5. Jun 1996 | Journal Panorama, ORF, Österreich 1, Radioproduktion
Arbeitslosigkeit in der Region Braunau im Jahr 1996, nach der Umstrukturierung des Aluminiumwerks Ranshofen (AMAG). Wie man die Zahlen dreht und wendet, egal ob absolut oder relativ gerechnet wird, die Zahl der Arbeitslosen steigt Risikogruppen sind ältere Menschen, Personen mit Lehr- oder Pflichtschulabschluß, Nicht-Österreicher, Beschäftigte in Industrie und Gewerbe. Aber was sind Zahlen, Raten und Vergleiche. Betroffene profitieren höchstens vom Verschwinden des Vorurteils, jeder könne arbeiten, wenn er nur wolle. Für den Einzelnen und die Familien bedeutet Arbeitslosigkeit Krisenphase mit offenem Ende.
Manuskript
Arbeitslos. Eine Region ist machtlos und beunruhigt.Im Vormonat waren in Österreich fast 240.000 Menschen arbeitslos. Wie man die Zahlen dreht und wendet, egal ob absolut oder relativ gerechnet wird, die Zahl der Arbeitslosen steigt. 12% sind es nun mehr als im Vorjahr. Risikogruppen sind ältere Menschen, Personen mit Lehr- oder Pflichtschulabschluß, Nicht-Österreicher, Beschäftigte in Industrie und Gewerbe. Aber was sind Zahlen, Raten und Vergleiche. Betroffene profitieren höchstens vom Verschwinden des Vorurteils, jeder könne arbeiten, wenn er nur wolle. Für den Einzelnen und die Familien bedeutet Arbeitslosigkeit Krisenphase mit offenem Ende. Lothar Bodingbauer hat sich in Oberösterreich umgesehen. Ort der folgenden Reportage ist die Region Braunau.
2 OT Arbeiter
Was uns so ärgert, es ist um die Hälfte fast reduziert worden, aber nur der ganze Führungsstab droben ist heute noch. Das paßt sicher nicht mehr, aber na ja.
OT Meditation
TEXT:
Die Adressaten dieser Meditation, 30 Männer und Frauen jeden Alters, waren vor einem Monat noch Härteres gewohnt. Schichtarbeit in der Aluschmide Ranshofen, an Walzgerüsten und Preßmaschinen. Fließbandarbeit in einem anderen Krisenbetrieb, der schließen mußte oder anderswo billiger produziert. Auch ein Käsereimeister ist dabei.
Einer hat vorhin erzählt, er würde jetzt gerne Staplerfahren. Diese Zeit ist nun vorbei. Sie alle haben ihre Arbeit verloren.
Alle wissen, sie sind da, um sich zu erholen, um fit zu werden, für die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz.
4 OT Arbeiter
Vielleicht finden wir ja noch etwas (4)
3 (~2) OT Meditation
2 OT Arbeiter-Mix
- Man wird selbstbewußter da herinnen, weil man lernt, Eigeninitiative zu ergreifen…
- Na, mich hat das nicht geschreckt, weil ich schon immer gerechnet habe, daß ich einmal hinaufgeholt werde…
- Ich war Gruppenleiter in der Forschung und Entwicklung. Durch die Umstrukturierung in der Forschung der AMAG ist diese Stelle aufgelöst worden…
- Mir wäre eigentlich im Freien irgendwas noch, weil ich war jetzt 43 Jahre immer drinnen, in der Hüttengießerei, und in der Werkstätte…
- Ich war zuletzt im Magazin noch ein wenig, aufräumen…
- Was ich in Zukunft noch lernen kann oder nicht, ich weiß nicht, ob das noch was günstiges draus wird. Gesundheitich war ich auch schon so halbwegs geschädigt, ich habe schon ewig lang Astma…
- Durch das Sanierungskonzept in der AMAG hat man auch zu mir gesagt, ich hätte die Möglichkeit, auf einvernehmiche Art und Weise das Arbeitsverhältnis zu lösen…
- Früher war ich in der Elektroyse 20 Jahre…
- Ich bin ersetzt worden dort, das weiß ich…
- Entweder Landschaftspfleger oder Gärtner täte mich noch interessieren…
- Bevor ein jüngerer gehen muß, erklärt man sich eben bereit, Platz zu machen…(~3)
- Weil die Firma hat abgebaut, dann bin ich in die Stiftung gegeangen. Ich hoffe, daß ich noch irgendwas -
4 leise MUSIK Internationale - also Beruf habe ich keinen erlernt…
- Und ich hoffe, daß ich noch irgendwo unterkomme…
- In der freien Natur wird´s sicher noch was geben für mich. (2)
MUSIK
TEXT:
Hyper, hyper. Wir heben ab. Auf dem Weg in die Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft gibt es keinen Platz mehr für Aluschmelzer, Staplerfahrer, Löchergräber, Kabelroller. Die erkämpften Rechte der Arbeiter gelten nicht mehr für Arbeitslose, und das Recht auf Arbeit ist System- und Konjunkturabhängig.
