4. Nov 2011 | Radioschule
Aufnahmen bei der Kuh am Mittelpunkt Europas (Litauen)
Technische Bemerkungen – welche Hardware brauche ich für Radioaufnahmen?
Tipp: Erst einkaufen, wenn man mit einem Radiobeitrag auch Geld verdient. Man kann sich die Geräte auch ausleihen, wenn man einen konkreten Beitrag plant bzw. vereinbart hat. Wer aber gerne mit Aufnahmegerät und Mikro auf Urlaub fährt, statt mit einem Fotoapparat, dann kann dadurch natürlich einen Gleich-Kauf gut argumentieren! Link: Aufnahmebeispiel aus Schottland.
Welches Aufnahmegerät ist empfehlenswert?
Kassette, DAT, MiniDisk ist vorbei. Heute nimmt man auf Speicherkarten auf, was den Vorteil hat, dass die gesammelten Töne mit USB Kabel direkt als Daten auf den Computer übertragen werden können. Wichtig ist ein ordentlicher Mikrofonstecker (XLR, Klinke), der sich nicht ausnörgelt, sowie eine manuelle Aussteuerungsmöglichkeit. Mein Aufnahmegerät ist ein Zoom F8 Field Recorder, braucht wenig Batterien und kann auch Podcast Aufnahmen mit bis zu 8 Mikroeingängen machen.
Welches Mikrofon ist empfehlenswert?
Eine gute Wahl schlägt sich spürbar in einer guten Tonqualität nieder. Vermutlich ab 100-200 Euro wird ein gutes Mikrofon kosten. Ob Mono, oder Stereo kommt darauf an, ob man Interviews aufzeichnet (Mono) oder viel mit Geräuschen arbeitet (Stereo). Wichtig ist ein weiches Mikrofonkabel, mit einem harten gibt es schnell Nebengeräusche. Beispiele finden sich hier. Meines ist ein AKG 1000S (Mono), und ein Beyerdynamic MCE82 (Stereo). Ich verwende beide mit einem sympathischen Rycote Windschutz draußen vermeidet Windgeräusche.
Neuester Zugang: Yellowtec iXm Mikrofon mit Beyerdynamics Kapsel mit Nierencharakteristik, das das Aufnahmegerät digital eingebaut hat. Mono. Das heißeste Ding auf Erden. Gekauft bei Studer in Wien. Link zum Mic.
In welchem Format wird aufgezeichnet?
Idealerweise als verlustfreies WAV File. Etwas mehr als eine Stunde Stereo passen auf 1 GB Speicherkarte. Wenn der Speicherplatz knapp wird, kann man auch als MP3 (128, 44100) aufzeichnen, hat plötzlich 17 Stunden Speicherplatz, ist annähernd genau so gut, hat aber ein leicht höheres Rauschen.
Yellowtec iXm
Das soll man sich alles kaufen?
Erst wenn man damit Geld verdient, oder statt einem Fotoapparat einfach grundsätzlich gerne mit einem Tonaufnahmegerät auf Reisen geht. Hier ist ein Beispiel für so ein “Audiofoto”.
Welches Schneideprogramm ist empfehlenswert?
Das ist mehr eine Frage des Geschmacks, da eigentlich alle Schneideprogramme die einfachen Schnittmöglichkeiten haben, die man für Radiosendungen braucht. Kostenlos ist Audacity, ich habe auf meinem Mac Book mit ProTools, gearbeitet, bin aber auf Hindenburg umgestiegen; der ORF arbeitet überall mit DIGAS, einige Leute arbeiten mit Adobe Audition, in die Podcast-Richtung geht Reaper/Ultraschall. Mit allen diesen Programmen lassen sich mehrere Audiofiles in mehreren Spuren auch zu komplexeren Beiträgen arrangieren. Aber mein Renner für *Radio*beiträge ist Hindenburg Journalist, ca. 85 Euro. Großartig. Macht genau was man braucht: schneiden, Clips speichern, arrangieren, Level automatisch, Blenden machbar. Empfehlung.
Wird viel geschnitten?
Für Radio schon. Zum Beispiel 76 Schnitte auf 4:20 min. in diesem Hörbeispiel: Link, mp3
Fehlt noch ein Ton?
Den kann man sich hier kostenlos ausborgen. www.freesound.org. Einige beiläufig aufgenommene Atmos von mir sind hier zu finden: www.freesound.org/people/vollkornbrot
3. Nov 2011 | Radioschule
Gelesen wird das Manuskript im Studio.
- Nie das, was man hört. Schlecht: “Es ist Nacht, die Hunde bellen. Sanft rauscht der Wind.” – Die Hunde hört man ja bellen. Den Wind kann man schon erwähnen, weil der nicht so eindeutig nach Wind klingt.
