Das Lastenrad boomt: Besonders in Städten mit viel Verkehr schlängeln sich neuerdings mehr oder weniger elegant „Heavy Pedals“ – Lastenräder in unterschiedlichen Formen durch den Alltag. Die Wege sind kurz, Beschränkungen für den Autoverkehr nehmen zu. Das fördert den Wunsch, auch schwerere Lasten wie Gasthermen oder Getränkekisten mit Muskelkraft zu befördern. Akkus unterstützen das Ganze, ganze Gewerbebetriebe sind aufgesprungen. Seit kurzem fördert die Stadt Wien den Ankauf von Lastenrädern auch finanziell. In Fahrradkollektiven werden die Räder kostenlos verliehen. Ein Selbstversuch, wie die Beförderung alltäglicher Gegenstände mit dem Fahrrad statt mit dem Auto in der Stadt funktionieren kann.

URL: https://www.sprechkontakt.at/audio/radio252_mom_lastenrad.mp3

Transkript (auomatisiert, Whisper, kann Fehler enthalten):

Speaker 1
Moment, Leben heute.

Speaker 2
Sie haben alle einen ziemlichen Respekt vor diesem Rad. Also die Außenwirkung, für die Autofahrer ist, jeder lässt ein bisschen mehr Abstand, man wankelt manchmal auch ein bisschen, man ist ein bisschen breiter beladen vielleicht und das funktioniert eigentlich ganz gut.

Speaker 3
In Städten mit viel Verkehr schlängeln sich neuerdings mehr oder weniger elegant “heavy pedals” – Lastenräder – in unterschiedlichen Formen durch den Alltag. Die Wege sind kurz, Beschränkungen für den Autoverkehr nehmen in der Stadt tendenziell zu, das fördert den Wunsch, auch schwere Lasten mit Muskelkraft zu befördern. Ganze Gewerbebetriebe sind bereits aufgesprungen. Seit kurzem fördert die Stadt Wien den Ankauf von Lastenrädern. Oder man borgt sich eines aus.

Speaker 4
Wir haben einer freien Umziehung geholfen von jeder See, also eben da im 21. bis in den tiefen 8. Bezirk. Und das ist auch gegangen, weil du brauchst halt Kraft, okay, aber sonst ist es wirklich sehr schön. Es ist eine ganz andere Art umzuziehen.”

Speaker 3
Über die Beförderung alltäglicher Gegenstände mit dem Fahrrad statt mit dem Auto berichtet Lothar Bodingbau.

Speaker 4
“Also es ist sehr groß, drei Meter lang. Es hat vorne eine große Lade drauf. Ich glaube, wir haben 100, 120 Liter Erde reingegeben. Es ist blau, es ist schön. Man sitzt drauf wie ein Herr.

Speaker 5
Katharina Niedermeier ist Lehrerin und 28 Jahre alt. Sie beschreibt ihr Lastenrad. Es stammt aus Wohngemeinschaftsstudienzeiten. Vor einigen Jahren hat sie es ihrem damaligen Mitbewohner abgekauft.

Speaker 4
Man hat eine sehr aufrechte Position zum Sitzen. Und man sitzt dort, wie wenn man der Herr der Straße ist. Also sehr elegant sitzt man drauf. Und wenn jemand damit fortschaut, ist es wirklich schön aus.

Speaker 5
Das will man doch dann auch selbst einmal ausprobieren. Und man erinnert sich, dass da unten im Keller noch sechs Kisten Limoflaschen stehen, die man zurückbringen will. Wer kein Lastenrad besitzt, borgt sich eines aus.

Speaker 6
Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass 25 Prozent aller Güterfahrten in der Stadt auch mit dem Lastenfahrrad durchgeführt werden könnten.

Speaker 5
Sagt Martin Blum. Er ist Fahrradbeauftragter der Stadt Wien, kümmert sich also um die Interessen der Fahrradfahrerinnen und Fahrer. Und er spricht aus eigener Erfahrung.

Speaker 6
Ich bin ja selber ein Lastenradfahrer seit vielen Jahren und habe gesehen, wie viele positive Reaktionen man erntet. Die Leute kommen auf einen zu, fragen, wo das her ist, was man damit transportieren kann, ob es schwer zu fahren ist oder einfach. Und so wird das Fahrrad wirklich zu einem Verkehrsmittel für viele Lebensbereiche.

Speaker 5
Kostenlose oder günstige Ausleihestationen gibt es auch schon in anderen Städten. Zum Beispiel in Innsbruck oder in Graz. In Wien zum Beispiel beim Lastenrad-Kollektiv. Die Anmeldung erfolgt per Mail. Es gibt verschiedene Räder, vorne drauf die Last, oder hinten oder zur Seite hängend. Konditionen für die Ausleihe, 80 Euro Kaution und Ausweis. Am nächsten Tag um 10 Uhr kommt die Antwort. Das Fahrrad steht bereit.