Gerhard Skiba ist Bürgermeister der Bezirkshauptstadt Braunau.
Arbeitslosigkeit sei der Trend der Zeit.
2 OT Bürgermeister
Freie Marktwirtschaft heißt glasklar, Produktion dort wo die Arbeitskosten günstiger sind, wo man die Leute ausbeuten kann, wo man zu niedrigen Fertigungskosten und Stückkosten kommt. Ich kann nicht einer Firmenleitung den Schüssel wegnehmen und sagen, ihr dürfts nicht absiedeln. Wenns so einfach wäre, dann würde ich das tun.
OT Seelsorge
Wie es angefangen hat, größere Formen anzunehmen, hat es noch Proteste gegeben. Ich denke an die Schließung der Elektrolyse. Am Anfang ist noch protestiert worden, mitlerweile haben wir eine Arbeitslosigkeit in einem ungeahnt größeren Ausmaß, und es gibt eigentlich keinen Protest mehr. Wenn man weiß, daß das Lohnniveau ich glaube innerhalb von einem Jahr um 1000 Schiling gesunken ist, das muß man sich vorstellen, was das für eine Region heißt. (2)
(~4) TEXT:
Die Arbeitslosenrate im Bezirk Braunau liegt bei etwa 8 Prozent. Gleichverteilt. 4% Männer, und 4% Frauen. Arbeitsplätze fehlen vorwiegend in jenen Bereichen, wo es weniger ums Handeln und Delegieren, als ums Zupacken geht. Nun soll auch das Krankenhaus schließen.
Marianne Hagenhofer ist Leiterin des Arbeitsamtes Braunau.
2 OT Hagenhofer
Die offenen Stellen sind stärker denn je zurückgegangen, es ist derzeit so, daß grob 10 Personen auf 1 offene Stelle kommen. Sie können sich vorstellen, wie groß der Verdrängungswettbewerb unter den Arbeitslosen dann ist.
OT Wirtshaus
Die Frauen erwischts jetzt wieder, weil wieder ein Betrieb zusperrt, wo ziemich viele Frauen beschäftigt sind, und die AMAG will auch wieder heuer 500 Leute entlassen. (*2)
TEXT:
Braunau ist nach Linz und Steyr der von Arbeitsosigkeit am stärksten betroffene Bezirk Oberösterreichs. Die Strukturveränderung habe das bewirkt, erklärt Marianne Hagenhofer, andere Bezirke müßten diesen Prozeß erst vollziehen. Was heißen soll, daß im Bezirk Braunau die Betriebe schon zugesperrt haben, oder abgewandert sind, auf die Phillipinen, oder nach Ungarn.
Der Großbetrieb der Region, das Aluminiumwerk Ranshofen, die AMAG, wartet auf einen Käufer und schrumpft inzwischen gesund.
2 OT Arbeiter
Meistens ist ein ganzes System gesperrt worden, das sind immer zwei Ofenhäuser. Aber wie gesagt, die Nebenbetriebe, dies gerissen hat, das hat dann natürlich auf das ganze Werk übergegriffen. - Das Ofenhaus war ja der Teil, der die Defizite von Walzwerk und Preßwerk aufgefangen hat. Und das hat jeder begriffen, wann die das Ofenhaus sperren, daß es dann Feierabend wird. Es ist auch von Seiten des Betriebsrates ganz wenig Druck gemacht worden. Getan hat er auch nicht viel.
OT Bürgermeister
Das Probem ist, die AMAG ist im Grunde genommen als Aluminiumproduzent am Wetmarkt ein Klacks. Und Aluminium wird heute ganz wo anders in ganz anderen Dimensionen am Weltmarkt erzeugt und angeboten. Da hat Ranshofen ganz einfach nicht mehr mitkönnen.
