LUT001 Sprache verhandeln

LUT001 Sprache verhandeln

 

 

Sprache ist politisch, und Sprache ist ein Prozess.

Die Linguistin Judith Purkarthofer erzählt über ihre Arbeit als Sprachwissenschaftlerin, die auch an Schulen stattfindet.

Sprache muss oft verhandelt werden und hat immer auch eine politische Komponente. Welche Sprachen sind erlaubt, willkommen und erwünscht. Es entstehen Sprachregimes.

So erwünscht die Mehrsprachigkeit im allgemeinen ist, muss ein vielsprachiger Hintergrund besonders in Schulen oft als Sündenbock herhalten. Eine gute Ausbildung von Lehrenden hilft, die vielen Sprachen als Quelle für Verständigung und Selbstbewusstsein zu erhalten.

In der ersten Ausgab von “Lob und Tadel” spricht Judith Purkarthofer mit Lothar Bodingbauer über die Zusammenhänge von Sprache und Raum, Mehrsprachigkeit, Sprachbiographien, Macht und Sprache, Spracherwerb, und erzählt von Sprachprojekten in Voksschulen, die die Vielsprachigkeit mit der Vielfalt des Naturerlebens zusammenbringen.

Sie selbst ist während ihrer Volksschulzeit vom Steirischen Sprachraum in das Salzkammergut übergewechselt – ein prägendes Erlebnis.


Aufnahmedatum: 17.09.2013, online seit 18.09.2013. Ein Ausschnitt aus diesem Gespräch wurde am Montag, 23. September 2013 im ORF Österreich 1 Radioprogramm “Moment Leben Heute” ausgestrahlt.


Diese Episode ist am 18.09.2013 erschienen. Dauer: 1 Stunde 44 Minuten und 47 Sekunden

 

86. Quantensprung or Quantum jump?

Die Sprache der Wissenschaft: Ob Fruchtliegenforscher, Atomphysiker, Verfahrenschemiker oder Wissenschaftler der internationalen Henrik-Ibsen-Community: sie alle verwenden Englisch als Forschungs- und Verkehrssprache. Latein hat seine zentrale Stellung im Wissenschaftsbetrieb natürlich längst verloren, nur noch neu entdeckte Pflanzen müssen lateinisch beschrieben werden. Mit zunehmender Bedeutung länderübergreifender Forscherteams verlieren aber auch die gegenwärtigen Landessprachen immer mehr an Stellenwert. Sogar ganze Forschungsgebiete werden an nationalen Universitäten nicht mehr in den jeweiligen Landessprachen diskutiert und bearbeitet, sondern auf Englisch, in einer Qualität, die trotz langjährigen Englischlernens an Schulen nicht an das Sprachniveau der Muttersprache heranreicht. Internationale Studiengänge und nationale Tagungen, die ausschließlich auf Englisch angeboten werden, tun ihr übriges, um “BSE” (Bad Simple English), wie Kritiker das oft niedrige Sprachniveau bezeichnen, verstärkt zu etablieren. Eine Sendung zur Frage der Vielsprachigkeit der Wissenschaft.

Manuskript (ohne letzte Änderungen)

DIMENSIONEN, Donnerstag, 16. Oktober

Quantensprung or Quantum jump?

Eine Sendung über die Folgen der Einsprachigkeit in der Wissenschaft von Lothar Bodingbauer

Ob Fruchtliegenforscher, Atomphysiker, Verfahrenschemiker oder Wissenschaftler der internationalen Henrik-Ibsen-Community: sie alle verwenden Englisch als For- schungs- und Verkehrssprache. Latein hat seine zentrale Stellung im Wissen- schaftsbetrieb natürlich längst verloren – nur noch neu entdeckte Pflanzen müssen lateinisch beschrieben werden. Mit zunehmender Bedeutung länderübergreifender Forscherteams verlieren aber auch die gegenwärtigen Landessprachen immer mehr an Stellenwert. Sogar ganze Forschungsgebiete werden an nationalen Uni- versitäten nicht mehr in den jeweiligen Landessprachen diskutiert und bearbeitet, sondern auf Englisch – in einer Qualität, die trotz langjährigen Englischlernens an Schulen nicht an das Sprachniveau der Muttersprache heranreicht. Internationale Studiengänge und nationale Tagungen, die ausschließlich auf Englisch angeboten werden, tun ihr übriges, um “BSE” (Bad Simple English), wie Kritiker das oft niedri- ge Sprachniveau bezeichnen, verstärkt zu etablieren. Eine Sendung zur Frage der Vielsprachigkeit der Wissenschaft.

MANUSKRIPT

OT 1 / 00:50 / Mix unterschiedlicher Wissenschaftler

Mein Name ist Hans Pechar, Hochschulforscher. Ein großer Teil der Teil der Literatur, die ich lese, vermutlich mittlerweile etwa 4/5 ist englische Literatur. Meine eigene Publikations- tätigkeit 3/4 Deutsch, 1/4 Englisch.

OK [englisch ausgesprochen] – Mein Name ist Miria Kutzter, ich arbeite am Institut für dogmatische Theologie an der Universität Wien. Also es war lange Zeit so, da musste man Deutsch können, um Theologie studieren zu könne, das ist etwas, was sich deutlich geän- dert hat, die Diskurse rutschen jetzt auch ins Englisch hinüber …

Ich heiße Franz Pöchhacker, Dolmetschwissenschaftler. Meine wissenschaftliche Arbeit verläuft auf Englisch.

Hans Lohninger, Chemiker, und meine Forschungssprache ist Englisch.

Sprecherin

Quantensprung – oder vielleicht ist besser: Quantum jump?

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OT 2 / 00:22 / Oberhummer auf Englisch

Hello, my name is Heinz Oberhummer. I come from Vienna University of Technology. I am a physicist, but besides this I am also engaged in presening popular science through books through cabaret, in order to tell the people, how interesting science is …

Sprecherin

Eine Sendung zur Frage der Einsprachigkeit der Wissenschaft von Lothar Boding- bauer.

OT 3 / 00:48 / Oberhummer

Manchmal denke ich auf Englisch, und manchmal muss ich sogar wenn ich Deutsch spre- che krampfhaft nach dem wissenschaftlichen Wortsuchen, wie das in der wissenschaftli- chen Sprache heißt. Ich kenne zum Beispiel Physik in CERN, die stammen aus Öster- reich, die können sich eigentlich wissenschaftlich nicht mehr in Deutsch ausdrücken. Die können nur mehr Englisch reden. Englisch ist ja eine einfache Sprache in dem Sinn, die Sätze sind kürzer, es ist prägnant, eigentlich wesentlich die geeigneter Sprache für Natur- wissenschaft als zum Beispiel Deutsch, die Deutsche Sprache sind Schachtelsätze, die sind wesentlich komplizierter. Aber auch beim Publizieren ist es so, dass es wesent- lich einfacher ist vom Stil her im Englischen zu publizieren, weil die Sätze kürzer sind und dies wissenschaftlichen Erkenntnisse leichter vermitteln kann.

Ganz ohne Zweifel: Englisch ist zur Lingua Franca geworden, zur Verkehrssprache zwischen Sprechern verschiedener Sprachgemeinschaften. Auch in den Wissen- schaften. Es begann mit der Auswanderung und Vertreibung deutschsprachiger Wissenschaftler vor und während des 2. Weltkriegs und gerade der Boom elektro- nischer Kommunikationsmittel hat Englisch als leicht erlernbare Austauschsprache in seiner Bedeutung gefestigt. Bevor allerdings ein etwaiges Verschwinden von Deutsch als Wissenschaftssprache bemerkt und auch bedauert wird, ist es wichtig, die Funktionen einer Wissenschaftssprache im Universitätsgeschehen klar darzu- stellen. Drei wesentliche Punkte sind zu erkennen, sagt der Hochschulforscher Hans Pechar:

OT 4 / 1:10 Pechar

Das eine ist die Publikation von Forschungsergebnissen. Da hat sich das Englische am stärksten durchgesetzt und so wie jetzt ausschaut, auf lange Sicht wird sich daran nichts ändern. Das zweite ist bei Kommunikation auf Konferenzen, der Austausch von Forsche- rinnen. Und der Dritte wichtige Bereich ist, in welcher Sprache wird gelehrt. Hier aus einer Modetorheit heraus den muttersprachlichen Unterricht durch schlecht gesprochenes Eng-

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lisch zu ersetzten macht ja wirklich keinen Sinn, aber wenn Universitäten sich entschlie- ßen, internationale Studenten zu rekrutieren, dann müssen sie in der Regel auf Englisch umstellen.

