Man kann viel Geld ausgeben, um die Welt als Gast auf einem Schiff zu sehen. Fjorde im Norden, Eisberge und Pinguine im Süden. Man kann aber auch als Mitglied der Crew mitfahren und Geld dabei verdienen. Weil Möglichkeiten fehlen, es auszugeben, bleibt davon auch viel. Vor allem aber bleiben Erinnerungen. Eine Vielzahl neuer Erfahrungen und das Arbeiten im Team machen die Reisen zu einem intensiven Erlebnis. Was das für mich im Herbst und Winter 2022 bedeutet hat, habe ich hier zusammengefasst.

Die Vorgeschichte: Norden und Süden

Die Postschiffroute entlang der norwegischen Küste kenne ich seit Interrail in Skandinavien als Student. Zweimal bin ich die Route mit dem Schiff zwischen Tromsø und Bergen gefahren, einmal im Sommer, einmal im Winter. Die Farben, die Landschaft, das Wetter, wie schön. Fjorde, Wolken, Häfen, an denen man aussteigen und ein paar Stunden spazieren kann. Bei der zweiten Fahrt heuer im Jänner habe ich gegoogelt, ob es Jobs am Schiff gibt. Und ja, ein Wissenschaftskoordinator für die begleitenden Vorträge wurde gesucht. Genau mein Ding. Die Stelle wurde vergeben, nicht an mich, aber ein ermunterndes „bewirb dich doch noch einmal als Contractor auf Werkvertrag“ folgte. Nach zwei Zoom-Gesprächen wurden vier Reisen zu je 14 Tagen nach Norwegen vereinbart, und vier Reisen zu je 10 Tagen in die Antarktis.

Man braucht zuerst ein Seefahrts-Gesundheitszeugnis, um mitfahren zu dürfen. Als Österreicher ohne Meer fährt man dazu nach München. Der Arzt meinte allerdings: “Oh! Sie sind am Handgelenk verletzt. Sie dürfen nicht mitfahren”. Ich hatte beim Kayakfahren mein Handgelenk verletzt, keine große Geschichte für Vorträge am Schiff, dachte ich. Das sah der Arzt anders: “Als Crew müssen Sie 100% einsatzfähig sein, im Krisenfall müssen Sie Menschen retten.” Die ersten drei Fahrten nach Norwegen konnte ich deshalb nicht mitmachen, aber für die vierte Reise nach Norwegen im Oktober und für die folgenden vier Reisen in die Antarktis im November und Dezember hat es geklappt. Als Gast eines Schiffes merkt man von solchen Sicherheitsmaßnahmen gar nichts. Meine freiberufliche Sozialversicherung in Österreich hat sogar einen Teil des Verdienstentgangs kompensiert.

Brown Station, Paradise Bay an der Danco-Küste im Grahamland auf der Antarktischen Halbinsel.

Gedanken zur Nachhaltigkeit

Als Postschiff hat man ja noch einen guten Grund, die Küste entlang zu tuckern: Versorgung. Dieser Auftrag fehlt am Kreuzfahrtschiff. Es ist umwelttechnisch schwer zu argumentieren, die Weltmeere zu befahren. Umso mehr geben sich die Unternehmen Mühe, “Nachhaltigkeit” zu vermitteln. Es gibt keine Plastikflaschen an Bord, sondern Metallflaschen für die ganze Reise und Wasserspender. Es gibt Mülltrennung, Gedanken zur Entsorgung von Grauwasser, Bio-Kraftstoffe und Hybridantriebe mit zuschaltbaren Batterien, die bei Versorgungsspitzen verhindern, dass ein weiterer Motor aktiviert werden muss. Dazu kommen die Inhalte der Wissenschafts-Programme an Bord: Vorträge, Beteiligungen bei Citizen-Science Projekten. Wissenschaftler:innen von Universitäten, die Forschung in der Antarktis machen, werden mitgenommen. Sie halten Vorträge und informieren die Gäste über ihre Arbeit. Das klare Bekenntnis auch zur Diversität in der Crew bedeutet allerdings, dass ihre Mitglieder aus der ganzen Welt eingeflogen werden müssen. Natürlich auch die Gäste. In Summe ist das für das Klima ein Spagat, der sich nicht ausgehen kann. Ich verwendete für mich das “Mitarbeiterargument” – ich wollte den Betrieb hinter den Kulissen kennenlernen. Es sind kleine Schiffe, mit denen ich unterwegs war. Schwarz aus dem Schornstein hat es nicht rausgeraucht. Es war kaum wahrnehmbar.