OT Arbeiter
Wenn Dir da oben einer die Wahrheit sagt, wärs schön. Aber man spürt das eh ungefähr, weißt, ganz dumm sind ja wir auch nicht, daß wir nicht wissen, was wirklich im Werk oben lauft. Es wird ja ständig kleiner gemacht, und die Devise, wies immer heißt oben, mit 50 Jahren hast einen Kündigungsschutz, mein Gott na, haben ein paar von der Führungsetage gesagt, mag sein, aber wenn wir jemanden anbringen wollen, bringen wir jeden an.
OT Stiftling
Weil es immer geheißen hat, die älteren haben einen Kündigungsschutz, aber dann heißt es natürlich auch, wenn wir nicht gehen, müssen andere gehen, und für 50jährige oder noch jüngere ist es natürlich noch schwieriger, als für denjenigen, der ein paar Jahre vor der Pension steht. (2)
TEXT:
Die Firmenleitung der AMAG mußte einem Sozialplan zustimmen, der neben Abfertigungen auch die Gründung einer Arbeitsstiftung vorsah. Die nicht mehr benötigten Arbeitnehmer können weiter von 8 bis 16 Uhr ins Werk fahren - nicht mehr in die Produktionsbetriebe, sondern in den Schulungsraum der Alu-Stiftung.
Leiter der Stiftung ist Heinrich Simböck.
2 OT Chef
Begonnen hat die Arbeitsstiftung in Ranshofen im Zuge der Schließung der Elektrolyseanlage. Es wurden damals 711 direkt Betroffene in der AMAG betreut, und haben über die Arbeitsstiftung selber ein Licht am Horizont gesehen, sie waren nicht alleine. Da sind wir auch ganz besonders dankbar, daß das ganze so funktioniert.
OT Trainer
Unser Motto ist wirklich Hilfe zur Selbsthilfe, die Stiftung ist nicht da, einen Arbeitsplatz zu finden, das ist ein wirklich wichtiger Punkt von uns, wir suchen keine Arbeit nicht, wir helfen nur.
OT Stifting: Es geht so schnell
OT Stifting
Und es ist einfach erstaunlich, wenn man das so sieht. Heute sind wieder 3 weg zur Arbeitssuche, und heute habe ich gerade einen Kollegen getroffen, der hat mit mir zusammengearbeitet, der macht Masseur, der ist schon wieder in Deutschland draußen, den habe ich gerade kurz getroffen, der ist schon wieder weg. Und es ist interessant, wie schnell das geht, daß die Leute wieder eine Arbeit finden.
Stiftung Trainer
Arbeiten mit über 50jährigen ist das schönste, was es gibt, sie sind dankbarer wie jüngere, man arbeitet im Bereich Teamarbeit. Nicht gerade Arbeitsplatzsuche, sondern wir packen unser Zeug und gehen in die Natur spazieren, daß das auch nicht zu kurz kommt. (*2)
TEXT:
Die Teilnehmer, die zwar arbeitslos sind, aber nicht so heißen, weil sie Stiftlinge sind, sie lernen das, wofür sie nie Zeit hatten, weil sie arbeiten mußten.
Teamarbeit, Selbstdarstellung- und Bewerbungsstrategien. 4 Jahre sind Zeit, um sich beruflich neu zu orientieren, und an Weiterbildungsprogrammen teilzunehmen. Ältere Teilnehmer können so auch die Zeit zur Pension überbrücken. „Sich aus dem Arbeitsleben ausblenden” heißt das.
Für Jungunternehmer des Bezirkes sind die Stiftlinge begehrtes Personal. Für die Unternehmungsgründung bezahlt die Stiftung einzuschulende Mitarbeiter.
2 OT Jungunternehmer
Ist aber bei einem Unternehmen, das neu anfangt, teilweise die einzige Möglichkeiten. Denn mit dem Start ein großes Personal zu haben, ist für kleine Jungunternehmen fast nicht mehr möglich am Anfang. Und wenn das Unternehmen lauft, kann man die entsprechenden Stiftlinge ja auch einstellen. (*2)
TEXT:
Betriebsgründungen sind jedoch rar, Arbeitsplätze sind rar, und die Perspektive, unnötig zu sein, ist keine gute.
2auf MONO stellen!
OT Frau
Mein Mann ist 28 Jahre in der AMAG gewesen, jetzt habens ihn freigestellt. Der weiß mit 47 Jahren nicht mehr wohin. Aber jetzt hat er schon dort oder da gefragt, ob sie ihn aufnehmen würden, zu arbeiten, er bekommt überall eine Absage, Grund: das Alter, jetzt gehts natürlich wieder an. Na, es war am Anfang sehr schlimm, dann haben wir ihm gut zugeredet, dann ist es wieder gegangen. Gemütsverstimmungen, seelisch, psychisch. Eigentlich, der ganze Mensch ist anders worden.
