67. Physik im Hohen Norden

67. Physik im Hohen Norden

Foto: Radiarantenne (Eiscat radar) in der Nähe von Sodankylä, Finnland

Nordlicht, Klimawandel und die Physik der Kälte und Finsternis: Der hohe Norden ist für Physiker ein ganz besonders spannendes Gebiet. Den Nordlichtern auf der Spur verfolgen die Wissenschaftler mit Radaranlagen und Messraketen Erscheinungen der hohen Atmosphäre. Sie studieren das Magnetfeld im Norden Finnlands und beschäftigen sich nebenbei noch mit den Auswirkungen extremer Kälte auf den Menschen.

Link zur Physikalischen Soiree 123 | Manuskript (PDF) | Sendung (mp3)


Mauksript

01 Zitat Weyprecht 0:13

 

Um den Pol herum flimmern und flackern nach allen Seiten die kurzen Strahlen, in der Richtung nach dem Punkte in der Nähe des Zenits, gegen den der Südpol der freien Magnetnadel zeigt. Was wir sehen ist die Nordlichtkorona.

Sprecherin
Physik aus Lappland.

02 OT Samenfrau / Fuchsfeuer 0:18

Nordlicht heißt auf Finnisch Revontulet. Das heißt eigentlich Fuchsfeuer. Und nach Erzählung entstehen Nordlichter dadurch, dass ein Fuchs rennt am Himmel und aus dem Schwanz kommen dann diese Farben und dieses Feuer, und darum heißt es Revontulet.

Sprecherin

Nordlicht, Klimawandel, und die Physik der Kälte und der Finsternis.

03 OT Samenfrau / Winter 0:13

Und das ist auch nicht deprimierend, wie Menschen manchmal behaupten. Weil wir haben ja immer Schnee und Schnee, reflektiert von Mond, Sterne und Polarlichter, und das ist frisch und schön.

Sprecherin
Eine Sendung von Lothar Bodingbauer.

02 ATMO Fußgängerübergang 0:55

Hineinziehen in Sprecherin, kurz stehen lassen, dann Text:

Text Ort

Das sind die akustischen Signale eines Fußgängerübergangs auf einer Straße im Norden Finnlands – in Lappland. Jenseits des Polarkreises. Dieser Übergang auf der Straße nach Sodankylä zum Geophysikalischen Observatorium zeigt schon exemplarisch, wie die Wissenschaftler hier arbeiten: Signale werden gesendet, und das Echo zurück wird erforscht. Diese Signale werden natürlich nicht einfach über die Straße geschickt, sondern nach oben, (ab jetzt ATMO wegziehen) in den Himmel. Es sind elektromagnetische Signale – Radiowellen. Die Wellen werden in der hohen Atmosphäre zum Teil zurückgeworfen. – Dies gibt Aufschlüsse wie die Atmosphäre beschaffen ist. Dort wo das Nordlicht entsteht, wo Ozon die UV Strahlen filtert, wo die Sonnenstürme ankommen, und wo eine Vielzahl chemischer Prozesse das Leben auf der Erde beeinflusst. Die Physik im Hohen Norden Finnlands besteht zu großen Teilen aus dem Studium der Hohen Atmosphäre.

04 OT Esa / Star 0:05

Of course one basic key question is: we are living with a star.

Text Vorstellen

Wer die Erde verstehen will, muss zur Sonne schauen, sagt der Nordlicht-Spezialist Esa Turunen. Er ist einer der Wissenschaftler am geophysikalischen Institut in Sodankylä.

05 OT Esa / Solar 0:26

Übersetzung:

Wir leben mit einem Stern, der Sonne. Die Teilchen von der Sonne, die das Nordlicht bilden, brauchen 2, 3 Tage, um die Erde zu erreichen. Die Sonne ist also sehr nahe! Wir müssen deswegen lernen zu verstehen, was auf der Sonne passiert, und wie sich das auf die Erde auswirkt. Alles auf der Erde hängt von der Sonne ab, und wie sie sich benimmt.