Die Vorbereitungen: Onboarding

Man wird ausgebildet. Einerseits durch Videos von den Führungspersonen des Unternehmens. Der CEO erzählt, dass er am liebsten auf Reisen auf einer Busstation im Nirgendwo auf einen Bus wartet, von der er nicht weiß, ob er kommt. Bemerkenswerter Hintergrund für einen Reiseveranstalter, der garantiert Leute wo abholt und hinbringt. Weitere Führungspersonen erzählen von der Vielfalt im Team, und von der Kunst, Vorträge zu halten: “Töte nicht mit Powerpoint Bullets” – sondern mache “dich” zum Teil der Geschichte. Es gibt einen Onlinetest, bei dem man lernen kann, wie das Unternehmen funktioniert. Das Schiff wird von Norweger:innen geleitet, von Filipinos betrieben, diese Antwort wird im Test eingefordert, das soll man wissen.

Bei der Ausbildung für den Job wurden auch “formative experiences” besonders erwähnt, die prägenden Erlebnisse, und wie man die Gäste dabei unterstützen kann, die Bedeutung des Momentes zu deuten. Was bedeutet das für sie, zum Beispiel einen Wal zu sehen. Nie sollte man sagen, „aber bei mir war das noch vieeeel besser“. Man soll überhaupt wenig über sich reden. Spannend war auch die Vorbereitung darauf, dass Gäste im Laufe der 10 oder 14 Tage unterschiedliche Phasen erleben. Wenn sie an Bord kommen sind sie eher beunruhigt, gestresst, das Neue ist noch unbekannt. Das regelt sich dann und im Mittelteil der Reise sind sie im Flow, um dann gegen Ende wieder in einen höheren Stressmodus zu gehen.

Photo links oben: Owen Hunt

Unser Schiff ist rechts

Die Crew und das Expedition-Team

150 Crew Mitglieder und um die 400 Gäste. Es gibt Activity Guides – für Wanderungen, Kayakfahren, Zelten. Es gibt das Science Team – für Vorträge, Workshops, und Forschungsprojekte (Wale, Robben, Pinguine, Eis). Es gibt die Expedition-Coordinators – für die Einteilung der Gäste bei Ausflügen. Chef:in ist die/der “Expedition Leader”, immer in engem Kontakt mit der Brücke. Dazu kommen noch Expedition-Assistants für das Tagesprogramm, Activity- und Science-Leader/Coordinator:innen, Dolmetscher:innen, Fotografen und neu auch Videographers. Sie sagen zueinander „Hello my friend“, wenn der Name nicht bekannt ist, und immer wieder zwischendurch, “wie gehts?”. Die meisten lernt man sehr schnell kennen.

Expedition-Team: Norwegen, Photo: Timo Heinz

Erste Fahrt: Die Reise zum Nordkap

14 Tage ab Hamburg, der erste Tag über die Nordsee mit begleitendem Orkan. Seekrankheit kann man nicht vorhersagen, es war aber allen sehr schlecht. Dieses ständige Rauf- und Runterheben des Schiffes. Dieses Rollen nach links und rechts, und das Hineinkippen in die Wellentäler nach vorne und zur Seite. Übel. Die Seekrankheit verschwindet zum Glück unmittelbar, wenn der Wellengang vorbei ist. Es ging dann recht ruhig zum Nordkap rauf und runter wieder nach Hamburg, mit vielen Stationen für Landausflüge.

Für Österreicher:innen und Deutsche ist das Nordkap ein besonderer Ort. Einmal im Leben möchte man dort gewesen sein. Als offizielles Reisetagebuch habe ich für alle Gäste die „Daily Blurbs“ geschrieben, das Reisetagebuch: Link zum PDF.

Nordkap von innen
Nordkap von außen

Ich war als „Environmentalist“ an Bord, also Spezialist für Physik, Wetter, Umweltthemen. Die Farben im Herbst: blau, grün, gelb-orange. Rote Häuser, grünes Nordlicht. Wolken beobachten für das NASA-Globe-Cloud Projekt. Nachdem ich Physik und Mathematik studiert habe, und Geografie auch, das passt inhaltlich gut zusammen. Dazu habe ich Workshops über Reiseberichte gehalten und die Strickrunde betrieben. Jeder bringt ein bisschen was noch extra mit, andere machen Yoga-Stunden oder erzählen Geschichten, geben ein Flötenkonzert.