OT Hagenhofer
Jemand der noch nie arbeitslos war, weiß eigentlich nicht, was Arbeitslosigkeit bedeutet. Wenn man gerne arbeiten würde, aber trotz alledem keine Arbeit bekommt, ist das ja sofort ein psychisches Problem.
OT Arbeitsloser
Konkret sind meine Schwierigkeiten, sind das Finanzielle. Was ich jetzt verdiene, ca. 9000 Schilling, das reicht halt gerade, daß ich die Miete bezahlen kann, 3000 Schilling, 1000 Schilling Strom, ca 600 Schilling Versicherung, der Rest blebt zum Leben, dann habe ich Schulden, ca. 70000 Schilling, die muß ich auch noch zahlen, dann bleiben ca. 2000 Schilling zum Leben. Und dann wirds knapp. Das schlimme ist, daß die Leute so unfair sind, daß sie sagen,. schau da geht er, er ist schon sop lange daheim. Derjenige der Arbeitet, ist sich ja dessen nicht bewußt, was es heißt, arbeitslos zu sein. Nur, den kann es über Nacht auch treffen. Und dann wird er selbst sehen, was das heißt. Innerlich, was sich da abspielt, man hat Existenzangst, es treten viele Problem auf. Man kann sich nix mehr leisten. Man trinkt nun ium ein Bier zuviel, weil man sagt, der Schädel raucht mir, weil ich nicht weiß, was ich tun soll. Man wird ja dann irgendwie psychisch ein bißerl angeknackst, weil man nicht weiß, wie gehts morgen weiter, oder nächstes Monat. - Ich täte sagen, zum Fürchten fängt man an, wenns über 1 1/2, 2 jahre geht. Das geht an, ab einem jahr. Man fühlt sich, so Quasi, Dich kann eh keiner brauchen, dann sagt jeder, jetzt bist schon ein Jahr daheim, Dir muß man das Arbeiten wieder lernen. Wenn einem das gesagt wird, bricht schon innerlich was zusammen, weil man sich abwertet, und sagt, vielleicht hat er wirklich recht. Obwoh man aber im Hinterstüberl den Willen hat, ich möchte ja. Aber immer wieder, das reinsagen, Du bist eh schon so lang arbeitsos, du kannst nichts, du wirst nie was können, und das macht es aus, daß man ein bißerl aufgibt. (*2)
2 OT Lehrer
Also ich bin schon längst pragmatisiert, deswegen kann ich so locker drüber reden, weil das ganze berührt mich überhaupt nicht. (*2)
3 OT Stempel (3)
TEXT:
Und das ist das Geräusch zur Sendung. So klingt Arbeitslosigkeit.
„Stempeln gehen“, sagt der Volksmund.
Für einen Jungakademiker aus Wien war der Umzug in die Region schockierend.
2 OT Akademiker
Und der Kontrast war einfach so schlimm. Das, was ich bisher am Jungakademikerservice in Wien gesehen habe, wo man wirklich darauf spezialisiert ist, jungen Universitätsabsolventen adäquate Jobs zu vermitteln, und wo die Leute hingehen um ihre Karriere zu planen. Mit diesen Vorstellungen bin ich ungefähr auch ans Arbeitsamt in Braunau gegangen. Was ich dort gesehen habe, das war Not, war menschliches Elend, war menschliche Not, bei jedem anders gelagert, und das zu sehen, tut weh.
ATMO Kindergeschrei
TEXT:
Das Arbeitsamt Braunau heißt nun Arbeitsmarktservice. Das neuerbaute Gebäude am Rande der Stadt erinnert mehr an ein Großambulatorium. „Arbeitslosikgkeit ist keine Krankheit“, meinen die einen, „ist sehr wohl eine“, die anderen. Die Klobürste sei zu verwenden, und man habe sich niederzusetzen. Das Schild auf der Toilette ist aber schon das einzige, was anzeigt, daß man sich in einem Amt befindet.
4-(~2) OT/ATMO Arbeitsamt
Sie können auf 11 reingehen…
TEXT:
Felix Leininger ist seit 18 Jahren Arbeitslosenberater. Er stempelt aktiv. An ihn die Frage, wieviele Leute denn jetzt eigentlich sozialschmarotzen. Also gar nicht arbeiten wollen! (~2)
3 OT Berater
Ich habe jetzt ungefähr 450 Leute in der Vormerkung, 99% wollen wirklich, ein geringer Teil hat sich an das Einkommen gewöhnt, die man nicht vermitteln kann, weil so viel egute Arbeitslose da sind. Der Betrieb sucht sich die besseren aus.(*3)
TEXT:
Zahl und Größe der Probleme haben in den letzten Jahren enorm zugenommen, erzählt der Berater inmitten farbenfroher Leinwandgemälde, die er in seiner Freizeit malt und mit ins Amt bringt.