Text Nordlicht Schlüsselstelle

Das Nordlicht nimmt eine Schlüsselstelle zwischen Sonne und Erde ein. Es ist tatsächlich eine Spur – nicht von einem Fuchs, wie es die Erzählungen der Samen beschreiben – sondern die Spur des Sonnenwinds. Wer sich also auf die Fährte des Nordlichts macht, wird die Sonne finden. Warum aber führt diese Spur in den Hohen Norden? Der allgemeine Ausdruck für das Nordlicht ist Polarlicht. Man könnte das Polarlicht daher auch im Süden finden, weil das Magnetfelder der Erde an beiden Polen auf den Boden trifft und zuvor noch durch die Atmosphäre führt. In den Auralen Zonen, in ringförmigen Gebieten, die sich wie zwei Heiligenscheine um die Pole erstrecken. Dort stößt das Magnetfeld durch die Atmosphäre, dort entsteht das Nordlicht, oder das Polarlicht, und diese Gegenden gilt es zu erforschen.

06 OT Esa / 60 Theorien 0:10

Übersetzung:

Als die ersten Wissenschaftler hierher kamen, hatten sie überhaupt keine Ahnung wie das Nordlicht entsteht. Es gab 60 Theorien, aber keine davon stimmte.

Text Weyprecht

Was Wissenschaftler nicht verstehen, versuchen sie zunächst einmal genau zu beschreiben. Wie Carl Weyprecht, Leiter der österreichisch-ungarischen Expedition zum Franz Joseph Land um 1870:

07 Zitat Weyprecht 0:40

Dort im Süden, tief am Horizonte, steht ein matter Lichtbogen… Langsam nimmt der Bogen an Intensität zu und hebt sich gegen den Zenit; er ist vollkommen regelmäßig. Es sind keine Strahlen darin zu erkennen. Höher und höher steigt der Bogen, in der ganzen Erscheinung liegt eine klassische Ruhe…. Noch steht er entfernt vom Zenit, und schon trennt sich ein zweiter Bogen vom dunklen Segmente im Süden ab, dem nach und nach andere folgen. Alle steigen dem Zenit entgegen… Über das ganze Firmament sind nun Lichtbogen gespannt, Es stehen sieben zur gleichen Zeit am Himmel!

08 OT Esa / Station 0:26

Übersetzung:

Die ersten Wissenschaftler kamen 1882, 1883. Sie errichteten währen des 1. Internationalen Polarjahres eine permanente Forschungsbasis hier in Sodankylä, am Rande der Auralen Zone. So weit im Norden wie möglich, wo die Zivilisation die Station noch versorgen konnte.

Text Nordlicht

Die ersten Wissenschaftler glaubten noch, das Nordlicht befinde sich auf 200, 300 Metern Höhe, und man könne es mit Radiowellen sichtbar machen. Diese Idee unterscheidet sich nur wenig vom Glauben, dass das Nordlicht kommt, wenn Krieg droht, oder wenn man bloß pfeift – so wird es den Kindern der Gegend erzählt.

Heute ist die Entstehung des Nordlichts in den großen Zügen wissenschaftlich erklärt. Sie ist mit der Aktivität der Sonne verbunden.

Nordlichter entstehen, wenn die Sonne impulsartig viele hochenergetische Teilchen zur Erde schleudert. Dieser Vorgang wird Sonnenwind genannt, er entsteht in Sonnenflecken. Schon Galileo Galilei hat diese Flecken mit seinem Fernrohr beobachtet. – Da es nun alle 11 Jahre besonders viele Sonnenflecken gibt, und alle 11 Jahre auf der Erde besonders viele Nordlichter, liegt der Zusammenhang mit dem Sonnenwind sehr nahe.

Schnelle Elektronen und Protonen werden im Sonnenwind mit 500 km pro Sekunde in den Weltraum geschleudert. Diese Teilchen werden vom Magnetfeld der Erde eingefangen, das dabei messbar verzerrt wird. Die Teilchen werden durch die Magnetfeldlinien zu den Polen der Erde transportiert. Bevor jedoch sie dort am Boden angekommen sind, durchstoßen sie die Atmosphäre, auf 100 bis 150 km Höhe. Die Atmosphäre beginnt zu leuchten: Das Nordlicht entsteht, die Aurora Borealis.