Speaker 7
Du kriegst einen Schlüssel. Wir haben hier zwei Lastenräder zur Verfügung. Beide Probefahren. Dich entscheiden, mit welcher Lenkgeometrie du mehr zurecht kommst. Sollte es ein indirekt gelenktes sein oder lieber ein ganz simples, das sich anfühlt wie ein normales Fahrrad, nur mit einem riesen Gepäckträger.”

Speaker 5
Heinrich Flickschuh betreibt mit seinen Freundinnen und Freunden vom Fahrradkollektiv den Lastenradverleih ehrenamtlich und in der Freizeit. Als Fahrradmechaniker kennt er sich in allen Details der Räder aus, er repariert sie und alle zusammen veranstalten sogenannte Solidaritätsfeste, auf denen sie Spendengeld für ein, zwei neue Lastenräder pro Jahr sammeln. Wer sie benutzt, zahlt so viel er möchte.

Speaker 7
Wir machen das in Wien. Ich schau, dass ich niemanden mit Abgasen und Lärm beheilige.

Speaker 5
Ich möchte das teilen, ich möchte das propagieren. Nach einer Probefahrt ist Zeit für die erste richtige Transportfahrt. Sechs Kisten leere Limo-Flaschen werden auf einer niedrigen Ladefläche festgezurrt. Der Weg führt von Floridsdorf über die Donau zurück ins Stadtgebiet zum Getränkehändler. Für andere Verkehrsteilnehmer sieht die hohe Beladung nicht allzu vertrauenserweckend aus. Entgegenkommende Radfahrer weichen respektvoll aus, überholende Autos von hinten ebenso. Das Gefährt fühlt sich aber sehr kontrolliert an. Man fährt ruhig und großräumig wie ein Autobus. Und schnell merkt man, wie leicht es geht, wenn es eben ist. Und wie viel Energie notwendig ist, wenn es einen Berg hinauf geht. Paris Maderna konstruiert Lastenräder in Wien und er weiß, worauf es technisch dabei ankommt.

Speaker 8
Das Wesentliche ist die Verwindung einerseits zwischen Pedalen und Lenker. Und dieser Bereich muss einmal sehr stabil sein, um die Umsetzung der Kraft einmal zu gewährleisten. Dass nix verloren geht. – Genau. Und das Geigeln ist der zweite Punkt. Das ist die Verwindung zwischen Vorderrad und Hinterrad. Der Rahmen darf sich nicht verwinden. eben nicht sich aufschaukeln, weil das kann dann ziemlich gefährlich werden. Also wenn sich ein Rad aufschaukelt, heißt das, dass es unkontrolliert langen Linien fährt, die sich dann immer größer werden und die definitiv zum Schlutz führen. Eine andere Geschichte wird dann wahrscheinlich sein, der Schwerpunkt. Natürlich, der Schwerpunkt ist wichtig. Unglaublich, wie viel das ausmacht, ob jetzt die Ladefläche ein paar Zentimeter weiter unten oder weiter oben liegt.

Speaker 5
Das erste Lastenrad gab es übrigens schon 1696. Eine pferdelose Kutsche, ein muskelbetriebenes Personentransportmittel. Um 1900 waren es vor allem die Holländer und Dänen, die Lastenräder entwarfen und verwendeten. Heute gibt es 638 verschiedene Modelle von Lastenrädern, von 198 Herstellern weltweit. Das Angebot hat sich in den letzten Jahren gewaltig verändert, die Räder sind moderner geworden. Alle Beteiligten raten zum Ausprobieren, bevor man eines davon kauft. Rund 2500 bis 3000 Euro kostet ein professionelles Lastenrad. Teilweise gibt es Förderungen von Städten und Gemeinden.

Speaker 9
Also ich muss sagen, mittlerweile ist es fast Mainstream. Es sind auch nicht mehr die hartgesottenen Alltagsradlerinnen, sondern es sind wirklich teilweise nicht geübte, nicht täglich fahrende Radfahrerinnen, die jetzt merken, das Rad ist einfach ideal und wollen da jetzt auch umsteigen.

Speaker 5
Florian Weber betreibt einen Fahrradbotendienst in Wien. Er verkauft auch Lastenräder. Sein Geschäft hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Es ist wichtig, sagt er, zu wissen, was man transportieren möchte, bevor man ein Rad kauft.