Alleinerziehende Frauen haben die größten Schwierigkeiten, wieder einen Arbeitsplatz zu finden. Halbtags oder Teilzeitstellen werden kaum angeboten und wenn, dann sind meist mit den angebotenen Kinderbetreuungszeiten unvereinbar.
2 OT Frau
Wei ich könnte es für mich nicht vorstellen, daß ich mir denke, ich ginge arbeiten, und in der Zeit schaut eine Betreuerin auf mein Kind. Das kann ich mir nicht vorstellen. Wenn das Kind reif ist für den Kindergarten, dann kann ich auch was arbeiten in der Zeit. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß ich arbeiten gehen muß, und eine andere, fremde Frau, schaut auf mein Kind in der Zeit, wo ich mir denke, das ist eigentlich meine Arbeit. Auf das stehe ich. -
Stehen kann man nur so lange, wie nichts angeboten wird. Das ist nämlich die Probematik. ich sitze auf der einen Seite herinnen, daß ich die Leute wieder in Arbeit bringe, auf der anderen Seite, muß ich das soziale abchecken, das ist die Schwierigkeit bei den Frauen. Darum sind viele Frauen im Notstandshilfebezug, aber das liegt nicht an den Frauen, sondern an den Betrieben, daß nichts angeboten wird, und an den betrieben, und an den Kinderbetreuungseinrichtungen. - Daß das Geld weiterlauft, Antrag ausfüllen und auf Zimmer 28 abgeben. - Super, das kann ich heute geich abgeben. - Ja, gleich nach vorn gehen. (*2)
TEXT:
Das Amt erhielt einen anonymen Hinweis, daß ein Klient jeden Tag von einem Auto abgeholt werde. Verdacht auf Pfuschen. Der Mann wird zu Felix Leininger ins Amt gebeten.
3 OT Berater
Man ist ja Psychologe auch, man kann ja umgehen auch mit den Leuten, gerade mit solchen. Der kommt herein, braust auf, und zwei Minuten später ist er wieder ruhig. -
(Action bis zum Türeschließen) (*3)
2 OT Angestellte
Und man muß reden können. Auch wenn einer mal hereinkommt und durchdreht und schimpft und plärrt, dann muß ich ruhig beiben und sagen, schrei Dich einmal aus, und dann reden wir normal weiter. Das ist aber nicht immer zu machen, das ist auch klar. Aber das finde ich, macht einen Berater aus. (2)
3 OT Beschuldigter
Überhaupt kein Problem nicht. Menschlich ist es. Wie du in den Wald schreist, kommts raus. Gibt überhaupt nichts. Kannst ganz normal reden mit ihm, ist ganz klar. Wir kennen uns schon lange, hatte schon öfters zu tun mit ihm. Wenns mit der Arbeit wieder pfeift, alles in Ordnung, habe ich damit eh nichts mehr zu tun, servus. (~3)
2 OT Psychologin
Menschen sind sehr verschieden. natürlich finden sich unter Arbeitslosen genauso wie unter Leuten die Arbeit haben, Anstrengungsvermeider, keine Frage. Im großen und ganzen ist es so, daß die Situation der Arbeitslosigkeit so deprimierend ist, daß man sich nicht wundern muß, daß die Menschen die Lust verlieren, die Hoffnung verlieren, resignieren. Das heißt ist mehr gelernte Hilflosigkeit, wie man es in der Psychologie sagt, also ein völlig anderes Phänomen.(2)
TEXT:
Die Psychologin Brigitte Rollet zum Thema Anstrengungsvermeidung. –
Ein Glück für die Region Braunau ist ihre Lage, in unmittelbare Nähe zur deutschen Grenze. Drüben im Chemiedreieck Burghausen arbeiten etwa 5000 Österreicher. Etwa im Wacker-Werk: jeder 5. Arbeitnehmer kommt aus Österreich. Gerd Keller ist der Arbeitsdirektor des Unternehmens.