09 Zitat Weyprecht 0:25

Und wiederum eine andere Form. Im Süden liegt dicht über dem Horizonte ein schwaches Band, das wir kaum beachten. Auf einmal hebt es sich rasch… Kurze Zeit hält es sich stationär, da kommt plötzlich Leben hinein. Von Ost gegen West jagen lebhaft die Lichtwellen durch… Die Natur führt uns ein Feuerwerk vor, wie es sich die kühnste Fantasie nicht herrlicher zu denken vermag…

Text Farben

Die Farben des Nordlichts können unterschiedlich sein. Es kommt darauf an, welche Moleküle und Atome vom Sonnenwind getroffen werden. Meist ist es Sauerstoff der leuchtet, sein Licht ist grün oder auch rot. Stickstoff sendet ebenso rotes Licht aus, aber auch blaues Licht und violettes.

Nordlichter sind häufig.
In zwei von drei Nächten sind sie in Lappland zu sehen.

10 OT Esa / Prozesse 0:46

Übersetzung:

Heute wissen wir, was das Nordlicht ist. Das Nordlicht, das die Menschen sehen, ist aber nur 5% der Prozesse die wir in den Polarregionen in der oberen Atmosphäre haben. Der Grund, auch heute in diesem Gebiet hier weiter zu forschen ist: wir möchten wissen, was die globale Rolle dieser Prozesse in der Oberen Atmosphäre der Arktis ist. Jene Prozesse, die hier Polarlichter entstehen lassen: Haben sie auch eine globale Bedeutung? Zu welchem Ausmaß haben sie es? Zu welchem Ausmaß wird die gesamte Atmosphäre davon beeinflusst, und damit auf lange Sicht gesehen, auch das Klima auf der Erde?

Text Heute

Sodankylä ist eine kleine Stadt in Lappland mit etwa 10.000 Menschen. 50 fest angestellte Wissenschaftler und Ingenieure arbeiten dort, Geophysiker und Meteorologen. Sie forschen im Arktis Research Center einer Außenstelle der Universität Oulu, der Universität Lapplands. Das Arktik-Institut befindet sich von städtischen Einflüssen ungestört mitten im Wald, bei den Flüssen und den Seen.

Die meisten der anwesenden Menschen und Geräte beobachten die Umwelt: nach oben, nach unten, und nach allen Seiten. Gemessen wird mit vielen verschiedenen Methoden.

02 Atmo Ballonstart 0:27

5 Sekunden stehen lassen, darüber dann folgender Text; Atmo läuft aus

Text Wetterballon

Auf einer Lichtung im Wald werden Wetterballons gestartet, vollautomatisch, alle 4 Stunden, das ganze Jahr über. Sie werden mit Wasserstoff gefüllt, deswegen der Alarm für die Umgebung. Lautlos heben sie sich in die Luft und verschwinden schnell im Himmel. Ihre Messkapseln messen Druck, Temperatur und Wind entlang des Weges und funken die Daten zur Erde.
Die Wetterballons messen bis zu etwa 20 km Höhe. Von dort an übernehmen Satelliten.

11 OT Osmo / Vorstellen 0:07

I am Osmo Aulamo, I am Head of Satellite Operationas in Arctic Research Center here in Sodankylä.

Text Wolken

Wenn Osmo Aulamo zur Arbeit fährt, bewundert er oft die höchsten vorkommenden Wolken, auf 20 km Höhe. Über ihre Bedeutung für das Klima weiß er sehr genau Bescheid. Sie sind faszinierend und bedrohlich zugleich.

12 OT Osmo / Wolken 0:32

Übersetzung:

Das sind wirklich schöne und farbenfrohe Wolken am Himmel. Es sind aber genau jene Regionen der Atmosphäre, wo das Ozon zersetzt werden kann. Notwendig dafür sind kalte Temperaturen und Chlor, vereinfacht gesagt. Wenn Sie Chlor in diese Gegend hineinbekommen, können sie damit Ozon zerstören. Das passiert eben genau in der Stratosphäre, in diesen schönen Wolken.

Text International

Wo die Stratosphären-Wolken gebildet werden, ist es ausgesprochen kalt. Bis -80 Grad Celsius. Die Ozonzersetzung braucht genau diese tiefen Temperaturen. Doch nicht nur die Temperaturen bestimmen die chemischen Prozesse ab dieser Höhe, sondern auch die Einflüsse des Sonnenwinds. Die Messungen am Arctic Research Center in Sodankylä sind von internationalem Interesse.