Jeden Abend gab es ein Teammeeting, in dem der aktuelle Tag besprochen wurde, der nächste Tag vorgestellt und gegebenenfalls Sonderthemen (Erste Hilfe) präsentiert wurden. Am ersten Tag erhielt jede:r Neue vom Sicherheitsoffizier ein Sicherheitstraining. Es gab jede Fahrt auch Crew-Drill, bei dem die Abläufe im Alarmfall geübt wurden, für Gäste gab es eine eigene Übung. Bei meinem ersten Drill war ich auf der falschen Seite, beim falschen Boot. Deswegen übt man das. Beim nächsten Mal hat es geklappt. Jedes Crewmitglied hat eine Sicherheitsnummer (“304”), im Alarmplan ist verzeichnet, welche Aufgabe diese Person im Alarmfall zu tun hat. Bei mir: “Available Crew – report at the reception”.

Die vier Reisen in die Antarktis

Vier mal zehn Tage zum beginnenden Sommer, Mitte November. Reisen in die Antarktis starten in Ushuaia, in Argentinien, an der Südspitze Südamerikas. Man überquert zuerst 800 km die Drake Passage, an der Atlantik, Pazifik und der südliche Ozean zusammenstoßen. „Drake lake“ oder „Drake shake“ hieß es immer, die Passage kann friedlich sein (Wellen 2m) oder anspruchsvoll (Wellen 4-5m) oder übel (7 und mehr m Wellen). Bei uns war alles gemischt, und einmal „übel+“, ich bin fast vom Sessel gefallen, ein anderes Schiff auf der Passage hatte eingeschlagene Fenster.

 

Die Umlauftage am Hafen waren immer extrem geschäftig, ruhiger dafür die Seetage zuvor. Am Abend vor dem Ende einer Tour sammelten wir die Koffer in den Gängen ein, am Morgen des nächsten Tages kommen Busse und transportieren Koffer und Gäste zum Flughafen. Ich habe dann immer schon am Flughafen in den Bussen die neuen Gäste für die nächste Tour eingecheckt. Das war immer nett, die Leute zu begrüßen, sich vorzustellen und eine Idee von der Reise zu geben. Am ersten Abend dann immer an Bord das Vorstellen des Teams.

Gespräche am Kartentisch, während wir am ersten Abend den Beagle-Kanal raustuckern in Richtung Drake Passage zur Antarktis. Foto: Kevin Snair

Einen Tag und eine Nacht fährt man über die Drake zur Antarktis, und zwei Tage retour, wegen dem Wind. Diese Seetage sind dann gut auszuhalten, wenn man die Medikamente richtig nimmt, falls nicht, wurde problemlos freigestellt und konnte im Fall der Fälle in der Kabine flachliegen. Die Vorträge wurden dann von jenen gehalten, die es konnten.

In der Antarktis

Wir erreichen die antarktische Halbinsel, die mit dem Kontinent verbunden sind. Entlang dieser Halbinsel gibt es vorgelagerte Inselgruppen, die besuchbar sind. An 6 Tagen besteht die Möglichkeit, bei passender Wetter- und Eislage, anzulanden, also die Schlauchboote (Zodiacs) auszupacken, die Gäste raufzusetzen und vom Schiff an Land zu bringen. Die Gewässer sind durch die vorgelagerten South Shetland Inseln ruhig. Einmal versucht man dann auch mindestens am Kontinent selbst zu landen, und nicht auf einer Inseln. Spannend sind auch der Lemaire– und Neumayerkanal zwischen den Bergen, Gletschern, Eisbergen.

Es ist still. Die Pinguine sind entzückend. Man hinterlässt bei den Anlandungen nichts, außer Fußspuren. Nicht einmal aufs Klo geht man dort. Tiefe Löcher von Stiefeln werden zugeschaufelt, damit kein Pinguin reinfällt und steckenbleibt. Die Anlandungen sind die „Währung“ der Reise. Das ist es, wofür das Unternehmen hinfährt, das ist, was auch die Gäste wollen. Wenn sich Pinguinpfad mit Menschenpfad kreuzt, haben Pinguine immer Vorrang.

Die Lufttemperatur ist im beginnenden antarktischen Sommer wärmer als erwartet, an den Küsten hat es um die 0 Grad. Die Farben: weiß, blau, grün/azul bei Eisbergen.