Internationale Studierende bringen in der Regel den heimischen Universitäten mehr Geld, als sie kosten. Die Wahl der Sprache der Lehre wird somit – neben der welt- weiten Sichtbarkeit der Aktivitäten – auch zu einer Marketingentscheidung.
Doch zunächst zu einem grundsätzlichen Aspekt der Sprache, den der Überset- zungs- bzw. Translationswissenschaftler Gerhard Budin anspricht: die Rolle der Sprache im Erwerb von Wissen.

OT 5 / 00:41 Budin

Es ist einerseits einmal ein Ausdruck der Sprachökonomie. Das heißt, die menschliche Kognition funktioniert so, dass man für die Dinge, die man immer wieder braucht, oder die einen interessieren, dass man die mit Namen belegt, um auf sie mit referieren zu können. Denn wen ich jedes Mal sagen müsste, das ist ein längliches Instrument mit Haare drauf und da kann man reinsprechen, dann wäre das unökonomisch, wenn ich das immer sagen müsste. Wenn ich aber sage, das ist ein Mikrofon mit einem Windschutz, dann kann ich mich ökonomischer ausdrücken. Und dieses Grundprinzip wird in den Wissenschaftsspra- chen weiterentwickelt, aber für den Spracherwerb ist das ganz wesentlich.

Es ist aber nicht nur die Rolle des Hinweisens und Benennens, den die Sprache hier erfüllt. Sprache selbst schafft Wirklichkeit. Dies zeigt sich am besten bei der legistischen Wirklichkeit – ein Rechtssystem das erst entstehen kann, weil es Spra- che, weil es Terminologie gibt. Es ist demnach nicht egal, in welcher Sprache der Wissenserwerb stattfindet. Grundvoraussetzung für jede Wissenschaftssprache ist eine klar und differenziert entwickelte Terminologie. Die Dogmatikerin Mirja Kutzer bringt ein Beispiel aus dem Bereich der Theologie, sie beschäftigt sich mit „dem Bösen“.

OT 6 / 00:32 Kutzer

Ja, also allein schon der Ausdruck, den man benutzt, um das Böse zu beschreiben ent- scheidet letztendlich über die Phänomene, die ich darunter zu verrechnen versuche. Im Englischen haben wir „the evil“. „The evil“ würden wir im Deutschen übersetzen mit „der Böse“, oder „das Böse“ oder „die Böse“. Wir unterscheiden zwischen „dem Bösen“ als ei- ner wie immer zu fassenden Entität oder auch zwischen einer Person, die wir als personi- fiziertes Böses oder wie auch immer bezeichnen wollen.

Im Englischen fällt es leichter, einen Menschen wie Saddam Hussein als „das Bö- se“ zu bezeichnen. Diese Schwelle ist im Deutschen höher, weil es durch die Denk- konzepte, die sich hier durch das Deutsche ausdrücken, mehr Wahlmöglichkeiten

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gibt. Am besten eignet sich aber das Französische, um über das Böse nachzuden- ken, sagt Mirja Kutzer, und das eigentlich aus einem Mangel heraus.

OT 7 / 1:07 / Kutzer

Das klassische lateinische Wort für „das Böse“ wäre das „Malum“, im Lateinischen wird dann unterschieden zwischen malum morale, das Böse, das das moralische Verhalten des Menschen betrifft, und dem malum physicum, alles was wir unter dem Naturbösen subsu- mieren. Im Deutschen hätten wir hier die Möglichkeit zwischen dem Bösen und dem Übel, eine Unterscheidung die im Französischen so aber nicht funktioniert, denn da wird beides subsumiert unter „le mal“. Das heißt aber auch, dass sich unsere französischen Kollegen oder in der französischen Philosophie dieser Zusammenhang zwischen dem Naturbösen und dem Bösen im moralischen Handeln. als Problem viel unmittelbarer stellt als uns, denn wenn wir über das Böse nachdenken, müssen wir noch nicht zwangsläufig oder über das Naturböse, also das Übel nachdenken. Während gerade die Spekulationen wie wir sie bei Paul Ricoeur finden, gerade diese Verbindung versuchen zu suchen, wo liegt sie denn diese Verbindung zwischen dem Bösen und dem Naturbösen.

Viele Begriffe sind an eine bestimmte Wissenschaftssprache gebunden, und manchmal nimmt auch ein deutsches Wort den Umweg über das Englische wieder zurück ins Deutsche, zum Beispiel der Begriff „Einfühlung“, erzählt der Grazer Germanist Robert Velussig.

OT 8 / 00:38 / Velussig

Der Begriff „Einfühlung“ aus der deutschen Philosophie um 1900, das ist diskreditiert wor- den und über den Begriff der „Empathie“ wieder reimportiert. Das ist gewisserweise die Scheu einen Begriff zu verwenden, den Leuten verwende haben, mit denen man theore- tisch nichts mehr zu tun haben möchte. Insofern kann der Export und Reimport von sol- chen Begriffen dazu dienen, dass einem die Scheu von seinem solchen Phänomen wieder genommen wird, und besonders dieser Begriff Einfühlung ist etwas, was in der Literatur- wissenschaft der letzten Jahre besonders diskutiert worden ist.

Die notwendigen Übersetzungvorgänge beim Austausch des Wissens in unter- schiedliche Sprachen sieht der Translationswissenschafter Gerhard Budin nicht unbedingt negativ.

OT 9 / 01:45 / Budin

Meiner eigenen Erfahrungen nach ist diese Zweisprachigkeit Deutsch Englisch etwas posi- tives, weil man durch diesen internen Übersetzungsprozess ja eigentlich immer kreative Moment hat, und etwas weiterdenkt. Zum Beispiel wenn ich Unterrichtsmaterialien, ich

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habe das meistens auf Deutsch und auf Englisch, einmal unterrichte ich irgendwo international, aber auch dann hier auf der Universität und ich brauche dann zum selben Thema Unterrichtsmaterialen in zwei Sprachen, jedesmal wenn ich die Mate- rialien Aktualisierung, bei dieser Gelegenheit denke ich darüber nach, verbessere oder ergänze ich etwas, und. Natürlich gibt es auch Unterschiede in den Argumentati- onsstrategien in den verschiedenen Sprachen. Im englischsprachigen eher geradlinig, we- nig Degression, wenig Abweichungen, im Deutschen traditionellerweise eher komplex, mehrere Argumentationsstränge, die einander manchmal überschneiden, was für den Zu- hörer oder Leser nicht einfach ist oft, zu folgen, dann gibt es auch verschiedene weitere, wie arabische oder chinesische Argumentationslogiken. Andererseits durch diese Interna- tionalisierung der Wissenschaften konvergiert diese Denkweisen immer mehr, denn die Wissenschaftslogik doch wieder etwas mehr oder weniges sprachunabhängiges. Aber auch da wieder in den Naturwissenschaften wesentlich mehr sprachunabhängig, weil die Wissenschaftslogik auf einer allgemeinen Logik beruht, währen die hermeneutische Tradi- tionen, mit Verstehensprozessen und stark kulturspezifischen Ansätzen die Kulturspezifik dann doch eine Sprachspezifik ist

Mit einem Verschwinden des Deutschen aus dem Wissenschaftsbetrieb würde also tatsächlich Wissen verloren gehen, zumindest im nicht-naturwissenschaftlichen Bereich. Der Musikwissenschaftler Richard Parncutt aus Graz geht an der Schnitt- stelle Geistes- und Naturwissenschaft – selbst mehrsprachig – mit seinen Studie- renden einen konsequent zweisprachigen Weg. Er ermuntert seine Studierenden, die Zweisprachigkeit nicht nur in Kauf zu nehmen, sondern gezielt zu entwickeln, und wählt selbst aus dem Fundus der Sprache jene aus, die am besten zu seinen Anforderungen passt. Richard Parncutt erzählt von einem Tag der Geisteswissen- schaften an der Uni Graz, für den sein Institut gebeten wurde, ein gutes Zitat aus der Musikwissenschaften auszuwählen, eines das das Forschungsthema „Musik“ am treffendsten beschreibt.