13 OT Zede /Hassler 1:48

Übers ganze Jahr gerechnet sind natürlich Finnen hier. Aber momentan ist hier eine Kampgange, die hat den schönen Namen Sauna, eine Abkürzung für Total Ozonmessungen in Sodankylä. Da sind wir für 3 Wochen hier kommen Gruppen aus der ganze Welt aus Nordamerika und Europa. Mein Name ist Alexander Zede. Ich arbeite in Washington im Goddard Space Center. Bei der Nasa. Ich bin Atmosphären- wissenschaftler. Unser Interesse an dieser Kampgange ist, wir wollen Satellitendaten mit Bodendaten vergleichen, in hohen Breitengraden. Und bei niedrigen Sonnenständen, deshalb sind wir hier im Frühling. Der Grund dafür, dass wir diesen Ort ausgesucht haben ist, dass die Bodendaten und Satellitendaten stimmen nämlich unter diesen Bedingungen nicht gut überein. Deshalb hat man viele verlässliche Bodengeräte zusammengebracht, und aufgestellt und relativ viele Spezialisten versammelt, die dann sagen, das ist der beste Wert vom Boden, und wenn der Satellit immer noch andere Wert hat, ist es die Schuld vom Satelliten. — Birgit Hassler, ich bin vom Deutschen Wetterdienst, und wir messen hier Gesamtozon. Man spaltet das Licht von der Sonne in verschiedene Wellenlängen, eine in der Ozon stark absorbiert wird, und eine in der Ozon nicht absorbiert wird. Und wenn man vergleicht, kann man sagen, soviel Ozon ist in der Atmosphäre vorhanden. — Heuer sind wir über dem Durchschnitt. Die Ozonwerte, die wir gerade messen, sind 10 bis 20% über dem Werten der letzten 15 Jahre. Das ist eine Jahr-zu-Jahr Variation. Das hängt aber mit den Temperaturen zustande.

Text Ozon-Hoch

Das momentan gemessene Ozon-Hoch gibt aber noch keinen Anlass, die globalen Sorgen aufzugeben. Die Konzentration der Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe in der Atmosphäre gesamt ist zwar schon zurückgegangen, aber seit ihrem Verbot, in Kühlschränken verwendet zu werden, wird es noch Jahrzehnte dauern, bis das Ozon-Gleichgewicht der Atmosphäre wieder hergestellt ist.

Osmo Aulamo überwacht als Meteorologe auch die Ozon- Satellitenmessungen. Gomos heißt das System:

14 OT Osmo / Satellitenmessung 0:16

Übersetzung:

Wir messen zuerst mit dem Satelliten das Sternenlicht außerhalb der Atmosphäre, und dann durch die Atmosphäre durch. Es werden dabei gewisse Wellenlängen absorbiert. Und daraus kann man dann berechnen, wie viel Ozon vorhanden ist.

Text Ozongehalt

Die Messungen des Ozongehalts der Atmosphäre erfolgen von zwei Seiten: bodengestützt, und satellitengestützt. Die Vorteile der beiden Methoden werden kombiniert.

15 OT Osmo / Lokal 0:33

Übersetzung:

Wir können hier lokal Ozon messen, und das ist einer der wenigen guten Plätze dafür. Wir können aber nicht die gesamte Erde mit diesen Bodenmessungen abdecken, die wir brauchen für das Verständnis der Situation. Wenn wir nun die sehr genauen aber punktuellen Bodendaten mit den eher ungenauen aber dafür globalen Satellitendaten verbinden, dann können wir zwei Aspekte desselben Problems kombinieren und so ein ziemlich gutes Bild von der Situation erhalten.

Text Messen

Die Wissenschaftler in Lappland versuchen die Mechanismen und Gesetze der Vorgänge in der Atmosphäre zu erkennen. Alle zugänglichen physikalischen und chemischen Größen, die Bedeutung haben könnten, werden dafür gemessen: die meteorologischen Grunddaten, aber auch geophysikalische Größen:

RIO-Meter sind Messgeräte für den Einfluss kosmischer Strahlung; Imaging Riometer stellen die Ergebnisse auch bildlich dar, Ionosonden bestimmen die Höhen der verschiedenen Atmosphärenschichten, Radargeräte befassen sich mit dem Wetter, dem Weltraumschrott und der globalen Funkwellenausbreitung. Das Aardwark System heißt übersetzt Erdschweinsystem und ist ein weltweites Netzwerk zur Ortung von Blitzen. Eine All-Sky- Camera macht alle 10 Sekunden ein Bild des gesamten Himmels. Und weil das Erdmagnetfeld alle Einflüsse der Sonne und des Weltraums widerspiegelt – ist das Pulsation Magnetometer Network von besonderer Bedeutung. Es misst die Änderungen des Erdmagnetfelds. Sind sie hoch, gibt es Nordlicht – seine Sichtbarkeit ist eigentlich die einfachste Messung der Änderungen des Ermagnetfelds. Die genauen Messwerte lassen aber auch Rückschlüsse auf die Ursache des Nordlichts zu: das Weltraumwetter.
Die Magnetometer des Arktic Institute befinden sich abseits von Störeinflüssen in einigen Hütten mitten im Wald auf einer Lichtung. Esa Torunen erklärt, dass die Messanlagen nur unter besonderen Umständen betreten werden dürfen:

16 OT Esa / Gehen 0:25, Atmo bis 0:47

Übersetzung:

Wir können jetzt nicht hineingehen, weil wir alle so viel Eisen an uns haben. Die Brillen, in den Schuhen, in den Uhren. Auch ein Goldring hat noch zuviel Eisen drin. Unser Magnetmeister muss sogar die Damen bitten, die BHs auszuziehen, weil sie auch Eisen beinhalten.

OT wird zu ATMO, darüber folgender

Text Hütten

Nicht nur die absolute Stärke des Magnetfelds wird gemessen, sondern auch, wie sich das Magnetfeld verändert. Die Station ist Teil eines internationalen Netzwerks.

17 OT Esa / Hütten 0:47

Übersetzung:

Das größere Gebäude hier besteht aus zwei Hütten, ineinander geschachtelt. Es ist ein Meter Raum dazwischen. Früher wurde dieser Raum mit zwei Öfen geheizt, mit Feuerholz. Heute verwenden wir natürlich Elektrizität. Es muss die innere Hütte eine sehr gleich bleibende Temperatur haben. Früher, ohne Computer, machten wir die Magnetmessungen sehr herkömmlich. Man hatte einen Quarzfaden, einen Spiegel, einen Magnet im Faden. Man hatte Licht, und drei Meter Laufstrecke. Am Ende war ein Fotopapier, das sich langsam bewegte. Das zeichnete auf – und jeden Tag musste jemand das Fotopapier entwickeln. Darauf waren die Messwerte eingezeichnet.

Text Zeitreihe

Seit 1914 erfolgen die Messungen kontinuierlich. Eine unschätzbar wertvolle Zeitreihe entstand über die Entwicklung des Magnetfelds der Erde. Glaubte man ursprünglich damit nur das Nordlicht zu erklären, dient die Magnetfeld-Messreihe heute auch Studien über die globale Temperaturentwicklung.
Die Fotografien der Magnetmessungen haben den 2. Weltkrieg unbeschadet überstanden, nicht so die Bilder der Nordlichter.

18 OT Esa / Fotografien 0:27

Übersetzung:

Früher wurden die Nordlichter noch auf Glasplatten fotografiert. Am Ende des 2. Weltkriegs wurden aber hier leider diese Platten zerstört. Es explodierte der Kellner, alles flog in die Luft.
Schade, es muss wirklich gute Fotografien gegeben haben.

Wir hatten Deutsche Truppen hier, ganz Lappland war besetzt. Als sie zurückgeschlagen wurden, brannten sie alles nieder.

Text Geophysiker

Es sind die Geophysiker, die sich mit den Magnetfeldmessungen befassen. Ihr Forschungsgebiet beginnt im Boden. Zwischen 0 und 20 km Höhe messen die Meteorologen, und darüber, bis in den Weltraum hinaus, erstreckt sich wieder das Forschungsgebiet der Geophysiker.

Das Gebiet um Sodankylä eignet sich besonders gut für die Magnetfeldmessungen. Die Geschichte, warum gerade hier in

Finnland das Geophysikalische Institut gegründet wurde, ist ebenso speziell wie kurios.
Anfang des 17. Jahrhunderts kamen französische Wissenschaftler für ein Jahr, um zu messen, ob die Erde rund sei. Sie steckten, wo der Finnische Meerbusen endet, Dreiecke in die Landschaft, maßen und bestätigten: Ja, die Erde sei rund. 1 Jahr später gab es 200 Kinder mit französischen Vätern im Gebiet, und weitere 200 Kinder hatten finnische Väter, aber die Kinder sahen nicht finnisch aus.