So funktioniert eine Anlandung: Das Schiff bleibt stehen, stabilisiert sich durch Propeller und nicht durch den Anker. Die Tenderpit wird geöffnet. Ein Pier für die Zodiacs-Schlauchboote entsteht am Schiff. Die Schlauchboote (5-20) werden mit einem Kran ins Wasser gehoben. Zur vereinbarten Briefing time kommt das Expedition team (10 Personen etwa) angezogen und mit Schwimmweste zum Tenderpit, lädt durch eine Ameisenkette Strandungstaschen („Stranding“, mindestens 48h muss man aushalten, sollte man vom Mutterschiff getrennt werden), Stöcke, Flaggen, und Rettungsmittel ins erste Boot und fährt los. Die Expeditionsleiterin dirigiert die Fahrt an die beabsichtigte Landestelle. Treibeis, das mehr wird, könnte die Anlandung verhindern, wenn nicht, werden in den Schnee Stufen werden geschaufelt, und am Land Pfade ausgetreten und beflaggt. Gekreuzte Flaggen bedeuten „Stopp“. Die Crew wird positioniert, der Kanal am Funkgerät wird getestet, wenn alles passt, kommen die Gäste, schlauchbootweise und sehr koordiniert. Manche Stellen dürfen nur eine Maximalzahl von 60 Gästen an Land haben, andere 100.

Schwierig war, nicht aufs Klo zu gehen und daher vorher wenig zu trinken – man darf ja nichts dort lassen, Schnee oder Regen waren weniger ein Problem, weil die Ausrüstung grandios ist. Wind allerdings hat jede lange Stehtzeit kalt gemacht. Da war dann heiße Suppe und eine heiße Dusche fein danach.

Für mich selbst war die Antarktis wie das Ankommen auf einem anderen Planeten.

Die Daily Blurbs von den vier Fahrten werden noch zusammengestellt. Ich werde sie nach Erhalt hier verlinken.

Übrigens: Auch die historischen Reisetagbücher der Entdecker:innen sind spannend. Von Ernest Shackleton zum Beispiel. Ein Hörtipp auch: der Weltrekord in der Umsegelung der Antarktis von Lisa Blair, besprochen in Conversation von ABC Radio National.

Die IAATO kontrolliert alle Schiffsbewegungen und Anlandungen in der Antarktis. Die “International Association of Antarctica Tour Operators”. Das Abzeichen ist auf allen Uniformen drauf. Es gibt eine Einschulung, an denen man teilnehmen muss, auch die Gäste. Als Crew-Mitglied gibt es auch eine Onlineprüfung, man muss sich gut einlesen.

Es gibt relativ strenge Regeln: nicht in den Schnee setzen in der Nähe von Vögeln (Vogelgrippe Übertragungsgefahr). Ein Ornithologe überprüft den Abstand zu Pinguinkolonien. Es gibt “Observer”, die auf den einzelnen Schiffen mitfahren, um zu kontrollieren, ob sich alle an die Regeln halten.

Spannende Momente

Jede Tür darf man am Schiff öffnen, die nicht gerade mit einem großen Hebel versehen ist. Man soll sich nämlich auch überall gut auskennen. Die Brücke darf man jederzeit besuchen. Was dann weniger oft vorgekommen ist, als beabsichtigt. Einerseits wegen dem Wellengang, der von der Brücke besonders „hübsch“ erlebt wird, andererseits gibt es so viel zu tun, dass man lieber mal erst schläft, bevor man extra wo hingeht, wo man nichts zu tun hat.

Schön war es, an den Endpunkten der Pfade an Land für mehre Stunden immer zu stehen. Aufgabe war dabei auch, die Gäste bei ihren „formative experiences“ zu begleiten, den „prägenden Erlebnissen“. Oft sind sie einfach nur gestanden und haben geschaut. Oft haben sie fotografiert. Manchmal haben sie geredet. Manchmal habe ich nachgefragt, was den Blick für sie so schön macht. Das waren immer sehr nette Gespräche, oft berührend, weil manche von ihnen auch eine Mission mitgenommen haben, warum sie hier sind, und manche die Gedanken an einen verstorbenen Partner.

Auch für mich: Erstes mal Felsen der Antarktis, erstes Mal schwimmendes Eis, erstes mal eine Robbe, die auftaucht, ein Walrücken, eine Flosse. Erstes Mal Pinguine – drei Arten, die man lernt, auseinanderzuhalten: Gentoo, Chinstrap und Adelie. Den Geruch nach Zoo in ihrer Nähe. Erstes Mal Gletscher, riesige. Das Geräusch von brechendem Eis. Das Platschen kalbender Gletscher. Das Schaukeln mancher Eisberge durch Wellen, die zu ihrer Größe passen – es schaukelt immer nur einer.

Das Foto entstand um 6 Uhr Früh – wir waren knapp am Polarkreis, um 2 Uhr früh scheint dann auch schon die Sonne

 

Jede Anstrengung hatte eine Belohnung. Früh aufstehen um die Camper vom Land abzuholen – das Licht in der Früh war einfach traumhaft. Drei Kormorane, die im Tiefflug über Bucht & Boot flogen. Eisberge im Morgenlicht.