Speaker 9
Der Unterschied ist zum Beispiel, will ich ein einspuriges oder mehrspuriges Fahrrad haben? Das kann man oft am Anfang nicht sagen, beziehungsweise haben wir viele Kundinnen, die sagen, sie wollen ein mehrspuriges Fahrrad, weil sie sich da sicherer fühlen, sind aber noch nie drauf gesessen. Und dann bei der Probefahrt stellt sich dann oft heraus, das Dreirad ist vielleicht doch nicht so wie gedacht, das Einspurige ist vielleicht doch angenehmer zu fahren, weil es einfach näher am Fahrradfahren ist. Mehrspurig kommt halt dann teilweise in Betracht, also es gibt natürlich Menschen, die fühlen sich am Einspurigen nicht so wohl oder ich brauche einfach mehr Platz. Also wenn ich zum Beispiel sage, ab vier Kinder, das geht im Einspurigen eigentlich nicht mehr, da nehme ich dann das Dreirad. Sechs Kinder sind auch kein Problem. Es gibt sogar große Räder aus Holland für Tagesmütter, Kindergruppen, da gehen bis zu acht Kinder rein.

Speaker 5
Ja darf man denn das? Eine Frage an den Rechtsanwalt Johannes Pepelnik. Er ist Spezialist in Fahrradrechtsfragen.

Speaker 10
Am normalen Fahrrad kann ich natürlich nur eine Person mitnehmen. Beim Lastenrad kann ich so viele Personen mitnehmen, wie Sitze in dem jeweiligen Lastenfahrrad sind. Und das kommt auf die Bauart an. Da müsste es halt einen geeigneten Sitz geben und einen Gurt für die jeweilige Person, die ich mitnehme, für das jeweilige Kind.

Speaker 5
Lastenräder, führt das zu einer besonderen Kategorie von Konflikten oder sind es letztlich Konflikte, die halt einfach Radfahrer haben, wenn es um rechtliche Probleme geht?

Speaker 10
Also ich habe in meiner Praxis noch keine speziellen Lastenfahrradunfälle und ich glaube, das liegt daran, dass Menschen, die Kinder transportieren oder Lasten transportieren, denen liegen die Kinder, respektive Lasten, besonders am Herzen. Und es kommt dazu, dass die natürlich von den autofahrenden Verkehrsteilnehmern viel besser gesehen und wahrgenommen werden. Und der dritte Punkt, der eine große Rolle spielt, ist, glaube ich, dass die natürlich langsamer unterwegs sind. Und natürlich ist Geschwindigkeit immer ein Thema. Wenn Annäherungsgeschwindigkeiten langsamer sind, dann sieht man sich und andere besser. Dadurch kommt es zu keinen Konflikten. In der Seestadt Aspern fährt Ferro für DPD,

Speaker 5
den deutschen Paketdienst, die Packerl mit dem Lastenrad aus. Er ist 58 Jahre alt, lebte lange Zeit in Brasilien und hat in den letzten Monaten 6 Kilo abgenommen durch seine Arbeit. Eine Wohltat, wie er sagt. wird erkannt, er winkt, die Leute freuen sich, wenn er jeden Vormittag mit seinem Gefährt vorbeikommt.

Speaker 11
So, ich bin um die 15, schauen wir mal, ob er zuhause ist. Ja bitte. Ja, grüß mich, ich habe ein Paket, welches Stockwerk bitte?

Speaker 12
Dritter Stockwerk.

Speaker 11
Danke. Wind kombiniert mit so Regen, der so peitscht, das ist das einzige, was ich nicht so mag. Aber wenn es so kalt ist, das macht mir nix. Oder wenn es schneit und kalt, macht mir auch nix. Und man gewöhnt sich wirklich an alles. Und das ist Abhärtung pur für den Körper. Ich mag’s gern.

Speaker 13
Wir haben ja Mitarbeiter, die sagen, ich möchte das gerne tun, man muss es wollen, man kann niemanden dazu zwingen. Das würde, glaube ich, nicht so gut funktionieren. Also es muss jemand wollen.

Speaker 5
Rainer Schwarz, er ist Geschäftsführer der DPT Austria. Und wie viele andere Logistikunternehmen auch, experimentiert er in seinem Unternehmen an verschiedenen Standorten an der Optimierung der sogenannten letzten Meile. Das letzte Stück zu den Paketempfängern.

Speaker 13
Also ich denke, der Stellenwert von den Lastenfahrrädern wird in Zukunft steigen. Im Moment, wir haben hier das Lastenfahrrad im Einsatz, haben gute Erfahrungen gemacht und ich denke, das wird einmal viel mehr zum Einsatz kommen, als es heute ist. Nicht nur aus ökologischen Gesichtspunkten, auch aus ökonomischen, weil wir haben hier eine Situation, wo wir uns auch mit einem größeren Fahrzeug viel schwerer tun, die Pakete zuzustellen. Wir testen auch immer andere Konstellationen, also das heißt, das Modell des Lastenfahrers ist unterschiedlich. Wir versuchen auch sozusagen die Routenlogik jedes Mal auszutesten, das heißt, wie groß darf eine Route sein, wie viel Pakete verträgt eine Route, wie gestalte ich die Route, dass ich natürlich am effizientesten unterwegs bin. Also all diese Dinge werden bei diesen Projekten getestet.

