An vielen Schulen gibt es ausgeklügelte Skalen, um negatives Verhalten von Schülern zu beschreiben. Schwieriger ist es, positives Verhalten zu formulieren. Ein Vorschlag hier. Die Illustrationen wurden von Stefan Torreiter gestaltet.

Stufe 0

Du bist anwesend und fällst weiter nicht auf. Weder positiv, noch negativ. Ein ganz normaler Tag in einer ganz normalen Schule.

... sagst Danke und trennst den Müll ...

Stufe 1

Du nimmst aktiv am Unterricht teil, bist aufmerksam und verlässt die Klasse, nachdem du deinen Platz aufgeräumt hast. Du sprichst im Unterricht nachdem du aufzeigst und respektierst die Lernruhe. Du versuchst einen guten Willen zu den Anforderungen des Lebens in der Schule zeigen, auch wenn es dir nicht immer gut gelingt. Du versuchst Termine einzuhalten. Du verwendest das Wort „danke“ und trennst den Müll.

... entschuldigst dich, wenn du verspätet in den Unterricht kommst ...

Stufe 2

Du nimmst aktiv am Unterricht teil und übernimmst Verantwortung. Du bist hilfsbereit. Du bist höflich: du grüßt, und verwendest neben dem Wort „danke“ ebenso gerne das Wort „bitte“. Du entschuldigst dich, wenn du verspätet in den Unterricht kommst und nennst danach den Grund. Du begegnest deinen MitschülerInnen respektvoll und wertschätzend. Du erledigst deine Pflichten und meldest dich rechtzeitig, wenn es dir nicht gelingt, Termine einzuhalten. Du bittest um Hilfe, wenn dir das Verhalten von Stufe 1 nicht gut gelingt.

Stufe 3

Du übernimmst Aufgaben und Ämter und bist tolerant, wenn jemand anders ist. Du trittst positiv und selbstsicher auf und bittest um Hilfe, wenn es dir einmal nicht gelingt. Du begegnest auch deinen Lehrer/innen respektvoll und wertschätzend. Du versuchst, dich nach einem Ideal zu verhalten, das du deinem Alter angemessen selbst aufstellst. Du gehst schonend mit der Umwelt um und isst in der Schulkantine regelmäßig auch grüne und gesunde Sachen. Du bittest um Hilfe, wenn dir das Verhalten von Stufe 2 nicht gut gelingt.

... und rufst die Streithelfer zu Hilfe ...

Stufe 4

Du kümmerst dich um andere. Zeigst Humor und versuchst schlechte Laune in einer geeigneten Weise auszuleben, ohne sie als erste Wahl jemanden anderen umzuhängen. Du löst Konflikte auf eine konstruktive Weise und ziehst die Streithelfer/innen zu Hilfe, wenn das nicht gut gelingt. Du schützt Schwächere und schaffst für andere ein positives Lernklima. Du versuchst, dich nach einem Ideal zu verhalten, das du deinem Alter angemessen selbst aufstellst und deine Umwelt in besonderem Maße einschließt. Du bittest um Hilfe, wenn dir das Verhalten von Stufe 3 nicht gut gelingt.

... organisierst mit im Schulalltag und kannst dich auch zurücknehmen ...

Stufe 5

Du organisierst einen Teilbereich im Schulalltag und übernimmst dadurch in besonderem Maße Verantwortung. Du hast Geduld, wenn einmal etwas nicht so funktioniert, und kannst dich auch zurücknehmen. Du trittst aktiv für die Probleme von Minderheiten ein. Du kannst meist gut mit deinen Grenzen umgehen. Du strengst dich auch bei unangenehmen Aufgaben besonders an. Du bittest um Hilfe, wenn dir das Verhalten von Stufe 4 nicht gut gelingt.

... weist ihn auf Verbesserungsmöglichkeiten hin ...

Stufe 6

Du bist für andere ein Vorbild in einigen ganz persönlichen Bereichen. Du kritisierst den Unterricht in konstruktiver Weise. Erzählst dem Lehrer, wenn dir einmal eine Stunde sehr gut gefallen hast oder weist ihn auf Verbesserungsmöglichkeiten hin. Du kennst sehr gut deine Grenzen der Belastbarkeit und bittest rechtzeitig um Hilfe. Du bittest um Hilfe, wenn dir das Verhalten von Stufe 5 nicht gut gelingt.

... und bist den Jüngeren ein Vorbild ...