OT 10 / 01:34 / Parncutt

Wir haben uns entschieden, dass unser Zitat auf Englisch sein wird. Ich meine, ich fand das eigentlich nicht gut, aber in jedem Fall ist ein sehr interessantes Zitat: „Music doesnʻt just happen. It is what we make it and what we make of it“. Nun, wenn man versucht, das zu übersetzen, dann findet man, dass eigentlich die englischsprachigen Menschen viel- leicht nicht klar sind, was es bedeutet. Wenn man sagt: „Music is what we make it“, das heißt Musik hat einen gewissen Stellenwert und es hängt von unserer Einstellung wie gut oder wichtig Musik ist, das kann man aber nur relativ ausführlich erklären. Und dann kommt er nächste Satz „und what we make of it“. Und das heißt, wenn wir aktiv versuchen Musik zu fördern und Musik zu interpretieren oder eine Konstruktion von einer Musikwis- senschaft, Musikwissenschaft zu konstruieren, dann kriegen wir eine neue Version von Musik. Und das kann man auch ausführlich erklären, aber in dem englischen Satz ist es sehr knapp. Und dann entsteht die Frage sollte man das übersetzen wollen, soll man ei- nen Satz schreiben, der zwei mal so lange ist, oder drei mal so lang, und man wird natür- lich nie auf die gleiche Bedeutung kommen, weil die gleiche Bedeutung nicht definiert ist. Das hat man auch innerhalb der deutschen Sprache oder englischen Sprache, dass man nicht immer sagen kann, was man sagen will, das ist nämlich ein Thema in der Musikwis-

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senschaft, dass man bestimmte Erfahrungen in der Musik nicht beschreiben kann, weil die Wörter fehlen. Das nennt man auf Englisch „ineffability“, das man etwas nicht vollständig beschreiben kann.

Ineffability. Das ist in der Musik das Fehlen einer Beschreibung, wo die Worte feh- len. Was in der Musik ganz alltäglich ist, fällt sprachenpolitisch unter den Begriff Domänenverlust. Oft einfach nur aus praktischen Gründen – Zeitsparen, begrenzte Ressourcen, wird nicht nur der Wissensaustausch, sondern die Forschung selbst in Englisch gemacht. Das kann dazu führen, dass diese Themen dann nicht mehr in der jeweiligen Landessprache diskutieren werden können. In Schweden ist das nicht wie in Österreich vor allem bei naturwissenschaftlichen, sondern auch in den geisteswissenschaftlichen Fächern der Fall, erzählt die schwedische Translations- wissenschafterin Elizabeth Tiselius.

OT 11 / 00:31 7 Tiselius / Übersetzung

In Schweden haben wir das Problem, dass mehr und mehr Forschung ausschließ- lich auf Englisch gemacht wird. Das schafft einen Verlust, einen Domänenverlust. Wir verlieren dabei die gesamte Terminologie in der schwedischen Sprache und haben damit nicht mehr die Möglichkeit diese Forschungsfelder auf Schwedisch, in unserer Muttersprache zu diskutieren.

Elisabeth Tiselius wünscht sich, dass Schwedisch wenigstens Englisch gleich ge- stellt wird, damit ihr Universitätsinstitut auch die rechtliche Grundlage hat, schriftli- che Arbeiten sowohl in Englisch, als auch in Schwedisch zu verfassen. Das ist aber noch nicht der Fall. In der praktischen Arbeit muss sie einen Weg finden, die feh- lende Terminologie in den schwedischen Text einzubetten.

OT 12 / 00:41 / Tiselius / Übersetzung

Ich kann Ihnen da ein Beispiel aus der Zweisprachigkeitsforschung geben. Hier geht es um input und output. Input ist das was wir Menschen hören, und output was wir sprechen. Aber wie soll ich das auf Schwedisch nennen? Inströmung und Aus- strömung vielleicht, oder Zuhörung und Produktion? Oder soll ich input und output unter Anführungszeichen setzen? Das ist eine schwierige Frage, und wir müssen uns viel mehr bemühen, eine schwedische Terminologie nicht nur zu erhalten, son- dern auch aufzubauen.

OT 13 / 01:21 / Tiselius / Übersetzung

Man kann ja auch nur in seiner Muttersprache wirklich philosophisch sein, nur in seiner Muttersprache kann man wirklich große und schwierige Fragen diskutieren. Die schwedischen Forscher sollen ruhig international auf englisch wetteifern und

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sich austauschen, aber sie sollen auch den selben Eifer aufwenden, die schwedi- sche Terminologie zu verwenden und zu entwickeln – man kann ja nicht sagen, ach ich habe ja all meine Forschung auf Englisch gemacht, und deswegen werde ich nur Englisch verwenden. – Ich will ja nicht nur mit Leuten im Ausland über meine Forschung reden, sondern auch mit meinen Schülern, oder mit jemandem, den ich zufällig auf der Straße treffen, und erkläre, was ich beruflich mache. Und das kann man nicht machen, wenn man komische Begriffe wie input und output verwendet, oder vielleicht noch schlimmere Begriffe… [lacht].

OT 14 / 00:18 De Cilia

Ich denke, dass Englisch zentrale Rolle hat in der internationalen Kommunikation als Ver- kehrssprache, als Publikationssprache, es ist wichtig, den Studierenden und lehrenden Forschern dementsprechend gute Kompetenzen zur Verfügung zu stellen, …

Der Sprachwissenschaftler Rudolf De Zilliar, Universität Wien. OT 15 / 00:32 De Cilia

… darüber sollte man nicht diskutieren müssen, das ist klar, aber trotzdem ist es wichtig, Nationalsprachen, die ja hochentwickelt sind, deren Entwicklung Jahrhunderte lang ge- dauert hat, die in der deutschen Aufklärung begonnen als funktionsfähige Wissenschafts- sprache, praktiziert und gefördert worden. Eine Politik der Mehrsprachigkeit halte ich für wichtig und nicht die der Einsprachigkeit.

Es ist meist nicht bloß der Wille, der eine nationale Sprache weg vom Wissen- schaftsbetrieb driften lässt. Die Pflege der nationalsprachlichen Terminologie braucht vor allem Zeit und Geld, und natürlich einen sprachenpolitischen Rahmen. In Österreich ist die Wahl der Sprache den Universitäten selbst überlassen. Die Kosten der Mehrsprachigkeit werden dabei oft als Belastung gesehen, und de facto bleiben auf den Internetseiten der Institute Englisch oder Deutsch – die eine oder andere Sprache oft unberücksichtigt. Die Sprache als notwendiges Übel?

OT 16 / 01:13 / De Cillia

Das ist das Argument das häufig gebracht wird, das ökonomistische Argument, die Kosten der Mehrsprachigkeit. Es gibt Leute, die drehen das um: die sagen, die Kosten der Ein- sprachigkeit , die Einsprachigkeit ist teurer. Die Einsprachigkeit hat wenn man so will dann soziale Kosten. Kosten sind ja nicht nur ökonomische Kosten. Wenn man generell gese- hen einsprachige Politik macht, riskiert man soziale Konflikte. Roland Bart sagte, einem Menschen seine Sprache nehmen, alle legalen Morde beginnen da, und natürlich wehren sich die Menschen, dass man Sprache nimmt. —- Das könnten sozialen Kosten im Wissenschaftsbereich sein. Die Entwicklung der Wissenschaftssprachen im Mittel- alter hat zu Beginn der Neuzeit, 16. Jahrhundert aufwärts mit der Demotisierung der

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Wissenschaft, mit der Demokratisierung der zunehmenden Entwicklung der einzel- nen Wissenschaftssprachen dazu geführt, dass das Wissen immer mehr allen Be- völkerungssprachen zur Verfügung gestellt werden konnte. Das Mittelalter war ja letztlich eine dogmatische Form der Wissenschaft, wo die Dogmatik über die Jahr- hunderte fortgeschrieben hat, was richtig und was falsch ist.

