Wie soll man mit Krieg umgehen? Mit Umweltkatastrophen? Mit einem Virus, der vielleicht im Herbst schon wieder anders aussieht? Wir brauchen eine Strategie. Und das ist unser Wort der Woche.
SIGNATION WORT DER WOCHE / Ö1 13.04.2022
Strategie. Interessant ist dieses Wort, weil oft etwas dabeisteht: Eine “gute” Strategie, ist das eine, eine “schlechte” Strategie das andere. Wählen Sie doch eine “passende” Strategie, oder “entwickeln” Sie sie eine Strategie. Brillant kann sie sein. Und wenn einem gar nichts mehr einfällt, dann ist man “strategielos”. Wer will das sein.
Die Urform des Wortes kommt aus dem Griechischen. Sie bezeichnet einen Plan für das Vorgehen, das Wort kommt von STRATEGOS, Feldherr oder Heerführer. Das Heer. Es muss geführt werden. Und das ist auch eine der drei Hauptfelder, in denen wir “Strategien” heute noch finden. Die Entwicklung militärischer Strategien gehört in den Bereich der Militärwissenschaft. Zu unterscheiden von der Taktik – wie man das Ganze im Gefecht umsetzt. Das zweite: die Wirtschaft – jeder Betrieb wird Strategien entwickeln, und sie auf ihre Stärken und Schwächen abtesten. Und das dritte Gebiet, in denen man Strategien heute findet, ist jene Wissenschaft, die komplexe Entscheidungen unter oft noch komplexeren Bedingungen simulieren und modellieren: das ist die Spieltheorie. Achtung: Spiel klingt freundlich – das kann auch Krieg sein.
OT Müller
*Natürlich. Die ganze Spieltheorie wurde natürlich aus militärischen Gedanken heraus entwickelt. Der Spieltheoretiker würde empfehlen, für jede dieser möglichen Konfliktsituationen, in die ich geraten kann, überlegen Sie sich doch, für jede dieser Möglichkeiten, in denen ich aufgefordert sein könnte, irgendwie etwas zu sagen, oder eine Handlung zu setzen, überlege ich mir, wie ich reagieren würde.*
Wieland Müller leitet das Institut für Experimentelle Wirtschaft an der Universität Wien. Er ist Experte für das Modellieren von Strategien.
OT Müller
*Es ist klar, Strategie ist in der Regel etwas, was ein bisschen vorausschauend ist, was einen längeren Horizont betrifft. Taktik ist dann, wie man eine solche Strategie umsetzt und meint in der Regel eher kurzfristige Handlungen. Der Spieltheoretiker überlegt sich einfach im Vorhinein, was ist denn die gesamte Spielsituation. Er denkt sie durch vom Anfang bis zum Ende und überlegt sich, wann in diesem Spiel könnte dann ein einzelner Spieler aufgefordert sein, sich zu entscheiden und überlegt sich dann in allen diesen Situationen, was sind denn meine Handlungsmöglichkeiten und der Spieltheoretiker sagt, für all diese Situationen, in denen ein Spieler aufgefordert sein könnt, in dem Spiel zu entscheiden, muss er eine Entscheidung parat haben. Und zwar schon im Vorhinein.
Das heißt, in der Spieltheorie geht man schon davon aus, dass man sich alle Handlungsweisen vorab überlegen kann oder sogar muss?
Ganz genau. Es kann natürlich sein, dass man von vornherein sagt, OK, wenn wir uns die Situation vorstellen, bestimmt Dinge schließen wir aus. Aber wir sehen, dass das keine kluge Herangehensweise ist. Man sollte also bestimmte Dinge, die möglich sind, nicht ausschließen. Sie können womöglich nur mit gewisser Wahrscheinlichkeit auftreten. Aber wenn sie zu katastrophalen Ereignissen führen könnten, dann sollte man sie sie sich natürlich überlegen.
Und dann kommt ein Präsident wie Donald Trump, der alles anders macht und sich an gar nichts hält, was bisher klar war?
Genau. Und er bringt alles durcheinander, weil er nach Regeln lebt, mit denen wir nicht so richtig was anfangen können, und dann geraten wir natürlich in Nervosität, weil wirt uns darauf nicht vorbereitet haben.
Und kann das in irgendeiner Weise gut sein für ein Gesamtsystem mit oft eingefahrenen Abläufen?
Na ja, das wird jetzt. Eine schwierige, aber interessante Diskussion, weil bestimmte Veränderungen gibt es nur in Krisensituationen. Wenn wir jetzt wirklich in Bedrängnis geraten, was Umweltverschmutzungen angeht, dann wird sich die Menschheit vielleicht mal überlegen, ob man wirksame Mitteln ergreift. Umverteilung und schwierige politische Prozesse intensivieren sich und werden schneller in Krisensituationen, sodass zum Beispiel die Aufstockung von Militärbudgets, die lange Zeit überhaupt keine Rolle gespielt haben, plötzlich innerhalb von 24 Stunden geschehen. Also solche Krisensituationen sind natürlich Katalysatoren, die plötzlich explosionsartig politische Diskussionen, besonders in einer Demokratie, in der die Meinungsbildung aus guten Gründen langsam vonstatten geht, plötzlich beschleunigt werden, das kann natürlich etwas Gutes haben. Ich will da nicht auf den Krieg eingehen, weil da sehe ich nichts, was es gutes bringt, das ist einfach nur fürchterlich, aber natürlich haben Krisensituationen auch das Potenzial inne, bestimmte Entscheidungen zu beschleunigen, um vielleicht wieder zum Agierenden zu werden, anstatt nur zu reagieren.*
ABMODERATION
Das Wort der Woche, gestaltet von Lothar Bodingbauer.