Vor 300 Jahren wurde in Schweden Carl von Linné geboren. Er entwickelte jene Methode, die Natur zu benennen, die heute weltweit angewendet wird: zwei lateinische Namen bezeichnen Gattung und Art von Pflanzen und Tieren. In Uppsala unterhielt er einen kleinen, feinen botanischen Garten und lehrte an der Universität. Wir unternehmen eine Exkursion im Stile Linnés, mit der akustischen Botanisiertrommel – dem Mikrofon – in gepflegte botanische Gärten und wildwüchsige Wälder in und um Uppsala im Jubiläumsjahr.

Manuskript

AMBIENTE BEITRAG

Uppsala – auf den Spuren von Carl von Linne

(Lothar Bodingbauer)

Anmoderation:

Von der Hausmaus Mus musculus bis zum Buschwindröschen Anemone nemorosa hat er den Lebewesen der Natur Namen gegeben. Auch den Menschen hat er mit Homo sapiens benannt.

In jedem Botanischen Garten der Welt befinden sich unzählige Pflanzen, die im Namensschild ein L führen, und dieses L steht für Linné. 

Carl von Linné, der schwedische Naturforscher, er ist der Erfinder der uns oft vertrauten lateinischen Doppelnamen für Tiere und Pflanzen. Er feiert heuer seinen 300. Geburtstag.

Die meisten Spuren vor Ort hat er in der Gegend von Uppsala hinterlassen, in Schweden. Dort wohnte er, betreute seine botanischen Gärten und unterhielt ein Sommerhaus, ein Zentrum für Studenten, Naturbegeisterte und auch Erholungsbedürftige. Das ist auch heute noch so. Lothar Bodingbauer hat Uppsala besucht und einige Menschen begleitet, die dort Carl von Linné immer noch tagtäglich treffen.

CD 1 / 1    Atmo 

(Atmo kurz stehen lassen)

Mikro    Text 

Die kleine Universitätsstadt Uppsala liegt ungefähr 60 Kilometer von Stockholm entfernt. Man könnte die Gegend vielleicht am besten als das Cambridge des Nordens bezeichnen. Die Universität prägt das Leben der Stadt, sie wurde schon 1477 gegründet, als zweite Universität Skandinaviens. 

Der kleine Fluß Fyrisån durchzieht die Stadt und seine Länden bilden einen willkommenen Treffpunkt nicht nur für die Lachmöwen und Schwäne der Region, sondern gerade auch für die Studenten, die dort auf die nächste Prüfung lernen oder zwischen den Vorlesungen Café trinken.

Oben am Berg das unvollendete Schloss von Uppsala, gleich daneben: die Kathedrale, in der neben Marmor und Bronce frische Blüten eine ganz bestimmte Grabplatte schmücken: Dort, am Grab von Carl von Linne, beginnt für den Besucher auf Linnés Spuren der Ausflug an jener Stelle, wo das Studium des Lebens für Linné selbst geendet hat.

CD 2 / 1    Atmo 

(In den letzten Satz ziehen, kurz stehen lassen, dann folgenden OT)

CD 1 / 2    0:34    OT Deutsch Olof Jacobson

Also wir sind hier am Grabe Carl Linneus. Wir sind also in der Domkirche von Uppsala. So ein großer Mann wie er war, er ist natürlich hier begraben. Es ist heute das Jubiläumsjahr, wie sie wissen. Das bedeutet, dass man hier es verschönt hat, wir haben eine Umringung von Pflanzen, es ist eine Menge von verschiedenen Pflanzen. Alle von ihnen sind normalerweise von Linneus Namen gegeben. Es ist grün und ganz schön am Grabe.

Mikro    Text 

Olaf Jacobson betreut dieses Ehrengrab. Er ist der Vorsitzende der schwedischen Linné-Gesellschaft und katalogisiert in Uppsala die Korrespondenz des Naturforschers. 