Nicht zufällig haben diese neuen Wissenschaftssprachen, die in allen europäischen großen Ländern starteten, das Englische, das Französische, das Spanische, dazu geführt, dass die Wissenschaft demokratisch wurde.

OT 17 / 00:37 / De Cillia

Ein wissenschaftlicher Unitarismus, so schätzen das Kolleginnen und Kollegen ein, wenn man nur in einer Sprache forscht und kommuniziert, auch im deutschsprachigen Raum nur noch auf Englisch kommuniziert, was in bestimmten Bereichen jetzt schon der Fall ist, dass man wieder zu einer Entdemokratisierung der Wissenschaft kommt, dass zum Bei- spiel die Medizin immer weniger in der Lage ist, auch der breiten Bevölkerung zu kommu- nizieren, was da passiert, was die Forschungsergebnisse sind, wie Therapien durchzufüh- ren sind oder durchgeführt werden.

Der FWF, der Wissenschaftsfond ist Österreichs größter Geldgeber für For- schungsprojekte. Der Fonds bemüht sich in seinen Eingabeformularen ausdrück- lich um Zweisprachigkeit – die Projektbeschreibungen selbst sind allerdings nur noch auf Englisch einzureichen – auch in den Geisteswissenschaften. Die Antrags- sprache Englisch ist eine autonome Entscheidung des FWF und hat vor allem den Grund, dass Gutachten über die Förderungswürdigkeit der Projekte ausschließlich im Ausland eingeholt werden. Hier werden gewinnen zunehmend auch die sprach- lich weiter entfernten EU Länder und Asien von Bedeutung. Einzig für Germanisten gibt es Ausnahmen erzählt die germanistische Mittelalterforscherin Karin Kranich.

OT 18 / 00:28 / Kranich

Es gibt aber auch Kooperationen, wo auch technische Fächer mit geisteswissen- schaftlichen Fächern kooperieren, es gibt Programme, die grundsätzlich überhaupt Englisch strukturiert sind, dort ist es schon so, dass man zum Projektantrag eine englische Version dazugeben muss, manchmal auch englischsprachiges Hearing gemacht wird. Dazu müssen wir uns in irgendeiner Form aufraffen.

Die englischsprachige Weiterbildung erfolgt dabei im eigenen Interesse, sagt Karin Kranich.

OT 19 / 00:29 / Kranich

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Da muss man sagen, es gibt an den österreichischen Unis, in Graz ist das ziemlich gut ausgebildet, ein hausinternes Weiterbildungsprogramm, da gibt es einen Kurs der Standard ist, den besucht man immer wieder. Da gibt es einen Kurs, der Stan- dard ist, English for Academic Purposes, den besucht man immer wieder oder auch English conversation in Academical teaching, oder derartiges, das ist in einem ge- wissen grad auch Selbstschutz, weil man dort Ängste abbaut, nicht kommunizieren zu können.

Was ist der Unterschied zwischen ‘Sein’ und ‘Dasein’ bei Heidegger? Den Un- terschied zwischen ‘Sein’ und ‘Dasein’ kann man noch relativ leicht auf eng- lisch erklären, bei ‘Sein’ und ‘Seiendes’ wird es dann schwieriger,
recht mit der „Seiendheit des Seins!“. – Der Franz Pöchhacker kennt die Tücken der Übersetzungen, selbst bei einfacheren Themen. Für ihn ist Sprache kein notwendiges Übel, sondern eine Faszination, die sich manchmal besonders erst zeigt, wenn von einer Sprache in die andere übersetzt wird.

OT 20 / 1:20 / Pöchhacker

Von der Motorentechnik bis zu den Kunststoffen bis zu politischen Überlegungen findet man überall Beispiele für schlechtes Englisch, so nach dem Motto der Äußerung die einem deutschen Bundeskanzler einmal zugeschrieben wurde, als er sich kurz fas- sen wollte und auf Englisch referierte und eingangs sagte: Ladies and Gentlemen, let me be short and pregnant. Aber es gibt vor allem durch sehr extreme Akzente im englischen aus neuerer Zeit Beispiele, wo dann auch die Dolmetscher drüberstolpern. Das sind dann Fälle wo die internationale Sprache Englisch für die Wissenschaft zu Verständ- nisschwierigkeiten führt, weil die Kollegen das stark akzentuierte koreanische oder italieni- sche Englisch nicht gut verstehen oder weil auch mitunter die Dolmetscher drüberstolpern können. Der Kollege hat mir vor ein paar Wochen gesagt, dass er den Ausdruck „stud- eyes“ offenbar als etwas mit Augen verbundenes rezipiert hat, und nicht wusste, was er mit diesem stud-eyes tun sollte, bis er dann draufkam, dass das eine sehr schlechte Aus- sprache des englischen Wortes studies war. Da kanns dann sicher beim Dolmetschen zu Reibungsverlusten kommen.

Englisch ist zur Lingua Franca der Wissenschaften geworden. Zur Verkehrs- sprache, deren Niveau, bei denen, die sie verwenden, aber gar nicht an das hohe Sprachniveau von Muttersprachlern heranreichen müsste. „Gutes“ Eng- lisch gibt es aber eigentlich es nicht unter jenen, die Englisch als Verkehrs- sprache benützen – es ist eine Frage der „Angebrachtheit“. Diese unter Ang- listen nicht unumstrittene Sicht vertritt die Anglistin und Lingua Frank For- scherin Barbara Seidlhofer.

OT 21 / 00:25 Seidlhofer Lingua Franka

und erst

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Dolmetschwissenschaftler

Es ist immer die Frage für welchen Zweck, welche Funktion erfüllt die Sprache, und nicht den Formen nach, gut oder perfekt. Natürlich kann man sagen, Queen English oder Hipp Hopp English sind echt, das sind Sprachformen, die von Native Speakern gesprochen werden. Gleichzeitig wenn ich mit Queens English oder mit Hipp Hopp English auf eine Mathematikerkonferenz sein, werde ich völlig fehl am Platz sein.

Bad Simple English – nennen Spötter die schlechte Qualität der international gesprochenen Englischs nennen – und dieses schlechte English wird trotz jahrelangen Sprachenlernens auch noch mittelmäßig ausgesprochen. Auch sei nicht grundsätzlich ein Problem.

OT 22 / 00:42 / Seidlhofer

Vokale, die etwa in der Perzeption sehr hervorstechen, weil Sie gerade gesagt haben Bad Simple English, wenn das ein Österreicher gesagt hat, sagt er Bad Simple English statt einem offenen A Laut spricht er es mit einem E Laut aus, und statt English sagt er INglish. Das macht abe rin der internationalen Verständigung keine Schwierigkeiten. Aber wenn ich meine Konsonanten nicht aussprchen kann, außer dem TH, und zum Beispiel wenig Unterschied mache zwischen einem pill und bill, dann wäre das eine Unterscheidung, die wichtig wäre, und auch die Apsiration von dem pill.

Für den englischsprachigen Unterricht an Schulen hätte eine Stärkere Berücksich- tigung von Englisch – nicht als Kultursprache, sondern als Lingua Franca – als Aus- tauschsprache – besondere Bedeutung, sagt Barbara Seidlhofer.

OT 23 / 00:42 / Seidlhofer Lingua Franka

Jetzt nicht in dem Sinn, das man schlechtes Englisch unterrichte, sondern dass ich in der beschränkten Unterrichtszeit ich Dinge unterrichte, die für die internationale Kommunikati- on wichtig sind. Das heißt ich werde mich dann nicht stundenlang hinstellen und meinen Schülern sagen, gibt die Zunge zwischen die Zähne und spuck ein bisschen und sag think, und gleichzeitig aber schauen, dass die Längen der Vokale, ob ich sage to be oder the bee sage, dass sie die Konsonanten richtig aussprechen, von denen man weiß, dass sie für die internationale Verständlichkeit wichtig sind.

SPRECHERIN

Sie hörten: Quantensprung – oder vielleicht besser Quantum jump?

