Gedanken eines Wissenschaftsjournalisten

Ich habe mich lange als Kind gefühlt, das dem ausgeliefert ist, was die Erwachsenen so vorhaben. Aber jetzt lebe ich schon 47 Jahre in Österreich und bin selbst erwachsen. Da kann man sich schon mal einen Reim machen und den möchte ich hier teilen: Mein Text zur Informations- und Reflexionsversorgung, vor allem auch am Land.

Wir leisten uns in Österreich ein paar Leute, die hart daran arbeiten, in ihrem Bereich ein hohes Niveau zu fahren, das auch international vergleichbar ist. Zwei von ihnen möchte ich hier – aus meiner Sicht – erwähnen:

1) Andreas Maislinger, Politologe, Gründer des Gedenkdienstes. Mehr als 1000 österreichische Jugendliche konnten dank seiner unentgeltlichen Arbeit im Ausland im Kontakt mit Überlebenden des Holocausts Erinnerungen aufarbeiten, die sonst in den österreichischen Familiensystemen (Täterseite) steckenbleiben würden. Ich weiß, wovon ich rede. Auch in dritter Generation gibt es genug zu tun.

2) Armin Wolf, Journalist, der ein News-Junkie ist und ständig über alles informiert ist, was abgeht. Der seine Messlatte von Journalismus dort reinrammt, wo sie hingehört. In eine Haltung, die Systeme demaskiert. Gute Vorbereitung, klare Benennung der Inhalte, kritische Fragen und eine Entschuldigungskultur bei Fehlern, die sagt „es tut mir leid“, statt „sollte ich jemanden gekränkt haben, dann tut es mir leid“.

Es gibt aber – und das wird oft vergessen – viele Menschen um diese zwei erwähnten Personen herum, die am Niveau ihrer Arbeit beteiligt sind. Die nicht ganz vorne stehen. Gemeinsam bilden sie „konstruktive Systeme“. Ich kenne Menschen und Umgebungen, die durch die Arbeit der beiden profitieren, weil sie geschützt, gefördert und verteidigt werden. Weil sie schlauer werden. Ermächtig werden. Sie be/dienen so gerade auch solche Menschen, die jene gewählt haben, die politisch anderer Meinung sind.

Es gab eine Zeit, da wir noch die selben Inhalte geteilt haben, weil es funktionierende Bezirkszeitungen gegeben hat, Ortsberichterstattung am Land, abseits von Werbung und PR. Sie haben eine Meinungslandschaft gebildet. Es gab sogar am Land Nachrichten, die alle – auch die Menschen in der Stadt – gesehen haben.

Gibt sie noch. Vom ORF. Von ARD und ZDF. Das Land lernt von der Stadt, und umgekehrt, weil ihre Programme im Idealfall das Land abbilden, und Informationen in die Stadt zurücktragen. Ressourcen sind notwendig, alle Bevölkerungsgruppen im Programm erfolgreich abzubilden.

Ohne Ressourcen? Da sorgen Algorithmen und Gratiszeitungen dafür, dass Aufmerksamkeit schamlos auf den übelsten Inhalten aufgebaut wird. Angst als Geschäftsmodell, um Geld damit zu verdienen, auf Kosten derer, die sie vorgeben, mit Informationen und Kontakten zu bedienen.

Ich bin Wissenschaftsjournalist. Podcaster für Bienen. Spreche mit Politiker/innen über Bildung. Ich mache Radiosendungen, zum Beispiel über Moose. Ich bin in meinem Bereich genau so kritisch und kompromisslos, gut vorbereitet und an den Zuhörer/innen orientiert, wie Armin Wolf es in seinen Interviews ist. Ich erkläre im Radio, was passiert, wenn Schnee entsteht, und diese Erklärung wird gut vorbereitet, getestet, überprüft. Ich berichte über „Neophytenbeauftragte“, die Pflanzen ausreißen, sorgsam, und mit viel Bedacht.

Die Versorgung mit kritischen Inhalten (Journalismus) und Prozessen (Gedenkdienst) ist ebenso wichtig, wie die Versorgung eines Landes mit Bildung oder Elektrizität.

Es gibt viele Journalist/innen in Österreich.

Wir alle arbeiten an Inhalten für die Bevölkerung. Wir stellen zusammen, prüfen, liefern. Unsere Produkte versorgen die Menschen mit Inhalten, die Schwächere schützen und Stärkere fordern. Wir hinterfragen als Grundbaustein unser Arbeit, ob das alles stimmen kann, wie wir, wie sie, wie Sie es sagen.

Maislinger und Wolf sollen keine Aushängeschilde sein. Entweder um sie anzuklagen, oder um sie zu loben. Ein Wort an jene, die ihre Arbeit gut finden: Niemand soll sich zurücklehnen, und sie zu sehr loben, weil er dann vergisst, dass er selbst so sein müsste.

Wir alle sind Maislinger und Wolf.

Link: http://www.wissenschaftspodcasts.de