- Nie das, was man nicht geschafft hat. Angenommen man macht eine Sendung über den Straßenmeister, und ärgert sich, dass man nicht um 7 Uhr Früh da war, als alle Mitarbeiter noch da waren, und die Ausgabe der Tagesarbeit war. Jetzt sind alle weg, und irgendwie könnte das langweilig werden, wenn nur der Straßenmeister spricht, der als einziger im Büro ist. Schlecht: “Alle sind weg, nur noch der Straßenmeister ist da.” (Der Hörer denkt sich: wäre doch der Gestalter früher gekommen, muss ich DAS jetzt hören?). Besser: “Alle sind weg. Es ist ruhig in der Straßenmeisterei. Endlich ist Zeit zu reden.” – Da freut sich der Hörer gleich mit, und ist froh, dass er den Trubel nicht aushalten muss.
- Schöne klare Sätze. Redundanz vor Varianz. Also: Wörter wiederholen ist besser, als sie zu variieren. Schlecht: “Bundeskanzler, Bundeskanzleramt, Ballhausplatz”, sondern lieber drei mal “der Bundeskanzler”. Schlecht: “Sonne, Zentralgestirn, Mutterstern”, besser: drei mal Sonne. Eine Banalität ergibt sich erst, wenn der restliche Text nichts taugt, sonst ist es eher wohltuend, weil jedes Mal denken “Aha, Zentralgestirn = Sonne” kostet den Hörer 3 Sekunden, die er abgelenkt ist, in denen er dem Verlauf der Sendung nicht folgen kann. Das bedeutet auch: nach schwierigen Wörtern einige Sekunden leichten Inhalt bringen.
- Der gute erste Satz. Wenn der nicht gut war, braucht es schon einen zweiten, der den ersten korrigiert. Und das wäre doch schade, denn sonst könnte man schon einen zweiten guten Satz weiter spinnen.
- Unbedingt das Manuskript zwischendurch laut lesen. Wir schreiben für’s Gehört werden, nicht für das Gelesen werden.
- Verzicht auf Ironie, Sarkasmus, Zynismus und andere Stilelemente. Die sind normalerweise durch den Text nicht hörbar.
- Eher lässt man nichts unausgesprochen. Anders formuliert: was gehört werden soll, wird ausformuliert.
Die Form: Wie sieht ein Manuskript aus?
Es gibt wahrscheinlich so viele Manuskriptformen, wie es Gestalter gibt. Man schreibt ein Manuskript einfach so, dass man sich auskennt, wenn man es liest. Wenn es ein Unbeteiligter liest.
Ein Manuskript ist natürlich mehr als der bloße Text, den man vor dem Mikro vorliest. Es beinhaltet Regieanweisweisungen ebenso wie die zu spielenden Originaltöne (OTs) und Geräusche (Atmos). Hier ist ein Beispiel für ein Manuskript. Die Sendung dazu kann man hier hören.
Fehlt noch ein Ton?
Den kann man sich hier kostenlos ausborgen. www.freesound.org
Einige meiner schönen Atmos sind dort zu finden: www.freesound.org/people/vollkornbrot
Gibt es noch ein paar Tipps für die Beitragsgestaltung?
Ja. Erste Ideen für Umsetzungen sind das was sie sind: erste Ideen. Die zweiten und dritten Ideen sind dann interessant.
Beispiel: Beitrag spielt in der Schule. Ich bräuchte ein Geräusch, das nach Schule klingt. Erste Idee: Schulklingel. Weg damit. Zweit und dritte Idee? Her damit.
3. Nov 2011 | Radioschule
Eine Übersicht als PDF gibt es hier.
Wie macht man Radio? Oder Podcasts?
Freundlich sein, sich etwas erzählen lassen, zuhören, nachfragen, aufmuntern.
Interviews – Aufnahmearten
Es gibt zwei Arten von Interviews für Radiosendungen und zwei Arten von Radiosendungen: Livesendungen und Sendungen mit vorab gestalteten Beiträgen. Rechercheinterviews sind Gespräche, die man als Journalist führt, um Informationen zum Thema der Sendung erhalten, von der Person, mit der man diese Gespräche führt.
Frage: Wie welche Farbe hat Ihr neuer Esel? Antwort: Weiß!
Keinesfalls findet so etwas innerhalb einer Livesendung statt, der Hörer würde den Fragenden für nicht sehr schlau erachten. Hier hätte man besser vorher recherchiert, dass der neue Esel weiß ist, und kann die Frage darauf aufbauen.
Frage: Ihr neuer Esel ist weiß. Grau war nicht gut genug?
In Livesendungen kommt man vielleicht auch in die Situation, etwas besser vorher recherchiert zu haben, man hat es aber nicht gemacht. Da gibt es einen Trick, zum Beispiel, wenn man nicht weiß, dass der neue Esel weiß ist.