OT 24 / 00:57 / De Cillia

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Die Sprache als Instrument der wissenschaftlichen Aneignung der Realität außer- sprachlichen Realität, die unterschiedlich organisiert ist je nach Einzelsprache, das ist das zentrale Argument all jener die der Meinung sind, eine einzige Wissen- schaftssprache ist ein Verlust. Ich glaube das schon, wenn jemand nicht mehr in der seiner Muttersprache, Erstsprache, oder die Sprache, die man am besten be- herrscht, wenn man nicht mehr darin forschen kann, weil die nicht mehr als Wis- senschaftssprache funktioniert, dann ist man nicht mehr konkurrenzfähig mit de- nen, die das in ihrer Muttersprache tun. Und zwar was die wissenschaftliche Kreati- vität betrifft. Und ich glaube, das wissenschaftlich Forschung in Chemie, Physik, überall, ein eminent kreativer Prozess ist, und nicht einfach eine reine Terminolo- giefrage sozusagen.

SPRECHERIN

Eine Sendung zur Frage der Einsprachigkeit der Wissenschaft von Lothar Boding- bauer.

OT 25 / 00:16 / De Cillia

Man kann Wissenschaftssprache sicher nicht reduzieren auf Nomenklaturen, auf Termino- logien, die man von einer Sprache in die andere ganz einfach übersetzen kann. Dort, wo kreatives Forschen stattfindet, dort spielt die Sprache eine zentrale Rolle.

Sprecherin

Gesprochen haben ____________ und der Gestalter. Morgen in den Dimensionen…

DIE ABSAGE WIRD EIN BISSEL LÄNGER. ICH HABE SIE IM BÜRO. SIE KANN VON NINA STREHLEIN GESPROCHEN WERDEN…

18281 14:00

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Manuskript (letzte Änderungen nicht vermerkt)

DIMENSIONEN, Donnerstag, 16. Oktober

Quantensprung or Quantum jump?

Eine Sendung über die Folgen der Einsprachigkeit in der Wissenschaft von Lothar Bodingbauer

Ob Fruchtliegenforscher, Atomphysiker, Verfahrenschemiker oder Wissenschaftler der internationalen Henrik-Ibsen-Community: sie alle verwenden Englisch als For- schungs- und Verkehrssprache. Latein hat seine zentrale Stellung im Wissen- schaftsbetrieb natürlich längst verloren – nur noch neu entdeckte Pflanzen müssen lateinisch beschrieben werden. Mit zunehmender Bedeutung länderübergreifender Forscherteams verlieren aber auch die gegenwärtigen Landessprachen immer mehr an Stellenwert. Sogar ganze Forschungsgebiete werden an nationalen Uni- versitäten nicht mehr in den jeweiligen Landessprachen diskutiert und bearbeitet, sondern auf Englisch – in einer Qualität, die trotz langjährigen Englischlernens an Schulen nicht an das Sprachniveau der Muttersprache heranreicht. Internationale Studiengänge und nationale Tagungen, die ausschließlich auf Englisch angeboten werden, tun ihr übriges, um “BSE” (Bad Simple English), wie Kritiker das oft niedri- ge Sprachniveau bezeichnen, verstärkt zu etablieren. Eine Sendung zur Frage der Vielsprachigkeit der Wissenschaft.

MANUSKRIPT

OT 1 / 00:50 / Mix unterschiedlicher Wissenschaftler

Mein Name ist Hans Pechar, Hochschulforscher. Ein großer Teil der Teil der Literatur, die ich lese, vermutlich mittlerweile etwa 4/5 ist englische Literatur. Meine eigene Publikations- tätigkeit 3/4 Deutsch, 1/4 Englisch.

OK [englisch ausgesprochen] – Mein Name ist Miria Kutzter, ich arbeite am Institut für dogmatische Theologie an der Universität Wien. Also es war lange Zeit so, da musste man Deutsch können, um Theologie studieren zu könne, das ist etwas, was sich deutlich geän- dert hat, die Diskurse rutschen jetzt auch ins Englisch hinüber …

Ich heiße Franz Pöchhacker, Dolmetschwissenschaftler. Meine wissenschaftliche Arbeit verläuft auf Englisch.

Hans Lohninger, Chemiker, und meine Forschungssprache ist Englisch.

Sprecherin

Quantensprung – oder vielleicht ist besser: Quantum jump?

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OT 2 / 00:22 / Oberhummer auf Englisch

Hello, my name is Heinz Oberhummer. I come from Vienna University of Technology. I am a physicist, but besides this I am also engaged in presening popular science through books through cabaret, in order to tell the people, how interesting science is …

Sprecherin

Eine Sendung zur Frage der Einsprachigkeit der Wissenschaft von Lothar Boding- bauer.

OT 3 / 00:48 / Oberhummer

Manchmal denke ich auf Englisch, und manchmal muss ich sogar wenn ich Deutsch spre- che krampfhaft nach dem wissenschaftlichen Wortsuchen, wie das in der wissenschaftli- chen Sprache heißt. Ich kenne zum Beispiel Physik in CERN, die stammen aus Öster- reich, die können sich eigentlich wissenschaftlich nicht mehr in Deutsch ausdrücken. Die können nur mehr Englisch reden. Englisch ist ja eine einfache Sprache in dem Sinn, die Sätze sind kürzer, es ist prägnant, eigentlich wesentlich die geeigneter Sprache für Natur- wissenschaft als zum Beispiel Deutsch, die Deutsche Sprache sind Schachtelsätze, die sind wesentlich komplizierter. Aber auch beim Publizieren ist es so, dass es wesent- lich einfacher ist vom Stil her im Englischen zu publizieren, weil die Sätze kürzer sind und dies wissenschaftlichen Erkenntnisse leichter vermitteln kann.

Ganz ohne Zweifel: Englisch ist zur Lingua Franca geworden, zur Verkehrssprache zwischen Sprechern verschiedener Sprachgemeinschaften. Auch in den Wissen- schaften. Es begann mit der Auswanderung und Vertreibung deutschsprachiger Wissenschaftler vor und während des 2. Weltkriegs und gerade der Boom elektro- nischer Kommunikationsmittel hat Englisch als leicht erlernbare Austauschsprache in seiner Bedeutung gefestigt. Bevor allerdings ein etwaiges Verschwinden von Deutsch als Wissenschaftssprache bemerkt und auch bedauert wird, ist es wichtig, die Funktionen einer Wissenschaftssprache im Universitätsgeschehen klar darzu- stellen. Drei wesentliche Punkte sind zu erkennen, sagt der Hochschulforscher Hans Pechar:

OT 4 / 1:10 Pechar

Das eine ist die Publikation von Forschungsergebnissen. Da hat sich das Englische am stärksten durchgesetzt und so wie jetzt ausschaut, auf lange Sicht wird sich daran nichts ändern. Das zweite ist bei Kommunikation auf Konferenzen, der Austausch von Forsche- rinnen. Und der Dritte wichtige Bereich ist, in welcher Sprache wird gelehrt. Hier aus einer Modetorheit heraus den muttersprachlichen Unterricht durch schlecht gesprochenes Eng-

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lisch zu ersetzten macht ja wirklich keinen Sinn, aber wenn Universitäten sich entschlie- ßen, internationale Studenten zu rekrutieren, dann müssen sie in der Regel auf Englisch umstellen.

Internationale Studierende bringen in der Regel den heimischen Universitäten mehr Geld, als sie kosten. Die Wahl der Sprache der Lehre wird somit – neben der welt- weiten Sichtbarkeit der Aktivitäten – auch zu einer Marketingentscheidung.
Doch zunächst zu einem grundsätzlichen Aspekt der Sprache, den der Überset- zungs- bzw. Translationswissenschaftler Gerhard Budin anspricht: die Rolle der Sprache im Erwerb von Wissen.

OT 5 / 00:41 Budin

Es ist einerseits einmal ein Ausdruck der Sprachökonomie. Das heißt, die menschliche Kognition funktioniert so, dass man für die Dinge, die man immer wieder braucht, oder die einen interessieren, dass man die mit Namen belegt, um auf sie mit referieren zu können. Denn wen ich jedes Mal sagen müsste, das ist ein längliches Instrument mit Haare drauf und da kann man reinsprechen, dann wäre das unökonomisch, wenn ich das immer sagen müsste. Wenn ich aber sage, das ist ein Mikrofon mit einem Windschutz, dann kann ich mich ökonomischer ausdrücken. Und dieses Grundprinzip wird in den Wissenschaftsspra- chen weiterentwickelt, aber für den Spracherwerb ist das ganz wesentlich.