Als dann anlässlich des Polarjahres 1882 Wissenschaftler anfragten, ob sie eine Forschungsstation errichten könnten, dort oben am Meer, leicht erreichbar durch Schiffe, lehnte die Bevölkerung dankend ab. Keine Wissenschaftler mehr. Diese wanderten landeinwärts, überwandten Rentierzäune, errichtet von Samen, die ebenfalls keine fremden Leute ertragen wollten, einer schwamm über einen Fluss mit einem Messgerät und stellte fest – ja, in Sodankylä gibt es den perfekten Ort für Magnetfeldmessungen. Wegen einer vierzig Meter dicken Tonschicht im Untergrund. So die Geschichte, wie sie Jirkki Manningen, Experte für das „Erschweinsystem“ – das Aadvark Netzwerk erzählt.

19 früher 20 OT Jirkki / Erdschwein 0:29

Übersetzung:

Das ist ein interessantes Tier. An unserem Observatorium ist das Very Low Frequency Network danach benannt. In Europa haben wir 4 – 5 Empfänger-Stationen. Die empfangen Signale von Sendern rund um die Welt. Hier haben wir gerade das Signal aus Hawaii bekommen. Damit können wir die Situation der Ionosphäre und der oberen Atmosphäre studieren entlang des Pfades nach Sodankylä.

03 Atmo Radio 0:30

darüber folgender Text

Das Pfeifen und Knistern der Mittel- und Kurzwellen im Radio wird von atmosphärischen Störungen verursacht, zumeist von Blitzen. Der Zustand der Atmosphäre ist für die Ausbreitungsbedingungen der Wellen verantwortlich.

Auch das Militär interessiert sich dafür.
Jirkki Manningen erzählt, was sonst mit den Daten passiert, die die Wissenschaftler sammeln: Sie sind für alle frei zugänglich im Internet abrufbar.

20 früher 21 OT Jirkki / Nutzer 0:53

Übersetzung:

Die meisten Nutzer unserer Daten sind Wissenschaftler. Aber daneben gibt es auch Anfragen zum Beispiel von der Forstwirtschaft. Zahlt es sich aus, dass sie eine Woche rausgehen, um Land zu vermessen, wenn es einen Magnetsturm hat, oder es Nordlicht gibt, und sie ihre Messungen danach wegwerfen können? Das ist viel Geld, da könnten auch wir etwas dafür verlangen. Wenn wir aber Leistungen verkaufen, dürfen wir die Bildungs-Lizenzen unserer Computerprogramme nicht mehr nutzen, wir müssen Geschäftslizenzen kaufen – das macht unsere Leistungen wieder teuer, und niemand kauft sie ein. Solange wir also die Daten kostenlos hergeben, gibt es kein Problem, aber wenn wir aber Geld dafür haben wollen, müssen wir die Lizenzänderungen berücksichtigen.

Text

Das Weltraumwetter schlägt sich auf das Erdmagnetfeld nieder. Wer es misst, kann Warnungen vor Magnetstürmen herausgeben, oder Weltraumwetterberichte, so wie diesen:

ZITAT Sprecherin

Eine Sonnenwind Schockwelle wurde gestern um 18 Uhr durch den ACE Satelliten am L1-Punkt aufgezeichnet. Die Geschwindigkeit des Sonnenwinds sprang von 450 auf 500 km pro Sekunde. Im Gegensatz zum vorhergehenden Event am 12. Mai ist die z-Komponente des Magnetfelds der Erde weitgehend im Norden geblieben. Geo- magnetische Konsequenzen blieben deswegen beschränkt. Die gestrige Schockwelle steht vermutlich in Verbindung mit der leichten vollen Halo CMD am 12. Mai.

Text

Sonnenwind oder Stürme kosmischer Teilchen bedeuten im Allgemeinen Gefahr für die Erde. Wenn nicht unmittelbar für die Menschen am Erdboden, dann doch Gefahr für viele technische Einrichtungen:

Sonnenwinde können Pipelines vorzeitig korrodieren, sie gefährden Passagiere und die Besatzungen auf Flügen über die Pole der Erde, sie sind tödlich für Astronauten auf Weltraumspaziergängen, Satelliten können durch sie Schaden nehmen und das GPS- Navigationssystem kann Abweichungen bekommen. Sonnenwind kann auch in Hochspannungsleitungen Überspannungen auslösen – Stromausfälle sind die Folge.