Den größten Teil seines Lebens verbrachte Linné auf den Spuren der Pflanzen hier in dieser Stadt. Er kam 1707 aber in Småland zur Welt, einer Provinz in Südschweden, deren Bewohner als besonders energiereich und ausdauernd beschrieben werden. „Setze einen Smålander auf einen Felsen, und er kann sich ausreichend ernähren. Gib ihm eine Ziege, und er wird reich“ – so heißt es in Schweden. Der Name Linnaeus stammt von den Linden, die im Hof der Familie standen. Linnés Vater war Priester, und Carl, der zweite Sohn, sollte ebenfalls Priester werden – was durch einen Mentor an Carls Volksschule erfolgreich verhindert wurde, der beobachtete, mit welcher Freude Carl mit Blumen spielte. Es war Linnés Mutter, die ihm schon früh Kränze voller Blüten um die Wiege wand. Carl, so schreiben die Biographen, war immer freundlich, lustig, glücklich und außerordentlich amüsierend. Rasch eignete er sich das botanische Wissen seiner Zeit an, studierte Medizin und wurde Experte für die Botanik. Nach Lehr- und Wanderjahren in Europa ließ er sich in Uppsala nieder. Mitten in der Stadt entstand sein eigener botanischer Garten, in dem er Vorlesungen hielt: Der Linné-Garten, der auch heute das Linné-Museum von Uppsala beherbergt.

CD 2 / 2    Atmo 

(Kurz stehen lassen)

CD 1 / 3    0:46    OT Deutsch Erik Århammer

An der gegenüberliegenden Seite vom neuen provisorischen Kiosk bewegen wir uns auf ein altes Haus zu, was jetzt das Linne-Museum beherbergt, und was früher von der Familie Linne bewohnt wurde und wo er auch die Studenten unterrichtet hat, Forschung betrieben hat. Und dann hat er vom Fenster des Arbeitszimmers im 1. Stock über den Garten hinausschauen können und auch zusehen können, dass die Gärtner alles genau so in die Wege geleitet haben und gepflanzt haben, wie er das geheißen hat. Klingeln wir, und sehen, ob jemand zuhause ist.

Mikro    Text 

Erik Århammer ist Gärtner, ein Nachfolger Linnés, denn er betreut im Botanischen Garten der Universität das Linneanum – die Orangerie. Er führt durch das Linné-Museum und zeigt Linnés Arbeitszimmer im ursprünglichen Zustand: mit Kästen voller Bögen mit gezeichneten und gepressten Pflanzen, Büchern, botanischem Handwerkszeug, selbst die Tapeten der Räume bestehen aus Drucken von Buch-Bögen, die Linné von seinen Verlegern zum Korrigieren erhalten hat.

CD 1 / 4    0:42    OT Deutsch Erik Århammer

Jetzt stehen wir von einem lebensgroßen Bildnis, das einen sehr jungen Carl von Linne zeigt, in der Lappentracht. Er hat ja eine Reise nach Lappland unternommen, eine sehr strapaziöse solche, wo er eine Pioniertat vollbracht hat, dass er da lebend wieder herausgekommen ist, ist schon allerhand. Und da hat er auch eine Lappentracht von da mitgeführt, und da sieht man alle Utensilien. Sehr interessant ist die so genannte Zaubertrommel oder Neuttrümma, wie es auf schwedisch heißt, wo man gute Geister beschwört hat und auch böse Geister hat versucht fernzuhalten. Die hat also magische Eigenschaften.

Mikro    Text 

Es war seine erste große Forschungsreise, die Linné als 23-jähriger Student in den Norden Schwedens, nach Lappland unternahm. Er katalogisierte alles, was er erlebte, alles was er sah. Er beschrieb Blumen, Sträucher, Steine, aber auch Sitten und Gebräuche. Besonders die Eigenheiten der heutigen Samen interessierten ihn – für ihn sonderbare Menschen in seinem eigenen Land. Derartige Lebensbeschreibungen waren neu für die damalige Zeit, und sie lesen sich auch heute noch spannend, unterhaltsam und oft amüsant. Zum Beispiel das, was er über das Werbeverhalten junger Männer schreibt: Eine bestimmte Art von Pilz hilft ihnen, Frauen zu begeistern.

Digas    Zitat Carl von Linné

Wenn ein Jugendlicher in Lappland so einen Pilz findet, bewahrt er ihn vorsichtig in einer Tasche auf, die er an seiner Hüfte anbringt, sodass der leichte Duft des Pilzes ihn für die Mädchen attraktiver macht, um das er sich bewirbt. Oh, seltsame Venus! In anderen Gegenden der Welt musst du mit Schokolade oder Kaffe gelockt werden, mit Eingemachtem und Süßen, mit Wein und Leckerbissen, Juwelen und Perlen, Gold und Silber, Seide und Kosmetik, Kugeln und Schmuck, Konzerten und Spielen; hier gibst du dich zufrieden mit einem kleinen welken Pilz!

Mikro    Text 

Die Stadt war anstrengend, damals wie heute. So kaufte Linné für sich und seine Familie ein Sommerhaus, 10 Kilometer außerhalb von Uppsala: In Hammarby. Garbiele Bodegård trifft dort als Waldökologin immer wieder auf Linnés Arbeitsweise, auf Linnés Spuren.