Es ist aber nicht nur die Rolle des Hinweisens und Benennens, den die Sprache hier erfüllt. Sprache selbst schafft Wirklichkeit. Dies zeigt sich am besten bei der legistischen Wirklichkeit – ein Rechtssystem das erst entstehen kann, weil es Spra- che, weil es Terminologie gibt. Es ist demnach nicht egal, in welcher Sprache der Wissenserwerb stattfindet. Grundvoraussetzung für jede Wissenschaftssprache ist eine klar und differenziert entwickelte Terminologie. Die Dogmatikerin Mirja Kutzer bringt ein Beispiel aus dem Bereich der Theologie, sie beschäftigt sich mit „dem Bösen“.

OT 6 / 00:32 Kutzer

Ja, also allein schon der Ausdruck, den man benutzt, um das Böse zu beschreiben ent- scheidet letztendlich über die Phänomene, die ich darunter zu verrechnen versuche. Im Englischen haben wir „the evil“. „The evil“ würden wir im Deutschen übersetzen mit „der Böse“, oder „das Böse“ oder „die Böse“. Wir unterscheiden zwischen „dem Bösen“ als ei- ner wie immer zu fassenden Entität oder auch zwischen einer Person, die wir als personi- fiziertes Böses oder wie auch immer bezeichnen wollen.

Im Englischen fällt es leichter, einen Menschen wie Saddam Hussein als „das Bö- se“ zu bezeichnen. Diese Schwelle ist im Deutschen höher, weil es durch die Denk- konzepte, die sich hier durch das Deutsche ausdrücken, mehr Wahlmöglichkeiten

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gibt. Am besten eignet sich aber das Französische, um über das Böse nachzuden- ken, sagt Mirja Kutzer, und das eigentlich aus einem Mangel heraus.

OT 7 / 1:07 / Kutzer

Das klassische lateinische Wort für „das Böse“ wäre das „Malum“, im Lateinischen wird dann unterschieden zwischen malum morale, das Böse, das das moralische Verhalten des Menschen betrifft, und dem malum physicum, alles was wir unter dem Naturbösen subsu- mieren. Im Deutschen hätten wir hier die Möglichkeit zwischen dem Bösen und dem Übel, eine Unterscheidung die im Französischen so aber nicht funktioniert, denn da wird beides subsumiert unter „le mal“. Das heißt aber auch, dass sich unsere französischen Kollegen oder in der französischen Philosophie dieser Zusammenhang zwischen dem Naturbösen und dem Bösen im moralischen Handeln. als Problem viel unmittelbarer stellt als uns, denn wenn wir über das Böse nachdenken, müssen wir noch nicht zwangsläufig oder über das Naturböse, also das Übel nachdenken. Während gerade die Spekulationen wie wir sie bei Paul Ricoeur finden, gerade diese Verbindung versuchen zu suchen, wo liegt sie denn diese Verbindung zwischen dem Bösen und dem Naturbösen.

Viele Begriffe sind an eine bestimmte Wissenschaftssprache gebunden, und manchmal nimmt auch ein deutsches Wort den Umweg über das Englische wieder zurück ins Deutsche, zum Beispiel der Begriff „Einfühlung“, erzählt der Grazer Germanist Robert Velussig.

OT 8 / 00:38 / Velussig

Der Begriff „Einfühlung“ aus der deutschen Philosophie um 1900, das ist diskreditiert wor- den und über den Begriff der „Empathie“ wieder reimportiert. Das ist gewisserweise die Scheu einen Begriff zu verwenden, den Leuten verwende haben, mit denen man theore- tisch nichts mehr zu tun haben möchte. Insofern kann der Export und Reimport von sol- chen Begriffen dazu dienen, dass einem die Scheu von seinem solchen Phänomen wieder genommen wird, und besonders dieser Begriff Einfühlung ist etwas, was in der Literatur- wissenschaft der letzten Jahre besonders diskutiert worden ist.

Die notwendigen Übersetzungvorgänge beim Austausch des Wissens in unter- schiedliche Sprachen sieht der Translationswissenschafter Gerhard Budin nicht unbedingt negativ.

OT 9 / 01:45 / Budin

Meiner eigenen Erfahrungen nach ist diese Zweisprachigkeit Deutsch Englisch etwas posi- tives, weil man durch diesen internen Übersetzungsprozess ja eigentlich immer kreative Moment hat, und etwas weiterdenkt. Zum Beispiel wenn ich Unterrichtsmaterialien, ich

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habe das meistens auf Deutsch und auf Englisch, einmal unterrichte ich irgendwo international, aber auch dann hier auf der Universität und ich brauche dann zum selben Thema Unterrichtsmaterialen in zwei Sprachen, jedesmal wenn ich die Mate- rialien Aktualisierung, bei dieser Gelegenheit denke ich darüber nach, verbessere oder ergänze ich etwas, und. Natürlich gibt es auch Unterschiede in den Argumentati- onsstrategien in den verschiedenen Sprachen. Im englischsprachigen eher geradlinig, we- nig Degression, wenig Abweichungen, im Deutschen traditionellerweise eher komplex, mehrere Argumentationsstränge, die einander manchmal überschneiden, was für den Zu- hörer oder Leser nicht einfach ist oft, zu folgen, dann gibt es auch verschiedene weitere, wie arabische oder chinesische Argumentationslogiken. Andererseits durch diese Interna- tionalisierung der Wissenschaften konvergiert diese Denkweisen immer mehr, denn die Wissenschaftslogik doch wieder etwas mehr oder weniges sprachunabhängiges. Aber auch da wieder in den Naturwissenschaften wesentlich mehr sprachunabhängig, weil die Wissenschaftslogik auf einer allgemeinen Logik beruht, währen die hermeneutische Tradi- tionen, mit Verstehensprozessen und stark kulturspezifischen Ansätzen die Kulturspezifik dann doch eine Sprachspezifik ist

Mit einem Verschwinden des Deutschen aus dem Wissenschaftsbetrieb würde also tatsächlich Wissen verloren gehen, zumindest im nicht-naturwissenschaftlichen Bereich. Der Musikwissenschaftler Richard Parncutt aus Graz geht an der Schnitt- stelle Geistes- und Naturwissenschaft – selbst mehrsprachig – mit seinen Studie- renden einen konsequent zweisprachigen Weg. Er ermuntert seine Studierenden, die Zweisprachigkeit nicht nur in Kauf zu nehmen, sondern gezielt zu entwickeln, und wählt selbst aus dem Fundus der Sprache jene aus, die am besten zu seinen Anforderungen passt. Richard Parncutt erzählt von einem Tag der Geisteswissen- schaften an der Uni Graz, für den sein Institut gebeten wurde, ein gutes Zitat aus der Musikwissenschaften auszuwählen, eines das das Forschungsthema „Musik“ am treffendsten beschreibt.

OT 10 / 01:34 / Parncutt

Wir haben uns entschieden, dass unser Zitat auf Englisch sein wird. Ich meine, ich fand das eigentlich nicht gut, aber in jedem Fall ist ein sehr interessantes Zitat: „Music doesnʻt just happen. It is what we make it and what we make of it“. Nun, wenn man versucht, das zu übersetzen, dann findet man, dass eigentlich die englischsprachigen Menschen viel- leicht nicht klar sind, was es bedeutet. Wenn man sagt: „Music is what we make it“, das heißt Musik hat einen gewissen Stellenwert und es hängt von unserer Einstellung wie gut oder wichtig Musik ist, das kann man aber nur relativ ausführlich erklären. Und dann kommt er nächste Satz „und what we make of it“. Und das heißt, wenn wir aktiv versuchen Musik zu fördern und Musik zu interpretieren oder eine Konstruktion von einer Musikwis- senschaft, Musikwissenschaft zu konstruieren, dann kriegen wir eine neue Version von Musik. Und das kann man auch ausführlich erklären, aber in dem englischen Satz ist es sehr knapp. Und dann entsteht die Frage sollte man das übersetzen wollen, soll man ei- nen Satz schreiben, der zwei mal so lange ist, oder drei mal so lang, und man wird natür- lich nie auf die gleiche Bedeutung kommen, weil die gleiche Bedeutung nicht definiert ist. Das hat man auch innerhalb der deutschen Sprache oder englischen Sprache, dass man nicht immer sagen kann, was man sagen will, das ist nämlich ein Thema in der Musikwis-

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senschaft, dass man bestimmte Erfahrungen in der Musik nicht beschreiben kann, weil die Wörter fehlen. Das nennt man auf Englisch „ineffability“, das man etwas nicht vollständig beschreiben kann.

