Umweltministerin Leonore Gewessler hat vor kurzem in einem Zeit-im-Bild-Interview an ein nationales Entsorgungsprogramm für radioaktiven Abfall erinnert. Auch in Österreich fällt nämlich radioaktiver Abfall an – durch Industrie und Medizin, oder bei der Dekontamination. Dazu wurde ein sogenannter Entsorgungsbeirat eingerichtet, für die Entsorgung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle. Er soll in den kommenden Jahren Vorschläge für ein Endlager in Österreich präsentieren.


Manuskript

SIGNATION

Angenommen Sie haben einen verbogenen Nagel in der Werkstatt. Was tun Sie damit? Geradebiegen. Gut. Wenn das misslingt? Entsorgen. Da gibt es einen Weg: zum Altmetall. Recyceln. Ein Kreislauf. Und alles ist gut. Ein Nagel macht nun wirklich keine Sorgen.

Anders sieht es bei radioaktiven Elementen aus. Einmal gebraucht, liegen die Reste herum. Die Reste sind Zerfallsprodukte, die oft selbst nicht stabil sind, sondern weiter zerfallen. Dabei produzieren sie Hitze. Sind weiter radioaktiv. Radioaktive Abfälle machen Sorgen.

Ein Endlager muss her. Das Ende der Sorgen. Die ultimative Entsorgung. Früher gab es die zweifelhafte Idee: aus den Augen, aus dem Sinn, Fässer mit radioaktiven Abfällen wurden am Meeresgrund versenkt. Das ist seit 1993 weltweit verboten. Man versenkt seither die Fässer in geophysikalisch stabile Gesteinsschichten im Boden. Und hier wird zunehmend darüber nachgedacht, das Ganze reversibel zu machen, sollten in einigen Tausend Jahren die Kinder unserer Kindeskinderkindeskinder draufkommen, dass das “Endlager” doch nicht so ideal war wie gedacht. Vielleicht gibt es dann eine bessere Entsorgung oder sogar die Wiederverwertung mit Methoden, die erst entwickelt werden.

Weltweit gibt es nur sechs Endlager für hochradioaktiven Abfall, in Russland, der Ukraine, Weißrussland und den USA. Geplant werden welche in China, Argentinien, in Finnland und Frankreich.

Alles Leben ist endlich. Müsste es nicht eigentlich Unendlichlager heißen?

OT Endlager 1
*Ja, wenn Sie das so wollen, sprachlich ja.*

… meint Roman Beyerknecht.

OT Endlager 2
*Ich bin Geschäftsführer der Nuclear Engineering Seibersdorf GmbH. Unsere Firma kümmert sich um das Management der radioaktiven Abfälle in Österreich, von der Sammlung vom Verursacher, über die Aufarbeitung, Konditionierung und bis zur Zwischenlagerung. Wir betreiben auch das österreichische Zwischenlager für diese radioaktiven Abfälle.*

Das kann zum Beispiel ein Feuermelder sein, in dem geringe Mengen radioaktiver Stoffe für das Feststellen von Rauch vorhanden sind. Kaputt muss er “entsorgt” werden. Ins Zwischenlager gebracht. Nach Seibersdorf. Kosten: Rund 300 Euro laut Tarifplan. Radioaktive Abfälle werden in Österreich in ein Zwischenlager gebracht. Endlager gibt es noch keines in Österreich. Ein Entsorgungsbeirat wird oder muss sich in Zukunft darum kümmern. Ob Abfälle aus Medizin oder Industrie, es sind keine großen Mengen, die hier in Österreich entstehen, schwach- oder mittelradioaktiv, aber man kann sie nicht einfach zum Recycling bringen.

OT Endlager 3
*Ja der Unterschied zum herkömmlichen konventionellen Abfall ist der, dass vom radioaktiven Abfall ein mehr oder weniger großes Risiko für Umwelt und Personen ausgeht. Beim Großteil der radioaktiven Abfälle, vor allem jenen aus Österreich, sprechen wir jetzt nicht davon, dass es heiß wird, das ist gar nicht einmal das Thema, es geht wirklich um die ionisierende Strahlung, die auf die Zellen von Lebewesen einfach nachteilig einwirken können, und dort zum Gesundheitsrisiko führen.*

Zuerst wird versucht, die Menge “einzudampfen”. Zu pressen, zu reduzieren, einzuschmelzen, in Glas oder Beton zu gießen. Alles wird in einem Zwischenlager aufbewahrt, vieles davon hat auch eine kurze Halbwertszeit von 30 Jahren, nach 150 Jahren wären noch 3% der Strahlung da. Ein Endlager würde die “heiße Ware” für immer aufnehmen.

OT Endlager 4
*Das ist der letzte Schritt der Entsorgung von radioaktiven Abfällen. Bis zur Zwischenlagerung haben wir in Österreich ein fertiges System, das gut funktioniert, und genau dieser letzte Schritt fehlt.*

Ein Schritt, der nun geplant werden soll. Das wird wegen der aufwändigen Suche nach geeigneten Orten, den Bewilligungen und zu erwarteten Befürchtungen der ortsansässigen Bevölkerung – Stichwort: Nicht in meinem Hinterhof – das wird sehr lange dauern.

OT Endlager 5
*Österreich und Deutschland sind da sicher ein bisschen einmalig, weil die Sensibilität in diesem Gebiet sehr groß ist, und größer als in anderen vergleichbaren Ländern. Die technischen naturwissenschaftlichen Lösungen für diese Abfälle gibt es, weltweit auch in vielen funktionierenden Endlagern. Das wird letztendlich auch in unserem Zwischenlager sichergestellt, auch hier werden die radioaktiven Abfälle gelagert, aber natürlich ist die Akzeptanz der Bevölkerung und der Gesellschaft ein wesentliches und zentrales Thema bei der Suche nach einem Endlager.*

Politisch wird man sich nur wenig Freunde machen, mit dem Engagement für ein Endlager. Es müssen schwierige Entscheidungen getroffen werden. Roman Beyerknecht:

OT Endlager 6
*Das ist wieder der große Unterschied zwischen Nieder- und mittelaktiven Abfällen und diesen hochaktiven Abfällen. Während man bei diesen hochaktiven Abfällen von Kernkraftwerken von 100.000 bis Millionen von Jahren redet, redet man in der Regel bei den niederaktiven Abfällen von Zeiträumen von mehreren 100 Jahren. Das sind viel überschaubarere Zeiträume, die man auch entsprechend simulieren und voraussagen kann.*