Stufe 7

Du entwickelst neue Ideen für eine/deine Schule und setzt sie in Zusammenarbeit mit allen Beteiligen um, indem du Mitschüler organisierst und beispielgebend vorangehst. Du bist für neue SchülerInnen der 1. Klasse ein Vorbild in sehr vielen Bereichen: ja, so möchte ich sein. Du bittest um Hilfe, wenn dir das Verhalten von Stufe 6 nicht gut gelingt.

Hinweise:

An der AHS Rahlgasse in Wien wird eine negative Verhaltensskala schon längere Zeit eingesetzt. Besonders wirksam erscheint der geregelte Interventionsablauf bei Regelverstößen. Die negative Skala hatte aber auch neben einigen anderen, eine ganz besondere Schwäche: das Fehlen des positiven Gegenstücks.

Die Schule (jeder Erwachsene eigentlich) muss Auskunft geben können auf die Frage der Schüler/innen: „Aber wie sollen wir uns denn nun benehmen?“. Wichtig ist dabei nicht eine bloße Aufzählung erwünschter Tätigkeiten oder Fertigkeiten, sondern eine schrittweise Erweiterung der Ebenen.

In die vorgeschlagene positive Skala sind daher zugrunde liegend die Kant‘schen Stufen der Moral eingearbeitet: erst einmal zu wollen reicht durchaus aus, dann zu tun, dann es zur eigenen Maxime zu machen, und dann der kategorische Imperativ als höchste Stufe.

Problematisch erscheint beim obigen Vorschlag, ob ein Kind der 1. Klasse auch schon auf Stufe +7 kommen kann, weil es die Entwicklung eventuell noch nicht zulässt. (Auf die -7, das geht aber jederzeit schon, hier ist also ein Ungleichgewicht) Da wären Verbesserungen des Vorschlags wünschenswert, so dass auch schon zu Beginn der Entwicklung ein hoher Wert erreicht bzw. angestrebt werden kann.

Es ist interessant, die positive und negative Verhaltensskala auf Symmetrien zu prüfen, so wäre ein Disziplinarkomitee auf Stufe +7 abzuhalten, auf dem über den/die betroffene/n Schüler/in viel Gutes berichtet wird, gleichwie beim negativen Disziplinarkomitee jetzt schon viel über Schlechtes gerdet wird. Ebenso interessant wäre die äquivalente Formulierung: „Kontinuierlich gutes Verhalten kann zu einer Einstufung bis inkl. Stufe 6 führen.“ Derartige Überlegungen sind natürlich nicht unbedingt ein- oder umzusetzen, sie führen aber zu interessanten Erkenntnissen. Unter anderem sollte man nicht unbedingt eine „Wall of Fame“ aufhängen, wo Schüler/innen aus den Stufen +6 und +7 öffentlich genannt werden, denn umgekehrt hat man ja auch keinen Pranger für -6 und -7.

Wichtig erscheint in der Formulierung der positiven Stufen die immer wiederkehrende Formulierung: wenn dir das Verhalten von Stufe n nicht gelingt und du um Hilfe bittest, befindest du dich auf Stufe n+1. Das ist ein eindeutiges Signal an die Wertschätzung der Bitte um Unterstützung. Es wäre denkbar, das auch in die negative Skala einzuarbeiten. Besonders in kritischen späteren Situationen kann der schon geübte Ruf um Hilfe gut sein. Wir signalisieren da etwas Bedeutsames.

Die Umsetzung der positiven Verhaltensskala erscheint zunächst einmal eher untergeordneten Stellenwert einzunehmen. Die positive Verhaltensskala ist sicher nichts für Erbsenzähler (die “guten” Erbsen ;=) – auf Seiten der Kinder, Lehrer, Eltern. Die bloße Veröffentlichung schon setzt ein eindeutiges Signal. Es dürften sich bei allen Beteiligten (Schüler/Lehrer/Eltern) konkrete Ideen entwickeln, die man überprüfen müsste und wenn es Freude macht, anwenden kann, aber nur keine Hast.

Konkret wäre denkbar, dass positive und negative Skala durchaus nebeneinander laufen. Schüler in einem Disziplinarkomitee könnten dann durchaus in ihrer Verteidigung zur Stufe -6 eine Stufe +5 entgegenhalten. Oder -3 könnte mit +5 kombiniert sein.

Die Beobachtung, dass recht negativ hoch eingestufte Schüler/innen im Jahr darauf Schulsprecher/innen werden, könnte den paradoxen Charakter verlieren, wenn es eine positive Skala gibt – dort macht es ja wirklich Sinn.