Das Ziel der Messungen in Sodankylä ist, computergestützte Modelle zu bilden, die mit der Wirklichkeit übereinstimmen: Welche chemischen Vorgänge laufen in der Atmosphäre ab, unter welchen Bedingungen? Wie ist die Energiebilanz? Verstehen wir die Verbindung von Weltraumwetter und dem Klima der Erde? Kennen wir die Gründe für Veränderungen? Wie wirkt sich die globale Erderwärmung auf die Atmosphäre aus? Was bedeutet das im Umkehreffekt für das Klima? Mit welchen Überraschungen ist zu rechnen?

Die Analysen der Messwerte stehen weltweit erst am Anfang. Die Modelle werden gebildet und wieder verworfen. Der Atmosphärenwissenschaftler Esa Torunen:

21 früher 19 OT Esa / Frust und Freude 0:40

Übersetzung:

Es ist für uns nicht sonderlich frustrierend, wenn wir eine lange Rechnung noch einmal machen, weil sie falsch war. Aber wir sind schon froh, und fühlen uns erfolgreich, mit kleinen Dingen: einfach, wenn wir ein neues Resultat bekommen. Wenn wir wissen, das hat vorher noch keiner getan. Oder wenn wir ein kompliziertes Computermodell machen, und wenn eine Figur dabei herauskommt, eine einfache getupfte Linie, und wir vergleichen sie mit den wirklichen Messwerten eines Satelliten. Und es ist ein perfektes Match, das macht uns doch sehr glücklich

Text Fragen

Suchte man anfänglich nach Erklärungen für die Entstehung von Nordlichtern, so stehen heute Umweltfragen im Mittelpunkt des Interesses. Insbesondere die Sonnenaktivität wurde bislang unterschätzt, und ihre Auswirkungen auf die Ozonschicht und den Energiehaushalt der Atmosphäre.

Die Ursachen und Wirkungen der Vorgänge in der Hohen Atmosphäre sind heute erst ansatzweise verstanden. Ganz geklärt sind sie noch lange nicht.
Was machen aber Wissenschaftler, wenn sie etwas noch nicht verstehen? Sie beobachten.

Und so sich die All Sky Kamera in Sodankylä alle 10 Sekunden ein Bild des Himmels macht, das via Internet für jeden sofort abrufbar ist, so machen sich auch jene die hier leben, immer wieder auf die Suche nach dem Nordlicht.

Wie auch Reeta und Jonna, zwei Schülerinnen aus Lappland: 22 OT Kind Reetta 0:22

Übersetzung:

Wir waren auf dem Berg Schlittenfahren und da waren solche Nordlichter, solche verrückten, die haben wir dann lang beobachtet. Wir hüpften vom Berg in einen Schneehügel, legten uns auf den Rücken und beobachteten die Nordlichter. Und plötzlich waren sie dann verschwunden.

23 OT Kind Jonna 0:14

Übersetzung:

Einmal war ich draußen im Freien und da war ein total schönes Nordlicht, das seine Form interessant verändert hat. Mein Papa hat gesagt, dass das eine Krone ist oder so was ähnliches. Und dieses Nordlicht hatte viele verschiedene Farben – und so ein schönes Nordlicht hatte ich vorher noch nie in meinem Leben gesehen.

24 OT Kind Reetta 0:18

Übersetzung:

Als kleines Kind habe ich mich auch oft über die Nordlichter gewundert und wie verrückt geschrieen: „Was sind die denn?!“ und dabei bin ich herumgerannt. „Was sind die eigentlich?“ zeigte ich lachend mit dem Finger auf sie, wie verrückt. „Was sind die, ich will sie berühren!“ Dann hat mein Patenonkel gesagt: „Das sind Nordlichter.“ „Wow“, sagte ich dann.“

25 Zitat Weyprecht 4 0:25

Doch schon ist alles abgeblasst. Mit der gleichen unbegreiflichen Geschwindigkeit, mit der es gekommen, ist es auch wieder verschwunden. Das war das Nordlicht des kommenden Sturmes, das Nordlicht in seiner vollen Pracht. Keine Farbe und kein Pinsel vermögen es zu malen!

Sprecherin

Sie hörten: Nordlichter, Klimawandel und Finsternis: Die Physik Lapplands. Eine Sendung von Lothar Bodingbauer.