Frage: Welche Farbe hat der neue Esel für Sie?
Die meisten Interviews wird man aber aufzeichnen, um Teile (OT’s / Originaltöne) daraus in gebauten Beiträgen zu verwenden. Hier gibt es sehr wohl die Möglichkeit, schon das Rechercheinterview mit Mikrofon und Aufnahmegerät zu führen – wenn das dem Interviewpartner recht ist. Manche Leute sagen, “ach nehmen wir doch einfach auf, Sie nehmen eh nur das, was Ihnen passt”.
Das ist schon richtig und meist geht das auch gut. Aber schnell hat meine eine halbe Stunde Gespräch aufgenommen und die Bearbeitungszeit danach wächst fast exponentiell mit der aufgenommenen Aufnahmezeit. Die Aufnahme muss durchgehört und transkribiert oder exzerpiert werden, die richtigen Stellen müssen identifiziert und herausgeschnitten werden. Vorteil ist aber, dass man alle Informationen auf Band hat, und auch sehr wirklichkeitsnahe Aussagen hat, die nicht sehr konstruiert sind. Ein weiterer Nachteil, dass die Interviewpartner auch ermüden – für die ist das doch auch anstrengend.
Besser ist wahrscheinlich, das Recherchegespräch ohne Mikrofon zu führen, Einzel- und Besonderheiten in einem Notizbuch zu notieren, und danach jene Punkte zu identifizieren, die nur der Interviewpartner so gesagt haben kann – und kein anderer. Man formuliert zu diesen vielleicht drei Punkten drei schöne Fragen und nimmt nur diese Antworten auf. Die Interviews dauern in diesem Fall nur 10 Minuten, sind kompakt, leicht zu bearbeiten und der Qualität tut das keinen Abbruch – im Gegenteil.
Beispiel für ein Rechercheinterview mit Mikrofon: Gespräch mit dem Regisseur Markus Kupferblum, für die Sendung “der Schrei auf der Bühne”. Das Interview hier ist leicht auf Versprecher geschnitten, es erzählt so viel über das Theater, dass es auch schön in voller Länge hörbar ist. Link: Lob und Tadel #008
Interviews – Inhalte
Zur Sicherheit: hier ist von Interviews für nicht tagesaktuelle Sendungen die Rede. Für Hintergrundgeschichten, für das Feuilleton, für Features, für Reisesendungen, gebaute Beiträge und gebaute Reportagen.
- Alles kann man fragen, die eigenen Fragen schneidet man ohnehin raus. Blöde Zwischenfragen helfen oft: “Hä?” oder “Das verstehe ich leider nicht”, etc.
- Ist eine Zwischenfrage schön gestellt und passt sie gut dazu, bleibt sie drinnen.
- “Was bedeutet das konkret?” ist eine der wichtigsten Nachfragen auf zu allgemeine oder abstrakte Antworten.
- “Erzählen Sie mir doch mehr darüber!” ist eine der wichtigsten Aufforderungen zum Weiterreden, wenn der Interviewpartner (zu) kurz antwortet.
- Wenn man nach wiederholtem Nachfragen keine klare Antwort erhält, kann man sagen: “Habe ich Sie richtig verstanden, dass … ” – und dann sagt man genau das Falsche. Was dann als Reaktion kommt, kann man sicher verwenden.
- Man kann das Mikrofon durchaus schon früher einschalten. Zum Beispiel, wenn man an der Haustüre anläutet und durch das Stiegenhaus nach oben geht, und an der Wohnungstür “Hallo” sagt. Das geht dann in Richtung Originaltonfeature, ist oft nett, man muss aber aufpassen, dass es auch nett klingt, Grund hat und nicht beliebig ist.
- Soviel ich weiß, ist die Anwesenheit eines Mikrofons implizit mit einer Einwilligung zum Gesendetwerden verbunden – bis zu dem Moment, in dem der Interviewpartner das weitere Aufnehmen bzw. Verwenden verbietet. Nachträglich kann er das auch nicht widerrufen. Einzige Möglichkeit, für ihn nicht gehört zu werden, ist still zu sein. Sonst kann man wenigstens noch “Ich sage dazu gar nichts, und Sie dürfen das auch nicht verwenden” verwenden. Man wird allerdings bei “freundlichen” Interviews immer dem Gegenüber die Möglichkeit geben, etwas noch einmal zu formulieren, bzw. auch die nachträgliche Bitte, das so nicht im Radio zu spielen erfüllen. Man gewinnt hier auch beim Hörer nichts, wenn man hier zu platt vorgeht. Die meisten Menschen haben auch keine Erfahrung mit Medien, und wir führen niemanden vor. Anders ist das allerdings bei trainierten Interviewpartner, die partout nichts sagen wollen, aber eben doch reden wollen. Hier sind wir schon etwas schonungsloser – allerdings nur, wenn der Hörer etwas davon hat. Siehe nächster Punkt.