Der Platz am Vulkan: Wenn man sich in eine Richtung sattgesehen hat, drehte man sich einfach ein bisschen um, in die andere Richtung sieht es völlig anders aus. Und wenn man einmal rum ist, hat sich das Wetter geändert und alles ist wieder anders. Das Wetter wechselt alle 15 Minuten. Es kann auf der linken Seite des Schiffes anders sein, als auf der rechten. Das war das eigentliche Privileg: stundenlang da zu sein. Und die Wolken sind grandios.

Eisberge sind vielfach blau/grün. Es ist ein schönes Blau. Es gibt drei Erklärungen: das Eis absorbiert alle Farben bis auf blau/grün. Das Eis absorbiert nur rot, der Rest ist in der Mischung blau/grün. Das Licht wird ähnlich wie am Himmel besonders gut im blauen Bereich gestreut. Welche der Erklärungen die „richtige“ ist, ist wirklich alles andere als eindeutig. Es kommt nämlich auch darauf an, wie gemessen wird.

Ich verstehe nun, warum Menschen dorthin fahren. Oft haben die Gäste gesagt es wäre so „pristine“. Muss mal nachschlagen, was das genau heißt. Und sie haben recht. Unberührt. Keine Bäume. Keine Pflanzen. Aber Flechten, etwas Gras vielleicht. Keine Tiere, die an Land leben. Nur Vögel, Robben, die über das Meer kommen.

Was ich über Pinguinen gelernt habe

Pinguine sind neugierig und wirken sehr menschlich. Einer ist bei der Landestelle stundenlang dort gestand und hat den Menschen zugeschaut. Würden Pinguine nach Wien kommen, würde ich wahrscheinlich ein Mensch sein, der so dasteht.

Sie sind oft weit oben am Felsen und gehen dabei recht unbeholfen an Land, sie springen über kleine Gräben. Wenn es schnell gehen muss, legen sie sich auf den Bauch und schieben mit den Beinen an. Im Wasser sind sie schnell wie Fische. Zu Beginn des Sommers warten sie auf das Schmelzen des Schnees, damit sie Eier legen können. Sie stehen in Gruppen herum, und sie besuchen einander in diesen Gruppen. Sie schnäbeln oft in die Luft, manchmal jagt einer den anderen weg. Mit den zunehmenden Wochen steigt die Energie in den Gruppen, und es gibt gefühlt mehr Konflikte. Sie klauen sich auch die Steinchen, die sie für die Nester brauchen, um zu verhindern, dass die Eier von unten her nass werden.

Schau genau: ein Pinguin. So stand er da recht lange.

Im Gespräch mit Rudi Radiohund

Hat sich zufällig ergeben, über Internetleitung haben wir ein bisschen geplaudert, und meine Radiokollegin Kathrin Wimmer hat dann zwei Folgen über die Antarktis und die Pinguine gestaltet. Das war sehr nett, ich war etwas seekrank (Drake!) beim Gespräch über Skylink/Internetleitung – und man kann es hier nachhören.

Wo ist Lothar? Rudi telefoniert in die Antarktis. Rudi schüttelt den Kopf und wischt mit seinen Pfoten über das Smartphone seines Herrlis. Seit einigen Wochen postet sein Radiokollege Lothar Bodingbauer lustige Bilder von Eis und Schnee und Pinguinen und Seerobben und so weiter. Der Radiohund ist verwirrt: “Lebt Lothar jetzt im Schönbrunner Zoo in der Gefrierabteilung? Oder, wo ist dieser Lothar?” Rudi platzt vor Neugier und ruft ihn an. (13.12.2023, ORF Radio Ö1, Rudi – der rasende Radiohund)

Welche Farbe haben Pinguinsohlen? Rudi telefoniert mit seinem Radiokollegen Lothar Bodingbauer. Der ist gerade in der Antarktis und beobachtet Pinguine. Das bedeutet, er steht stundenlang im Schnee herum und schaut den flugunfähigen Vögeln zu. Meistens sind sie neugierig und schauen zurück, oder watscheln herum. „Besonders lustig ist es, wenn sie auf ihrem Bauch über Eisplatten rutschen“, erzählt Lothar. Dabei konnte er herausfinden, welche Farbe die Unterseite ihrer Füße hat. Der Radiohund ist entzückt. (18.01.2023, ORF Radio Ö1, Rudi – der rasende Radiohund)

Durch die Tätigkeit als Vortragender war ich in der Position, einerseits Wissen zu präsentieren – andererseits aber, es selbst zu lernen. Neu waren für mich die Wolken, die ich beginnend mit Juli in Österreich versucht habe, zu verstehen, es war ein Anfang. Wolken sind wie eine Sprache. Dazu gibt es die Cloud Appreciation Society, und das Buch Cloudspotter’s Guide dazu, und eine Podcastepisode von ABC-Radio National.