2 OT Geschäftsführer
Dadurch daß wir mit unserem Produktionsstandort so nahe an der Salzach sind, haben wir diese Salzach nie als Grenze empfunden zu Österreich, was unseren Arbeitsmarkt anbelangt. Nehmen Sie einen Zirkel und ziehen Sie einen 50km Kreis um das Werk, dann ist das unser Beschaffungsmarkt für Arbeitskräfte. Wir werden in diesem Jahr etwa 260 Mitarbeiter hier in Burghausen einstellen können, das hängt damit zusammen, daß die Halbleiterindustrie sehr stark wächst, Wachstumsraten zwischen 15 und 20% in den nächsten zwei Jahren, das wirkt sich natürlich deutlich in unserer Einstellpolitik aus. (*2)
TEXT: Aus Österreich hat sich für die Beschäftigung der Österreicher noch niemand bedankt.
2 OT Geschäftsführer
Sagen wir, das wäre vieleicht ganz nett, aber wir kommen auch so ganz gut zurecht. (*2)
TEXT:
Nehmen Firmen staatliche finanzielle Anreize wahr, neue Mitarbeiter mit Handicaps einzustellen, ältere Arbeitslose etwa?
2 OT Geschäftsführer
Eigentich weniger. Wir müssen eigentlich sehen, primär, funktionierende Abteilungen zu haben, und wir haben nur sehr wenige Bereiche, wo es in Frage kommt, Mitarbeiter, die mit welchen Handicaps auch immer versehen sind, vernünftig und adäquat einzusetzen. Diese Anreize haben wir bisher gar nicht in Anspruch nehmen können. (*2)
TEXT:
Was tun? Wer oder was auch immer Arbeitslosigkeit verursacht. Tatsache ist, daß Menschen, die arbeiten könnten, keine Arbeitsplätze finden, weil es sie nicht gibt. In Zukunft werden sich mehr Leute weniger Arbeit teilen müssen. Zu geringeren Löhnen. Das System der Lohnarbeit den heutigen Gegebenheiten anzupassen, ist ein politisches Problem. Und auch, was mit den immer mehr werdenden Arbeitslosen anzufangen ist.
2 OT Hagenhofer
Wir haben zur Problemlösung angesetzt, wir setzen auf aktive AM Politik. Das heißt, die Personen, nicht nur Arbeitslosengeld beziehen zu lassen, und die Existenz abzusichern, sondern mit ihnen aktiv etwas zu unternehmen, um sie wieder in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.
OT Sepp
Ich zerlege jetzt den Betteinsatz. Solche haben wir mehr, und das geht leicht.
TEXT:
Im Recyclinghof Braunau organisieren Langzeitarbeitslose die Sperrmüllsammlung. Müll wird getrennt, wiederverwertet und verkauft.
OT Sepp
Der Rahmen kommt nachher zum Brennholz, das Brennholz wird nachher zusammengeschnitten…
TEXT:
Herbert Ranftl leitet den Recycingof Braunau.
3 OT Ranftl
Wir sind ein Projekt, das für 10 vorher arbeitslose Personen konzipiert ist, dazu steht uns ein Betreuungspersonal von 2 1/2 Personen zur Verfügung. (3)
OT Arbeiter
Ja, mein Fachgebiet sind Elektrosachen zu zerlegen. Die einen könnnen recht gut Matratzen zeregen, er macht zum Beispiel die gröberen Sachen, er zerlegt sämtliche Möbelstücke eigentlich, im großen und ganzen.
3 OT Ranftl
Der Kursteilnehmer ist maximal ein Jahr bei uns beschäftigt, und in der Zeit soll er wieder einen Arbeitsplatz finden.
OT Hagenhofer
Wir belassen die Leute im Zeitrhythmus mit Qualifizierungsmaßnamen. Die Leute müssen in der Früh in die Maßnahme gehen, sie dauert 8 Stunden, und somit ist das Gefühl, arbeitslos zu sein, nicht so stark vorhanden.
TEXT:
Augenkontakt mit der Kundschaft sei wichtig, lehrt ein Plakat an der Wand, das schaffe Vertrauen. Das Projekt besteht nicht nur aus Arbeit. Auch hier sollen Fertigkeiten zur Persönlichkeitsentwicklung vermittelt werden.
