RANDNOTIZEN ORF Ö1/Moment 13.01.2020
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Wie waren Ihre Weihnachtfeiertage? Sind Sie gut gerutscht? Das Kabarettprogramm im Fernsehen zu Silvester war ja großartig. Das Neujahrskonzert, ein Traum. Ein bisschen breitbeinig sind die Philharmoniker gesessen, oder war es nur die Kameraeinstellung? Aber es war schön.
Wir sind diesmal nicht weggefahren, sondern haben die Feiertage in Notaufnahmen verbracht. Und mit Notdiensten. Keine Sorge, nichts Menschliches. Der Hund. Am Bildschirm der Tierklinik stand als erste Zeile einer sich über die Tage füllenden Liste: “Balu hat beim Spazierengehen zu Mittag seinen Erzfeind getroffen”. Balu ist unser Hund, und sein Erzfeind ein größer Hund. Dem unser Hund jedesmal, wenn er ihn trifft, sofort an die Kehle springt. Bei dem es unserem Hund die Haare aufstellt, wenn er den anderen nur am Horizont am Ende der Gasse sieht. Das wissen wir natürlich, der gegnerische Besitzer und wir, und wir sorgen dafür, dass sich die beiden Hunde nicht treffen. Diesmal sind sie aber gleichzeitig um die Ecke gebogen. Das haben Ecken an sich, dass man vorher nicht sieht, was dahinter ist. “Balu hat beim Spazierengehen zu Mittag an der Ecke seinen Erzfeind getroffen”, müsste es heissen. Die weiteren Zeilen des Eintrags der Tierklinik waren dann: Bluterguss ums Auge herum, Dosierungen von Medikamenten, Schmerzmitteln, Details zur Narkose, Beruhigung und Heilung, die Bindehaut des Auges hat es rot und geschwollen herausgedrückt. Mehr dazu erspare ich Ihnen. Das Endergebnis: alles ist gut gegangen. 927 Euro hat es gekostet. Wir sind heuer nicht weggefahren – hätten wir uns auch nicht recht leisten können.
TRENNER
Was man erlebt, wenn man 8 Stunden in der Notaufnahme der Tierklinik sitzt? Unzählige Menschen, die mit sorgenvollen Blicken hereinkommen. Ihre Tiere in Schachteln tragend, in Käfigen, in Decken gewickelt. Warten, Infusionen am Gang. Aufrufe. Ein zitternder Hase. Eine Katze, die nicht mehr frisst. Und immer wieder die Frage: kann ich mit Bankomat zahlen? Von denen, die gehen mit ihren Tieren, lachen einige draußen wieder am Gehsteig. Einige gehen ebenso sorgenvoll, wie sie gekommen sind – das Management des Sterbens gibt es auch bei Tieren. Begleitung, Schmerzmittel, Pläne, das Sterben menschlich zu machen, und manche gehen mit leeren Käfigen hinaus und weinen. Man kommt ins Reden, weil Zeit ist, gemeinsam zu warten, man lernt einander kennen, Menschen, und die Tiere, und ihre Geschichten. Wir sind heuer nicht weggefahren – wir haben hier viel erlebt und viel auch erfahren.
TRENNER
Ein weiterer Notdienst kam dann zu uns, am Samstagabend nach Neujahr. Wer eine neue Lampe im Bad montiert, muss eine Abzweigung im Stromkabel legen. Und wer den Erfolg seiner Arbeit ausprobieren möchte, muss spätestens dann die Sicherung wieder einlegen, wenn er sehen möchte, ob’s leuchtet. Ein weisser Blitz. Der Knall war gewaltig, danach wurde es ganz finster und es blieb auch finster, nachdem die Sicherung wieder eingelegt war. Der Elektrikernotdienst – 180 Euro – lachte und legte im Gang eine große neue Sicherung in einen versteckten Sicherungskasten ein, von dessen Existenz man bisher nicht wusste. Und es ward hell.
Den dritten Notdienst brauchten wir dann zu Heiligendreikönig. Milch, Brot und Butter waren ausgegangen, und der kleine Not-Supermarkt am Bahnhof hat offen. Wie Käfige sind dort Bereiche abgetrennt, weil es gar nicht so einfach ist in Österreich, für Supermärkte an Feiertagen offen zu halten. Das Geschäft muss untertags immer wieder mal abgeteilt werden, damit die Kunden bestimmte Bereiche erreichen oder eben nicht mehr erreichen. Ich war auf der falschen Seite, bei Getränken und Schnaps, Brot und Butter waren auf der anderen Seite. Man findet dann etwas ratlos aber insistierend umherirrend durchaus einen Eingang zum anderen Käfig. Insgesamt äußerst erfolgreich – 12 Euro 50 und das Frühstück war da. Zuhause freute sich die Familie über das Frühstück, und der Hund wedelte, dessen Nähte am Auge wieder entfernt waren. Er sieht jetzt etwas rot, wegen der Blutspuren im Auge, und weil er noch sauer ist. Die Leute von der Tierklinik haben gemeint, er wird sich anstrengen, seinen Erzfeind das nächste Mal schneller und besser zu erwischen. Damit er den Kampf beim nächsten Mal eben gewinnt. Ein aufregendes Jahr steht uns bevor.
Randnotizen von Lothar Bodingbauer