Den Gästen hat das gut gefallen, gemeinsam die Sprache der Wolken zu entdecken, sie erzählen nämlich etwas, über das Land über dem sie schweben, und über den Himmel darüber. Wolken sind eher keine Dinge, sondern Prozesse.

Dann: die Vogelkunde. Es waren immer Ornithologen mit dabei, und in Gesprächen mit ihnen habe ich versucht, herauszufinden, wie man „Vögel lernt“. Aussehen, Silhouette, Lebensraum/Ort, Verhalten, Brut und Lebensweise, Ökosystem, Parasiten. Auch das ist wie eine Sprache.

Arbeitsplatz Expeditionsschiff

Es ist wie eine Mischung aus Shopping-Mall, Universität (fahrendes Klassenzimmer), Tiefgarage, Tiergarten, Nationalpark, und Staatsoper. Die herumfährt, und schaukelt, wenn es See gibt. Das Spannende ist, mitzuarbeiten. Wie in der Oper sehen die Gäste im Zuschauerraum die Aufführung auf der Bühne. Der technisch Raum dahinter ist ebenso groß, und unfassbar spannend. Auch inhaltlich, wie Wirklichkeit gestaltet wird, was das Produkt ist, warum man das macht – das alles bekommt man als Crewmitglied mit.

Sicherheit geht am Schiff vor, das ist überall zu spüren. Jede:r der Crew hat die “Macht”, “unsafe work” zu stoppen, wenn man der Meinung ist, dass sie nicht sicher ist. Es wurden auch immer wieder potenziell unsichere Situationen besprochen, die aufgefallen sind.

 

Wie viel verdient man auf einem Schiff?

Als Gastlektor waren 1700 norwegische Kronen (170€) pro Tag vereinbart, An- und Abreisetag zählen extra. Dafür arbeitet man laut Vertrag, den man unterschreibt, pro Tag 12 Stunden. De facto ist man 24 Stunden an Bord, arbeitet überall mit, wo es notwendig ist. Nach zwei Monaten hat man insgesamt um die 10.000€ verdient, die punktgenau abgerechnet immer zur Monatsmitte am Konto landen. 40 Tage am Stück zu arbeiten, ist ein recht üblicher Wert. Danach Urlaub.

Jetzt kommt es darauf an, wie viel Steuern zu zahlen sind. Diese Steuern – und Sozialversicherungsbeiträge – fallen im Wohnsitzland an. Diskussionen darüber, wo man wohnen sollte, um den Steuerbetrag zu verringern, gibt es unter Kolleg:innen. Manche Länder haben auch Regelungen für Seefahrer:innen. Angestellte Crewmitglieder erhalten pro Arbeitstag einen Tag frei an Land. Viele Gespräche drehen sich darum, wie man auf Dauer Beziehungen gestalten und erhalten kann.

Trinkgeld? In Norwegen explizit nicht erwartet – und auch im Programm so angegeben – trotzdem bekam jeder im Team € 34. In der Antarktis pro zwei Fahrten € 20, da gab es für die Gäste eine Urne zum Einwerfen an der Rezeption. Beim Teammeeting wurde ein Bündel Geld durchgereicht, jeder durfte sich 20€ oder 20$ nehmen.

Und es hat auch mal nicht so gut geklappt

Nach einigen Stunden in der Kälte an einem Punkt habe ich es abgelehnt, Fotos von Gästen zu machen, weil meine Hände so kalt waren, und ich die Handschuhe zwar aus, aber kaum mehr anziehen hätte können. Weil ich nicht wusste, wie lange ich noch dort stehen musste. Selbstschutz geht vor. Es war richtig so. Aber dieses „nein“ war dennoch ungewöhnlich. Ich stand an diesem Nachmittag auch eher abseits und war mürrisch, was ungewöhnlich war, weil man üblicherweise immer mit den Leuten plaudert. Ich habe dann aber am Abend das in der Programmvorschau angesprochen und die Sache erklärt.

Spannend war der Anspruch, Wartezeiten für Gäste durch Gespräche nett zu machen. Ich empfand das nicht als Show, sondern als eine sympathische Herausforderung. Durch die Rolle als Crew ist man stimmungsgestaltend. Man erzählt, was gerade passiert, warum man wartet, man fragt nach, wie es geht. Man ermuntert. Das funktioniert.