2-(~3) OT Sepp
Na ja so, arbeitsmäßig gefällts mir ganz gut, aber ich bin von Schneegattern, ich hab da eine Wohnung, das ist was, was mir nicht so gut gefällt. Der Kurs baut einen schon ein wenig auf, daß man wieder zu sich selben kommt. Wenn man weg ist, dann findet man selber nicht mehr so recht rein. Die helfen einen, daß man wieder dazu zurückfindet. Wie gesagt das ist ein Problem ,in Schneegattern habe ich eine Wohnung, und ich habe mich schon eingelebt, jetzt müßte ich wieder neu anfangen, des streßt mich, ich fahre schon das Wochenende heim, das geht ales ins Geld, ich muß ins Gasthaus essen gehen. Das geht ins Geld. Das bringt mich durcheinander.
TEXT:
Flexibel, dynamisch, mobil und kommunikativ. Das sind die neuen Kriterien. Fehlt nur eines davon, reicht es aus, um in der großen Konkurrenz unterzugehen.
OT Arbeiter
Ich habe, wie gesagt, Sehnsucht nach Zuhause.
OT Arbeiter
Ich bin ein recht fexibler Mensch, ich habe da 0 Probeme gehabt, ich habe zuvor einen ganz anderen Beruf gehabt, wie jetzt. Ich komme bei den Leuten gut an, glaube ich, aber wie gesagt, unser System ist, daß wir zusammenhelfen, weil sonst gehts fast nicht - Heh! -
Ich muß aber jetzt ein Interview geben, jetzt gehts nicht.
3-(~2) OTAction
2 OT Hagenhofer
Ich sage, bei uns wird niemand gezwungen. Jeder soll in die Ausbildung oder in das Projekt freiwillig. Wenn man jemanden zwingt bringt das nix. Allerdings, wenn eine Person, für die wir glauben, das ist für die Person sinnvoll, selbstverständlich das Arbeitslosengeld nicht so ohne weiters weitergezahlt wird, es wird für 4 Wochen ausgesetzt. Man sollte die eine oder andere gemeinnützige Organisation unterstützen, wenn sie Leute braucht, daß man sie aus dem Reservoir der arbeitslosen Personen bestücken kann. Aber mit Gewalt gehts nicht, das sind alles Menschen, man kann den ja nicht anbinden.
TEXT:
Teilnehmer an Projekten der aktiven Arbeitsmarktpolitik erhielten bis vor kurzem für die Arbeit während der Arbeitslosigkeit 2000 Schilling pro Monat zusätzlich zur Arbeitslosenunterstützung. DLU heißt das, Deckung des Lebensunterhaltes.
2(~3) OT Arbeiterin
Also, was ich gerade erfahren habe, ich bekomme die normale Arbeitslosen, mehr nicht, weil ja die DLU jetzt gestrichen worden ist. - Warum ? - Sparpaket. Habe ich jetzt gerade erfahren. Man wird eingestuft, was man vorher gemacht habe, früher hat man noch 2000 dazubekommen. Das ist gestrichen worden. Aber trotz allem, besser wie nichts. -
Aber es ist alles zu bewältigen mit der richtigen Einstellung.
OT Nachrichten
Die Wirtschafts- und Arbeitsminister der 7 führenden Industrienationen haben sich in Lille für einen flexibleren Arbeitsmarkt ausgesprochen, um neue Arbeitspätze zu schaffen. In einer gemeinsamen Abschlußerklärung fordern sie eine größere Mobiität der Beschäftigten und geringere Sozialabgaben für Arbeitspätze, die nur eine niedrigere Qualifikation erfordern. Österreichs Soziaminister Hums meinte zu den Beratungen, es habe keinen Sinn, Arbeitsplätze zu schaffen, die nicht geeignet seien, Existenzen zu sichern.
OT Arbeiterin
Ich täte es für gut halten, wenn es mehr solche Projekte gäbe, dann hätten die Leute vielleicht wie in meinem Fall größere Chancen, irgendwo unterzukommen. gar nicht so schecht. Pfft.
3 OT Hagenhofer
Das Ganze ist eine finanzielle Frage. Der Arbeitsmarkttopf für aktive Beschäftigungspolitik ist nicht endlos, daß man nur daraus schöpfen kann. Man hat ein bestimmtes Budget, mit dem wir haushalten müssen. Man muß auch aufpassen, daß man den Markt mit derartigen Projekten nicht überfordert.(3)
TEXT:
Die Qualifikationsspirale dreht sich. Handelsakademiker ersetzen Handelsschüler, Maturanten Menschen mit Hauptschulabschluß. Im Zusammenhang damit sinken die Gehaltsforderungen der Arbeitssuchenden.