- Nie persönliche Kränkungen in irgend einer Weise auf Sendung bringen.
- Nonverbales Nachfragen bzw. Bestätigen. Alles was der Interviewende an bestätigendem “Mhm” gleichzeitig sagt, kann nicht rausgeschnitten werden. Im Fernsehen ist das der nickende Interviewende. Also: Mund halten. Nicken – im Radio geht das eben. Oder ganz entsetzt oder nachfragend schauen, wenn etwas gesagt wird, was man gerne noch erklärt hätte.
- Still zu sein, nachdem man den ersten Antwortschwall erhalten hat. Nichts sagen, ist auch ein gutes handwerkliches Mittel, mehr als nur die erste Reaktion zu erhalten. Nicht nachfragen. Ermunternd anschauen, warten was kommt. Nachdenken braucht Zeit, und diese Zeit wollen wir doch geben.
- Eine Frage die man stellt, braucht normalerweise keine möglichen Antworten, die man selbst als Auswahlmöglichkeiten formuliert. Also: Frage stellen und warten. Gut: “Wie geht es Ihnen jetzt zuhause in Wien nach dieser langen Reise?” Eher schlecht: “Wie geht es Ihnen jetzt zuhause in Wien nach dieser langen Reise? Sind Sie traurig, dass Sie wieder da sind, oder eh ganz froh, dass blablabla.”
- Interviews auf der Straße sind am besten durch die Frage selbst einzuleiten: “Ich arbeite an einer Sendung über den Mund und würde Sie gerne fragen, ob Sie mit Ihren Lippen zufrieden sind?” ist erfahrungsgemäß besser als: “Entschuldigen Sie bitte, hätten Sie kurz Zeit für ein Interview?”
Interviews – Risikogruppen
Wir sind uns ja einig, dass Interviews geführt werden, damit die Menschen über ihr Tun erzählen und oft dieses Tun auch reflektieren. Das gelingt bei Bildhauern, Handwerkern, Tierpflegern, Leute, die etwas Besonderes tun oder können meist immer gut.
Es gibt aber bestimmte Berufsgruppen, für die “Reflektieren” bedeutet, in eine artifizielle Sprache zu fallen, in ihre Berufssprache, in Nebelbegriffe, härter formuliert, in “Bullshit”. Manchmal aus Absicht, oft aus Angst, etwas Falsches zu sagen, meist aber aus dem internen Stil, in diesem Berufsbereich so miteinander reden (zu müssen).
- Mitarbeiter von NGOs und Lobbyingorganisationen. Sie haben oft so eine Konzeptsprache drauf, die schwer im Radio verwendbar ist. Das Problem “zu schielen” wird dann schnell zur “komplizierten Sehsituation”, die jemand hat; man bittet nicht um Hilfe, sondern man bittet jemanden “bei diesem Prozess zu begleiten”. Auch das “gegenderte” Reden bringt im Radio nichts. ReporterInnen: Das Binnen-I hört man ja nicht, und wenn man in einem Satz drei mal beide Geschlechtsversionen hat, kann man diesen Satz nicht mehr hören. Es gibt Alternativen, die man meist durch Nachdenken herausfindet und ja, gerne auch nur die weibliche Form.
- Marketing. Pressestellen. Es geht hier darum, die strategischen Begriffe in die Medien zu bringen. Wenn irgendwann einmal dann doch ein Gespräch entsteht, und es wird ein strategischer Begriff vergessen, wird er gnadenlos nachgeschoben. Alle Eventualitäten werden bedacht. Damit man nur nicht jemanden ausschließt, damit man nur nicht kritisierter wird. Die Interviews werden dadurch meist unbrauchbar. Schade. Es wäre schön, wenn Berater den Leuten beibringen würden, dass sie für längere Radiosendungen verständliche Reflexions- und Kommunikationssprache brauchen. Aber irgendwie ist es auch klar: für Fernsehen und Extremkurzradiobeiträge müssen die Aussagen in 20 Sekunden zusammengefasst werden. Da geht’s nur mit Schlagworten – die dann eben bei längeren Sendungen zu Hülsen werden.
- Man selbst. Es ist nicht zu verhindern, dass man irgendwann glaubt, dass man “weiß, wie es geht” oder sich selbst im Weg steht. Dann ist Zeit, wieder ein paar Sendungen von ganz wo anders anzuhören. Zum Beispiel von der BBC – Medical Matters. Dort treten immer wieder die Reporter selbst sehr hör- und spürbar auf – wahrscheinlich hochinsziniert und vorbereitet, aber eben professionell.
Und bei Podcasts ist alles ein bisschen anders.