Filmtipp: The Triangle of Sadness. Witzig über die Schnittstelle Crew und Gäste auf einem Schiff. Im Kern stimmt vieles, wenn auch zugespitzt und ab dem Mittelteil des Schiffes drastisch kippend.

Ich konnte übrigens kein Boot anbinden, als man mir ein Seil zuwarf. Knoten muss man zuerst lernen. Ein Pferd anbinden, ein Boot.

Was sind das für Leute?

Alle, die dabei sein, haben das Leuchten vom “Leben unterwegs” in den Augen. Der Kern der Crew, die auch letztlich jene Menschen sind, die diese Fahrten gestalten, das waren besonders in der Antarktis bemerkbar, das sind „Landing-people“. Die aufgehen, wenn sie bis zum Bauch in wasserdichter Kleidung im Wasser stehen, um die Boote zu halten oder wegzuschieben – die in Schnee und Eis Spuren machen, es sind Outdoor-Leute mit viel Reiseleitungserfahrung, die koordinieren, Prozesse gestalten, optimieren. Mit roten Ohren, voll dabei. Das ganze als Unternehmen natürlich betrieben, um letztlich Geld damit zu verdienen. Sehr glaubhaft wird der Crew vermittelt, dass sie wichtig ist, ohne sie gäbe es das “Produkt” nicht.

Gut gefallen hat mir, dass das Unternehmen auf seine Mitarbeiter:innen schaut. Mobbing geht gar nicht, es gibt eine designierte Person an Land, sollte ein Problem nicht an Bord geklärt werden; Team-Verantwortliche sprechen zum Beispiel an, dass man nicht sagen soll: “Talk to the girls at the expedition desks” – es sind “Expedition coordinators”, die sich um ein Problem annehmen. Das auch von der Crew sprachlich einzufordern, gefällt mir gut. Oder von “Operation guidelines” zu sprechen, das wäre die eine Seite, wenn es um Regelungen für das Benehmen in der Antarktis geht, es aber dann “Operation procedures” zu nennen, um den Spielraum rauszunehmen, auch wenn es letztlich nicht rechtlich verpflichtend ist, auch das gefällt mir gut.

Zusammenfassung und Rückblick

Auch wenn ich nach wie vor der Meinung bin, dass sich das ganze Unternehmen in Summe ökologisch argumentativ nicht ausgeht. Es war eine wirklich spannende Erfahrung. Das Arbeiten im Team war grandios. Die Landschaft unglaublich. Die Menschen bezaubernd. Die Teamführung bedeutend. Ich habe viel Neues gelernt, und Bekanntes neu sortieren können. Finanziell war es solide. Sozial phänomenal. Harte Arbeit auch. In Summe eine faszinierende Abwechslung.

Noch eine witzige Geschichte

Bei meiner letzten Fahrt in die Antarktis war ein Ehepaar aus Los Angeles dabei, die ursprünglich aus Sarajevo sind. Ich habe sie kennengelernt, als ich sie nicht fotografieren konnte, weil meine Hände so kalt waren, dass ich sie nicht wieder in die Handschuhe gekriegt hätte. Das habe ich in den Tagen drauf durch besonders viele Foto gutgemacht, und wir haben immer sehr nett miteinander geplaudert, wenn wir uns getroffen haben. Dann habe ich einen Vortrag über Farben gehalten und als erstes Bild (Farben entstehen im Kopf oder im Computer) das neue Bild vom James-Webb-Weltraumteleskop gezeigt, und erzählt, dass das ja Infrarot ist, und der Computer das zu Farben übersetzt.

Nachher hat mich der Mann gefragt, ob ich weiß, warum das im Infrarot arbeitet, und ich habe weder ja noch nein gesagt, sonder “warum?” gefragt, und er hat mir das erklärt „wegen der Rotverschiebung hat sich das Interessante ins Infrarot verschoben“, und wir haben noch über das Teleskop geplaudert (Lagrange Punkt 2), und weil er so am Punkt davon erzählt hat, habe ich ihn gefragt, warum er das alles weiß, und er hat gesagt, weil er es gebaut hat. Huiiii – Klar, da waren mehr beteiligt, weil Team und so, aber das war schon lustig, und ich hab kurz geprüft, ob ich in meinem Vortrag nicht allzu viel Blödsinn erzählt habe…


Anhang: Meine Vorträge und Workshops

Viele Themen habe ich angeboten, nicht alles konnte ich halten. Aber es war auf jeden Fall sehr nett, mit den Gästen fachlich seriös, aber in einer gewissen Leichtigkeit und auch Neuartigkeit im Blickwinkel über die Themen zu sprechen. Es ist nett, wenn Gäste nach dem Vortrag kommen, um noch zu diskutieren, oder einfach um zu sagen, dass es ihnen gefallen hat. Die Vorträge wurden auf Englisch und Deutsch gehalten und oft wurde auch simultan gedolmetscht.