Gerhard Rauscher leitet das Renoveriungsprojekt im nahegelegenen Altheim. Langzeitarbeitslose haben dort ein altes Bauernhaus renoviert, das nun als Kulturzentrum und Museum dient. Für die Gemeinde war diese Renovierung billig, Material wurde von den heimischen Betrieben gekauft. Endlich profitieren auch die Arbeitslosen, ihre Fähigkeiten können erweitert werden. Zu Beginn der Schulung steht Grundsätzliches am Programm. Die Arbeitskultur.
2 OT Rauscher
Das ist wichtig, Thomas. Ich brauche heute, es geht nicht mehr so verstärkt um die Situation, daß Du als Hilfsarbeiter der fachlich fertige Mann sein für die Firma. Was den Hilfsarbeiter betrifft, übernimmt die Firma die Schulung selbst. Aber das was jeder mitbringen muß ist Verläßlichkeit, Pünktlichkeit, ist eine Situation, daß ich sagen kann, beim Thomas ist um 7 Arbeitsbeginn, dann ist er um 7 da. Das sind die Wertmaßstäbe, die man bei euch anlegt. Wo es nicht darum geht, daß ich hohe fachliche Qualifizierung habe, sondern wo ich sagen kann, er ist da, wenn man ihn braucht. Das zählt, alles andere macht Dich kaputt.
(2)
TEXT:
Während in den Stiftungen und Projekten Organisatoren und Teilnehmer an der Überlebenssicherung und Zukunfstplanung arbeiten, diskutieren drei Künstler im Braunauer Cafe Graf.
2 OT Künstler
Ich glaube, daß die Arbeitslosigkeit ein totaler Streß ist. Man muß sich rechtfertigen, daß man doch exisitiert, man hat als Künstler schon schwer, und wenn man als Arbeitsloser Soziahife bekommt, ist es noch schwerer, vor Freunden, die vielleicht einen Job haben, zu rechtfertigen, wieso man was bekommt und trotzdem lebt. -
Man hat ja seine Aufgabe, man muß funktionieren. Das ist einfach Pflicht. Ich muß auch funktionieren, wenn ich sowieso am Arsch bin. -
Sie können vielleicht ihre Phantasie wieder mehr beleben, weil sie mehr Zeit haben, ich stelle mir vor, daß sie sich mit ihrem Leben wieder mehr befassen, ich glaube es, ich wünsche es diesen Menschen. Wenn man mehr Freiraum hat und nicht im Streß ist, dann kann man ja mehr über sich nachdenken und die Welt -
Schwachsinn -
Bist du gerade arbeitslos? Sag ihm hinein, was du dir denkst! -
Was soll ich da sagen, sicher gehts mir schlecht. sieht man eh, psychischer Zustand, der Druck, Winterdepressionen. Schwere Depressionen. Ich kann jetzt gar nichts sagen, wei ich so schlecht beinand bin. -
Finde ich auch, wenn du eine Depression hast, dann redest du nicht gerne darüber. -
Ich habe immer gearbeitet, mein ganzes Leben lang. Meine Freundin, mir war alles was wert, immer noch, wenn ich was mache, dann anständig. Jetzt bin ich ein Jahr dahein, gesundheitshalber, dann schauen dich die Leute schon an wie einen Verbrecher.
OT Hagenhofer
Es ist ein Phänomen, daß Personen, die von Arbeitslosigkeit nicht betroffen sind, überhaut nicht daran denken, daß er morgen oder übermorgen er selbst schon betroffen ist, und was es heißt. Das ist das schlimmst aus meiner Erfahrung, was ich aus meiner beruflichen Laufbahn erfahren konnte, wie sie noch in Arbeit waren, war die Welt noch eine ander, als sie noch gearbeitet haben. Es ist so bezeichnend, daß es noch Leute gibt, die sagen, wenn er wirklich will, dann kriegt er schon eine Arbeit, weil es einfach nicht so ist. Das ist das Prekäre an der Situation in unserer Gesellschaft, daß jeder, der noch am Sessel sitzt, und glaubt er hat Arbeit, daß ihm das nicht passieren kann. Und leider kann es sehr rasch gehen.
OT Frau
Na ja, ich arbeite 4 Stunden, ich finde, man muß einfach zusammenhalten, ich kann nicht einfach sagen, mein Mann arbeitet nicht mehr. Er hat ja nicht aufgehört, weils ihm nicht mehr gefreut hat, sondern weil er gehen hat müssen. Er hat sich nichts zuschulden kommen lassen, er hat ein super Zeugnis bekommen, aber was fangt er damit an, das bringt uns nichts. Na ja, es wird wieder weitergehen. Hoffmas.
MUSIK bis
ENDE (2)