesehen hatten. Und wenn man da genau hingeschaut hat, hat er als erstes davon abgebissen von der Leberkässesemmel und danach, hat er den Kindern davon gegeben, hat er sie abbeißen lassen. Und das erinnert uns doch an den Film der Sicherheitsmaßnahmen, oder an diese Vorführung im Flugzeug, wenn die Sauerstoffmaske herunterfällt, dann soll man sie als Erwachsener zuerst selbst aufsetzen, und dann erst den Kindern geben. Dieser erste Biss in die Leberkäsesemmel war echt lebensnotwendig offenbar. Was wissen wir, was er schon an diesem Tag erlebt hat?

Und manchmal lohnt es sich auch zu warten. 


ATMO Bahnübergang Bregenz

Das Warten am Bahnübergang. Schon vor dem Senken des Schrankens kündigt sich diese Zeitspanne an, durch eine Glocke, die verstummen wird, wenn der Schranken die Straße versperrt. Dann wird es still. Man steht da und denkt nach, man weiß, dass nichts in der Welt die kommende Minute verändern würde, verkürzen. Und während man auf diese Weise ruhig wird, kommt bald der Zug. Man sieht die Menschen, man freut sich, dass das Warten nun ein Ende hat. Und wenn er dann hochgeht, geht auch die Zeit wieder weiter.