Die Lectures (35 min)

Das Wetter verstehen: Wetter ist nicht nur ein Zustand, es ist ein Prozess. Um Wolken, Winde, Luftfeuchtigkeit und Niederschlag zu verstehen, werden wir die Physik bitten, uns die grundlegenden Konzepte des Wetters zu erklären.

Die Geschichte der Wissenschaft: Wo ist der Unterschied zwischen Wissenschaft und Glauben? Wie die wissenschaftliche Methode funktioniert und ob die Ergebnisse bewiesen werden können. Wissenschaft ist die Suche nach der besten Beschreibung unserer Umwelt.

Die Farben der Natur: Blauer Himmel, grüne Gewässer, rote Sonnenuntergänge, schillernde Farben von Insekten und Vogelfedern. Das Grau der Felsen. Wie entstehen Farben in der Natur und was verraten sie uns über die Objekte, aus denen sie entstehen?

20 Arten von Eis: Eis und Schnee sind zwei Formen von gefrorenem Wasser. Es gibt noch 17 weitere, von denen eine zwischen der Erde und dem Mond zu finden ist. Wo finden wir die Modifikationen von Eis und wie entstehen sie?

Meeresströmungen und Windsysteme: Meeresströmungen und Windsysteme – Wie beeinflusst die ständige Strömung von Meerwasser und Wind um den Globus das Leben an den Küsten der Ozeane? Angewandte Thermodynamik ist der Schlüssel dazu.

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Die “Tiny Talks” (15 min)

Wolken. Die verschiedenen Arten von Wolken und wo wir sie finden können.

Den Meeresspiegel verstehen. Warum es nicht einfach ist, den Meeresspiegel zu erklären, und wie er sich verändert, wenn das Eis schmilzt.

Energie für das Leben. Es ist ein erklärbares Wunder, wie die Energie der Sonne in die Lebewesen kommt. Kurzfassung: durch Chlorophyll und Mitochondrien.

Geht es nur mir so, oder ist es hier drinnen kalt? Wenn uns kalt ist, ist das nicht nur ein Zustand “niedriger Energie”, sondern ein Prozess, der Energie von uns an die Umgebung abgibt. Wenn wir uns warm fühlen, kehrt die Energie zurück.

Meeresströmungen und Windsysteme – Wie beeinflusst die stetige Strömung von Meerwasser und Wind um den Globus das Leben an den Küsten der Ozeane? Angewandte Thermodynamik ist der Schlüssel dazu.

Wie schwimmt ein Schiff? Um Schiffe zu verstehen, müssen wir den Auftrieb verstehen.

Navigieren in antarktischen Gewässern: Die faszinierende Geschichte des Südlichen Ozeans.

Im Uhrzeigersinn um die Antarktis: Der antarktische Zirkumpolarstrom.

Die Drake-Passage: Wo Ozeane sich treffen. Dank der Drake-Passage ist der antarktische Zirkumpolarstrom die einzige Meeresströmung, die um einen ganzen Kontinent fließen kann.

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Die Workshops (45 min)

Do it yourself Wissenschaft: Entwickeln und Vorschlagen einer wissenschaftlichen Frage an die Natur, die während der Reise untersucht und beantwortet wird; die Ergebnisse werden im letzten Teil des Workshops präsentiert.

Experimente zur Ozeanographie: Erforschen Sie die Physik des Ozeans mit Werkzeugen und Zutaten, die in jeder Küche zu finden sind.

Schreiben auf Reisen: Was sind die Zutaten für einen Reisebericht? Wir werden Konzepte und Ideen entwickeln, sie mit Beobachtungen vor Ort füllen und das Ergebnis präsentieren: eine Reisegeschichte, die geschrieben, fotografiert oder aufgezeichnet wurde.

Fotos so bunt: Bringt eure Fotos mit! Woher kommen die Farben? Physiker können die verschiedenen Ursprünge der Farben erklären, was zu einem tieferen Einblick in die fotografierten Motive führt.

Stricken Sie mit: Bringen Sie Ihr Strickzeug mit, um gemütlich zu stricken und zu plaudern. Haben Sie Ihre Arbeit vergessen? Kommen Sie einfach zum Plaudern! (Zwangloses Treffen)

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