Speaker 5
Auch soziale Kosten wie Lärm oder Gestank, Umweltverschmutzung oder Verspätungen werden von den Logistikern zunehmend mit einberechnet. Die Lastenradler in der Seestadt werden mit Elektroantrieb unterstützt. Das ist zwar für die Radlerinnen und Radler angenehm, belastet aber durch die Herstellung von Akkus die Umwelt. Einer der es ohne macht,

Speaker 2
ist Clemens Torkler. Ich fahr schon schnell. Clemens Torkler ist Unternehmer,

Speaker 5
Er fährt von seinem Lager in Wien-Otterkring Kaffee aus. Mit dem Lastenrad, seit zehn Jahren fast. Lastenrad-Natur sozusagen, mit reiner Muskelkraft. Konflikte mit Autos, besonders in den Wiener Außenbezirken, im Kampf um die beste Position im Fluss der Grünen Welle, sind mühsam, sagt Clemens Törkler. Sonst aber spricht er vorwiegend von guten Erfahrungen.

Speaker 2
Lieferwagen kann ich nicht überall abstellen. Mit dem Lastenrad fahre ich eigentlich von Tür zu Tür. Also ich fahre von meinem Lager direkt ins Stiegenhaus von den Kunden rein. Das sind alles so Kosteneinsparungsfaktoren. Ich habe eigentlich nur ein Lager und ein Fahrrad. Und das Fahrrad kostet mich 100 Euro im Jahr vielleicht. Vielleicht, wenn mal Schlimmes passiert. Also ich zahle quasi nur meine Sozialversicherung und mein Lager und den Rest sind schon meine Einnahmen.

Speaker 5
Clemens Torkler gehört mit seinen zehn Jahren Lastenrad-Erfahrung zu den Pionieren. In Österreich hat sich eine Lastenradszene erst in den letzten Jahren entwickelt und da vor allem in den Städten. Das reibungslose Zusammenleben mit den anderen Verkehrsteilnehmern muss sich erst entwickeln. Gesetze über Benützungspflichten von Radstreifen werden derzeit angepasst, ebenso die Möglichkeit in Fußgängerzonen mit Lastenrädern auch außerhalb der Zustellzeiten zu liefern. Die Radler berichten von schönen und von haarsträubenden Erlebnissen, von knapp verfehlten Autotüren, die sich plötzlich geöffnet haben. Und die Autofahrer klagen ohnehin schon länger über die Verhaltensweisen mancher Radfahrer. Einer, der über seine Erfahrungen als Familienlogistiker mit Lastenrad schreibt und berichtet, ist Stefan Renner.

Speaker 14
Für mich ist es ja nicht nur ein Rad, für mich ist es eine Scheibtruhe. Eine Scheibtruhe, die man, wenn man’s braucht, aber auch länger weitertransportieren kann. Und es gibt in Wien eh sehr viele kleine Straßen, die man super fahren kann. von anderen Fußgängern und Fußgängerinnen, da bin ich immer recht freundlich angelacht. Was aber leider auch ein Zeichen ist, dass immer noch eher so ein Kuriosum, “haha, da sitzt ein Kind und schaut süß aus”. Aber die Normalität, die es in anderen Städten ja hat, wo das einfach ganz normaler Einsatz, also mit Verkehrsmitteln von Familien ist, wo man dann auch ignoriert wird, das ist einfach irgendwas. Mir wurscht, ich mach’s ja nicht, dass ich angelacht werde, sondern einfach, dass es mein Leben verbessert.

Speaker 5
Stefan Renner hat lange mit seiner Familie in Brüssel gelebt und gearbeitet. Und er teilt auf seinem Blog “Familienrat.at” seine Erfahrungen. Jetzt teilt er mit uns seinen heutigen Logistikplan mit Lastenrad. Vier Kinder gilt es in den nächsten Stunden im Stadtgebiet zu verteilen.

Speaker 14
“So, es ist kurz vor zwei, wir fahren jetzt rauf und holen den Toni von der Tagesmutter. Mit dem fahren wir dann über den Spielplatz zum Jossi, den holen wir ab vom Kindergarten und fahren dann weiter zur Volksschule. Dort ist der Konrad und mit dem, dem bringen wir dann sein Instrument und mit dem fährt Erdaner Musikschule und wir fahren mit dem Gassi auch hin. Ah, Sturzhörnchen brauch ich noch.

Speaker 3
Schwertransporte auf zwei Rädern. Das Lastenrad im Stadtverkehr. Von Lothar Bodingbauer.