Ineffability. Das ist in der Musik das Fehlen einer Beschreibung, wo die Worte feh- len. Was in der Musik ganz alltäglich ist, fällt sprachenpolitisch unter den Begriff Domänenverlust. Oft einfach nur aus praktischen Gründen – Zeitsparen, begrenzte Ressourcen, wird nicht nur der Wissensaustausch, sondern die Forschung selbst in Englisch gemacht. Das kann dazu führen, dass diese Themen dann nicht mehr in der jeweiligen Landessprache diskutieren werden können. In Schweden ist das nicht wie in Österreich vor allem bei naturwissenschaftlichen, sondern auch in den geisteswissenschaftlichen Fächern der Fall, erzählt die schwedische Translations- wissenschafterin Elizabeth Tiselius.

OT 11 / 00:31 7 Tiselius / Übersetzung

In Schweden haben wir das Problem, dass mehr und mehr Forschung ausschließ- lich auf Englisch gemacht wird. Das schafft einen Verlust, einen Domänenverlust. Wir verlieren dabei die gesamte Terminologie in der schwedischen Sprache und haben damit nicht mehr die Möglichkeit diese Forschungsfelder auf Schwedisch, in unserer Muttersprache zu diskutieren.

Elisabeth Tiselius wünscht sich, dass Schwedisch wenigstens Englisch gleich ge- stellt wird, damit ihr Universitätsinstitut auch die rechtliche Grundlage hat, schriftli- che Arbeiten sowohl in Englisch, als auch in Schwedisch zu verfassen. Das ist aber noch nicht der Fall. In der praktischen Arbeit muss sie einen Weg finden, die feh- lende Terminologie in den schwedischen Text einzubetten.

OT 12 / 00:41 / Tiselius / Übersetzung

Ich kann Ihnen da ein Beispiel aus der Zweisprachigkeitsforschung geben. Hier geht es um input und output. Input ist das was wir Menschen hören, und output was wir sprechen. Aber wie soll ich das auf Schwedisch nennen? Inströmung und Aus- strömung vielleicht, oder Zuhörung und Produktion? Oder soll ich input und output unter Anführungszeichen setzen? Das ist eine schwierige Frage, und wir müssen uns viel mehr bemühen, eine schwedische Terminologie nicht nur zu erhalten, son- dern auch aufzubauen.

OT 13 / 01:21 / Tiselius / Übersetzung

Man kann ja auch nur in seiner Muttersprache wirklich philosophisch sein, nur in seiner Muttersprache kann man wirklich große und schwierige Fragen diskutieren. Die schwedischen Forscher sollen ruhig international auf englisch wetteifern und

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sich austauschen, aber sie sollen auch den selben Eifer aufwenden, die schwedi- sche Terminologie zu verwenden und zu entwickeln – man kann ja nicht sagen, ach ich habe ja all meine Forschung auf Englisch gemacht, und deswegen werde ich nur Englisch verwenden. – Ich will ja nicht nur mit Leuten im Ausland über meine Forschung reden, sondern auch mit meinen Schülern, oder mit jemandem, den ich zufällig auf der Straße treffen, und erkläre, was ich beruflich mache. Und das kann man nicht machen, wenn man komische Begriffe wie input und output verwendet, oder vielleicht noch schlimmere Begriffe… [lacht].

OT 14 / 00:18 De Cilia

Ich denke, dass Englisch zentrale Rolle hat in der internationalen Kommunikation als Ver- kehrssprache, als Publikationssprache, es ist wichtig, den Studierenden und lehrenden Forschern dementsprechend gute Kompetenzen zur Verfügung zu stellen, …

Der Sprachwissenschaftler Rudolf De Zilliar, Universität Wien. OT 15 / 00:32 De Cilia

… darüber sollte man nicht diskutieren müssen, das ist klar, aber trotzdem ist es wichtig, Nationalsprachen, die ja hochentwickelt sind, deren Entwicklung Jahrhunderte lang ge- dauert hat, die in der deutschen Aufklärung begonnen als funktionsfähige Wissenschafts- sprache, praktiziert und gefördert worden. Eine Politik der Mehrsprachigkeit halte ich für wichtig und nicht die der Einsprachigkeit.

Es ist meist nicht bloß der Wille, der eine nationale Sprache weg vom Wissen- schaftsbetrieb driften lässt. Die Pflege der nationalsprachlichen Terminologie braucht vor allem Zeit und Geld, und natürlich einen sprachenpolitischen Rahmen. In Österreich ist die Wahl der Sprache den Universitäten selbst überlassen. Die Kosten der Mehrsprachigkeit werden dabei oft als Belastung gesehen, und de facto bleiben auf den Internetseiten der Institute Englisch oder Deutsch – die eine oder andere Sprache oft unberücksichtigt. Die Sprache als notwendiges Übel?

OT 16 / 01:13 / De Cillia

Das ist das Argument das häufig gebracht wird, das ökonomistische Argument, die Kosten der Mehrsprachigkeit. Es gibt Leute, die drehen das um: die sagen, die Kosten der Ein- sprachigkeit , die Einsprachigkeit ist teurer. Die Einsprachigkeit hat wenn man so will dann soziale Kosten. Kosten sind ja nicht nur ökonomische Kosten. Wenn man generell gese- hen einsprachige Politik macht, riskiert man soziale Konflikte. Roland Bart sagte, einem Menschen seine Sprache nehmen, alle legalen Morde beginnen da, und natürlich wehren sich die Menschen, dass man Sprache nimmt. —- Das könnten sozialen Kosten im Wissenschaftsbereich sein. Die Entwicklung der Wissenschaftssprachen im Mittel- alter hat zu Beginn der Neuzeit, 16. Jahrhundert aufwärts mit der Demotisierung der

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Wissenschaft, mit der Demokratisierung der zunehmenden Entwicklung der einzel- nen Wissenschaftssprachen dazu geführt, dass das Wissen immer mehr allen Be- völkerungssprachen zur Verfügung gestellt werden konnte. Das Mittelalter war ja letztlich eine dogmatische Form der Wissenschaft, wo die Dogmatik über die Jahr- hunderte fortgeschrieben hat, was richtig und was falsch ist.

Nicht zufällig haben diese neuen Wissenschaftssprachen, die in allen europäischen großen Ländern starteten, das Englische, das Französische, das Spanische, dazu geführt, dass die Wissenschaft demokratisch wurde.

OT 17 / 00:37 / De Cillia

Ein wissenschaftlicher Unitarismus, so schätzen das Kolleginnen und Kollegen ein, wenn man nur in einer Sprache forscht und kommuniziert, auch im deutschsprachigen Raum nur noch auf Englisch kommuniziert, was in bestimmten Bereichen jetzt schon der Fall ist, dass man wieder zu einer Entdemokratisierung der Wissenschaft kommt, dass zum Bei- spiel die Medizin immer weniger in der Lage ist, auch der breiten Bevölkerung zu kommu- nizieren, was da passiert, was die Forschungsergebnisse sind, wie Therapien durchzufüh- ren sind oder durchgeführt werden.

Der FWF, der Wissenschaftsfond ist Österreichs größter Geldgeber für For- schungsprojekte. Der Fonds bemüht sich in seinen Eingabeformularen ausdrück- lich um Zweisprachigkeit – die Projektbeschreibungen selbst sind allerdings nur noch auf Englisch einzureichen – auch in den Geisteswissenschaften. Die Antrags- sprache Englisch ist eine autonome Entscheidung des FWF und hat vor allem den Grund, dass Gutachten über die Förderungswürdigkeit der Projekte ausschließlich im Ausland eingeholt werden. Hier werden gewinnen zunehmend auch die sprach- lich weiter entfernten EU Länder und Asien von Bedeutung. Einzig für Germanisten gibt es Ausnahmen erzählt die germanistische Mittelalterforscherin Karin Kranich.