CD 1 / 5    1:45    OT Deutsch Gabriele Bodegård

Es knuspert, wenn man läuft. Es ist schon lange her, dass es geregnet hat das letzte mal. Ja, jetzt sind wir in Linnes Hammarby. Schauen wir, ob wir hier reinkommen (Atmo) So. Das ist Linnes Museum, was er selbst gebaut hat, 1766. Da hat es gebrannt in Uppsala, er hat Angst gehabt, seine ganzen Pflanzensammlungen, dass sie auch verbrennen, deswegen hat er das Häuschen hier gebaut aus Stein, kein Ofen hier drinnen. Da hat er seine ganzen Pflanzensammlungen hineingelegt, ein paar Tiere. Man kann durchs Fenster kucken. Da steht wie ein Holzpferd aus, was da drin steht, da kann man drauf sitzen, mit einer Schreibunterlage. Das hat Linne gebaut. Auf schwedisch Plughest, pluga studieren, lernen, hier sagt man auch heutzutage Streber sagt man Plughest, viel zuhause sitzt und studiert.

Mikro    Text 

Man kann sich glücklich schätzen mit einer Wanderführerin wie Garbiele Bodegård. Sie zeigt winzige Nagelköpfchen-Flechten, die man alleine nicht einmal von Nahem selbst erkennen würde, sie bückt sich dort, wo jeder andere vorbeigehen würde. Als Linné-Pädagogik wird diese Art des teilnehmenden Wanderns in der Natur in Schweden bezeichnet.

CD 2 / 3    3:25    OT Deutsch Gabriele Bodegård

Wenn man da eine Gruppe hat, einer von der Gruppe soll ein Buch dabei haben, kriegt ein Buch, ein Pflanzenbuch, einer einen Kescher um Tiere zu fangen, einer kriegt ein Gewehr aus Holz. Denn früher hat es keine Ferngläser gegeben, da haben sie die Vögel vom Himmerl geschossen, um zu bestimmen, was sie waren. Wieder ein anderer hat Disziplinstrafen ausgeteilt, einer hat Protokoll geführt. Alle waren irgendwie aktiv. Das ist Linne Pädagogik, wenn alle aktiv sind, dann sind dann auch alle konzentriert. – Jetzt gehen wir aus dem kleinen Park auf Linnes Wanderpfad, den er immer zur Kirche eingeschlagen hat. –

Ah kuck mal, das sieht eigentlich aus wie Elch. Ich glaube dass wir hier Elch-Fell, Haare gefunden haben. Und die Haare sind hohl. Und man kann sie brechen, das hört man vielleicht auch. (Atmo) Und wenn ich mit Kindern hier wäre oder mit Gruppe, und würde über den Elch erzählen, dass sich seit sich die schwedische Forstwirtschaft so geändert hat, seit den 50er 60er 70er Jahre, Kahlschlag macht, dann pflanzt man Fichten oder Tannen, dann haben sich die Elche wahnsinnig vermehrt. Das ist wie eine Futterkrippe. Die gehen herum fressen Knospen ab, die Forstwirte verzweifeln, und den Elchen geht’s gut, und die Jäger freuen sich auch. – Wir haben die mehr offene Landschaft verlassen und sind durch den Fichtenwald gelaufen. Und hier haben wir die Raststätte von Linne, seinen Lieblingsplatz, auf diesen abgeschliffenen Steinen hat er immer gerastet, wenn er zur Kirche gegangen ist. Man sagt, das ist Linnes Sofa. Der Stein ist abgebrochen, als der Gletscher rübergerutscht ist über die Kuppe, das sieht ziemlich bequem aus. Wenn man hier sitzt und der Wald ein bisschen lichter wäre, könnte man weit sehen. Es ist ein windgeschützter Platz, auch wenn es stürmt, hört man nur den Wind rauschen in den Wipfeln. Man kann hier sitzen und sich vorstellen, wie Linne über die Natur nachgedacht hat.

——– SCHNEIDEN MÖGLICH: BEGINN ———

CD 1 / 6    0:10    OT Englisch / Weiblich Lena Hansson

Möchten Sie die Linnea Borealis sehen? (ATMO)

Mikro    Text 

Wieder zurück im Linné-Garten in Uppsala zeigt Lena Hansen, die Chefgärtnerin, eine Pflanze, die zu Ehren Linnés benannt wurde: die Linnea Borealis, ein kleines unscheinbares Gewächs, mit ebenso unscheinbaren aber hübschen blassblauen Blüten. Im diesem botanischen Garten sind alle Pflanzen einfach zu finden, sie wurden geordnet, nach Linnés Vorstellungen.

