Wie viel Vergangenheit begegnet Ihnen in der Gegenwart und was bedeutet das für die Zukunft? Über die Zeitformen.
In der Gegenwart sollst du leben. Sagen angeblich die Buddhisten. Und die Leute vom Online-Yoga. Ich höre da immer zu, im Halbschlaf, wenn meine Lebensgefährtin ihre Morgenübungen macht. Ist sie fertig, bin ich ausgeschlafen. Lebe den Moment. So kann es losgehen.
Bemüh dich um das Paradies, sagen die Andersgläubigen hingegen. Und das liegt vor dir – mehr oder weniger weit in der Zukunft. Auch ein Konzept, ich kenn das von der Sonntagsmesse.
Alles nichts, wir schwören auf die Vergangenheit, sagen die Ewiggestrigen. Und es ist nicht so klar, was an den zerbombten Resultaten so schön war, dass man sie wieder haben wollte. Aber solche Leute reden ja über die Zukunft. Gut, das taten die damals auch.
3 Sekunden dauert für uns das „jetzt“, das weiss die Wissenschaft. Drei Sekunden, die wir als Mensch als „jetzt“ erleben. Geräusche spielen sich üblicherweise in diesen drei Sekunden ab. Da baucht man schon ein bisschen Erinnerung, weil sie so schnell verschwinden. Es ist ein hübsches Wechselspiel dieser 3 Sekunden Gegenwart, finde ich, mit dem was war, und dem was wird. Erinnerungen versus Ideen, und warum ich das alles erzähle, weil ich gerade eine neue Sprache lerne, Spanisch.
So kannst du die Welt ganz neu entdecken. Stück für Stück eignet man sich die Begriffe an, zuerst für die Dinge. Personen, die Länder, dann für die Mengen. Für den Besitz. Für Gefühle, Geschmäcker, Farben und Zahlen. Es ist eine neu beschriebene Welt, die hier entsteht. Die wiederersteht eigentlich. Mit neuer Sprache. Dazu kommen die Verben. Zuerst in der Gegenwart. Ich gehe zur Universität. Ich esse den Apfel. Mein Sohn trinkt die Milch. Da glaubt man dann, das war’s dann schon. Jetzt kann ich Spanisch. Aber dann: voy a comer. Ich werde essen. Die Zukunft geht auf. Ab jetzt gibt es eine Möglichkeit, mit der man beschreiben kann, was sein wird. Unfassbar, wer sich das einfallen hat lassen. Großartig. Heute schon von morgen sprechen. Das kann was. Und mehr braucht es nicht, könnte man auch hier wieder meinen. Da kommt der Spanischlehrer Antonio, der Bilder malt – besonders gern in rot – und er sagt: zwei Formen der Vergangenheit wären als Nächstes dran.
Langeweile breitet sich aus. Wer würde über das sprechen wollen, was war? Ich war einkaufen. Ja eh. Und? Ich habe mir gedacht, dass – natürlich, aber was denkst du jetzt? Ich kaufte die Äpfel. Hier sind sie, ich sehe sie.
Warum sollte ich über die Vergangenheit reden, wenn ich lebensmäßig da bin, hier, und lebenstechnisch ohnehin nur in die Zukunft gehe? Auf der anderen Seite: hast du das Bügeleisen ausgeschaltet – eine abgeschlossene Handlung in der Vergangenheit mit Konsequenzen für jetzt, und sicher auch später.
So klar ist es also doch nicht, wie viel Vergangenheit sinnvoll ist für die Gegenwart und Zukunft. Abschaffen sollte man die Vergangenheit wohl nicht.
TRENNER
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Sie das folgende Geräusch schon einmal gehört haben. (GERÄUSCH) Und es ist durchaus personenabhängig. (GERÄUSCH). So klingt es beim Geduldigen, und so beim Ungeduldigen, oder bei dem, der wenig Zeit dafür verwenden will. (GERÄUSCH) Der Zaghafte, es könnte auch der Sparsame sein. Wie auch immer, was ist das für ein Geräusch?
Sie kennen es bestimmt, wenn man nämlich mehr von seinem Hintergrund dazu noch hört (ATMO), in der Eisenbahn, in der Österreichischen, Deutschen und wahrscheinlich auch in der Schweizer Eisenbahn hat oder hatte dieses Geräusch seinen Lebensraum, und zwar im WC. Es ist der Trockenseifenspender. Das war nämlich jenes Gerät, das unten so einen igelhaften Kreis hatte, mit drei um 120 Grad versetzten Stacheln, die man mit den Fingern fassen oder nur mit den Knöcheln anschieben und drehen konnte, und es wurde dabei die Seife, die trockene Seife auf die Hand gerieben. Wenn dann kein Wasser da war, weil es schon aus war, konnte man sich die Seife (ATMO) runterklopfen. Heute ist es ja so, dass mit Flüssigseife das Problem besteht, wenn das Wasser aus ist, haben wir die Seife flüssig in der Hand, was soll man tun. Ja, früher war doch manches besser… Jetzt habe ich doch über die Vergangenheit geschwärmt. Ich weiß nicht, ob es Trockenseifenspender noch in den modernen Eisenbahnwaggons gibt, man kann aber diesen Spender im Internet sehr wohl leicht finden. Ich habe mir einen schicken lassen, mit einem Karton voller Seife, und habe das im Bad installiert und gehe jetzt beim Händewaschen auch in Zukunft wieder so gut wie auf die Reise.