OT 18 / 00:28 / Kranich

Es gibt aber auch Kooperationen, wo auch technische Fächer mit geisteswissen- schaftlichen Fächern kooperieren, es gibt Programme, die grundsätzlich überhaupt Englisch strukturiert sind, dort ist es schon so, dass man zum Projektantrag eine englische Version dazugeben muss, manchmal auch englischsprachiges Hearing gemacht wird. Dazu müssen wir uns in irgendeiner Form aufraffen.

Die englischsprachige Weiterbildung erfolgt dabei im eigenen Interesse, sagt Karin Kranich.

OT 19 / 00:29 / Kranich

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Da muss man sagen, es gibt an den österreichischen Unis, in Graz ist das ziemlich gut ausgebildet, ein hausinternes Weiterbildungsprogramm, da gibt es einen Kurs der Standard ist, den besucht man immer wieder. Da gibt es einen Kurs, der Stan- dard ist, English for Academic Purposes, den besucht man immer wieder oder auch English conversation in Academical teaching, oder derartiges, das ist in einem ge- wissen grad auch Selbstschutz, weil man dort Ängste abbaut, nicht kommunizieren zu können.

Was ist der Unterschied zwischen ‘Sein’ und ‘Dasein’ bei Heidegger? Den Un- terschied zwischen ‘Sein’ und ‘Dasein’ kann man noch relativ leicht auf eng- lisch erklären, bei ‘Sein’ und ‘Seiendes’ wird es dann schwieriger,
recht mit der „Seiendheit des Seins!“. – Der Franz Pöchhacker kennt die Tücken der Übersetzungen, selbst bei einfacheren Themen. Für ihn ist Sprache kein notwendiges Übel, sondern eine Faszination, die sich manchmal besonders erst zeigt, wenn von einer Sprache in die andere übersetzt wird.

OT 20 / 1:20 / Pöchhacker

Von der Motorentechnik bis zu den Kunststoffen bis zu politischen Überlegungen findet man überall Beispiele für schlechtes Englisch, so nach dem Motto der Äußerung die einem deutschen Bundeskanzler einmal zugeschrieben wurde, als er sich kurz fas- sen wollte und auf Englisch referierte und eingangs sagte: Ladies and Gentlemen, let me be short and pregnant. Aber es gibt vor allem durch sehr extreme Akzente im englischen aus neuerer Zeit Beispiele, wo dann auch die Dolmetscher drüberstolpern. Das sind dann Fälle wo die internationale Sprache Englisch für die Wissenschaft zu Verständ- nisschwierigkeiten führt, weil die Kollegen das stark akzentuierte koreanische oder italieni- sche Englisch nicht gut verstehen oder weil auch mitunter die Dolmetscher drüberstolpern können. Der Kollege hat mir vor ein paar Wochen gesagt, dass er den Ausdruck „stud- eyes“ offenbar als etwas mit Augen verbundenes rezipiert hat, und nicht wusste, was er mit diesem stud-eyes tun sollte, bis er dann draufkam, dass das eine sehr schlechte Aus- sprache des englischen Wortes studies war. Da kanns dann sicher beim Dolmetschen zu Reibungsverlusten kommen.

Englisch ist zur Lingua Franca der Wissenschaften geworden. Zur Verkehrs- sprache, deren Niveau, bei denen, die sie verwenden, aber gar nicht an das hohe Sprachniveau von Muttersprachlern heranreichen müsste. „Gutes“ Eng- lisch gibt es aber eigentlich es nicht unter jenen, die Englisch als Verkehrs- sprache benützen – es ist eine Frage der „Angebrachtheit“. Diese unter Ang- listen nicht unumstrittene Sicht vertritt die Anglistin und Lingua Frank For- scherin Barbara Seidlhofer.

OT 21 / 00:25 Seidlhofer Lingua Franka

und erst

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Dolmetschwissenschaftler

Es ist immer die Frage für welchen Zweck, welche Funktion erfüllt die Sprache, und nicht den Formen nach, gut oder perfekt. Natürlich kann man sagen, Queen English oder Hipp Hopp English sind echt, das sind Sprachformen, die von Native Speakern gesprochen werden. Gleichzeitig wenn ich mit Queens English oder mit Hipp Hopp English auf eine Mathematikerkonferenz sein, werde ich völlig fehl am Platz sein.

Bad Simple English – nennen Spötter die schlechte Qualität der international gesprochenen Englischs nennen – und dieses schlechte English wird trotz jahrelangen Sprachenlernens auch noch mittelmäßig ausgesprochen. Auch sei nicht grundsätzlich ein Problem.

OT 22 / 00:42 / Seidlhofer

Vokale, die etwa in der Perzeption sehr hervorstechen, weil Sie gerade gesagt haben Bad Simple English, wenn das ein Österreicher gesagt hat, sagt er Bad Simple English statt einem offenen A Laut spricht er es mit einem E Laut aus, und statt English sagt er INglish. Das macht abe rin der internationalen Verständigung keine Schwierigkeiten. Aber wenn ich meine Konsonanten nicht aussprchen kann, außer dem TH, und zum Beispiel wenig Unterschied mache zwischen einem pill und bill, dann wäre das eine Unterscheidung, die wichtig wäre, und auch die Apsiration von dem pill.

Für den englischsprachigen Unterricht an Schulen hätte eine Stärkere Berücksich- tigung von Englisch – nicht als Kultursprache, sondern als Lingua Franca – als Aus- tauschsprache – besondere Bedeutung, sagt Barbara Seidlhofer.

OT 23 / 00:42 / Seidlhofer Lingua Franka

Jetzt nicht in dem Sinn, das man schlechtes Englisch unterrichte, sondern dass ich in der beschränkten Unterrichtszeit ich Dinge unterrichte, die für die internationale Kommunikati- on wichtig sind. Das heißt ich werde mich dann nicht stundenlang hinstellen und meinen Schülern sagen, gibt die Zunge zwischen die Zähne und spuck ein bisschen und sag think, und gleichzeitig aber schauen, dass die Längen der Vokale, ob ich sage to be oder the bee sage, dass sie die Konsonanten richtig aussprechen, von denen man weiß, dass sie für die internationale Verständlichkeit wichtig sind.

SPRECHERIN

Sie hörten: Quantensprung – oder vielleicht besser Quantum jump?

OT 24 / 00:57 / De Cillia

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Die Sprache als Instrument der wissenschaftlichen Aneignung der Realität außer- sprachlichen Realität, die unterschiedlich organisiert ist je nach Einzelsprache, das ist das zentrale Argument all jener die der Meinung sind, eine einzige Wissen- schaftssprache ist ein Verlust. Ich glaube das schon, wenn jemand nicht mehr in der seiner Muttersprache, Erstsprache, oder die Sprache, die man am besten be- herrscht, wenn man nicht mehr darin forschen kann, weil die nicht mehr als Wis- senschaftssprache funktioniert, dann ist man nicht mehr konkurrenzfähig mit de- nen, die das in ihrer Muttersprache tun. Und zwar was die wissenschaftliche Kreati- vität betrifft. Und ich glaube, das wissenschaftlich Forschung in Chemie, Physik, überall, ein eminent kreativer Prozess ist, und nicht einfach eine reine Terminolo- giefrage sozusagen.

SPRECHERIN

Eine Sendung zur Frage der Einsprachigkeit der Wissenschaft von Lothar Boding- bauer.

OT 25 / 00:16 / De Cillia

Man kann Wissenschaftssprache sicher nicht reduzieren auf Nomenklaturen, auf Termino- logien, die man von einer Sprache in die andere ganz einfach übersetzen kann. Dort, wo kreatives Forschen stattfindet, dort spielt die Sprache eine zentrale Rolle.

Sprecherin

Gesprochen haben ____________ und der Gestalter. Morgen in den Dimensionen…

DIE ABSAGE WIRD EIN BISSEL LÄNGER. ICH HABE SIE IM BÜRO. SIE KANN VON NINA STREHLEIN GESPROCHEN WERDEN…

18281 14:00