CD 2 / 4    1:40    OT Englisch / Weiblich Lena Hansson

Wir haben hier eine symmetrisch angelegte Gartenanlage. Auf einer Seite befinden sich die mehrjährigen Pflanzen, auf der andern die einjährigen, und dann das Frühlings- und Herbst-Quartier bei der Orangerie dort. In Linnés Zeit war das hier ein wissenschaftlicher Ort, er war ausgelegt nach dem Sexualsystem, das Linné entwickelt hat. – Sie beginnen mit dem Pferdeschwanz hier, in der ersten Klasse. Sie müssen im Uhrzeigersinn gehen, dann können Sie dem System gut folgen. Dann können Sie vergleichen, wenn Sie ein Vergrößerungsglas bei sich haben, und schauen, ob er richtig gezählt hat. – Das System, das ganze Sexualsystem, ist aufgebaut von der Anordnung der Staubblättern und den Griffeln innerhalb der Blüte. Es gibt 24 Klassen, ein wirklich einfaches System, künstlich, aber einfach. So einfach, dass jeder der die verschiedenen Anordnungen sehen kann, auch dem System folgen kann.

Mikro    Text 

Carl von Linné taxonomierte Zeit seines Lebens. Ganz ohne Lehrer sollten alle Menschen die Pflanzen bestimmen und einordnen können. Lena Hansson kennt nicht nur die Pflanzen in ihrem Linné-Garten genau, sie kann auch die Besucher einteilen, je nachdem, wie sie durch den Garten gehen.

CD 1 / 7    0:32    OT Englisch / Weiblich Lena Hansson

Wenn sie wirklich Pflanzen lieben, greifen sie oft das Material an, schauen sich die Schilder an, gehen sehr langsam durch den Garten. Aber wenn sie nur hier sind mit einer Gruppe von Besuchern, dann schlendern sie herum, schauen sich einfach um schöne Pflanzen um. Diese Menschen genießen die Sicht des Gartens eher als einer ganz bestimmten Pflanze.

——– SCHNEIDEN ENDE ———

CD 2 / 5    0:17    OT Deutsch Marietta Manktelow-Steiner

Also in Schweden liebt man die Natur. Weil wir haben ja so lange schwere Winter. Und wenn die Sonne kommt, dann fühlt man so glücklich. – Also wir lieben die Blumen, wir lieben die Natur, und wir lieben Linne.

Mikro    Text 

Wer hier für ihr Schweden spricht ist Mariette Manktelow-Steiner. Sie ist Botanikerin in Uppsala und hat in Wien studiert. Sie organisiert im Linné-Geburtstagsjahr heuer die Feierlichkeiten in Uppsala: Tänze, Spiele, Ausstellungen, Exkursionen im Stile von Linné. Ja sogar ein Liebesfestival gibt es, passend für Linnés System, die Pflanzen zu sortieren. Und wirklich: alle freuen sich: die Wanderer, die Forscher, die Kinder und die großen Leute. 

CD 1 / 8    0:18    OT Deutsch Marietta Manktelow-Steiner

Ja, es ist eine Hysterie, aber nicht wie man denkt, also es ist so nett, und die Leute sind so engagiert und alle Leute in Uppsala werden wirklich und möchten wirklich Linné feiern. Also von kleine Kinder bis alte Leute. Alle sind da und möchten ein großes Fest machen zusammen.

Mikro    Text 

Eine unglaublich lebendige Welt tut sich auf, wenn man den Botanikern auf Linnés Spuren in Uppsala zusieht, wie sie mit einer einfachen Art die Natur zu erleben – dem genauen Hinsehen, dem Beschreiben, dem Ordnen, dem Überlegen, wie die Naturgeschichte geschrieben wurde, arbeiten und forschen. 

Für die gewöhnlichen Menschen werden Anleitungen gestaltet, die im Jubiläumsjahr in Uppsala überall zu finden sind. Wo der Ausflug auf Linnés Spuren in Uppsalaheuer  endet, kann er in Zukunft immer wieder von neuem beginnen.

CD 2 / 6    0:16    OT Deutsch Marietta Manktelow-Steiner

Das ist wahr, also wir machen das hier für die Zukunft. Viel Geld ist benützt  um Linnes Hammarby, die Plätze, die Linne-Garten, die Pfade zu restaurieren. So kommt man zu Uppsala nächstes Jahr, dann ist es viel mehr Spaß als voriges Jahr.